WBGU Hauptgutachten: Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte

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2 Urbanisierung im globalen Kontext am stärksten präferierte Option

Abbildung 2.3-12 Reduzieren (reduce) Wiederverwenden (reuse) Recyceln (recycle)

Abfallvermeidung

Hierarchie der Abfallbehandlungsoptionen aus Nachhaltigkeitssicht. Quelle: Hoornweg und Bhada-Tata, 2012: 27

Rückgewinnen (recover) (z. B. Kompostierung)

geordnete Deponie (z. B. mit Abdichtung)

Verbrennung

(mit Energierückgewinnung)

Abfallentsorgung

ungeordnete Deponie (z. B. ohne Abdichtung)

am wenigsten präferierte Option

informellen Wirtschaft; etwa 15 Mio. Menschen finden dort Arbeit (UN-Habitat, 2013a; Abb. 2.3-10). Dort werden Wertstoffe – oft unter riskanten und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen – mit einfachen Techniken aus dem Abfallstrom geholt und recycelt (Kasten 5.3-2). Diese Arbeit wird in der Regel von den ärmsten Bevölkerungsschichten geleistet, deren Gesundheit dadurch erheblich gefährdet wird (UNEP, 2012b: 175). Hier finden sich Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Lebensbedingungen bei gleichzeitigem Ausbau eines effektiven Recyclingsystems (ISWA, 2012). Durch die immer engere Integration der Städte in die globale Wirtschaft ist Abfall längst zum internationalen Handelsgut geworden; z. B. werden Schiffe in Indien abgewrackt und es wird in stark zunehmender Menge Elektronikmüll nach Afrika exportiert (z. B. Accra: Bullinger und Röthlein, 2012: 221). In Kapitel 4.4.3 wird näher auf das besonders kritische Thema Elektroschrott eingegangen. Auch für Sekundärrohstoffe aus Recycling (z. B. Papier, sortenreines Plastik) gibt es einen Weltmarkt. Der Wert der gehandelten Metalle aus Schrott und Recycling sowie von Papier und Pappe beträgt mindestens 30 Mrd. US-$ pro Jahr (Hoornweg und Bhada-Tata, 2012: 27). China hat 2010 mehr als 7,4 Mio. t Plastikabfall, 28 Mio. t Altpapier und 5,8 Mio. t Schrott importiert (ISWA, 2012).

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Umweltprobleme durch städtischen Abfall Insbesondere das völlige Fehlen von Abfallinfrastruktur, vor allem also Sammlung und Abtransport, hat erhebliche negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Die Entsorgung fester Abfälle geschieht in den meisten Regionen auf Deponien außerhalb oder am Rande der Städte. Solche Deponien verfügen häufig über keine besonderen Schutzvorkehrungen und führen zur Kontamination von Oberflächengewässern oder Grundwasser (Hoornweg und Bhada-Tata, 2012: 25 ff.). Ein Umweltproblem mit Fernwirkung sind die Emissi-

onen von CO2 und Methan aus den Deponien, die im Jahr 2010 etwa 3 % zu den gesamten globalen Treibhausgasemissionen beigetragen haben (Kap. 2.3.3.1; IPCC, 2014c: 385). In vielen Städten in Entwicklungsund Schwellenländern ist es üblich, das Müllaufkommen durch dezentrale Verbrennung zu reduzieren, etwa durch offene Feuer am Straßenrand oder auf Deponien (Kasten 5.3-2). Der Rauch und die Verbrennungsgase sind stark gesundheitsgefährdend (Kap. 4.5.4.3; UNEP, 2012b: 184). Auch wenn der Abfall in Müllverbrennungsanlagen mit unzureichenden Umweltstandards thermisch verwertet wird, können Luftverschmutzung und toxische Stoffe in den Abgasen und der Asche zu Umweltproblemen führen. Nicht zuletzt gelangen als Folge unzureichender Abfallbehandlung Millionen Tonnen Plastikabfall in die Meere und schädigen die marine Umwelt (Kap. 2.3.3.3; WBGU, 2013).

Optionen beim Umgang mit Abfall Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu einer zumindest elementaren Abfallentsorgungsinfrastruktur hat, wie z. B. regelmäßige Sammlung und kontrollierte Deponien (ISWA, 2012). Etwa 70 % des global eingesammelten Siedlungsanfalls werden deponiert, 11 % werden verbrannt und die restlichen 19 % werden recycelt, kompostiert oder anders verwertet (ISWA, 2012). In der Regel werden die drei Methoden in unterschiedlichen Anteilen kombiniert. Deponien können enorme Ausmaße erreichen: Die mittlerweile geschlossene Deponie Fresh Kills auf Staten Island, in der täglich bis zu 17.000 t Abfall aus New York City eingelagert wurden, bedeckt heute 890 ha und gilt als die größte jemals von Menschenhand geschaffene Struktur (Benton-Short und Short, 2013: 384). Selbst innerhalb der OECD wird etwa dreimal so viel Abfall in geordneten Deponien mit Grundwasserbarrieren oder in Müllverbrennungsanlagen entsorgt, als recycelt wird. Auch in Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es Recycling, bei dem von Hand


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