Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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Renaturierung: Landbasierte CO2-Entfernung synergistisch gestalten  3.1

der WBGU im Folgenden eine solche Mehrgewinn­ strategie vertiefter.

3.1.3 Mehrgewinnstrategie „Renaturierung ­degradierter terrestrischer Ökosysteme“ Unter den verschiedenen, teils in Entwicklung befindlichen Ansätzen zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist die Renaturierung degradierter Ökosysteme wie etwa von Wäldern, Graslandschaften oder Mooren nicht nur bereits heute verfügbar und erprobt. Sie ist, insbesondere im Hinblick auf das Trilemma der Landnutzung, auch vergleichsweise risikoarm und relativ kostengünstig. Renaturierung hat darüber hinaus nicht nur die Schaffung von Senken für CO2 im Blick, sondern eher deren Grenzen. Einen großskaligen Entzug von CO2 aus der Atmosphäre, wie er in manchen Klimaschutzszenarien ausgewiesen wird und insbesondere bei weiterer Verzögerung der Reduktion globaler CO2Emissionen notwendig würde (Kap. 3.1.1), kann die Renaturierung nicht leisten. Renaturierung ist vielmehr a priori auf ein Bündel von Mehrgewinnen im Sinne der Wiederherstellung oder Stärkung von Ökosystemleistungen (Kap. 2) ausgerichtet, von denen die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre einen Teil darstellt. Daher schlägt der WBGU Renaturierung als einen ökosystembasierten Ansatz vor, der insbesondere durch seine Mehrgewinne und geringen Risiken überzeugt. Die Realisierung dieser möglichen Mehrgewinne von Rena-

turierung hängt aber davon ab, dass verstärkte Anstrengungen zur Renaturierung mit erheblich gesteigerten Anstrengungen zur Reduktion der globalen CO2-Emissionen begleitet werden. Das synergistische Potenzial von Renaturierungsmaßnahmen hat eine herausragende Bedeutung für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, was sich in der anstehenden UN-Dekade (2021– 2030) zu diesem Thema widerspiegelt. Die Renaturierung degradierter Ökosysteme ist zudem elementarer Bestandteil der Aichi Ziele 14 und 15 der CBD und ist auch als Konzept in der UNCCD, der UNFCCC, der ­Ramsar-Konvention sowie den SDGs (Ziele 15 zu Ökosystemen, 15.3 zu Land Degradation Neutrality, sowie den Zielen zu Armut, Nahrungssicherheit, Gesundheit, Wasser und Sanitärinfrastruktur) verankert.

3.1.3.1 Renaturierung als Strategie zur Revitalisierung von Ökosystemfunktionen Renaturierung ist eine Maßnahme zur substanziellen Erholung bzw. Wiederherstellung eines ursprünglich vorhandenen Ökosystems, das degradiert oder zerstört worden ist (Gann et al., 2019). Mit Renaturierung ist keine Rückkehr zu einem wie auch immer gearteten Uroder Idealzustand gemeint. Vielmehr geht es darum, den Umgang mit terrestrischen Ökosystemen sinnvoll auszugestalten und in nachhaltigen Grenzen zu halten sowie gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz und Klimaanpassung zu leisten (IPBES, 2019a). Die Renaturierung degradierter Ökosysteme kann

WAREN & DIENSTLEISTUNGEN

WÄLDER

EINKOMMEN

NAHRUNG

Nicht-Holzprodukte

Saubere Luft Medikamente

Buschfleisch, Wild

Mückenbekämpfung

Süßwasser- und Küstenfisch

Feuerbekämpfung

Futtermittel

Erholung

Erosionskontrolle

Vorsorge gegen Schlammlawinen

Bewässerung

SICHERHEIT

Schutz gegenüber Überflutung

Niederschlagsmuster

Abfederung von Tsunamis und Flutwellen

Bestäubung

Kohlenstoffbindung

Weniger Verschlammung von Stauseen ENERGIE

GESUNDHEIT

Tourismus

Brennholz und Holzkohle

ENTWICKLUNG

Sauberes Trinkwasser

Holzprodukte

Biodiversität GLOBALE GEMEINGÜTER Niederschlagsmuster

WAREN & DIENSTLEISTUNGEN Abbildung 3.1-3 Beiträge von Wäldern zu Entwicklung und menschlichem Wohlbefinden. Quelle: Hanson et al., 2019

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