Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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Landwirtschaftssysteme diversifizieren  3.3 Kasten 3.3-6

Kurzübersicht: Komponenten der Mehrgewinnstrategien für diversifizierte Landwirtschaftssysteme 1. Agrarökologie als Metakonzept 2. Klimasmarte Landwirtschaft als Metakonzept 3. Agroforstwirtschaft 4. Agrophotovoltaik 5. Aquaponik

duktionsmethoden und kultureller Traditionen (FAO, 2017d). Im Zentrum stehen hierbei die lokalen Akteure mit ihren Erfahrungen, Beobachtungen und Überzeugungen. Ihr Wissensfundus sollte durch gemeinsame Erprobung und Experimentieren, durch neue Erkenntnisse und Managementmethoden ergänzt werden, die wiederum wissenschaftlich fundiert und gemeinsam weiterentwickelt werden, so wie es die Bewegung der Agrarökologie bereits praktiziert. Die im Folgenden vorgestellten landwirtschaftlichen Produktionssysteme können an verschiedene Standorte angepasst und – mit der Nutzung verschiedener nutzbarer Sorten und Arten – jeweils mit spezifischen lokalen bzw. indigenen Produktionsmethoden sowie Kulturtraditionen kombiniert werden. Dies stärkt lokale Gemeinschaften bei der Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen (Kremen und Merenlender, 2018). Alle in Tabelle 3.3-2 gezeigten Landwirtschaftssysteme bergen zudem ein hohes transformatives Potenzial, können die Ausgangssituation hinsichtlich des Trilemmas aus Ernährungssicherung, Biodiversitätserhaltung und ­Klimaschutz deutlich verbessern und sind somit wertvolle Komponenten der vorgestellten Mehrgewinnstrategien. Einige Komponenten beziehen sich dabei nur auf Einzelmaßnahmen, wie z.  B. alternative Düngemittel oder ressourcensparende Bewässerungsmethoden, die jeweils in bestehende Produktionssysteme zu integrieren wären.

3.3.2.6 Komponenten der Mehrgewinnstrategien Folgend werden 15 multifunktionale landwirtschaftliche Produktionssysteme, die dahinterstehenden Konzepte sowie einzelne Techniken zur Umsetzung vorgestellt (Kurzübersicht in Kasten 3.3-6). Diese Komponenten der in diesem Kapitel 3.3 vorgestellten Mehrgewinnstrategien können – jeweils in unterschiedlichen Modi – sowohl in Industrieländern im Sinne einer Ökologisierung, als auch in Entwicklungsländern im Sinne einer nachhaltigen Intensivierung umgesetzt werden. Tabelle 3.3-2 bietet eine umfassende Detailübersicht

6. Biokohle 7. Klimaschonende Bio- und Depotdünger 8. Klimaschonender Ökolandbau 9. (Boden-)konservierende Landwirtschaft 10. Ökologische Intensivierung – Beispiel Reis 11. Anbau vergessener und unternutzter Kulturarten 12. Paludikultur – Landwirtschaft auf Moorböden 13. Permakultur als multifunktionales Gartenbausystem 14. Nachhaltige Präzisionslandwirtschaft 15. (Peri-)urbane Landwirtschaft

einer Auswahl dieser Systeme mit grober Potenzial­ abschätzung. Zwar schafft nicht jedes System Mehrgewinne in Bezug auf alle Dimensionen des Trilemmas der Landnutzung (Kap. 2.2), doch werden immer mindestens zwei Dimensionen positiv und keine negativ beeinflusst. Die Bewertung des Potenzials zur Reduktion von THG-Emissionen ist teilweise abhängig von der Ebene, von der aus sie betrachtet wird.

Komponente 1: Agrarökologie als Metakonzept Agrarökologie ist sowohl ein Wissenschaftszweig als auch eine Bewegung mit dem Ziel einer Transformation des gesamten Ernährungssystems. Sie stellt somit mehr als ein Methodenkasten dar und ist eher ein Metakonzept. Die Agrarökologie verbindet die soziale mit der ökologischen Dimension und will traditionelles, lokales Wissen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen transund interdisziplinär verknüpfen. Als Gegenbild zur industriellen oder konventionellen Landwirtschaft zielt Agrarökologie auf kleinbäuerliche, diversifizierte Landwirtschaftssysteme und setzt auf eine Optimierung der Nährstoffkreisläufe und Ökosystemleistungen, ähnlich wie der ökologische Landbau. Die vor Ort verfügbaren Ressourcen (Sonne, Wasser und Boden, Arten- und Sortenvielfalt) und das Wissen der Menschen und Gemeinschaften über ihr Zusammenspiel leisten praktische Beiträge zur Problemlösung (FAO, 2020e; IAASTD, 2009). Agrarökologie arbeitet ohne Zertifizierung oder Verbote und unterscheidet sich hier vom ökologischen Landbau. Dies macht das Konzept attraktiv (auch für die Konsumenten, da Produkte nicht notwendigerweise teurer sind) und flexibel (auch für die Produzenten), weil diese konventionelle Inputs einsetzen dürfen, wenn es sich für sie lohnt oder wenn sie mit naturnahen Methoden nicht weiter kommen. Doch schafft diese Konstellation ohne Kontrollen natürlich auch Gefahren für ein „greenwashing“. Als Gegenbild und Alternative zur industriellen Landwirtschaft in den 1970er und 1980er Jahren begründet, wurde die Agrarökologie in den 1990er Jahren zur weltweiten Bewegung, vorangetrieben

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