Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration

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3  Mehrgewinnstrategien für einen nachhaltigen Umgang mit Land

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Plans (derzeit die „Aichi-Biodiversitätsziele“, ab 2021 die entsprechenden Post-2020-Ziele; CBD, 2020) kann dies als übergreifendes, multilateral anerkanntes Zielbild für den Umgang mit der Natur gelten. Exemplarisch seien hier drei der 20 Aichi-Ziele genannt, die entweder im konkreten Bezug zu Ökosystemschutz stehen oder zur Finanzierung (CBD, 2010a): > Das Aichi-Ziel 5 bezieht sich auf die Reduktion der Treiber: „Bis 2020 ist die Verlustrate aller natürlichen Lebensräume einschließlich Wäldern ­mindestens um die Hälfte und, soweit möglich, auf nahe Null reduziert und die Verschlechterung und Fragmentierung erheblich verringert.“ Die Umsetzung dieses Ziels ist eine große Herausforderung, wie Abbildung 3.2-1 veranschaulicht, und wird weit verfehlt werden (SCBD, 2020:  52ff.). Umso wichtiger ist eine Betrachtung der Barrieren und Akteure, die bei der Eindämmung der Treiber eine Rolle spielen (Kap. 3.2.3.4). > Das Aichi-Ziel 11 bezieht sich auf Schutzgebietssysteme und nennt sowohl Quantitätsziele (konkrete Flächenziele) als auch Qualitätskriterien: „Bis 2020 sind mindestens 17 % der Land- und Binnenwassergebiete und 10 % der Küsten- und Meeresge­ biete, insbesondere Gebiete von besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt und für die Ökosystemleistungen, durch effektiv und gerecht gemanagte, ökologisch repräsentative und gut vernetzte Schutzgebietssysteme und andere wirksame gebiets­ bezogene Erhaltungsmaßnahmen geschützt und in die umgebende (terrestrische/marine) Landschaft integriert.“ Die Zielerreichung für Schutzgebietssysteme und die notwendige Anhebung der Ziele werden in Kapitel 3.2.3.3 gesondert betrachtet. > Im Aichi-Ziel 20 wird vereinbart, bis 2020 die Mobilisierung finanzieller Ressourcen wesentlich zu steigern. Der Plan betont, dass die Umsetzung in Entwicklungsländern von den finanziellen Beiträgen der Industrieländer abhängt und weist die Globale Umweltfazilität (Global Enviroment Facility, GEF) als Finanzierungsmechanismus der CBD an, adäquate, rechtzeitige und vorhersehbare finanzielle Unterstützung zu leisten. Das Ziel wurde nur zum Teil erreicht; der Ausweitung der Naturschutzfinanzierung stehen nach wie vor erhebliche Subventionen gegenüber, die Biodiversität schädigen (SCBD, 2020:  44, 120). Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UNGA, 2015) stützt sich in ihrer Zielformulierung auch auf die Arbeit der CBD. Für den Schutz terrestrischer Ökosysteme besonders relevant ist das SDG 15: „Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Desertifikation bekämpfen, Bodendegradation been­

den und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen“, das u.  a. das Ziel setzt, bis 2020 den Schutz, die Renaturierung und die nachhaltige Nutzung terrestrischer Ökosysteme und ihrer Leistungen zu sichern. Auch in der Agenda 2030 gibt es ein Finanzierungsziel: „15.a: Finanzielle Mittel aus allen Quellen für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme aufbringen und deutlich erhöhen“. Übergreifend ist festzustellen, dass die globale Zielsetzung bei Ökosystem- und Biodiversitätsschutz differenziert und angemessen ist, aber die Zielerreichung sehr unbefriedigend bleibt. Schon die Ziele des ersten Strategischen Plans der Biodiversitätskonvention (2002–2010; CBD, 2002) wurden verfehlt, und auch bei der Umsetzung des aktuellen Strategischen Plans (2010–2020; CBD, 2010a) wurde auf globaler Ebene keines der 20 Ziele vollständig und lediglich sechs der Ziele teilweise erreicht (SCBD, 2020; Kap. 3.2.3.3). Die Trends sind trotz der bisherigen Maßnahmen weiterhin für Biodiversität und die weitaus meisten Ökosystemleistungen negativ (IPBES, 2019a: Ch. 2.3.6; IPBES, 2019b:  14). Die Ziele können in Business-as-usual-Szenarien nicht erreicht werden, und weitere Szenarienanalysen zeigen, dass die Natur und ihre Beiträge für die Menschen ohne einen transformativen Kurswechsel drastisch degradieren werden (Díaz et al., 2019). Die Ausrufung einer „UN-Dekade für Ökosystemrenaturierung“ (2021–2030; Kap. 3.1) direkt anschließend an die „UN-Dekade biologische Vielfalt“ (2011–2020) macht deutlich, dass erheblich stärkere Bemühungen erforderlich sind, um die Vision der CBD eines Lebens in Harmonie mit der Natur zu verwirklichen. Die aktuelle Diskussion um ein Apex-Ziel der CBD wird im ­Kasten 4.4-3 aufgegriffen.

3.2.3 Die Ausweitung und Aufwertung von Schutzgebietssystemen als Mehrgewinnstrategie Schutzgebietssysteme können zu allen drei Dimensionen des Trilemmas (Kap. 2.2) beitragen, werden daher in diesem Kapitel 3.2 als Mehrgewinnstrategie behandelt und danach exemplarisch auf drei Schwerpunktthemen fokussiert: die Leistungen der IPLCs für den Öko3.2.3.5), die Integration von systemschutz (Kap.  Schutzgebietssystemen in die Landschaft (Kap. 3.2.3.6) sowie die Finanzierung von Schutzgebietssystemen (Kap. 3.2.3.7). Diese Mehrgewinnstrategie ist eingebettet in den größeren Kontext einer Transformation zur Nachhaltigkeit (WBGU, 2011). Der Begriff „transformative change“ spielt daher eine zunehmend wichtige Rolle in


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