Vorwort In Zeiten der Globalisierung wird, so heißt es, die Welt zum Dorf – und umgekehrt könnte man sagen, dass sich unser Blick weitet, dass wir die Regionen der Welt mit dem Bewusstsein des globalen Zusammenhangs in den Blick nehmen. Dies gilt auch für den historischen Blick ›zurück‹. Die Altertumswissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten ihren Horizont erweitert und ein Verständnis für die ›globalen‹ Zusammenhänge der antiken Welt, die mehr war als nur die griechisch-römische Mittelmeerwelt, geschaffen. Die Peripherien der großen Zentren, die indigenen Völker, die alten Großreiche kamen wieder in den Blick, ebenso die ›Dunklen Jahrhunderte‹ und die Spätantike. Generell ist darüber hinaus auch ein gewachsenes Bewusstsein für die geographische Dimension historischer Vorgänge zu konstatieren.
Neue Konzeption Diesen Entwicklungen will der neue Historische Atlas der antiken Welt Rechnung tragen. Er betritt damit in mehrfacher Hinsicht Neuland. 1. Allein der Umfang des Unternehmens – mit 161 farbigen Haupt- und 44 Nebenkarten – ermöglicht eine in dieser Breite, Differenzierung und Erschließungsintensität neue kartographische Darstellung der Antike vom 3. Jahrtausend v. Chr. (Alter Orient) bis ins 15. Jahrhundert n. Chr. (Byzantinisches Reich). 2. Ein besonderes Anliegen des Atlas im einleitend genannten Sinn ist es, einen Schwerpunkt auf die Hochkulturen des Alten Orients zu legen und damit Völker, Reiche und Epochen ins Licht zu rücken, die wieder stärker in den Fokus der Alten Geschichte gelangt sind. Zugleich soll damit der Blick für die Voraussetzungen der Entstehung der klassischen Antike (als ehemaliger Randkultur der orientalischen Reiche) und die kontinuierlichen Wechselwirkungen zwischen Westen und Osten geschärft werden. Auch andere traditionell eher vernachlässigte Themen wie einerseits die Frühzeit im ägäischen Raum sowie im zentralen und im westlichen Mittelmeer und andererseits die Spätantike werden hier ausführlicher behandelt. 3. Das Kartenwerk präsentiert nicht allein politisch-militärische Ereignisgeschichte, sondern thematisiert auch Entwicklungen beispielsweise in der Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte, der Religions- und Kulturgeschichte. So widmen sich mehrere Seiten den antiken Weltvorstellungen und Fernerkundungen; die Entstehung, Veränderung und Verwaltung der römischen Provinzen wird in etlichen Karten ausführlich dargestellt; Handelswege und Wirtschaftsbeziehungen, Sprachen und Kulturen finden ihre kartographische Präsentation. 4. Die Karten selbst wollen mehr sein als bloßes visuelles Endresultat der Auflistung historischer Fakten. Sie dynamisieren die historischen Gegebenheiten mit ihrer spezifischen Kartensprache. Sie hierarchisieren die verschiedenen Ebenen der historischen Aussage, pointieren dadurch die Kernpunkte und bieten darüber hinaus vielfache Zusatzinformationen. Die Überlegenheit der nur im (Karten-) Bild möglichen Simultandarstellung von komplexen historischen Gegebenheiten und Prozessen wird in der Kartographie dieses Atlas deutlich. 5. Neu ist auch die doppelseitige Darstellung mit Karte und komplementärem Kommentar auf der gegenüberliegenden Seite. Die Kommentarseite ergänzt die Karte durch knappe Erläuterungen zu den historischen Hintergründen und zur Kartenkonzeption, durch allgemeine Angaben zu den Quellen der historischen Information, durch vertiefende oder ergänzende Nebenkarten, durch tabellarische Faktendarstellung sowie durch den Nachweis von Quellen und Literatur.
Zielgruppen Diese Konzeption soll den Atlas für unterschiedliche Gruppen attraktiv machen: Einerseits ist er in Lehre und Forschung in den Altertumswissenschaften einsetzbar, da er auf den aktuellen wissenschaftlichen Daten basiert und diese präsentiert. Andererseits sind die Karten – auch durch die leserorientierte Kommentierung – für schulische Zwecke einsetzbar und allgemein für historisch Interessierte gut lesbar.
V
Vorwort Voraussetzungen
Damit ein Kartenwerk dieses Ausmaßes entstehen kann, braucht es günstige Voraussetzungen. Diese waren gegeben durch die Enzyklopädie der Antike Der Neue Pauly, als deren Supplementband der Historische Atlas der antiken Welt erscheint. Die Karten des Neuen Pauly sind in Forschung, Lehre und Schule überaus positiv aufgenommen worden. Es lag daher nahe, an dieser Kartenkonzeption anzuknüpfen. Alle drei Hauptautoren des Atlas sind bereits maßgeblich an der Entstehung der Karten im Neuen Pauly beteiligt gewesen. Die Nutzer des Atlas werden daher immer wieder auf die Substanz der PaulyKarten stoßen; tatsächlich gehen etwa 60 % der Karten des Atlas auf den Neuen Pauly zurück, die anderen sind Neuentwicklungen. Die meisten Pauly-Karten wurden zu Farbkarten umgestaltet, in ein großzügigeres Atlasformat gebracht und, zu einem beträchtlichen Teil, im Zuge neuer Akzentsetzungen überarbeitet. Ein für die Erstellung bzw. Bearbeitung der Karten unerlässliches Hilfsmittel war der von R.J.A. Talbert herausgegebene topographische Barrington Atlas of the Greek and Roman World (2000). Herrscherdaten wurden im Wesentlichen nach dem Supplementband 1 des Neuen Pauly, W. Eder/J. Renger, Herrscherchronologien (2003) angegeben, wie überhaupt die Artikel des Neuen Pauly immer wieder die Grundlage von Kommentartexten bilden.
Die Autoren Die drei für das Gesamtwerk zeichnenden Autoren hatten folgende Zuständigkeiten: Anne-Maria Wittke (Althistorikerin an der Universität Tübingen) verantwortet die Karten von den frühen Hochkulturen bis zum Hellenismus. Sie erarbeitete außerdem, mit technischer Unterstützung durch Richard Szydlak, das Register. Eckart Olshausen (Althistoriker an der Universität Stuttgart) hat die meisten Karten aus dem Bereich der klassischen römischen Antike bis ans Ende der Byzantinischen Geschichte konzipiert. Richard Szydlak (Kartograph an der Universität Tübingen) hatte die kartographische Gesamtbearbeitung inne. Der intensive Kommunikationsprozess zwischen Historiker und Kartograph hat erst die besondere Qualität der Karten im oben genannten Sinn ermöglicht. Insofern ist der Kartograph für uns genuin Karten(mit-)autor. Weitere Fachwissenschaftler haben als Neuautoren oder aber als Autoren der ursprünglichen DNP-Karten zum Atlas beigetragen; das Autorenverzeichnis S. IV und S. 274 f. gibt darüber Auskunft.
Danksagungen Großer Dank gebührt Vera Sauer, die an der Neukonzeption der Karten und der Erstellung der Kommentare aus dem Bereich von E. Olshausen mitgewirkt hat, ebenso an der Schlussbearbeitung des Registers und bei allen Stadien der Drucklegung. – Durch die Redaktion nahezu aller Karten und Kommentare hat Susanne Fischer dem Atlas große Dienste erwiesen. – Selbiges gilt für Christian Winkle, der an der Redaktion der Karten und Kommentare aus dem Bereich von E. Olshausen erheblichen Anteil hat. Dankbar sind die Autoren Oliver Schütze für die umsichtige und geduldige Wahrnehmung der Lektoratsaufgaben, Thomas Schäfer, dem Direktor des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen, an dem das Projekt in Kooperation mit dem Historischen Institut der Universität Stuttgart angesiedelt war, vielen Kolleginnen und Kollegen, besonders aber Walter Eder für bereitwillig gewährten fachkundigen Rat. Schließlich sei auch Bernd Lutz als Initiator und Johannes Kunsemüller sowie Günter Schweitzer (†) als langjährigen Unterstützern des Projekts im Verlag gedankt.
Anne-Maria Wittke, Eckart Olshausen, Richard Szydlak
Oktober 2007