Nachhaltigkeit im Zeitalter der Digitalisierung
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Der WBGU betrachtet das Thema Digitalisierung aus einer Nachhaltigkeitsperspektive, die sich explizit auf das Fundament einer kritisch reflektierten Aufklärung und die Achtung der Menschenwürde bezieht. Er schlägt einen „normativen Kompass“ vor, dessen Dimensionen erstens die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, zweitens Teilhabe sowie drittens Eigenart umfassen. Die menschliche Würde ist expliziter Ausgangspunkt und Zielbild des normativen Kompasses, da sie im Digitalen Zeitalter besondere Brisanz erhält und ihr Schutz eine zentrale Gestaltungsaufgabe darstellt.
2.1 Ein umfassendes Transformationsverständnis muss den Megatrend Digitalisierung in den Blick nehmen Im Jahr 2015 bereiteten zwei bedeutende Weltkonferenzen den Weg zur Großen Transformation zur Nachhaltigkeit. In New York wurden in der Agenda 2030 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs; Kasten 2.1-1) vereinbart und in Paris das verbindliche Ziel festgelegt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Beide Abkommen, die Agenda 2030 und das Übereinkommen von Paris, definieren ein klares Zielsystem und schaffen die Grundlage für einen weltumspannenden Transformationsprozess. Ausgehend von dem Erfordernis, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, versteht der WBGU die Große Transformation zur Nachhaltigkeit als einen beide Zielsysteme integrierenden globalen Modernisierungsprozess hin zu einer klimaverträglichen Gesellschaft (WBGU, 2011; WBGU, 2016b). Im Verständnis des WBGU sind Ziele einer jeden Transformation die Grundlage für weitere tiefgreifende gesellschaftliche Debatten. Wandel findet als gesamtgesellschaftlicher Lern- und Suchprozess statt, den Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, Bürger*innen und Konsument*innen mitgestalten. Der
WBGU betrachtet gesellschaftliche Partizipation und den breiten Diskurs zwischen allen Akteuren als Voraussetzungen für eine demokratisch legitimierte Transformation. Ohne gemeinsam (weiter)entwickelte Leitbilder, die die Zukunft neu beschreiben, und ohne eine Verständigung über normative Grundlagen kann es keine gestaltete Große Transformation geben (WBGU, 2011). Zur Orientierung in den komplexen Transformationsprozessen hat der WBGU einen normativen Kompass als Leitbild für die Große Transformation zur Nachhaltigkeit vorgeschlagen (WBGU, 2016a). Dieser berücksichtigt neben der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Teilhabe auch Diversität und Gestaltungsfreiräume als grundlegende Bedingungen für ein Transformationsgeschehen, was unter dem Begriff „Eigenart“ gefasst wird (Kap. 2.2). Schnelle technologische und soziokulturelle Veränderungen im Zuge der Digitalisierung können diese normative Basis stark beeinflussen. Digitale Lösungen verändern bereits jetzt grundlegend gesellschaftliche Systeme wie Arbeit oder die Informations- und Wissensverbreitung. Dennoch wird die Digitalisierung im Zusammenhang mit der Großen Transformation kaum berücksichtigt, in den SDGs kommt sie nur am Rande vor. Der WBGU betrachtet im vorliegenden Gutachten nicht nur die Auswirkungen der Digitalisierung auf die „Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen“, sondern
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