Hohenems

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HOHEN EMS DIETMAR WALSER

MICHAEL KÖHLMEIER REINHOLD BILGERI GABRIELE BÖSCH HANNO LOEWY BASTIAN KRESSER


Stadtansichten, Kultur, Essen und Trinken, Pump ihn auf! Das sind nur einige der Themenschwerpunkte und Überschriften, unter denen eine bunte Vielfalt an Bildern über die Stadt Hohenems zusammengefasst ist. Die Stadt zwischen Schlossberg und dem Alten Rhein hat aufgrund ihrer langen Geschichte, die bis in das Mittelalter zurückgeht, eine reichhaltige Entwicklung hinter sich. Mitten im Vorarlberger Rheintal, am Rand der Alpen und in der Nähe des ­Bodensees gelegen, bietet der Ort und seine Umgebung eine Fülle von Ansichten und landschaftlichen Reizen. Textessays von in Hohenems lebenden und in Hohenems aufgewachsenen Autoren vermitteln das subjektive Empfinden der einzelnen Personen in Zusammenhang mit der Stadt. So schreibt z. B. Michael Köhlmeier über das Zusammenleben verschiedener Kulturen in Hohenems und Reinhold Bilgeri über sein Erwachsenwerden am Alten Rhein in den Siebzigern. Die für dieses Buch verwendeten Bilder sind großteils in den letzten Jahren entstanden und geben einen ­aktuellen Eindruck der Stadt wieder. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr handelt es sich bei den Motiven um ­Momentaufnahmen, die mit den Jahren zu einem spannenden Zeitdokument werden könnten.



„Hohenems - Häuser und Passanten“ Bervor Sie die Bilder im meinem Buch über die Stadt Hohenems anschauen, ein Hinweis auf eine für 2013 geplannte Neuerscheinung. Schauen Sie doch mal rein, wenn Sie Zeit haben und verfolgen Sie die Entstehung von „Hohenems - Häuser und Passanten“. http://haeuser.walser-image.com/

Und jetzt viel Vergnügen!



Herausgeber Dietmar Walser, Hohenems Fotografie und Bildtexte Dietmar Walser, Hohenems Lektorat Dr. Norbert Peter, Hohenems Dr. Helmut Scheben, Zürich Mitarbeit Herwig Bitsche, Erich Wiener, Günter Ninol, Doris Streatfeild, Martin Stock, Andrea Thaler, Wolfgang Brändle, Jürgen Karu, Christoph Luger, Burkhart Häfele, Berno Häfele Sponsoring Pfanner Schutzbekleidung GmbH Meier Verpackungen GmbH Tectum Flachdach- u. Fassadensysteme GmbH Grabher, Der Baumeister GmbH Collini GmbH Erich Aberer, Zahntechnik Stadt Hohenems Raiffeisenbank Druck Thurnher Druckerei GmbH, Rankweil © 2011 Dietmar Walser, Hohenems Alle Rechte vorbehalten Dieses Buch wurde mit größter Sorgfalt erarbeitet. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Dem Herausgeber und den Autoren ist es nicht möglich für Nachteile oder Schäden, die aus den Hinweisen resultieren, eine Haftung zu übernehmen.

www. walser-image.com

Titelbild: Jüdisches Viertel in Hohenems, Pfarrkirche St. Karl Borromäus, Fähnele.


HOHEN EMS DIETMAR WALSER

mit Texten von:

MICHAEL KÖHLMEIER REINHOLD BILGERI GABRIELE BÖSCH HANNO LOEWY BASTIAN KRESSER


Stadtansichten Eine bildliche Einf端hrung in Situation und Lage


Grenzstadt Hohenems liegt nicht nur an der Grenze zur Schweiz, sondern trennt auch das Vorarlberger Ober- und Unterland. Vom Aussichtspunkt „Gsätzle“ hat man den besten Blick auf die Stadt. Auf der anderen Seite des Rheintals erheben sich die Schweizer Berge und Hügel der Säntisgruppe und des Appenzell.



G채stehaus der Emser Grafen Heute beherbergt das Haus die Stadtverwaltung. Urspr체nglich war der vom italienischen Architekten Martino Longhi geplante Bau Teil der weitl채ufigen Gartenanlagen des Renaissance-Palastes.


Einst Stadt mit zwei Kulturen Beim Gasthof Engelburg treffen die ehemalige Israelitengasse und die frühere Christengasse aufeinander. So existierte in Hohenems neben der christlichen auch eine große jüdische Gemeinde mit Synagoge und eigenem Schulhaus. Ende des 19. Jahrhunderts begann sich diese aufzulösen und fand nach 300 Jahren während des Nationalsozialismus ihr gewaltsames Ende.




Ecke Marktstraße-Mondscheingasse Die Bäckerei Mathis, bekannt für ihre Salzstängel, und die Galerie R-Haus lassen den sonst vielfach noch im Verborgenen liegenden Charme der Marktstraße erkennen.



Ruhe nach dem Sturm Starker Regen hat den Emsbach innerhalb kurzer Zeit bedrohlich anschwellen lassen und den Schlossplatz menschenleer gefegt. Das „Kuglaweatter“ ist ein bekanntes und gefürchtetes Wetterphänomen mit heftigen Niederschlägen im Bereich der Hohen Kugel.


Neue Wertigkeit Seit kurzem verkehrsberuhigt, kehrt Leben in die Innenstadt von Hohenems zurück. Der „Löwen“, die Marktstraße und die Pfarrkirche St. Karl Borromäus.




Spätgotik in Emsreute Zumindest Teile dieses Bauernhauses im Bergweiler Emsreute weisen spätgotischen Charakter auf. Mittels Dendrochronologie, dem Vergleich der Jahresringe zweier Hölzer, konnte ein Baudatum um 1554 ermittelt werden.



Entschärfung Die Hohenemser Kurve des Rheins verursachte Jahrhunderte hindurch schwere Überschwemmungen. Seit 1923 ist der Rhein begradigt und die Hochwassergefahr auch für Hohenems gebannt. Die Auen des Alten Rheins sind heute ein beliebtes Naherholungsgebiet für die umliegenden Gemeinden.


Die Hohenemser Ringparabel von Michael Köhlmeier

Bald nachdem Hohenems das Stadtrecht erhalten hatte, besuchte mich ein deutscher Kollege, der damals in Los Angeles lebte und Drehbücher schrieb. Ich stieg mit ihm auf den Schlossberg, wo wir gemeinsam die Ruine abschritten und wo ich ihm erklärte, wie von diesem schroffen Schrofen aus ein ganzes Land – tatsächlich soweit das Auge reicht – beherrscht werden konnte; wir wanderten zum Gsohl, von wo wir frühstückend aufs Rheintal blickten; ich führte ihn am Alten Rhein entlang bis Lustenau und gab Heroengeschichten aus meiner Kindheit und Jugend zum Besten, Geschichten von den sagenhaften Nikolussibrüdern, von der sagenhaften Texasbar, vom sagenhaften Walter Batruel, der den Blues nicht nach Hohenems gebracht, sondern ihn hier neu erfunden hat; wir schlichen uns in den Palast, und ich flüsterte ihm zu, was ich über den Bau und dessen Besitzer und seine Ahnen wusste, und schilderte ihm, wie der Herr Graf auch heute noch bei Regenwetter sonntags, ohne nass zu werden, in die Kirche gelangt; ich spazierte mit ihm durch die Straßen unserer Stadt und über die Schillerallee; und selbstverständlich zeigte ich ihm auch das Judenviertel, das damals noch ziemlich viel zu wünschen übrig ließ, deutlich sichtbar mehr als heute. Ich berichtete ihm aus der Historie dieses Viertels, von den Menschen, die hier gelebt hatten, und zeigte ihm die Häuser, die diese Geschichte illustrieren – das ehemalige Armenhaus, die Villa Rosenthal, das Elkanhaus, die ehemalige jüdische Schule, die Heimann-Rosenthal-Villa und die ehemalige Synagoge, in der damals noch die Feuerwehr untergebracht war. „Und wie ging das zwischen Juden und Christen?“ fragte er. „Gut im Großen und Ganzen“, sagte ich. Ich berichtete ihm von dem jüdischen Fabrikanten Rosenthal, der seiner geliebten Gemeinde ein Krankenhaus gestiftet hatte; und, dass manche Christen

ihre Kinder in die jüdische Schule schickten, weil dort das Lernen mehr Früchte trage. „Und wie war das dann bei den Nazis?“ fragte er weiter. „Auf eine Felsplatte am Schlossberg haben sie das Hakenkreuz gemalt“, sagte ich und erzählte ihm, dass man, als ich ein Kind war, das Kreuz an Regentagen noch habe sehen können, hoch oben über der Kirche. Ich führte ihn hinaus zum jüdischen Friedhof und berichtete ihm, dass man die Bäume, die hier wachsen, nach dem Krieg an die Bleistiftfirma Faber Castell verkaufen und dass man auf dem frei gewordenen Areal eine Christbaumzucht errichten habe wollen. „Aber wir haben es dann doch nicht gemacht“, sagte ich. „Aber aus der Synagoge habt ihr ein Feuerwehrhaus gemacht“, sagte er. „Das schon“, sagte ich. „Überall hat man die Synagogen angezündet, und in Hohenems hat man ein Feuerwehrhaus daraus gemacht“, konstatierte er, und wie er es tat, klang es nicht zynisch – obwohl man so eine Äußerung ja gar nicht anders als zynisch gemeint verstehen kann, weil eben die Tatsache selbst zynisch ist – obwohl wahrscheinlich keiner von denen, die nach dem Krieg diese Umwidmung der Synagoge beschlossen hatten, sich eines Zynismus bewusst war; was uns lehrt, dass wir bisweilen so nahe mit der Stirn vor unserer Zeit stehen, dass der Blick in die Zukunft höchstens bis übermorgen reicht. Zu meiner Überraschung war mein Freund am meisten vom Verfall unserer Stadt fasziniert – und diesbezüglich hatte Hohenems damals einiges zu bieten (was nicht heißt, dass wir heute aus dem Schneider wären). Den schönsten, den poetischsten Verfall fand er im Judenviertel. Zunächst sah er in den Häusern nur die Ruinen, die von einer untergegangenen Zeit raunten. Es sei eine höchst weise Entscheidung der Stadtverwal-


tung, das Viertel sich allmählich selbst dem Erdboden gleich machen zu lassen, meinte er. Dann aber bemerkte er, dass diese Ruinen oder halben Ruinen bewohnt waren, und er fragte mich, ob ich wisse, wer heute in diesen Gebäuden hause, in der Judenschule, im vormals prächtigen Elkanhaus, im Armenhaus. „Hauptsächlich Türken“, sagte ich. „Mohammedaner?“ fragte er. „Ja, Mohammedaner“, sagte ich. „Und wie geht das zusammen, Christen und Mohammedaner?“ fragte er. „Gut im Großen und Ganzen“, sagte ich. „Nicht, dass ich etwas anderes wüsste.“ Er blieb stehen, eine Weile war er in Gedanken versunken, dann plötzlich klatschte er in die Hände. „Lessings Ringparabel!“ rief er aus. „Das hier ist Lessings Ringparabel! Verstehst du, was ich meine?“ „Nicht ganz“, sagte ich. Da hielt er mir – mitten auf dem Platz vor dem Feuerwehrhaus – einen Vortrag über den weisen Nathan, wie wir ihn von Gotthold Ephraim Lessing, auf den wir Abendländer so stolz sind, kennen; repetierte dessen kleine Geschichte, mit deren Hilfe er Saladin zu erklären versucht, dass die drei abrahamitischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – gleichermaßen und unterschiedslos im Segen des himmlischen Vaters stünden und dass die Frage, welcher Segen der erste oder der echte sei, der Liebe des Vaters widerspreche, ja, sich dieser Liebe gegenüber als undankbar erweise. „Was nützt die Ringparabel in der Literatur!“ rief mein Freund über den Platz. „Kein Mensch liest heute noch Lessing! Aber nach Hohenems fahren, das kann jeder!“ „Aber vielleicht will ja gar nicht jeder nach Hohenems fahren“, gab ich zu bedenken, dämpfte damit aber keineswegs seine Begeisterung.

„Dann ist es eben unsre Aufgabe, Hohenems in die Welt hinauszutragen!“ donnerte dieser neue Hohenemser in seinem Berliner Idiom in Richtung unseres Berges. Ein alter Hohenemser kam gerade die Schweizer Straße herauf – ich kannte ihn, er kannte mich – , und er blickte mich an und machte eine schnelle Handbewegung, die eindeutig war und meinte, ob mit dem da etwas nicht stimme und ob ich Hilfe brauche. Das multikulturelle Herz meines Freundes war, ohne dass er sich dessen bewusst war, schon seit langem auf der Suche nach einem, fernab von allen Scheinwerfern, real existierenden Paradies, in dem auf naive Art und Weise Toleranz und Respekt zwischen den Kulturen und Religionen gelebt wurde. Und nun, nach allem, was ich ihm gezeigt und erzählt hatte, glaubte er, dieses Paradies am Fuß unseres bedrohlichen Berges gefunden zu haben. Als wir am Abend bei uns zu Hause in der Johann‑Strauß-Straße in der Küche saßen und Monika das typische Eingeborenenessen kochte, nämlich einen Riebel, schlug er, die Hemdsärmel nach oben gekrempelt, vor, wir beide – er, der polyglotte Drehbuchautor mit ein wenig Regieerfahrung, und ich, sozusagen ein Repräsentant der autochthonen Bevölkerung – wir beide sollten gemeinsam einen Film drehen. Einen Film über Hohenems. Titel: Die Hohenemser Ringparabel. Der Film ist nie gedreht worden. Schade. Vielleicht auch nicht schade. Ich weiß aber, wovon er hätte erzählen sollen, nämlich davon: dass irgendwo am Rand der Alpen eine kleine Stadt liegt, die von der Geschichte die Chance erhalten hat, ein Gleichnis für Toleranz zu werden. Ob es nun ein realistischer oder idealistischer Film geworden wäre, lässt sich endgültig nicht sagen, noch nicht, vielleicht noch lange nicht, vielleicht aber irgendwann …


Burgruine Alt-Ems Einst war sie mit ihren 800 Metern Länge eine der größten Burganlagen im deutschen Sprachraum. Manchmal ist der Besucher ganz allein, dann entfaltet dieser Ort seine magische Atmosphäre.


Der Glanz vergangener Zeiten Hohenems, ein Ort, in dem man Geschichte sp端ren kann.


Es bröckelt unaufhörlich am alten Gemäuer. Restaurator Stephan Moosbrugger versucht mit möglichst originalgetreuen Materialien das schwindende Mauerwerk von Burg Alt-Ems zu festigen.


So könnte die Burg Alt-Ems in ihrer Blütezeit ausgesehen haben. Im 16. Jahrhundert untermauerte sie das Ansehen der Emser Ritter, die als Landsknechtführer auf den europäischen Schlachtfeldern tätig waren. Am Schlossberg, oberhalb von Hohenems, blieben nur die Überreste der einst riesigen Anlage erhalten. (Modell: Mathias Maurer) In der Nähe seiner Festung Alt-Ems baute Ritter Ulrich I. um 1343 bei Emsreute eine neue Burg, die bis heute erhalten blieb. Damals herrschten unruhige Zeiten und das Bedürfnis nach einem sicheren Ort für sich und seine große Familie schien den Aufwand zu rechtfertigen. Die Burg Neu-Ems wird im Volksmund „Schloss Glopper“ genannt.


Das Lied der Nibelungen Wie bei italienischen Renaissancepalais üblich, ist der Innenhof des Palasts von Hohenems prächtig ausgestattet. Hinter diesen Mauern fanden der Lindauer J. H. Obereit und F. J. Wocher im 18. Jahrhundert die Schriften C und A des Nibelungenlieds. Diese wurden später dem Kunstmarkt zugeführt.




Ein Haus mit 120 Zimmern Gr채fin Stefanie Waldburg-Zeil f체hrt Besucher durch die weitl채ufigen Gem채cher des Renaissance-Palastes. Der Rundgang verspricht spannende Unterhaltung, denn in den letzten 400 Jahren ist einiges geschehen in diesem stattlichen Haus.


Der einzige Schmuck an der Vorderfront des Palastes befindet sich im Eingangsbereich. Das gegliederte Rundbogenportal f端hrt in den Innenhof, dort stehen in Nischen allegorische Figuren von Esaias Gruber aus dem 17. Jahrhundert und eine sehenswert bemalte Blendmauer.


Das Kammerorchester „Tonart Sinfonietta“ spielt im Rahmen der Kulturveranstaltung „Emsiana“ im Rittersaal des Hohenemser Palastes. Der Palast von Hohenems ist der bedeutendste Renaissancebau Westösterreichs. Baubeginn war um 1562 nach Plänen des italienischen Architekten Martino Longhi. Fertiggestellt wurde das Gebäude Anfang des 17. Jahrhunderts unter Graf Kaspar von Hohenems.


Hohenems um 1613 Ölgemälde aus der Sammlung Schloss Hellbrunn, Salzburg. Familiäre Verbindungen zu den vornehmsten Familien Italiens haben dem Emser Adel den gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg ermöglicht. Mit Graf Kaspar und kräftiger Unterstützung seines Bruders, des Fürsterzbischofs von Salzburg, erreichte Hohenems seine Blütezeit. Ganz rechts im Bild das heutige Rathaus.



SCHEINWERFER Von Schubert zum Mühlenmuseum – Kultur und Sehenswürdigkeiten in der Stadt


O-WÜRFEL Ø 444 CM Der O-Würfel von Georg Malin ist Teil der privaten Kunstsammlung von Wilhelm Otten. Die Sammlung gegenstandsloser Kunst umfasst bislang 400 Werke der Konstruktiven und Konkreten Kunst sowie des Minimalismus und wird in wechselnden, thematisch aufbereiteten Ausstellungen im Otten Kunstraum präsentiert.


Fatima Spar and The Freedom Fries Swing, Balkan Brass und orientalische Musik in der ehemaligen Synagoge im j체dischen Viertel. Die in Hohenems geborene t체rkischst채mmige S채ngerin Fatima Spar und ihre Band begeistern das Publikum.



Zwölf Walzer für Klavier Probe für ein Kammerkonzert im Rahmen der Schubertiade im Markus‑Sittikus‑Saal. Der hochwertige Konzertsaal ist ein wichtiger Impuls für die Kulturlandschaft in Vorarlberg. Auf der Bühne das Modigliani Quartett, ergänzt durch Alois Posch, Kontrabass und Martin Stadtfeld, Klavier.



Der große Coup der kleinen Viecher Pierre Schäffer und Daniel Wagner spielen ihre Adaption von „Des Kaisers Neue Kleider“. Der heimliche Star – die Motte. Homunculus Festival im Mai: Pointen, Puppen, Poesie.




Mari채 Aufnahme in den Himmel Deckenfresko in der Pfarrkirche St. Karl Borrom채us von Andreas Brugger aus Langenargen, von 1798.


Fenster in die Vergangenheit Das J端dische Museum dokumentiert die Geschichte der j端dischen Gemeinde 端ber drei Jahrhunderte bis 1938. Daneben pflegt es Beziehungen zu den Nachkommen j端discher Familien aus Hohenems in aller Welt.


Kladde (Notizbuch) von Arnold Rosenthal aus seiner Lehrzeit in Manchester von 1877, mit Stoffproben und Färberezepturen. Die Textilwerke Gebrüder Rosenthal in Hohenems gehörten zu den größten Betrieben der Vorarlberger Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts. Die Villa Heimann-Rosenthal (erbaut 1864) ist Sitz des Jüdischen Museums Hohenems. „Hast du meine Alpen gesehen“ oder „Jüdischer Kitsch“, Sonderausstellungen sorgen für internationales Interesse und Renommee.


Suche nach der eigenen Herkunft Nachfahren von Hohenemser Juden durchsuchen die Inschriften der Grabsteine auf Hinweise zu ihren Wurzeln. Der jüdische Friedhof zählt zu den besterhaltenen in Österreich.




Räder aus Stein Stoffels Sägemühle im historischen Gewerbegebiet Säge ist für die Jahrhunderte gebaut. Das Lebenswerk des Müllers und Sägers Alois Amann besteht fast zur Gänze aus Beton.



Funkensonntag Der Ursprung dieses Brauchtums scheint unklar, spektakulär ist die Feuersbrunst am ersten Sonntag der Fastenzeit allemal und findet deshalb regen Zulauf. Während in den Siebzigern noch alte Reifen, Lösungsmittel und andere Problemstoffe elegant entsorgt wurden, brennen die Feuer heute absolut biologisch.


Ein Ort der Widersprüche von Hanno Loewy

Wer im 19. Jahrhundert einen Reiseführer zur Hand nahm, um etwas über den „volkreichen und gewerbefleißigen Markt“ Hohenems zu erfahren, bekam ein widersprüchliches Bild. Unter dem Schlossberg prangte stolz der Renaissance-Palast, und auch die Pfarrkirche wurde wegen ihrer Bildhauerarbeiten, dem prächtigen Altar, gelobt. Doch die Reisenden interessierte zumeist etwas ganz anderes, irritierend Fremdes und Unerwartetes. Johann Ulrich von Salis-Seewis aus Graubünden, der 1811 das Hohenemser Bad besuchte, notierte ein ums andere Mal, was ihm im Judenviertel auffiel, „läppische Ceremonien“, wie er schrieb. Eine ausgelassene Hochzeit unter dem Traubaldachin fand ebenso wenig sein Gefallen, wie eine eher schlichte Beerdigung. Und erst recht der Gedenktag der Zerstörung des Jerusalemer Tempels kam ihm lächerlich vor. Die Hohenemser Juden haben wohl schon gemerkt, dass der Gast sie nicht verstand. „Gehen Sie herum wo Sie wollen, lachen Sie über uns soviel Sie wollen, wir nehmens nicht übel.“ Widersprüchlich ist auch heute das Bild, das sich den Besuchern bietet. Die Hohenemser streiten gerne, so liest man in der Zeitung. Seit langem ist die Stadt auf der Suche nach sich selbst, nach einem Zentrum. Stattdessen stößt man allenthalben auf Gegensätze. Und nicht jedem fällt es ein, Gegensätze auch als produktive Spannung anzusehen. In der „Mitte“, zwischen dem alten Dorf, am Ausgang des Emsbaches aus dem engen Tal und dem kleinen städtischen Kern, steht noch heute der Renaissance-Palast und erinnert an vorbürgerliche Zeiten. Nach der Herrschaft der Grafen kam die Herrschaft des Verkehrs. Der weite Schlossplatz wurde jahrzehntelang von einer Durchgangsstraße zerteilt. Erst vor kurzer Zeit hat die Stadt damit begonnen, den Platz für das Leben ihrer Bürger zu erobern. Auch darüber wurde lange gestritten. Denn dieses Bekenntnis war

teuer. Nun führen mit warmem Stein verkleidete Treppenstufen zum Wasser hinunter und machen den Emsbach zum selbstverständlichen Treffpunkt der Kinder – und damit der Familien. Und der alte Vereinssaal, der „Löwen“, wurde mit großem Aufwand saniert und für Theater und Musikveranstaltungen tauglich gemacht. Nun klafft ein Loch in der Stadtkasse. Aber dafür ist ein Loch in der Mitte der Stadt mit neuem Leben gefüllt. Die Widersprüche der Stadt sind damit nicht beseitigt. Als Johann Ulrich von Salis-Seewis Hohenems bereiste, teilte sich der kleine Stadtkern wie heute in zwei Straßen. Die eine, die Judengasse zeigte eher großbürgerliches Gepräge – die ärmeren Häuser der jüdischen Hausierer, Handwerker und Dienstboten duckten sich dahinter weg. Die andere Hauptstraße hieß „Christengasse“, vermutlich die einzige in Europa. Man lebte nebeneinander her, mit der Zeit auch zusammen, rivalisierte und schloss zögerlich Freundschaften. Eine Geschichte vom Auf und Ab einer widersprüchlichen Beziehung. Es hat lange gedauert, bis die Marktgemeinde, später die Stadt Hohenems, nach Weltkrieg und Holocaust begann, aus solchen Widersprüchen neue Kraft zu beziehen, ein neues Selbstbewusstsein. Eine Zeitlang hatte man es als Nibelungenstadt versucht, als Fundort des Nibelungenliedes sich eine neue Geschichte zulegen wollen. Doch aus dem Zufall, dass zwei Handschriften dieses deutschen Mythos sich vor Jahrhunderten in die Sammlung der Hohenemser Grafen verirrt hatten, ließ sich nur wenig produktive Eigenheit gewinnen. Auch mit den Konzerten der Bregenzer Festspiele im Hohenemser Palast wurde Hohenems noch nicht zur souveränen Kulturstadt. Als in den siebziger Jahren die Schubertiade damit begann, Besucher nach Hohenems zu locken, hatte die Marktgemeinde immerhin eine andere, zusätzliche Farbe gewonnen. Eine neue Farbe, von


der man noch gar nicht wusste, was damit anzufangen sei: Die Gastarbeiter waren angekommen, Türken und Jugoslawen. Hohenems hatte seine neuen „Fremden“, mit Kopftüchern und schon wieder: mit einer anderen Religion. Im alten Judenviertel verfielen die Häuser, wurden mit den neuen Fremden vollgestopft, das brachte Geld. Und irgendwann würde man das alte Zeug eh abreißen. Da standen 1976 plötzlich die Musiker der Schubertiade, allen voran Hermann Prey, vor dem Geburtshaus Salomon Sulzers, neben dem Feuerwehrhaus, das einst eine Synagoge war, auch wenn die Tafel am Eingang behauptete „erbaut 1954‑55“. Und eine Gedenktafel erinnert von diesem Tag an wieder an den berühmtesten Kantor der Hohenemser Synagoge. Zwei Jahre später nutzte die Schubertiade eine verfallene Villa, ein paar Schritte weiter, für eine Ausstellung über Joseph Sulzer. Und ein paar ganz Mutige forderten gar, aus dem alten jüdischen Schulhaus, das inzwischen auch mit „Gastarbeiterfamilien“ belegt war, ein jüdisches Museum zu machen. Seit damals ist viel geschehen in dieser Stadt, manches Unglaubliche, in einem Ort dieser Größe gar nicht Denkbare. Die Hohenemser streiten sich, und immer wieder behaupten sie, es „ginge gar nichts voran“. Vielleicht haben sie so hohe Ansprüche an sich selbst, dass sie gar nicht merken, wie weit ihr Streit sie schon gebracht hat. Manchmal hat das Streiten sie einfach auch daran gehindert, Unsinn zu machen, z. B. den Löwensaal einfach abzureißen. Und dann platzt ab und zu ein Knoten – und es geht doch. Als 1991 in der verfallenen, inzwischen restaurierten Villa Heimann-Rosenthal ein jüdisches Museum eingerichtet wurde, stritt man sich über die jüdische Schule noch immer. Inzwischen ist auch sie restauriert – so wie die alte Mikwe. Und aus dem „Feuerwehrhaus“ wurde der „Salomon-Sulzer-Saal“.

Im selben Jahr, 1991 in dem das Museum aufsperrte, startete auch ein Festival in Hohenems, das wie kaum ein anderes von den Menschen im Ort selbst getragen wird, ein Festival des Understatements, der kleinen Formen, der Versuche, sich selbst neu zu erfinden: Homunculus. Ein Puppentheater und Kleinkunstfestival, das im alten Löwensaal begonnen hat und nun wieder im neu erblühten Löwen feiert. Wie alle Hohenemser Kulturveranstalter hat es seine Krisen erlebt und ist stärker daraus hervorgegangen als zuvor. “Und einst mit dem Löwen verbunden war auch das Underground-Festival ,Transmitter‘: noch so ein widerborstiges Hohenemser Geschöpf, das gerade nach neuen Formen sucht.“ Die Schubertiade, die in den achtziger Jahren den Hohenemser Palast zum Leben erweckte, ist – wenigstens zum Teil – wiedergekehrt und hat, wie mit einem Zauberstab, aus einer biederen Turnhalle einen Konzertsaal gemacht. In die alte „jüdische“ Gastwirtschaft „Zur Frohen Aussicht“ ist ein Literaturhaus eingezogen. Auch das kämpft nun erst einmal um die Existenz, wie alle, die hier etwas mit Kultur im Sinn haben, kämpft um seinen Platz in einer Stadt, die noch immer auf der Suche ist und der es, wie kaum einer anderen gelingt, für ihre eigenen Fragen, Unsicherheiten, Widersprüche eine Sprache zu finden, die alle Menschen etwas angeht, im Spiel und im Schauen, in der Musik und in der Literatur. Alle zwei Jahre verleiht die Stadt nun einen Literaturpreis an Menschen, die ihre Sprache suchen, die Deutsch schreiben, obwohl sie in einer anderen Sprache aufgewachsen sind. Und zwei geborene Erzähler leben hier schließlich auch, Michael Köhlmeier und Monika Helfer, die in ihren Büchern immer wieder Geschichten aus Hohenems erzählen, als sei Hohenems ein kleiner Kosmos, in den sich alle Dramen der Welt verirren, sich selbst neu erfinden, übersichtlich und verwirrend zugleich.


Schlosskugeln und Emser Wurst Essen und Trinken – in Hohenems gibt es nicht nur guten Leberkäse.


Lokale Feinheiten Bärlauch vom Schlossberg verarbeitet zu Pesto, Schnäpse von Ürtlichen Brennern, Schokolade und anderes. Dahinter stehen Hohenemser mit Enthusiasmus und Liebe zum Detail.



Berner Rosen Der alte Apfelbaum auf der Parzelle Berg ist einer der letzten seiner Art in Hohenems. Der alte Hochstamm-Methusalem liefert Toni M채rk feinsten Grundstoff f체r ein sortenreines Berner-Rosen-Apfelschn채pschen.


Alles Käse Das meint Biobauer Karl Klien, „und zwar von feinster Qualität“. Seine Milchkühe weiden im Sommer praktisch hinter seinem Bauernhof in der Buggenau.


Jeden Donnerstag ist Wochenmarkt. Eine gute Gelegenheit, am Marktplatz Produkte aus der Region zu erwerben und sich mit Bekannten auf einen Kaffee zu treffen. Im Bienenhaus des Bäuerlichen Schul- und Bildungszentrums. Cornelia Hundertpfund bei der Völkerdurchsicht, sie prüft Brutentwicklung und Honigreife. Die Schülerinnen und Schüler lernen solides Fachwissen, die Voraussetzung für den Erhalt erstklassigen Honigs.



Hausmannskost Die Emser KĂśche haben es drauf, von gehobener KĂźche bis zur Hausmannskost. Es gibt also keinen Grund mehr in den Nachbarorten fremdzugehen.



11.000 Flaschen Zwischen Mouton Rothschild 68er und dem eigenen „Weißenkirchner“ gerät Martin Grießer ins Schwärmen, denn Wein ist neben dem Kochen seine große Leidenschaft. Im Gasthaus Adler hat er als Küchenchef „Slow Food“ zum Prinzip erhoben, denn gut Ding braucht Weile. Mit 14 Punkten bei Gault Millau reiht er sich ganze vorne unter den Landesköchen ein. Der Klassiker aus seiner Küche: Rindsfiletgulasch „Stroganoff“.


Was Moritz Federmann nicht wissen konnte Dass sein Schulhaus, in dem er bis 1913 j체dische und eine Zeitlang auch christliche Kinder unterrichtete, dereinst einmal ein Restaurant sein w체rde. Federmann galt als einer der fortschrittlichsten P채dagogen seiner Zeit in Vorarlberg.



Feierabend unter Kastanienbäumen Einmal in der Woche spielt im Hirschengarten Livemusik. Durst und Hunger haben hier ein Ende. Wie wär´s mit Schweinekoteletts und Pommes frites?



Wo die Hohenemser baden gehen Zwischen Kopfloch und Zollamt Schmittern entfaltet der Alte Rhein seine Vielfalt.


Poolvergn端gen ohne Hecht und Schlingpflanzen Wem die gr端nen Tiefen des Alten Rheins unheimlich sind, der taucht am besten in den Chromstahlpools des Schwimmbades Rheinauen.


Ein Hauch von Freiheit Niemandsland an der Grenze zur Schweiz. Der vom Hauptfluss abgeschnittene Altarm des Rheins misst über 7 km Länge. Die Landschaft der Auwälder und Wasserflächen ist ein einzigartiges Biotop und wichtiger Bezugspunkt für die Menschen in der Umgebung.



Auf der Suche nach dem „Großen“ Selten, aber es gibt ihn! Eine plötzliche Begegnung mit einem drei Meter langen Wels lässt jedem Taucher kurz den Atem stocken. Die Männer vom Tauchclub „Sharkpoint Altach“ machen sich bereit für einen Tauchgang im Alten Rhein.



Die Uferbäume bieten reichlich Gelegenheit Mut zu beweisen. Wer von ganz oben springt, der ist ein Held. Die beiden Mädchen sehen das Ganze ziemlich entspannt und haben einfach nur SpaĂ&#x;.


Piraten von der Teufelsinsel – Blues-Legende Walter Batruel in den Siebzigern auf der „BaBi“, sein Kumpel Bilgeri scheint gerade unter Deck zu sein. Batruel, der wahrscheinlich einzige echte Blueser Vorarlbergs, jammt noch heute, gut 35 Jahre später, durch die unsicheren Gewässer und verteidigt mutig sein Schiff gegen die Behörden. Der Alte Rhein prägte damals die Menschen und tut es immer noch. (Bild: Archiv Batruel) Die Jungs sind schwer am Üben. Slackline nennt sich dieser Sport. Wer nicht aufpasst wird abgeworfen. Man trifft sich hier zu jeder Tageszeit. Die Ufer des Alten Rheins haben durchgehend geöffnet.


Lifeguard Im Schwimmbad Rheinauen an der Breitwellenrutsche hat Laura Nachbaur die Situation im Griff, bis jetzt gibt es unter den Kids, abgesehen von ein paar leichteren Blessuren, keine Vorkommnisse.




34 Grad Celsius Nach Schafsk채lte, Eism채nnern und anderen Temperaturst체rzen kommt auch bei uns manchmal der Sommer. Dann verlegt manch einer sein Wohnzimmer ins st채dtische Schwimmbad am Rhein.


Costa del Rhi von Reinhold Bilgeri

Das Paradies hat viele Namen, Düfte, Farben, hat Geschichten, Gesichter, oh ja, eins davon kenn ich, da könnt ich ein Lied singen davon. Wenn sich die Morgennebel überm Wasser des Alten Rheins in Hohenems balgten, war ich oft dabei, schlafend meistens, oder im Halbschlaf, auf unserm schwankenden Floß, von einer landenden Ente in den Tag geholt. Der erste Rundblick aus dem Schlafsack – das Panorama meiner Open-Air-Zeit, die Seeräuber-Jahre, ein Bild schiebt sich vor – dieser weiche Landstrich, im stillen alten Wasser, lag wie eine Verführerin, ungekämmt, bloß und blass, nach lauer Nacht, ein gutmütiges dralles Weib, das sich schmatzend vom Geliebten rollt. Der Sonnenball noch nicht am Himmel und schon pfeifen sie alle fröhlich durcheinander wie die Haubenlerchen. Die Blue Notes von „After Midnight“ hängen auch noch in den Bäumen, jetzt tropft der Tau drauf und segnet den Morgen. Glück kostet keinen Cent, hier an der „Costa del Rhi“. (© W. Batruel) Da, im Emser Baggerloch, haben wir, damals in den Sechzigern und Siebzigern, unsere Jugendjahre gestreckt und Kerben gesetzt, die nach Honig und Harz duften, immer noch. Sobald du mit tiefster Seele begriffen hast, dass das Leben endlich ist, beginnst du auf Träume zu setzen, oder auf das flüchtige Glück, das im Rückblick liegt, du siehst die fliegende Zeit und keine Bremsen in Sicht. Einzig die Erinnerung behütet dann unser Eiland, die Düfte und die Namen, die Geräusche, die Töne – die baden noch immer im Alten Rhein und Hendrix hockt am Ufer. Man hört ihn, man sieht ihn. 26 und schon ein zorniger alter Mann. Das grüne Wasser hier, die von Baggern zerkratzte Erde, das hatten wir zu unserer Spielburg erkoren, unserer Trostecke, zum Festplatz gemacht. Manchmal dachte ich, die Natur hätte unsere Absicht begriffen, alles bog sich nach unsern Kindereien hin, ließ uns gewähren, vogelfrei, die Fische waren zutraulich wie glückliche Hühner, sind um unsere Schenkel geschwänzelt, wenn wir bis zur Hüfte im Wasser standen, haben sich füttern lassen, als wär der heilige Franziskus herabgestiegen.

Man träumte sich seine eigenen kleinen Ewigkeiten, unbefleckte Tage, eine geschlossene Veranstaltung. Ich hab noch unterrichtet damals, tagsüber … am Gymmi in Feldkirch. Grad noch das glucksende Wasser unter mir und von oben das träge Girren der Takelage, schnelle Verwandlung dann – wie immer spät dran, ein verirrter „Beamter“ auf dem Weg zur Arbeit. Guten Morgen, Herr Prof. Die Schultasche aufs Pult, eine Duftwolke aus verkohltem Holz, kalter Asche und Rasierwasser schwappte in die ersten Reihen. Die Schüler lächelten mich an, als wüssten sie Bescheid, zerkugelten sich über den blassen Kauz, der irgendwas über Existentialismus verzapfen musste, dabei schwang die Seele in ganz anderen Akkorden, war gar nicht da, nicht wirklich, im Haar noch Reste von Rheinflora, im Lächeln der ersten Reihe lag tiefes Verständnis, ich hätte sie gerne umarmt. Sie wussten, dass ich unter den Sternen geschlafen hatte – aber alles wussten die nicht… Wir waren die Herren einer knorrigen Barke (samt Mast), die auf verketteten Teerfässern schwamm und voller Unschuld zwischen den Grenzen kreuzte. Österreich Schweiz – Schweiz Österreich. Die Zöllner hatten uns längst im Fadenkreuz. Die hielten uns für Rauschgiftschmuggler, Outlaws, oder Bekloppte, die irgendwo zwischen Lethargie und Wahnsinn schwebten. Das lavierende Floß, Objekt ihrer Begierde, war die zu knackende Festung. Eine Bedrohung ihrer Spießerseligkeit. Selbst die geringste anarchische Brise machte ihnen Angst. Behördliche Warnbriefe, Gemecker, der blanke Neid. Sie haben es irgendwann verbrannt, die Kerle, einfach abgefackelt wie Müll, unser Floß. Nein, kein Floß, ein Schiff war´s eigentlich, ein richtiges Schiff, mit kleinem Kastell am Heck, einer Galionsfigur am Bug, einem richtigen Mast, mit Totenkopf-Segeln, die man brassen und fieren konnte. Um Unheil zu verscheuchen, hingen BH`s an den Tauen und Höschen auch. Nicht mal die Geister trauten sich an uns. Wir hatten auch fett unsere Namen aufs Schiff gepinselt


­ atruel‑Bilgeri. Branding, das musste so sein. Man war B ja im Schaufenster, mitten auf dem müden Fluss, heiße, herrliche Sommer lang. Wenn sie vorbeiflog, die BABI, unter vollen Segeln, im Nordwest, Richtung Mäder, dann hatte das Stil und Grazie, da soll uns keiner kommen. Wenn einer längsseits geschwommen kam, war Staunen im Blick, die verruchte Schönheit öffnete die Herzen. Und der Blues rollte nach Süden. „We`ve gotta built this ship, to roll away from home…“ Frauen winkten uns zu, verschmitzt oder ganz offen, von beiden Ufern aus. Im Okular, die Wilden, mit Gitarren und Bluesharp, hart am Wind. Wir hatten ja den Überblick, eine Strickleiter führte hinauf zum Ausguck, man konnte da oben tatsächlich um den Mast spazieren, Ausschau halten nach allen Richtungen, die Schattenhand an der Stirn, 20 Meter zum Schweizer Ufer, 20 Meter nach Österreich… Kapitäne im Niemandsland waren wir, Piraten, mit ihrer Majestät huldvollem Kaperbrief in der Tasche … und wir haben gelebt auf unserm Schiff, tatsächlich gelebt – gesungen, gelacht, gesoffen, geraucht, gegessen, geschlafen und was sonst noch so anstand. Robert Louis Stevenson war der Pate jener Tage, die Schatzinsel immer an Bord. Die Crew, allesamt Aventurados und Desperados aus Ems und Umgebung. Der Walter, der Django, der Heli, der Hermann (selig), der Armin, der Hemi (selig), der Chris, der Bonanza und seine Python, die sonntags mit durfte, arrogant das Terrain abkroch und dann eingeringelt zwischen uns lag, wie ein fauler Kumpel. Wir hatten Time-out genommen und unsere Glücksjahre auf Zelluloid gebannt, für uns – auf Super 8 – die verrückten Sommer im alten Ems. Wir waren „Die von der Teufelsbucht“ – Jim Hawkins, Pat B., Israel Hands, Long John Silver, der Einbeinige, und Ben Gunn waren noch einmal auf Schatzsuche gefahren, keine Juwelen im Kopf, nein, eine Kiste nur war‘s, eine Kiste Engelburg Bräu, versunken im kühlen, grünen Rhein. Jeden Sommer kamen sie wieder, die flüchtigen kleinen Beben, die verebbten, wie Wellen am Strand. Bis

irgendwann der Aderlass einsetzte, die saftige Mannschaft auszutrocknen begann, nicht dass plötzlich alle blutleer geworden wären, aber der Lauf der Dinge kippt dich rechtzeitig aus der Hängematte, das Leben lässt nur schnuppern am Paradies, man darf sich in die Quelle legen, bis zum Rausch, aber wer`s mit der Labsal übertreibt, hat mit Sanktionen zu rechnen. Dabei war der Himmel gnädig mit uns, die Unerbittlichkeit der Zeit wird erst viel später zur Plage, die Erinnerungen kleben noch wie Honig um den Mund, im verwunschenen Wäldchen, das die Bucht umkränzt, versickern die Geschichten, lange Nächte haben Spuren hinterlassen. Man kann ihnen folgen, wie einer Fährte, überall Spuren. Gibt’s sonst noch einen Grund zu ­leben?… Und heute sitzt man da und sieht hinaus aufs Wasser und alles ist anders, die Töne, die Gerüche sogar, die Geräusche, die Autobahn ist lauter geworden, die Fische scheuer, weiß der Teufel wieso. Einer ist noch immer da. W. und sein Floß. Neu gebaut, allen Zeiten getrotzt, wieder auf Fahrt zwischen den Grenzen, Schengen macht´s möglich. Die von der Teufelsbucht sind in alle Winde verstreut, es gibt hier keinen Schatz mehr, außer den Blick zurück. Wir andern sind weitergezogen, wortlos weitergezogen, neue Farben, neue Gesichter, neue Geschichten, selbst der Alte Rhein hat sich verändert, die Bagger haben ihn vergrößert, das Land noch mehr zerkratzt, aber ich würde ihn selbst im Dunkeln noch finden, den Ankerplatz, war ja zuhause hier. Es sind zittrige Lichtschatten der Sonne, die übers wiegende Schilf unterm Wasser streichen, sie verlangsamen den Puls, ich hab die Luft oft angehalten und auch die Zeit und nur gestarrt und gestaunt und mir gedacht: Schönheit Du. Allein für diesen Augenblick lohnt sich`s zu leben. Das wiegende Schilf unter Wasser. Eine Ente ist gelandet, ungeschickt, fast gestolpert in ihr Spiegelbild, hat mich nass gemacht. Ich glaub, ich muss jetzt gehen.


Pump ihn auf! Egal ob Bizeps, Trizeps, Wadl oder Stollenreifen, im Hinterland zwischen Staufen und Alpe Gsohl d체rfen maltr채tierte Muskeln weinen.



Wenn der Weg das Ziel ist Anna achtet auf ihre Balance. Der Weg über den „Äuele Grat“ ist nicht ungefährlich. Es gibt keine Markierungen, der graue Schiefer ist rutschig und der Abgrund ist tief.




Harakiri am kleinen Zahn Bergführer und Sportkletterurgestein Helmut Scheichl versucht sich an der Route „Harakiri“ im 9ten Schwierigkeitsgrad. Die Löwenzähne sind das wahrscheinlich älteste Sportklettergebiet Vorarlbergs. Hier wurde schon vor achtzig Jahren geklettert, alte Felshaken sind der Beweis dafür.


Schweres Gerät Das benötigt Alex Luger im Sachsenriss. Er platziert ein Camelot Klemmgerät in die breite Spalte um einen Absturz zu verhindern.


Michael Stoppel muss sich zur체ckhalten, denn Downhillbiker sind nicht des gem채chlichen Wanderers Freunde. Ein paar Meter auf dem Hinterrad durch den holprigen Hohlweg von der Hinterbergalpe nach Schuttannen m체ssen aber dann schon sein.


Startplatz Schuttannen Flugveteran Gerhard Scheffknecht vom Gleitschirmverein Staufen regelt die Abflugt채tigkeit. Am Staufen gibt es t체ckische Abwinde und Rotoren, richtiges Timing beim Start ist deshalb entscheidend.




Wandern im Herbst Die Nebelgrenze liegt um 1500 m, jetzt wird´s knapp für Sonnenhungrige, die dem Nebel der letzten Herbsttage entrinnen wollen, denn viel höher kommt man in Hohenems zu Fuß nicht mehr. Ein Brockengespenst mit Glorie vom Gipfel des „Schönen Mannes“ aus beobachtet.


Zwei Geschichten über Sport – geschenkt von Bastian Kresser

„Ich also hänge in der Wand und suche nach der nächsten Möglichkeit, einen Klemmkeil oder einen Friend in eine Felsspalte zu schieben. Der Schweiß läuft mir über das Gesicht und über den Rücken, und ich spüre ganz genau, wie er mir langsam auch noch in die Unterhose rinnt. Und dann, als wäre das nicht genug, fängt mein Bein auch noch an, unkoordiniert zu zittern. Kennst du das? Wie eine Nähmaschine. Bastian und ich nennen es eine Nähmaschine. Seine Freundin sagt, der Vergleich hinkt. Ein Widerspruch in sich, sagt sie. Unkoordiniert und Nähmaschine. Ich finde, er trifft es genau.“ Mein Freund Klaus, unsere Freundin Sonja und ich sitzen auf einem dicken Ast beim alten Emser Bädle und blicken auf den Alten Rhein und die nahe Schweiz am Ufer gegenüber. Wir kennen uns noch von der Schulzeit her. Klaus und ich studierten in Innsbruck und fanden schließlich wieder zurück nach Vorarlberg. Sonja zog vor einigen Jahren nach Wien – ursprünglich ebenfalls, um dort zu studieren. Nach ihrem Studium beschloss sie, in der Hauptstadt zu bleiben. Ein bis zwei Mal im Jahr treibt es sie jedoch wieder ins Ländle. Wenn sie hier ist, treffen wir uns. Oft gehen wir zum Alten Rhein. Klaus steht auf, stellt einen Fuß auf den Ast, auf dem wir sitzen und imitiert die zitternde Bewegung seines Beins. Mit weit geöffneten Augen blickt er Sonja an und zeigt darauf. „Eine Nähmaschine!“, ruft er. Ich muss lächeln. Ich kenne die Geschichte in- und auswendig. Klaus liebt sie. Er hat sie mir vor langer Zeit geschenkt. Sonja kennt sie nicht. Das allein ist für ihn Grund genug, seinen Enthusiasmus in die Geschichte zu legen. Immer noch zittert sein rechtes Bein auf dem Ast. Sonja und ich hüpfen kaum merklich im gleichen Takt auf und ab. „Was ist ein Friend?“, fragt Sonja schließlich. Er stöhnt leise auf. Das ist nicht der Teil, den er erzählen will, denke ich mir. Klaus setzt sein Bein wieder auf den Boden, dreht sich im Stand und lässt sich zwischen Sonja und mich auf den Ast fallen. Der Ast biegt sich

nach unten, und Sonja verliert beinahe das Gleichgewicht. Klaus legt einen Arm um ihre Schultern. Mit den Fingern der anderen Hand fährt er über seinen Bart. „Ein Friend ist so was Ähnliches wie ein Klemmkeil. Weißt du, was ein Klemmkeil ist?“ Sonja blickt ihm ins Gesicht. Sie zieht ihre Augenbrauen hoch. „Ein Metalldings, das man beim Klettern in Felsspalten stecken kann, und an dem man sich dann sichert“, sagt Klaus. „Aha“, sagt Sonja, lächelt mir über Klaus’ Schulter hinweg zu und zuckt leicht mit ihren Schultern. „Und dann?“, fragt sie. „Und dann befestigt man eine Expressschlinge und das Seil daran“, sagt Klaus. „Das meine ich nicht“, sagt sie. „Dein Bein hat gezittert. Und dann?“ Klaus braucht einen Moment, um wieder in seine Geschichte zu finden. Dann steht er auf. Der Ast geht nach oben. Im Stehen wirken Erzählungen besser. Das hat er mir einmal erklärt. Ich finde, er hat Recht. Ganz besonders bei ihm ist es so. „Kennst du die Löwenzähne?“, fragt er Sonja. Wieder blickt sie fragend in meine Richtung. Ich nicke. „Die Felsen über Hohenems. Letzten Sommer waren wir dort. Wir sind von der Reute aus gestartet ...“ „Ja, ja, ja“, unterbricht sie mich. „Ich erinnere mich.“ Und zu Klaus: „Klar kenne ich die Löwenzähne. Du kletterst dort?“ „Manchmal“, sagt Klaus. „Aber wenn, dann ist es was Besonderes. Der Weg dorthin, der Blick über Hohenems und den Alten Rhein, und ganz besonders der riesige allein stehende Fels.“ „Du warst in der Wand, und dein Bein hat gezittert“, sage ich lächelnd. Ich weiß, dass auch das nicht der Teil ist, auf den Klaus hinaus will. „Das kommt vom Respekt vor dem Fels“, sagt er. „Respekt, Angst und Erschöpfung. Früher hatte ich das nicht so oft. Da habe ich einfach meinen Kopf ausgeschaltet. Das gelingt mir heute nicht mehr jedes Mal. Aber auf was ich hinaus will: Ich war in der Wand und


habe einfach keinen Griff mehr gefunden. In meinen Unterarmen hat das Brennen begonnen, meine Finger haben sich verkrampft.“ „Und dein Bein“, sagt Sonja und beginnt, ihres auf und ab zu bewegen. „Nähmaschine“, sagt Klaus und nickt heftig. „Und der trockene Fels hat mir eine Schicht nach der anderen von den Fingerkuppen geschmirgelt.“ „Der Fels fängt Feuer unter meinen Fingern“, sage ich leise. „Ganz genau“, sagt Klaus. „Ich weiß nicht mehr vor und zurück, denke, ich werde jeden Moment stürzen und dann kommt mir dieser perfekte Satz in den Sinn. Und ich dachte mir: So etwas passiert mir nur während des Sports. Und ich wusste, den Satz schenke ich Bastian.“ „Den Satz und die ganze Geschichte“, sage ich. Leise wiederholt Sonja meine Worte: „Der Fels fängt Feuer unter meinen Fingern. Das ist schön. Das klingt wie das Zischen eines Streichholzes.“ Ich nicke. „Das hat er dir geschenkt?“ „Mein bester Satz“, sagt Klaus stolz und setzt sich wieder zwischen uns. „Dein bester“, wiederhole ich. Sonja nickt und klopft Klaus anerkennend auf den Oberschenkel. Sie kennt mich und weiß, wie viel mir so etwas bedeutet. Wir stehen auf und spazieren zurück. Wir gehen nicht am Weg entlang, sondern nehmen die Abkürzung durch den schmalen Waldabschnitt. Es ist Frühling, und die morschen Äste des Herbstes knacken unter unseren Füßen. Mit den Fahrrädern fahren wir dann zu mir. Bei meiner Wohnung im jüdischen Viertel angekommen, verabschiedet sich Klaus. „Ich muss gehen“, sagt er. „Gehst du klettern?“, fragt Sonja. Er schüttelt seinen Kopf, klopft mir auf die Schulter, küsst Sonja auf die Wange und fährt davon. Er mag schnelle Abgänge. Ich lade Sonja auf einen Kaffee ein, und wir set-

zen uns auf den Balkon. Von dort aus beobachten wir die essenden und trinkenden Leute im Gastgarten des ­Restaurants Moritz. „Im Winter bin ich vom Cineplexx aus in die Stadt geradelt“, beginnt Sonja und rührt in ihrer Kaffeetasse. Sie trinkt ihn ohne Milch und Zucker, mag aber das Geräusch des Löffels, der gegen das Porzellan stößt. „Hinten, auf dem schmalen Kiesweg. Als ich beim Fußballplatz vorbei kam, sah ich, wie neun oder zehn ältere Männer, alle mit Schal und Mütze, entlang der Absperrung standen, mit ihren Armen auf dem Zaun lehnten und ein Spiel beobachteten. Als hätte sie jemand aufgestellt, sah das aus. Der weiße Atem kam aus den Mündern und Nasen, und einen Ernst hatten sie in den Gesichtern, den man nur bei wahren Fans findet. Ich bin vom Fahrrad gestiegen und habe mich neben einen dieser Männer gestellt. Ganz kurz hat er mich angesehen, mir zugenickt und sich dann wieder dem Spiel gewidmet. Ich bin dann vielleicht eine Minute neben ihm gestanden, und dann wurde mir kalt. Es war langweilig, weil einfach nur zweiundzwanzig Kinder, keine zwölf Jahre alt, dilettantisch einem Ball hinterher gerannt sind. Und ich sage ganz gezielt zweiundzwanzig, weil man die Tormänner, die Torkinder kaum von den Feldspielern unterscheiden konnte. Ich habe mich dann zum Mann gewandt und gefragt: ‚Wer gewinnt?’ Es spiele keine Rolle, hat er geantwortet. Es sei nur ein Freundschaftsspiel. ‚Sind sie denn gut?’, habe ich nachgehakt. ‚Werden sie mal in der Bundesliga spielen, so wie Altach es einst getan hat?’ Und der Mann hat mich nachsichtig angesehen. ‚Des sind Kinder’, hat er gesagt. ‚Es goht nit ums Gwinna oder umd Bundesliga. Es goht nur ums Tschutta’.“ Sonja rührt immer noch in ihrem Kaffee. „Das hat mir gefallen“, sagt sie leise. „So sollte Sport sein.“ „Darf ich die Geschichte haben?“, frage ich vorsichtig. Sie blickt über die alte jüdische Schule in Richtung der Schweizer Berge. „Die schenke ich dir“, sagt sie, ­lächelt und legt den Löffel neben ihre Tasse. „Ein Tag, zwei ­Geschichten.“


Lima Oskar India Hotel Das Tor zur Welt – LOIH-Flugplatz Hohenems

Wilfried Schneider aus Lech versorgt seine Boing Stearman mit Saft. Am Wochenende herrscht reger Betrieb am Flugplatz nĂśrdlich der Stadt.



Hanna übt in einem Vertical Trainer. Für den ersten selbständigen Absprung ist der sichere Griff zum Auslöser Voraussetzung. Ein Tandemsprung, der in ihr ein bis dahin unbekanntes Gefühl von Freiheit und Euphorie auslöste, war die Initialzündung für die Feldkircherin. Nun will sie es wissen und lässt sich zur Fallschirmspringerin ausbilden.


Kamov Schwerlasthubschrauber mit Doppelrotorsystem und 5 Tonnen Hebevermögen. Zollformalitäten zwingen dieses Monster aus der Schweiz in Hohenems zu Boden. Der Helikopter ist mit fünf Mann Besatzung unterwegs, um am Arlberg die Masten einer Liftanlage aufzustellen. Mit modernen Thermikseglern werden von Hohenems aus Streckenflüge von über 1000 km geflogen. Die Piloten fliegen dafür bis zu 14 Stunden ohne Zwischenlandung. Flugdaten werden mit GPS Loggern aufgezeichnet und anschließend ausgewertet.


Eine Steyr 650 ist soeben gelandet. Nach 20.00 Uhr steht der Flugplatz still, Riedbauer Amann nimmt den k端rzesten Weg. Und der f端hrt nun mal 端ber das Rollfeld.



Winter-Wunderland Schneetreiben in der Stadt und auf den Bergen.


Stadth채user Nahezu l체ckenlos erhalten geblieben ist das H채userensemble des j체dischen Viertels aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert.


Einschaltfeier Jedes Jahr im November, im Palasthof duftet es nach Zimt und Rotwein, drückt der Bürgermeister symbolisch auf einen Knopf um die städtische Weihnachtsbeleuchtung zu aktivieren. Dann lassen 50.000 Lämpchen die Stadt und ihre Einkaufsgeschäfte in weihnachtlichem Glanz erstrahlen.



Ringelspiel mit Goldengel Kinderglück auf dem roten Karussell. Punsch und Glühwein, kalte Füße, heißer Kopf. Am Hohenemser Christkindlemarkt sind die Menschen in Weihnachtsstimmung.




Vor dem Arlberg Das Skigebiet Schuttannen mit immerhin zwei Liftanlagen und zahlreichen MĂśglichkeiten fĂźr kleine Skitouren und Winterwanderungen. Garantiert keine Wartezeiten.


Schneeloch Mitte Oktober und 80 cm Neuschnee ist zwar eher die Ausnahme, doch der Eulenwinkel in Schuttannen ist wegen seiner Staulage vom Niederschlag begünstigt. Eben ein „Schneeloch“, wie die Einheimischen sagen.



Big Mountain Ein heftiger Wintersturm hat massig Schnee auf den Wendkopf oberhalb Schuttannen abgeladen. Der federleichte „Pulver“ verspricht kanadische Skiverhältnisse für die Abfahrt.




Das ist kein 8000er Die Nordwestwand des Hohen Freschen schaut im Winter aber manchmal so aus. Annapurna lässt grüßen. Der Freschen dominiert die Hohenemser Bergwelt, gehört allerdings geographisch zum Gemeindegebiet von Dornbirn.


Wasserfall und Türkenbund von Gabriele Bösch

Hohenems´de oturuyorum. Ich sitze in Hohenems. Die türkische Formulierung für „ich wohne in Hohenems“ hat mir immer gefallen, schließt sie doch ein, dort, wo ich sitze, bin ich zuhause, ob ich an jenem Ort geboren bin oder nicht, ob ich Möbel mein Eigen nenne oder nicht. Man kann irgendwo auf dem Boden sitzen und sich zuhause fühlen, solange man Heimat nicht von Örtlichkeiten oder anderen Menschen abhängig macht, sondern sie als höchste Form von Zugeständnis zum Menschsein in sich selbst trägt. Ich sitze also in Hohenems, im entlegenen Stadtteil Unterklien. Wenn ich mich der Stadt selbst nähern will, geschieht es daher immer von außen: Mein Blick geht Süden. In hängenden Schichten verneigt sich der Berg. Ein Buchenwald säumt mir mein buntes Gartenkleid, mit Giersch bestickter Lilientaft. Der Greisin weißes Haar fällt über Felsen. An ihrem Rand, denke ich, verliert eine Stadt ihre artifizielle Eigenart, sie wird, weil sie es schon immer war, natürlich. Der Weg nach Hohenems ist weit. Ich gehe ihn seit achtzehn Jahren. Ich gehe ihn Süden. Ich gehe ihn Wälder. Ich gehe ihn Steinbrüche. Ich gehe ihn viermal Wasserfall. Wenn ich den Weg ganz gehe, gehe ich ihn im Oberklien aufwärts zurück nach Norden, über den Unterberg in Richtung Neue Welt. An manchen Stellen ist der Wald kahl geschlagen. Dort schaue ich Himmel, den roten Milan, den Bussard und viele Segelflieger. Sie alle nützen den Aufwind am Felsen. An ihrem Rand, denke ich, beginnt eine Stadt zu fliegen. Einst war die „newe Weldt“, die Fortsetzung des Unterbergs nach Norden, eine gerodete Ebene. Sie ist dem Steinbruch zum Opfer gefallen. Im 17. Jahrhundert standen hier oben Höfe. Vielleicht wurde hier damals schon „Türken“ angebaut, doch nichts erinnert mehr daran. Jetzt wird der Rest der Neuen Welt von der Natur und vom Förster bewirtschaftet. Ganz oben, am Anfangende des großen Steinbruchs, schüttet der Fels salzlose Tränen aus. Sie fallen Wasser über fünf Stufen und sammeln

sich in einem künstlichen See. Westwärts fallen sie durch ein Felsentor erneut über Stufen ins Tal zum Unterklienbach. Aber noch stehe ich hier: Wo sich einst Gletscher der Sonne verbanden, leuchtet jetzt Türkenbund aus der Schattengischt, das Licht bricht sich, ein schimmerndes Strahlen in Regenbogenfarben. Kein Spaziergänger verirrt sich hierher. Es ist ein Atemrasten in sichtbaren Lungen. An ihrem Rand, denke ich, entspringen der Stadt ihre kostbarsten Quellen. Wenn ich diesen ersten Wasserfall verlasse, gehe ich abwärts nach Hohenems hinauf. Ich gehe Buchen und Lärchen und verblüffend viele Jungnussbäume. Im Frühling blühen hier vereinzelt Kirschbäume, weiße Punkte im hellgrünen Mantel des Waldes. Ich bilde mir ein, sie seien Relikte der einstigen Höfe. Am heutigen Wegrand stehen Tollkirschen und Wolfsmilch, zart winden sich Waldreben durchs Unterholz. Kaum kann ich mir vorstellen, dass Kinder sich früher an Lianen durch diesen Wald schwangen, er war der Spielplatz kleinerer Helden. Heute sind Computerspiele grafisch so ausgefeilt, dass Kinder keinen echten Wald mehr brauchen. Das einstige spontane Spiel erfährt eine zeitlich geordnete, gelenkte und beaufsichtigte Wiederbelebung in Form von Waldkindergärten, wohl an einem anderen Ort, denn hier ist nichts davon zu hören. Das ist nur ein Beispiel für institutionalisierten Lebensausdruck, geht mir durch den Kopf, wie wird die weitere gesellschaftliche Entwicklung aussehen? Am ­Rande einer Stadt ist es still, denke ich, weil Vergangenheit und Zukunft in Form der Gegenwart schweigen. „Zukunft ist offenbar ein Wertbegriff: Was morgen sein wird, ist mehr wert als das, was gestern war. So will es unser natürliches Zeitempfinden“, schrieb Jean Améry in „Jenseits von Schuld und Sühne“. Dann weint der Berg erneut. Diesen Wasserfall nenne ich ­meine G ­ reisin. Ich höre sie, bevor ich sie sehe. Ich gehe Felssturz. D ­ amals dachte man die Zukunft in Autobahnen. Der Berg reagierte 1971 auf die Beseitigung


seines Fußes, indem er Material von oben nachwarf. Jetzt sehe ich Efeu die glatte Felswand erobern, als sei sie ein verwunschenes Schloss, in dem auf hundert Jahre dasjenige in Schlaf gebannt ist, was zu vergessen sei. „Was geschah, geschah: der Satz ist ebenso wahr wie er moral- und geistfeindlich ist“, schrieb Améry. Man möchte diesen Satz in Stein meißeln. Erinnern aber ist ein mentaler Prozess. Mein Blick fällt auf die Felsblöcke. Am nördlichen Rand dieser Stadt denke ich an den südlichen mit seinem jüdischen Friedhof. Nachts kann ich die Greisin auch von meinem Balkon aus hören, sehen tu ich sie von dort immer. An ihr lese ich das Jahr, das Eis für Winter, das bewegte Weiß für Regenfälle, die braune Spur für Dürre. Manchmal, wenn mein Blick sich in ihrem fallenden Haar verliert, beginnt daneben die Felswand aufwärts zu fließen. Dann träume ich von einer besseren Welt. Die Greisin jedoch gräbt sich als Haselwurzbach unbeirrt weiter. Er führt mich abwärts aufwärts nach Hohenems. An der Brücke im Oberklien zweigt der Leiternweg nach oben zur Reute ab. Ich aber gehe in einem Tunnel aus Buchen, Eschen und Ahorn. Ich gehe Felsblick. Der dritte Wasserfall, die Spitzeneckgreisin, speist einen stillen Weiher. Das Licht fällt hellgrün zwischen Fels und Wald. Noch ist die Stadt nicht wirklich zu spüren. „Wir sind darauf gestellt, in Dingen zu l­eben, die uns Geschichten erzählen“, schrieb ­Améry, „Wir brauchen ein Haus, von dem wir wissen, wer es vor uns bewohnt hat, ein Möbelstück, in dessen kleinen Unregelmäßigkeiten wir den Handwerker erkennen, der daran arbeitete.“ Ich stehe und blicke: Totholz säumt das Ufer, große Fische bewegen sich träge im trüben Wasser. Man darf nicht fi ­ schen. Man darf sich dem Felsen nicht nähern. Die Schilder sind der erste Hinweis auf die nahe Stadt. Die Regulierung des Überlaufs der zweite. Die großen Schildkröten, die behände ins Wasser tauchen, sind der dritte Hinweis. Ab wann wird man sie wohl heimisch nennen? Von welchen vergangenen Sehnsüchten erzählen sie? Von

welchen zukünftigen Sehnsüchten erzählen Weiher und Fische? Am Rande einer Stadt, denke ich, entwickelt sich Ausgesetztes manchmal zum Paradies. Am Ende des Weihers fällt der vierte Wasserfall ins Tal. Er ist der kleinste der vier. Als halte der Berg ab hier seine Tränen zurück, beginnt er sich vor der Stadt zu verneigen. Ein Stückchen weiter oben wird er dann wieder zugänglich werden. Links liegt ein Holzlagerplatz, die sorgfältig geschichteten Stämme erinnern mich in ihrer Anordnung an ein Schiff. Viel zu mächtig wäre es für den seichten Weiher, es wird für andere große Sehnsüchte vom Stapel laufen. Dennoch, es ist schön, dass die Stadt mich mit Holzduft empfängt. Bald danach öffnet sich der Waldtunnel: Aus der sommerfrischen Kühle trete ich an die Sonne und über einer Christbaumkultur erscheinen wie ein Wahrzeichen die roten Hoch-Häuser des Tiergartens. Wir sind darauf gestellt, in Dingen zu leben, die uns Geschichten erzählen: Wie eine stolz leuchtende Burg erheben sich diese Wohn-Blöcke mir zum ersten Blick auf die Stadt. Es ist eine Gegenwart in den vielen Wäschestangen, in den abgedeckten Sandkästen und in den Spielplätzen – und in den vielen neu gebauten Rampen. Es ist eine Gegenwart, die in ihrem äußeren Abbild mehrere Lebensalter umfasst. Eine Lebendigkeit umfängt mich. Am Rand ist eine Stadt in ihrem Ausdruck vielleicht ehrlicher, denke ich. Wenn ich am Friedhof angekommen bin, habe ich das Gefühl, wirklich in Hohenems angekommen zu sein. Vielleicht, weil ich die Schranke passieren muss, weil ich durch ein Tor gehen muss, wenn auch ein kleines. Vielleicht aber auch, weil ich immer an diesem ersten Grab Halt mache. Von der Stadt aus gesehen ist es das letzte. Mir ist es das liebste von allen. Manchmal bringe ich dem türkischen Lehrer Ahmet Alkan eine Blume mit. Auf Mond und Stern fällt eine Sonne. Der Anfang der Stadt liegt am Ende des Friedhofs, denke ich, und gehe still auf das zweite Tor zu.



Ansichten rund um die Stadt Was man so alles sieht, wenn man genau hinschaut.

Strahlkopf, Älpelekopf und Kapf Das sind wahrscheinlich die kleinen Brüder von Altmann, Hohem Kasten und Säntis auf der anderen Seite des Rheintals, in der Schweiz.


Neue Welt Wer diesen Wasserfall mit eigenen Augen sehen will, muss schon ein wenig suchen. Er ist der erste der groĂ&#x;en vier am nĂśrdlichen Rand der Stadt.




Alles steht kopf Regen hat den Asphalt in eine spiegelnde Oberfl채che verwandelt, fl체chtig zeigen sich ungewohnte Ansichten der Stadt.


Burg Neu-Ems Vor der verschneiten Bergkulisse des „Schönen Mann“ wirkt die schroffe Burg über dem Rheintal äußerst herrschaftlich.




Alpenfrieden Rallye Feeling auf der SchotterstraĂ&#x;e Schuttannen. Eine der letzten MĂśglichkeiten im Land seinen SUV zu testen. Staubwolke garantiert.



Schwäbisches Meer Große Stimmung bei einer Abendwanderung von Schuttannen über die „Schoataböda“. Das Rheintal liegt bereits im Dunkeln, die Sonne versinkt am westlichen Ende des Bodensees.


Die Sichtweise des Fotografen von Dietmar Walser

Vielleicht erkennt man Zusammenhänge besser, wenn man sein Umfeld in Bildausschnitten wahrnimmt und die vorhandenen Lücken mit eigenen ­Vorstellungen und Wünschen schließt: jedem Betrachter seine persönliche Erkenntnis. Hohenems ist eine Stadt, in der man die Geschichte spüren kann, in der man sich aufhalten kann und wo man Menschen trifft, die gerne hier sind. Das unmittelbare Umfeld bietet eine nahezu unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen und Erholung zu finden. In den letzten Jahren hat sich die Stadt

entwickelt und einiges an Potenzial wurde erkannt und freigelegt, manches wartet aber noch auf seine Entdeckung. Viele Motive in diesem Buch sind über alle Zweifel erhaben, andere trennen den ­Betrachter nur knapp von Zerfall und fehlender Sensibilität. Mit diesen Bildern Menschen auf die Vielfalt in Hohenems aufmerksam zu machen, vielleicht sogar diesen oder jenen dazu zu bewegen die erwähnten Lücken nicht nur im Kopf zu schließen, sondern auch in der Realität positive Impulse zu setzen: Was gibt es Schöneres für einen Fotografen?




Dietmar Walser, geboren 1960 in Bregenz und gleich von seinen Eltern Erna und Georg in sein Zuhause nach Hohenems verbracht, lebt und arbeitet heute immer noch dort. Als freier Fotograf ist er in den Bereichen Werbefotografie, Architekturfotografie und Bildreportage tätig. Für die renommierten TV-Sender Arte und SF-Schweizer Fernsehen bereiste er als K ­ameramann die Berge des Himalayas und des Pamir-Gebirges und drehte unter anderem ­einen Teil der Bilder für die Dokumentationen „Sherpas, die wahren Helden“ am Mount Everest und „Forschung in eisigen Höhen“ am Muztagata. Als Berg- und Skiführer und begeisterter Sportkletterer war es für ihn logisch sich schon früh mit der Landschaftsfotografie zu beschäftigen, führen doch diese Tätigkeiten in die spannendsten Ecken und Winkel der näheren Umgebung und darüber ­hinaus. Da das Gute meist nahe liegt, entstand die Idee, basierend auf seinem fotografischen Hintergrund, einen Bildband über Hohenems zu machen und dabei die Kriterien der Landschafts- und der Reportagefotografie anzuwenden. Abseits touristischer Notwendigkeiten ist es ihm gelungen, ein sehr persönliches Stimmungsbild von Hohenems zu erzeugen.


„Hohenems - Häuser und Passanten“ Hinweis auf eine für 2013 geplannte Neuerscheinung. Schauen Sie doch mal rein, wenn Sie Zeit haben und verfolgen Sie die Entstehung von „Hohenems - Häuser und Passanten“. http://haeuser.walser-image.com/



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