Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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3  Mehrgewinnstrategien für einen nachhaltigen Umgang mit Land

die Reisterrassen in Asien, zählen zum Weltkulturerbe und sind Orte der Inspiration für L­ iteratur, Malerei und Musik.

3.3.2.2 Ökologisierung der industriellen Landwirtschaft in der EU Anknüpfend an die EU-spezifischen Problemfelder (Kap. 3.3.1) und auf Basis der acht Grundsätze bedarf es in der EU einer Strategie der systematischen, konsequenten Ökologisierung der industriellen Landwirtschaft. Diese umfasst eine möglichst rasche Diversifizierung der stark auf externe Inputs (zugekaufter Dünger, Futtermittel usw.) angewiesenen Produktion hin zu multifunktionalen Anbausystemen (wie Ökolandbau, Agroforstwirtschaft, Agrophotovoltaik oder Präzisionslandwirtschaft). Außerdem sollten Düngemittelund Pestizideinsatz deutlich reduziert sowie biodiversitätsverträglichere Lösungen und kreislauforientierte Systeme eingesetzt werden.

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Vorteile der Ökologisierung industrieller Landwirtschaft Die positiven Auswirkungen einer Ökologisierung der industriellen Landwirtschaft auf Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherung sind zahlreich und wissenschaftlich belegt (Kap. 3.3.2). So fördert eine Ökologisierung die Erhaltung der Biodiversität, steigert die Bestäubung und reduziert Krankheitserreger und Schädlinge (Lampkin et al., 2015; Tscharntke et al., 2005). Äcker mit Ökolandbau weisen zudem rund 30  % mehr Biodiversität auf als diejenigen konventioneller Betriebe (Wissenschaftlicher Beirat des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln des BMEL, 2019). Durch agrarökologische Praktiken können der Bedarf an synthetischen Pestiziden, einer der Hauptgründe für den Biodiversitätsverlust (IPBES, 2019b), gesenkt (Gurr et al., 2016) und die Bodenfruchtbarkeit erhöht werden (Stein– Bachinger et al., 2020). Mehr Biodiversität in der Landwirtschaft wirkt sich zudem positiv auf angrenzende Schutzgebiete aus (Häkkilä et al., 2017). Generell hilft Ökologisierung, landwirtschaftliche Flächen mit hohem Naturwert zu schützen (BfN, 2017). Die Ökologisierung der Landwirtschaft steigert zudem die Resilienz gegenüber Klimaänderungen (Tscharntke et al., 2011). Eine effektivere Nutzung von Düngemitteln reduziert den Nährstoffeintrag in Böden und umliegende Gewässer und trägt zum Klimaschutz bei, indem sie die kohlenstoffsequestrierende Bodenmikrobiota erhält (Sutton et al., 2011). Durch diversifizierte Landwirtschaftssysteme (z.  B. Agroforstsysteme) wird die CO2-Aufnahme gefördert. Die Stärkung der Multifunktionalität einiger Systeme kann zudem

die Flächeneffizienz erhöhen (Weselek et al., 2019). Derzeit gewinnt der Ökolandbau als besonders ressourcenschonendes, umweltverträgliches Produktionssystem an Boden. Im Zeitraum 2000–2015 hat sich der globale Markt für ökologisch angebaute Erzeugnisse mehr als vervierfacht (Lernoud und Willer, 2018). Die deutsche Bundesregierung will bis 2030 den Anteil der ökologischen Anbaufläche auf 20  % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche ausweiten (BMEL, 2019c). Die Farm-to-Fork-Strategie des European Green Deal zielt auf den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 25  % der EU-Agrarfläche (EEAC, 2020). Auch für die verbleibenden 75  % konventionellindustriell bewirtschafteten Fläche in der EU würde die Ökologisierung Änderungen mit sich bringen: Die Farm-to-Fork-Strategie soll den Einsatz von Pestiziden um 50  % und von Düngemitteln um mindestens 20  % bis 2030 senken, dazu den Umsatz mit antimikrobiellen Mitteln (u.  a. Antibiotika) für Nutztiere um 50  % (EEAC, B. 2020). Bei der Reduktion der Inputs können z.   Ansätze der Präzisionslandwirtschaft helfen, da sie Potenziale für eine ökologische Intensivierung bieten, also für Ertragssteigerung bei gleichzeitiger Eindämmung der Umweltschäden (WBGU, 2019b).

Lösung agrarwirtschaftlicher Landnutzungsprobleme durch Ökologisierung Inwiefern eine verstärkte Ökologisierung die akuten Probleme der agrarwirtschaftlichen Landnutzung lösen kann, hängt jeweils von den eingesetzten Systemen und Methoden ab. So bietet der Ökolandbau erhebliche Potenziale, die Biodiversität zu erhöhen, Kreisläufe zu schließen sowie zur Ernährungssicherung beizutragen. Außerdem stellt er hohe Anforderungen an Tierschutz und Tierhaltung. In der EU wachsen Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft für ökologisch erzeugte Nahrungsmittel. Doch hat der Ökolandbau aufgrund der geringeren Erträge (im Plantagenbau -5  %, im Ackerbau -25  %; Seufert et al., 2012; Rahmann und Oppermann, 2010) einen ähnlich hohen, in manchen Fällen sogar einen leicht höheren CO2-Fußabdruck pro kg erzeugter Nahrungsmittel als industrielle Landwirtschaft. Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß für alle Treibhausgasemissionen, die im Lebenszyklus eines Produkts anfallen (Hoekstra und Wiedmann, 2014; Kap. 3.3.2.5). Die geringeren Erträge werden u.  a. durch die höhere Kohlenstoffsequestrierung, die in den CO2-Fußabdruck nicht mit eingeht, teilweise oder ganz kompensiert. Ökologisch bewirtschaftete Böden weisen einen um 10  % höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff und eine um 256 kg C pro ha höhere jährliche Kohlenstoffspeicherungsrate auf (Kasten 3.3-11). Aus diesen Durchschnittswerten ergibt sich eine kumulierte Klima-


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