WBGU Sondergutachten: Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation

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Empfehlungen 3.5

schränkungen, aber auch kulturellen Zwängen) muss zur Unterstützung von Veränderung ebenso viel Aufmerksamkeit gewidmet werden wie den individuellen Freiheitsgraden und Gelegenheitsfenstern für Veränderung. Strukturfokussierte Top-down-Strategien (wie Regulierungen, Anreize) sollten insbesondere dort ansetzen, wo die größtmögliche Wirkung auf die Reduktion des Ressourcen- bzw. Energiekonsums erwartet wird (in Nordwesteuropa wären dies etwa die Lebensbereiche Mobilität oder Raumwärme). Um bestehende Potenziale zur Entwicklung bewusst solidarischer Lebensstile zu nutzen, sollten die G20-Staaten neben solchen Top-down-Ansätzen auch Bottom-up-Prozesse in den sogenannten „öko-affinen Milieus“ unterstützen. Auch wenn deren ökologischer Fußabdruck meist noch recht groß ist, haben diese Milieus oft die Mittel, beispielsweise durch strategischen Konsum oder durch gezieltes Divestment wirksam zu werden. In diesem Sinne sollten die G20-Regierungen „Pioniere des Wandels“ (WBGU, 2011) und die von ihnen angeregten und verbreiteten sozial-ökologischen Innovationen unterstützen (z.   B. Akteure der Collaborative Economy, Ökodörfer und Transition Towns; WBGU, 2014a).

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3.5 Empfehlungen >> Um schnell genug die Transformationen einzuleiten, die notwendig sind um den Klimawandel deutlich unter 2  °C zu begrenzen und die Ziele der Agenda 2030 umzusetzen, empfiehlt der WBGU den G20-Staaten die Umsetzung folgender Maßnahmen: >> Die G20-Staaten sollten ihre vorliegenden (I)NDCs im Hinblick auf die Vereinbarungen in Paris überarbeiten, zur Umsetzung Dekarbonisierungsstrategien entwickeln und sich dabei an den dekadischen Schritten des Klimaschutzfahrplans orientieren, in dem bis 2050 die weltweiten Emissionen auf Null gesenkt werden. Als erster Schritt muss ein Emissionsscheitelpunkt erreicht werden, dazu sollten u.  a. Subventionen fossiler Energieträger in der G20 bis 2020 abgeschafft werden. >> Mit der Etablierung von Zukunftsfonds (transformativen Staatsfonds) sollten die G20-Staaten auf den Finanzmärkten stärker als Akteur aktiv werden, mit dem Ziel, einen sozialverträglichen Strukturwandel hin zu einem nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem voranzutreiben. Die Zukunftsfonds sollten (1) durch die Bepreisung aktueller und historischer CO2-Emissionen gefüllt werden. Sie sollten (2) die Mittel im Sinne des Klimaschutzes und der SDGs anlegen und die Eigentumsrechte dahingehend einsetzen und (3) die Dividenden für gemeinwohl- und gerechtigkeitsorientierte Zwecke verwenden. Um nicht erst den Aufbau des Fonds abzuwarten sondern bei der Schaffung nachhaltiger Infrastruktur sofort tätig werden zu können, sollte ein Teil der Einnahmen aus CO2-Steuer und Emissionshandel direkt projekt-

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basiert investiert oder für die Mobilisierung privater Investitionen (z.  B. durch Ausfallversicherungen) verwendet werden. Ein weiterer Teil sollte direkt in die internationale Klimakooperation fließen und Entwicklungsländern zu Gute kommen. Um die für die Transformation notwendige ­Lenkungswirkung zu erzeugen und die notwendigen Mittel für die Zukunftsfonds zu generieren, sollten die G20-Staaten dort, wo dies noch nicht geschehen ist, für CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern und industriellen Prozessen eine Bepreisung durch CO2-Steuern oder Emissionshandelssysteme einführen. Sie sollten sicherstellen, dass die Höhe der Bepreisung am Kohlenstoffgehalt der Energieträger orientiert ist und die für notwendig erachteten Mindestpreise von 30 US-$ pro t CO2 bis 2020 – und einer Verdopplung in jeder folgenden Dekade – erreicht werden. Für die Finanzierung der transformativen Zukunftsfonds empfiehlt der WBGU den G20-Staaten außerdem die Einführung einer Generationenkomponente in Form einer progressiven Nachlasssteuer (Besteuerung des Gesamtnachlasses anstatt des Anteils der einzelnen Erben). Die Steuer sollte so ausgestaltet werden, dass 10–20  % des nationalen Erbschaftsund Schenkungsvolumens für die Finanzierung des Zukunftsfonds zur Verfügung stehen. Zur Umsetzung der Transformation sollten die G20-Staaten regulatorische Top-down-Strategien ebenso wie wissens- und motivationsbezogene Bottom-up-Ansätze berücksichtigen. Zudem sollten die G20-Regierungen in stärkerem Maße „Pioniere des Wandels“ (WBGU, 2011) und die von ihnen angeregten und verbreiteten sozial-ökologischen Innovationen unterstützen. Die G20-Staaten sollten die zunehmende Verantwortungsbereitschaft der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft, die sich insbesondere beim Klimaschutz (WBGU, 2014a) zeigt, nutzen und eine breit greifende „transformative literacy“ der Bürgerinnen fördern. Die G20-Staaten sollten der Staatsaufgabe Umweltund Klimaschutz eine dem bereits vorhandenen verfassungsrechtlichen Rang entsprechende Priorität einräumen und sie wirksam instrumentell ­unterfüttern. Die Bundesregierung und die G20-Staaten sollten darauf hinwirken, dass im neu zu erstellenden IPCCSonderbericht zu 1,5  °C ein breites Spektrum an Vermeidungsszenarien (mit und ohne negativen Emissionen sowie mit und ohne disruptivem technologischen Wandel) zum Einsatz kommt, um ein ausgewogenes Verhältnis an Lösungen aufzuzeigen und die Möglichkeiten und Vorteile von disruptivem Wandel zu betonen.

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