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Einführung: Äusserst erfolgreiche Überlebenskünstler

VORWORT

WIESO ES DIESES BUCH GIBT

Während Hunderten von Jahren wurden die «Orte» der Alten Eidgenossenschaft von jeweils einigen wenigen Familien regiert. 1798 brach dieser Staatenbund zusammen. Doch im Unterschied etwa zu Frankreich trachtete man den hiesigen Aristokraten nicht nach dem Leben, sondern nahm ihnen «bloss» die Privilegien weg. Sogar ihren Besitz durften sie behalten.

In meinem Buch über den «Adel in der Schweiz», erschienen 2018 im Verlag NZZ Libro, fragte ich mich, was aus diesen Familien geworden ist. Feststellung: Sie sind immer noch da. Und nicht wenige haben es erfolgreich geschafft, ihre oft prächtigen Schlösser und ausgiebigen Ländereien über die Zeit zu erhalten. Wo das Terroir wohlgesinnt war, gehörten dazu oft Rebberge. Auch die sind noch da. Und weil ich ein begeisterter Weintrinker bin, hat mich das neugierig gemacht. Wie viele dieser aristokratischen Rebbergbesitzer gibt es denn noch in der Schweiz, wer sind sie, wie wohnen sie und welches sind ihre Weine?

Wir haben uns auf die Suche gemacht und 36 solcher Familien «entdeckt». Mit «wir» meine ich auch meinen Freund und Mitautor Markus Gisler. Er war Journalist wie ich, ist ein enthusiastischer Weinkenner und ein hervorragender Fotograf. Ich wiederum bin ein Adels- und Schlösserfreak, also eine optimale Kombination.

Während beinahe zwei Jahren haben wir recherchiert, sind in der ganzen Schweiz umhergefahren, vom Thurgau über Basel, Zürich, Bern und Neuenburg nach Genf, von der Waadt ins Wallis und in das Tessin und via das Bündnerland und das Südtirol wieder zurück. Oft haben wir «unsere» Familien und deren Weinmacher, so sie ihre Trauben nicht selber keltern, gleich mehrfach besucht, weil es immer wieder etwas nachzufragen oder nochmals zu fotografieren gab. Ein paar wenige dieser Familien hatte ich schon für mein Adelsbuch besucht. Die entsprechenden Porträts habe ich mit Erlaubnis des NZZ Libro Verlags teilweise übernommen, wofür ich mich freundlichst bedanke.

Unser gemeinsamer Dank gilt indes vor allem unseren «Opfern». Bei allen handelt es sich um Personen, die nicht von öffentlichem Interesse sind. Umso erstaunlicher ist es, dass sie uns grosszügig in ihre privaten Burgen und Schlösser, Palais und Herrenhäuser Einlass gewährten, sich ausgiebig von uns befragen liessen und wir ihre charmante Gastfreundschaft geniessen durften. Und ihre ausgezeichneten Weine, nota bene.

Danken schlussendlich möchten wir der Verlegerin Annette Weber und ihrem Team vom Werd & Weber Verlag. Annette Weber war von unserem Vorhaben von Anfang an begeistert und hat mit Geduld ertragen, dass wir vielleicht nicht stets die einfachsten Autoren waren.

Zürich, im Oktober 2021 Andreas Z’Graggen

Bei einem Glas Wein hatte mir mein Freund Andreas Z’Graggen im Frühjahr 2019 von seiner Idee erzählt, ein Nachfolgebuch zu seinem Werk «Adel in der Schweiz» zu schreiben, und fragte mich, ob ich Interesse hätte, ihn als Fotograf zu begleiten. Spontan sagte ich zu und wir begannen zu planen. Bald zeigte sich, dass das ohne umfangreiche Recherchen und Arbeitsteilung auch beim Schreiben nicht zu machen war. Geschichte begeisterte mich schon immer, und ein Schlüsselerlebnis hatte mein besonderes Interesse geweckt: Per Zufall blätterte ich vor vielen Jahren in einem Zürcher Trödlerladen in einer alten, etwas arg restaurierten Bibel und las darin folgende Fussnote: «Getruckt zu Zürych bey Christoffel Froschower im Jar als man zalt MDLXXX». Es handelte sich um einen sehr späten Nachdruck der berühmten Zwingli-Bibel von 1531. Der günstige Kauf löste intensive Recherchen aus, ich begann mich in die Geschichte der Reformation zu vertiefen. Entsprechend verlockend war Andreas’ Angebot, sich mit alten Familien und deren Schlössern zu beschäftigen, zumal er mich auch mit den Texten zu deren Weinen beauftragte.

Je länger die intensiven Recherchen dauerten und je mehr wir von den Schlossbesitzern erfuhren, desto konkreter zeichnete sich nach und nach das Bild einer extrem vernetzten Oligarchie von einigen hundert Familien, welche die Schweiz seit dem Hochmittelalter und bis zur französischen Revolution regierten. Uns eröffnete sich ein Kaleidoskop von faszinierenden Schlössern, Gütern und Herrenhäusern, wir trafen durchwegs engagierte Önologen und Winzer, die sich mit Haut und Haar um eine Topqualität ihrer Weine bemühten. Kein Wunder: Auf den Etiketten ihrer Weine prangen Schlösser und Familienwappen, also ihre ureigensten Identifikationsmerkmale. Entsprechend setzen sie alles daran, dem Ruf ihrer Familie gerecht zu werden und «Haus und Hof» der nächsten Generation weiterzureichen. Erfreulich ist, dass in den meisten Fällen diese bereits kräftig mitarbeitet.

Die Offenheit, mit der uns die Besitzer dieser privaten Anwesen empfangen haben, hat mich besonders berührt. Natürlich bewohnen sie beeindruckende Häuser, aber immer war auch die Last und Verantwortung spürbar, bewahren zu können, was sie geerbt hatten. Für diese Pflege, welche sie ihren allesamt unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden angedeihen lassen, muss man dankbar sein, denn sie tragen dazu bei, dass einige der schönsten Kulturgüter dieses Landes erhalten bleiben.

Zürich, im Oktober 2021 Markus Gisler

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