Thun Magazin 06/09

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MENSCHEN

Letzte Innenstadt-Metzgerei hat Zukunft Die Metzgerei Muster ist neben einem Metzgerei-Filialbetrieb und einer Pferdemetzgerei das letzte traditionelle Fleischfachgeschäft der Innenstadt. Als Kurt Muster seinen Beruf erlernte, waren es noch zwölf unabhängige Thuner Fachmetzgereien.

Metzgermeister Kurt Muster wie man ihn kennt – in voller Aktion beim Wursten.

Kurt Muster, es macht den Anschein, Sie gehörten zu einem Geschäftsbereich, der vom Aussterben bedroht ist? Wenn man die Situation in der Stadt Thun ansieht, könnte diese Vermutung aufkommen. Zu meiner Lehrzeit im Jahre 1969 waren in der Stadt zwölf Metzgereibetriebe, heute führen wir in der Innenstadt die letzte traditionelle Metzgerei. Doch unser Geschäft hat Zukunft, ich habe keine Angst für uns. Wie weit zurück reicht die Geschichte Ihrer Metzgerei? Im Haus Bälliz 4 wurde im Jahre 1858 die erste Metzgerei eingerichtet. Vor mir waren sieben Metzger hier tätig, übernommen habe ich das Geschäft 1979 vom Schwiegervater Paul Stucki, der es 25 Jahre führte. Den grössten Verdienst hat aber sein Vorgänger Anton Beutler, der trotz lukrativen Angeboten das Haus nicht verkaufte. Ihm fühlen wir uns verpflichtet. Damals spielten Parkplätze vor dem Haus eine weniger grosse Rolle als heute... Keine Parkplätze direkt vor dem Geschäft anbieten zu können, ist sicher ein Nachteil. Noch mehr zu schaffen machte uns die Einführung des Abendverkaufs am Freitag. Der Samstagverkauf ist seither deutlich eingebrochen. Zum Glück gehören nicht nur Privatpersonen zu unseren Kunden. Rund zwei Drittel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit dem Gastgewerbe, mit Kantinen und Altersheimen.

Trotzdem, wie gelingt es Ihnen, Kundschaft in den Laden zu holen, obschon in unmittelbarer Nachbarschaft zwei Grossverteiler Fleisch anbieten? Wir haben Stammkundschaft und leben von Mund-zu-MundPropaganda. Unser Motto lautet: so teuer wie nötig, so günstig wie möglich. Wir achten auf faire Preise bei bestmöglicher Qualität. Unser Sortiment ist sehr gross, neben den Spezialitäten aus der eigenen Schlachtung bieten wir auch Fisch, verschiedenes Geflügel aus der Schweiz sowie die individuell hergestellten Wurststräusse an. Eigene Schlachtung? Wo geschieht das? Im Schlachthof Thun. Seine Erhaltung vor 15 Jahren bedeutete für mich den Kampf meines Lebens. Heute gehört er den Metzgereien im Berner Oberland. Dank ihm können wir unsere Tiere bei den Bauern in der Region einkaufen und von A – Z hier in Thun verarbeiten. Durch unsere regionale Tätigkeit können wir garantieren, dass die Tiere auf kürzestem Weg in den relativ kleinen Schlachthof gelangen. Dort werden die Tiere ohne Stress und Hektik geschlachtet. Sie sehen im Tier mehr als blosses Schlachtgut? Selbstverständlich! Unsere Verantwortung hört nicht nach dem Schlachten auf. Wir geben uns Mühe, möglichst alles vom Tier optimal zu verwerten. Die Tatsache, dass heute rund die Hälfte eines Tieres, aus welchen Gründen auch immer, entsorgt werden muss, bereitet uns grosse Sorgen und ärgert mich persönlich masslos.


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