Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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Gestaltender Staat: Rahmenbedingungen für den solidarischen Umgang mit Land schaffen  4.2

4.2 Gestaltender Staat: Rahmenbedingungen für den solidarischen Umgang mit Land schaffen Der Gestaltungsspielraum für Pionier*innen des Wandels (Kap. 4.1) und den Umgang mit Land insgesamt wird durch wirksame staatliche Maßnahmen und Entscheidungen auf Governanceverschiedenen Ebenen bestimmt: auf der lokalen bzw. kommunalen Ebene, auf Ebene der Bundesländer bzw. Regionen sowie auf der nationalen, supranationalen und internationalen Ebene. Die Herausforderung für Staaten und ihre Akteure besteht darin, ein konsistentes System unterschiedlicher Instrumente zu entwickeln, um eine Landwende zu unterstützen und Blockaden abzubauen. Ansatzpunkte für staatliche Rahmensetzungen (Abb. 4.2-1), die einen nachhaltigen Umgang mit Land fördern, sind vielfältig und umfassen insbesondere die Schaffung hinreichend starker Preissignale bzw. finanzieller Anreize gegen die Beeinträchtigung oder Zerstörung und für die Erhaltung von Ökosystemen (Kap. 4.2.1), Nachhaltigkeitsstandards in Form freiwilliger oder verpflichtender Zertifizierungen bis hin zu gesetzlichen Ge- oder Verboten (Kap. 4.2.2) sowie plaplanung nerische Ansätze von Raumordnung und -­ (Kap. 4.2.3). Indikatoren und Monitoring, die den Umgang mit Land und biogenen Produkten sowie die Umsetzung der wichtigsten landbezogenen Strategien erfassen, bieten dafür grundlegende Daten und Orientierung (Kap. 4.2.4). Alle diese Instrumente sind grundsätzlich bekannt und es gibt bereits heute eine Vielzahl partieller Regulierungen und Anreize (auch aus nicht staatlichen Initiativen) auf verschiedenen GovernanceEbenen, die in einzelnen Ländern, etwa gerichtet auf bestimmte Sektoren wie den Landwirtschaftssektor, oder einzelne Nutzungen spezieller Arten von Biomasse Anwendung finden. Bei der Ausgestaltung eines konsistenten und wirksamen Governance-Systems ergeben sich jedoch wenigstens drei übergreifende Herausforderungen (Kap. 4.2.5): (1) Die Reichweite über Sektoren und verschiedene Flächen und Nutzungsarten hinweg sollte erhöht, (2) einzelne Instrumente dabei aufeinander abgestimmt sowie (3) administrative und planerische Hürden beseitigt werden, um Ausweichreaktionen der Akteure und dadurch bedingte kontraproduktive Verlagerungen zwischen Flächen und Sektoren zu vermeiden und die Nutzung von Synergien einer multifunkti-

onalen Landnutzung zu fördern (Kap. 4.2.5.1). Aufgrund außenwirtschaftlicher Beziehungen und grenzüberschreitender Ökosysteme ist darüber hinaus eine internationale Harmonisierung von Rahmenbedingungen und Zielen im nachhaltigen Umgang mit Land erforderlich (Kap. 4.2.5.2). Sozioökonomische Verteilungswirkungen veränderter Landnutzungsmöglichkeiten und Rahmensetzungen sollten dabei ebenfalls berücksichtigt werden (Kap. 4.2.5.3), um Barrieren einer Transformation hin zu einem nachhaltigen Umgang mit Land zu reduzieren und diesen langfristig zu stabilisieren. Staaten nehmen nicht nur als Gestalter von Rahmenbedingungen, sondern auch als Eigentümer großer Flächen und als große Ressourcenverbraucher (z.  B. als Bauherren) unmittelbaren Einfluss auf die Nutzung von Land und Ökosystemen. Neben den in diesem Kapitel ausgeführten Rahmenbedingungen sollten Staaten eine Vorbildfunktion für einen nachhaltigen Umgang mit Land erfüllen.

4.2.1 Nachhaltiges Verhalten belohnen, Umweltschäden bepreisen: Anreiz- und Preisinstrumente Preisinstrumente wie Steuern, Abgaben oder Subventionen setzen gezielt finanzielle Anreize, entweder um Verhaltensweisen und Produkte zu belasten, die Kosten für die Allgemeinheit verursachen und nicht im Einklang mit Nachhaltigkeitszielen stehen, oder um solche Verhaltensweisen zu fördern, die zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen beitragen. Auch im Kontext der Landnutzung ist der Grundgedanke dabei stets, Kosten und Werte zu internalisieren, die privatwirtschaftliche Akteure ansonsten – wegen des Gemeingutcharakters von Ökosystemen und vieler Ökosystemleistungen – nicht oder nur unzureichend in ihren (wirtschaftlichen) Entscheidungen berücksichtigen würden. Auch Instrumente wie ein Handel mit Verschmutzungsrechten (etwa im europäischen Emissionshandelssystem) oder Verpflichtungen, Eingriffe in Ökosysteme durch Schutzmaßnahmen andernorts oder finanzielle Beiträge auszugleichen (Offsetting), schaffen wirtschaftliche Anreize für einzelne Akteure, die ökologischen Wirkungen ihrer Entscheidungen zu berücksichtigen Teytelboym, 2019). Nachhaltigere Verhaltensweisen (­ und Produkte werden damit relativ zu weniger nachhaltigen Alternativen günstiger und damit auch aus privater Perspektive attraktiver. Wie die Mehrgewinnstrategien in Kapitel 3 zeigen, finden sich bereits heute Beispiele für den Einsatz von Preis- und Anreizinstrumenten im Landkontext auf verschiedenen Ebenen oder sind für die Zukunft denk-

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