Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

Page 151

Landwirtschaftssysteme diversifizieren  3.3

Im Ergebnis hat das Greening vor allem den Zwischenfrucht- und Leguminosenanbau gesteigert; die ökologischen Defizite der Kulturlandschaft lassen sich dadurch allerdings nicht beheben (Hampicke, 2018). So wurde zwar die Bodenfruchtbarkeit durch Leguminosenanbau etwas gefördert, aber keine diversifizierte Produktionsstruktur im eigentlichen Sinne. Auch kommt die Prüfung des europäischen Rechnungshofs zur ökologischen Wirksamkeit des G ­ reenings zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Maßnahmen Umweltund Klimaschutz kaum verbessern (EuRH, 2017). In fünf Mitgliedstaaten haben die Maßnahmen nur auf 5   % der landwirtschaftlichen Flächen zu positiven Veränderungen geführt, da die meisten Landwirte (65  %) ihre Praktiken nicht ändern mussten, um die Greening-Zahlungen zu erhalten. Das Greening bleibt somit nur ein weiteres Instrument der Einkommensstützung und erhöht zudem die Komplexität der GAP. Auch fehlt es an konkreten Zielen für die Bewertung der Greening-Maßnahmen (EuRH, 2017). Zudem wird kritisiert, dass die GAP keine abschreckenden Sanktionen gegen Landwirte verhängt, die gegen Umweltgesetze verstoßen, sondern nur die Subventionen kürzt. Seit 2017 können Regierungen der Mitgliedstaaten zusätzlich zur Subventionskürzung auch verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängen. Allerdings zeigt das Beispiel der Düngeverordnung in Deutschland zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie (EU, 1991), dass es erhebliche Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Vorgaben gibt.

Die GAP nach 2020 Trotz der Reformbemühungen steht die GAP also weiter in der Kritik, da sich die Umweltindikatoren fortgesetzt verschlechtern (Pe’er et al., 2019; Simoncini et al., 2019). So schlägt die EU für die GAP nach 2020 neun Ziele vor, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte vereinen (EU-Kommission, 2018c, d, e). Zur Ausrichtung der GAP auf diese Umwelt- und Klimaschutzziele sind drei Politikinstrumente vorgesehen (Abb. 3.3-2): (1) die verpflichtenden bereits bekannten Cross-Compliance-Maßnahmen, die an die Direktzahlungen gebunden sind und zudem einige modifizierte Elemente der ehemaligen Greening-Maßnahmen enthalten

das Dauergrünland geht zurück. Über 70   % der ­Grünlandflächen in Mitteleuropa wurden in den letzten 50 Jahren auf intensive Bewirtschaftung umgestellt (Rose et al., 2012). Die Nutztierproduktion wurde in der industriellen Landwirtschaft fast vollständig von der Pflanzenproduktion, d.  h. von der Betriebsfläche, entkoppelt (Naylor et al., 2005) und die Erzeugung von Getreide (inklusive Mais) wurde immer stärker von der Produktion für die menschliche Ernährung hin zur ­Futtermittelproduktion verschoben (Pingali, 2015). So werden heute fast zwei Drittel der weltweiten Mais­ produktion als Viehfutter verwendet und nur 13  % der menschlichen Ernährung zugeführt (OECD, 2019).

Fehlentwicklungen in der industriellen Landwirtschaft und im Ernährungssystem > Konzentrationsprozesse: Die weltweiten Konzentrationsprozesse in der industriellen Nahrungsmittel-

(„Konditionalität“), (2) freiwillige neue sogenannte „EcoSchemes“ (­Öko-Regelungen) der Ersten Säule, die im Wesentlichen das Greening ersetzen, und (3) freiwillige umwelt- und klimaschutzrelevante Regelungen der Zweiten Säule (WBAE, 2019). Neben diesen drei Politikinstrumenten ist ein „neues Umsetzungsmodell“ vorgesehen, das die Aufgabe der Implementierung konkreter Maßnahmen stärker auf die Mitgliedstaaten verlagert und ihnen mehr Gestaltungsspielraum gewährt. Die EU gibt dann nur noch Ziele und grobe Interventionskategorien vor. So soll die GAP einfacher, flexibler und zielorientierter umsetzbar werden. Für die Ausgestaltung der Maßnahmen erstellt jeder Mitgliedstaat einen nationalen Strategieplan, der zur Genehmigung der EU-Kommission vorzulegen ist. An dieser Neugestaltung der GAP nach 2020 wird z.  B. kritisiert, dass das neue Umsetzungsmodell den Mitgliedstaaten zu viel Gestaltungsraum gebe. Staaten könnten so auch weiterhin eine Einkommenspolitik verfolgen, weil sie den höheren Verwaltungsaufwand einer Implementation umwelt- oder klimarelevanter Maßnahmen scheuen, es ihnen an Ressourcen und Personal fehlt, oder sie keine Notwendigkeit sehen. Stattdessen sollte die EU nach Ansicht des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz den Mitgliedstaaten konkrete ergebnisorientierte Indikatoren vorgeben (WBAE, 2019). Die auf Freiwilligkeit beruhenden Zielsetzungen der GAP nach 2020 orientieren sich in ihrer Neuausrichtung an der Farm-to-Fork-Strategie, die die EU-Kommission im Rahmen des European Green Deal vorgelegt hat. Bis 2030 sollen die Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide und der Einsatz gefährlicher Pestizide halbiert, der Düngemitteleinsatz um mindestens 20  % verringert sowie der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht halbiert werden. Darüber hinaus soll der ökologische Landbau in der EU auf 25  % der landwirtschaftlichen Fläche bis 2030 ausgeweitet werden (EU-­ Kommission, 2020d). Aus Sicht des WBGU sind diese Zielsetzungen zwar wünschenswert, aber dennoch problematisch, da es sich um freiwillige Selbstverpflichtungen handelt.

produktion, der Nahrungsmittelverarbeitung und im Nahrungsmittelhandel sind Trends, die einer Entschärfung des Trilemmas der Landnutzung entgegenstehen. In den vergangenen Dekaden hat in der globalen Agrarindustrie eine starke Konzentration auf wenige Betriebe stattgefunden, beispielsweise dominieren vier Agrarkonzerne den Weltmarkt mit Saatgut und Pestiziden (Fröndhoff, 2018). Auch im Ernährungssektor findet eine zunehmende Unternehmenskonzentration statt (IAASTD, 2009; Kap. 3.4.1). Im Jahr 1999 gab es z.  B. in Deutschland acht große Handelsketten, die 70   % der Gesamtumsätze im Lebensmitteleinzelhandel ausmachten. Durch Übernahmen hat sich diese Zahl mittlerweile auf vier große Unternehmen (Edeka, Rewe, Schwarz-Gruppe und Aldi) reduziert, die 75–95  % der Gesamtumsätze auf sich vereinen (Bundeskartellamt, 2014). Die Beteiligung führender Handelsunternehmen an Einkaufs-

127


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.