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Kolumne
Suppengrün unter dem Weihnachtsbaum und unter anderen Bäumen
Verschiedene Zutaten aus allen Teilen der Welt machen das Leben spannend und jeder kann sich sein eigenes Süppchen daraus kochen. Nur wird – je nach Zutaten und Würzmischung – die Suppe nicht allen schmecken.
Doris Wyss Journalistin Ringgenberg
Lesezeit: 7 Minuten.
Was, schon wieder ein neues Gesetz, wie man eine Kolumne lesen muss? Ist es überhaupt zu einer Volksabstimmung gekommen? Welche Interessengruppen, Verbände oder einzelne Personen haben diese Volksinitiative lanciert? Waren es Menschen, die unbedingt wollen, dass man schnell und zügig einen Text liest? Oder war es eine hilfesuchende Kolumnenschreiberin, die darauf angewiesen ist, dass möglichst viele Menschen ihre Kolumne lesen, damit sie weiterhin für Magazine schreiben darf und die denkt, sieben Minuten Zeit zum Lesen hat ja fast jeder? Also ich war bei der Lancierung zu diesem Gesetz nicht dabei. Ich weiss, dass jeder sein eigenes Lesetempo hat. Der Eine liest genussvoll, überlegt, und findet dadurch auch Sätze und Gedanken, die zwischen den Zeilen stehen. Der Andere ist ein Querleser und kann sich mit dieser Schnelllesetechnik in kürzester Zeit einen Überblick über den Inhalt des Textes verschaffen. So kochen alle ihr eigenes Lese-Süppchen, so wie es ihnen schmeckt. Ein Gesetz dafür braucht es nicht, weder für die Lesezeit einer Kolumne, noch um eine Suppe zu kochen.
Gut, bei einer Suppe mit Suppengrün ist es schon ideal, wenn man weiss, welches Suppengrün man dafür verwendet und was das Endprodukt sein soll. Will ich einen Fond herstellen, verwende ich das Suppengrün, um dem Fond eine bestimmte Geschmacksnote zu geben. Bei der Suppe esse ich das Gemüse mit und sie nährt mich gut. Der Gemüse-Fond ist immer nur eine Hilfe, um ein Gericht zu verfeinern.
Herr und Frau Muster kochen sehr oft eine mastige Suppe zusammen, am Abend, in ihrem Haus, gegenüber dem Stadtpark. Sie würzen ihre Suppe mit ihren eigenen Zutaten, die sie seit Jahren in ihrem Garten anbauen: Lügen, Hinterlist, Hass, Respektlosigkeit und ungesunder Egoismus. Ihre zwei bald erwachsenen Kinder weigern sich, diese Suppe am Familientisch weiterhin zu essen. Sie haben sich entschieden, ihre eigene Würzmischung zu verwenden und kochen ihre Suppe draussen im Stadtpark, am Lagerfeuer, mit ihren Freunden, die wissen, weshalb Suppengrün für die Welt so wichtig ist: Mit dem Gemüse-Fond, den sie kochen, wollen sie den Menschen helfen, ihr Handeln zu verfeinern und zu sensibilisieren, damit die Erde, die Menschen, die Tiere und die Pflanzen eine Chance haben, zu überleben.
Die Kinder von Herrn und Frau Muster haben letzten Sonntagabend ihren Eltern je einen Teller von ihrer frisch gekochten Gemüsesuppe auf den Küchentisch gestellt. Sie hoffen, dass ihre Eltern ihre Suppe verstehen und essen werden und nicht mehr ihre eigene, selbst- und fremdzerstörende Suppe weiterhin kochen werden. Sie sind überzeugt, dass wenn ihre Eltern es schaffen würden, den Suppentellerrand ins Zentrum ihrer Lebens-Einstellung zu rücken, sie selbst zufriedener wären und ihre Welt und die ihrer Kinder
«Es gibt so viele verschiedene Weisen das Leben auszuhalten, Suppengrün ist dafür nicht das Schlechteste.»
Doris Wyss
eine gute Chance für die Zukunft hätte. Die Kinder haben im Stadtpark ihr eigenes Gemüse für ihre Gemüsesuppen und Fonds angebaut. Lauch, Wirz, Karotten, Sellerie, Pastinaken und Petersilie wächst problemlos in der Schweiz und muss nicht mit dem Flugzeug aus fernen Ländern umweltbelastend zu uns gebracht werden. Hoffen wir zusammen mit unseren Nachkommen, dass das Suppengrün immer den besten Platz unter jedem Weihnachtsbaum und unter jedem anderen Baum haben wird und dies nicht nur in der Schweiz. Und dafür braucht es keinen Hinweis, Lesezeit: 7 Minuten, und schon gar nicht ein Gesetzt. Dinge werden sich immer wieder verändern und wir dürfen den Mut und die Hoffnung deshalb nicht verlieren. Und wenn wir es schaffen, Menschen, die wir lieber hassen würden, zu verstehen, dann tun wir das Beste:
Aus Liebe zu leben!