Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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2  Land als Schlüssel zur Nachhaltigkeit – ein systemischer Blick

Klimaschutz

Biodiversitätserhaltung

Ernährungssicherung

Abbildung 2.2-1 Das „Trilemma der Landnutzung“: Klimaschutz, Ernährungssicherung und Erhaltung biologischer Vielfalt treten heute bereits in Konkurrenz zueinander, während sich Landdegradation auf alle drei Aspekte kurz- oder langfristig negativ auswirkt. Die Umkehr der Trends der zunehmenden Zerstörung terrestrischer Ökosysteme und der Landdegradation ist daher ein sine qua non für die Überwindung dieser Konkurrenzen. Quelle: WBGU, Grafik Ellery Studio

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zung“ (Abb. 2.2-1). Weitere Nachfrage, etwa für Siedlungs- und Verkehrsfläche oder aus der Bioökonomie, verschärft diese Konkurrenzen. Der WBGU wählt den Begriff „Trilemma“ weil es auf den ersten Blick scheint, als könne jeweils eine dieser Krisen nur auf Kosten der anderen beiden bewältigt werden. So scheinen wir uns vielfach entscheiden zu müssen – zwischen einer Ausweitung der Agrarflächen und der Ausweitung von Schutzgebieten, zwischen der Produktion von Futtermitteln und der Schaffung von Kohlenstoffspeichern, zwischen dem Schutz naturnaher Flächen und der verstärkten Nutzung von Biomasse. Hier Lösungen zu finden, ist ein bestimmender Faktor für einen nachhaltigen Umgang mit Land. Die globale Landoberfläche ist begrenzt, ebenso wie die Biomasse, die durch die Ökosysteme produziert werden kann. Der Mensch nutzt derzeit etwa ein Viertel der potenziellen terrestrischen Nettoprimärproduktion für seine Belange wie Nahrung, Futtermittel, Faserstoffe, Holz und Energie (IPCC, 2019b:  5; Krausmann et al., 2013). Eine unbegrenzte Expansion der Nutzung ist ganz offensichtlich nicht möglich, es muss also darum gehen, die verschiedenen wachsenden Ansprüche miteinander in Einklang zu bringen und, wo nötig, zu priorisieren. Dies beinhaltet auch, dass die Treiber dieser Nutzungsansprüche in den Blick genommen werden müssen, um Möglichkeiten der Reduktion

von ­Nutzungen sichtbar zu machen. Die folgenden Abschnitte beleuchten zunächst die drei Krisen und ihre systemische Verknüpfung, bevor in Kapitel 2.3 eine positive Vision für den Umgang mit Land entwickelt wird.

2.2.1 Die Klimakrise Trotz der politischen Einigung in Paris 2015 schreitet der anthropogene Klimawandel unvermindert voran. Die letzte Dekade war die wärmste Dekade seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Jahre 2015 bis 2019 waren die fünf wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung liegt im globalen Mittel derzeit bei 1,1  °C (WMO, 2019). Der 2018 erschienene Sonderbericht „1,5  °C Globale Erwärmung“ des Weltklimarats zeigt unmissverständlich, dass die Folgen und Risiken des Klimawandels zwischen 1,5  °C und 2  °C bereits deutlich zunehmen und bei einem darüber hinaus gehenden Temperaturanstieg weiter stark steigen (IPCC, 2018). Dabei kann es zum Überschreiten sogenannter Kipppunkte kommen, jenseits derer deutliche Systemänderungen auftreten, die auch bei einer Absenkung der Temperatur nicht mehr reversibel wären – z.  B. das Abschmelzen des grönlän-


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