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ISSN 1613-3714

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Einzelpreis € 3.-

Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll Schwerpunktthema Akademie in der Region Der Vielfalt Heimat geben. Integrationsplan Ebersbach Vom Reden zum Tun. Jobst Kraus drängt die Region zu zukunftsfähigem Handeln Generationen übergreifender Geschichtsworkshop Strategien gegen den Welthunger Rassismus und Antisemitismus in Comics Tagungsvorschau Mitbestimmung in der Krise In the Year 2025 Alle unsere Zukünfte Literarische und philosophische Sommerakademie Rückblende, Onlinetexte Publikationen Service

Bürgermeister aus der Region in der Akademie

Juni

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inhalt

aktuell ...

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Manfred Fischer, früherer Geschäftsführender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll, gestorben Doppelte Auszeichnung für Nachhaltigkeitsangebote der Akademie im Rahmen einer UN-Dekade Tag der Offenen Tür in der Akademie

Rückblende – Onlinedokumente

Was kommt ...

Peter Riek Deutschland, 80x60 cm, Tusche und Fettkreide auf Papier, 2009

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Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 16. Juni bis 15. Oktober 2010

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»Orangenduft und Brandgeruch« Fotografien aus dem Libanon von Martina Waiblinger »schattenboxen« – Zeichnungen von Peter Riek

Schwerpunkt: Akademie und Region

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics 16

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Rückblick auf vergangene Tagungen sowie Links zu interessanten Beiträgen

Ausstellung

Guter Zeitpunkt für neue Strategien gegen den Welthunger 15

Aus der Akademie

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Magazin

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Publikationen Service, Rezept Meine Meinung

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Der Vielfalt Heimat geben. Integrationsplan Ebersbach Vom Reden zum Tun. Jobst Kraus drängt die Region zu zukunftsfähigem Handeln Heute fühle ich mich schon als Stuttgarterin. Eine Generationen übergreifende Geschichtswerkstatt zum Thema Integration Dialogforum der Kirchen in der Region Wie gefährlich ist Fethulla Gülen? Der Studienleiter als Moderator

Impressum

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Meditation

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Titelbild Von links nach rechts die Bürgermeister Thomas Schubert (Eschenbach), Paul Schmid (Schlierbach), Jochen Reutter (Hattenhofen), Werner Link (Zell u. A.), Friedrich Buchmaier (Dürnau; sitzend), Martin Eisele (Aichelberg), Hans-Rudi Bührle (Bad Boll). Ganz rechts: Nadine Krepstakies und Hansjürgen Wienecke vom Landratsamt Göppingen Fotograf: Thomas Sippel Bearbeitung: Ulrich Waiblinger SYM 2/2010


editorial

Liebe Leserin, Lieber Leser, an verschiedenen Stellen wird das Gespräch mit der Hamas gefordert – so auch im Januar 2009 durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama. Im Kontext vieler Tagungen zur Situation im Nahen Osten hat die Evangelische Akademie Bad Boll Vertreter von Fatah, Hamas und Israel eingeladen, um auszuloten, welche Schritte mit wem möglich sind. Die Tagung will das Gespräch, das auf verschiedenen Ebenen auch in Deutschland gefordert (s. a. Kommentar, S. 23) und zum Teil geführt wird, unterstützen. Die Reaktionen sind gespalten: viel Unterstützung auf der einen Seite bis zu Rücktrittsforderungen an den Akademie-Direktor auf der anderen (s. a. S. 24 und Medienecho auf der Website der Akademie). Ich möchte da an den Pragmatismus von Amos Oz, Literaturpreisträger und bekannter Schriftsteller aus Israel, erinnern, der zu diesem Thema ganz klar sagte: »Frieden macht man mit seinen Feinden«. Die Württembergische Landeskirche betont in ihrer Stellungnahme zur Tagung (s. S. 3) die immer wieder dokumentierte Verbundenheit mit Israel und macht gleichzeitig deutlich, dass die Evangelische Akademie Bad Boll den Auftrag hat, auch ungewohnte Wege zu gehen, um Kommunikation zu ermöglichen. Das uns ausgesprochene Vertrauen ist Stärkung und Herausforderung zugleich, an diesem Projekt festzuhalten. In diese Debatte platzte eine Meldung der Stuttgarter Zeitung über weitere Kürzungsüberlegungen in der Landeskirche, die auch die Evangelische Akademie betreffen. Nachdem die Akademie in den letzten Jahren ein Drittel ihrer Stellen reduzieren musste, erscheint dies unvorstellbar. Im Barmer Bekenntnis wird der Anspruch und Zuspruch des Evangeliums auf alle Bereiche des Lebens deutlich gemacht. Deshalb engagiert sich die Württembergische Landeskirche seit 1945 mit der Evangelischen Akademie an herausgehobener Stelle für das Gemeinwesen. Diese Arbeit ist eine Investition in die politische Kultur, entsprechend dem biblischen Auftrag, der »Stadt Bestes zu suchen«. Andere Landeskirchen haben eigenständige Bereiche für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA). Württemberg hat, um die Synergieeffekte wissend, den KDA mit der Akademiearbeit vernetzt. Was jetzt diskutiert wurde, bedeutet, dass Kirche sich selbst reduziert. Die Einbindung der Tagungsarbeit in gesellschaftliche Prozesse der Kommunen in der Region wird im vorliegenden Heft thematisiert. Es ist erstaunlich, wie viel auf diesem Gebiet passiert und welche Folgen diese Arbeit hat. Das alte Motto wird gelebt: Global denken – lokal handeln. Wir freuen uns über ihr Interesse an unserer Arbeit, sind dankbar für alle konstruktive Kritik und grüßen Sie ganz herzlich

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor SYM 2/2010

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aktuell

Wir trauern um unseren Kollegen Uwe Walter Völlig überraschend verstarb Uwe Walter, Leiter der Abteilung Presse und Publikationen am Donnerstag, den 13. Mai 2010 in Berlin. Er war für uns alle ein kluger, wertvoller und verlässlicher Kollege, der mit unendlich viel Engagement seine Abteilung leitete, die Verbindung zu den Medienvertretern hielt und das Erscheinungsbild der Evangelischen Akademie Bad Boll wesentlich mitgestaltete. Er war ein hilfreicher und wertvoller Gesprächspartner für alle Fragen und Aufgaben. Unser Mitgefühl gilt seiner Partnerin Elke und seinem Sohn Paul. (Die Nachricht erreichte uns nach Redaktionsschluss.)

Manfred Fischer, früherer Geschäftsführender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll, starb nach langer Krankheit am 9. März Manfred Fischer fühlte sich als Theologe der ökumenischen Leitidee »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« verpflichtet, die er auch als Richtmaß seiner Leitungstätigkeit in der Akademie verstand. Dies wurde erkennbar in zahlreichen Stellungnahmen zur Friedens- und Umweltbewegung. Kurz nach Amtsantritt als Geschäftsführender Akademie-Direktor 1988 sagte er, »praktischer Materialismus sei die vorherrschende Weltanschauung in der Bundesrepublik«. »Manfred Fischer hat als Direktor darauf hingewirkt, dass in einer auseinanderstrebenden Gesellschaft Brücken gebaut werden«, sagte der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July. Seine Liebe zur Sprache

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habe ihm geholfen, Menschen aus unterschiedlichen Milieus miteinander ins Gespräch zu bringen. Der Geschäftsführende Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll, Joachim L. Beck, betonte die Sprachmächtigkeit seines Vorgängers, mit der er theologische und gesellschaftspolitische Fragestellungen in Beziehung setzte. »Als feinsinniger und engagierter Theologe begleitete er wachsam gesellschaftliche Entwicklungen und unterstützte Menschen, die Verantwortung in Wirtschaft, Politik und Verwaltung tragen«, sagte Beck. Manfred Fischer habe Frömmigkeit und Weltverantwortung in überzeugender und ansteckender Weise gelebt. Im Direktorenteam war Fischer verantwortlich für Strukturveränderungen in den neunziger Jahren, in deren Verlauf die regionalisierte Arbeit der Evangelischen Akademie Bad Boll reduziert und die diskursiven Elemente am Standort Bad Boll konzentriert wurden. Manfred Fischer wurde 1933 in Königsberg geboren. Nach seinem Theologiestudium war er zunächst Pfarrer für landeskirchliche Schülerarbeit, ab 1967 Gemeindepfarrer in Stuttgart-Hohenheim. Ab 1980 gehörte Fischer, neben Dr. Günther Metzger und Christoph Bausch, dem damals dreiköpfigen Direktorium der Evangelischen Akademie Bad Boll an. Zum Geschäftsführenden Direktor der Akademie wurde er dann 1988 berufen. Er füllte das Amt bis zu seinem Ruhestand 1996 aus. Seine letzten Lebensjahre waren geprägt durch seine Alzheimer-Erkrankung. Uwe Walter

Doppelte Auszeichnung für Nachhaltigkeits-Angebote der Akademie im Rahmen der UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« Gleich zwei Angebote, an denen die Evangelische Akademie Bad Boll beteiligt ist, wurden jetzt als offizielle Projekte der UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« ausgewählt. Sowohl das Studienbegleitprogramm für Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika (STUBE) als auch das Projekt »Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt« dürfen künftig diesen Ehrentitel tragen. STUBE bietet Studierenden aus den Ländern des Südens die Gelegenheit, sich in Seminaren und Workshops über Fragen der Entwicklungszusammenarbeit zu informieren und auszutauschen. Auch bei der Berufsvorbereitung und bei Praktika ist STUBE behilflich. Die erste STUBE wurde 1983 in Baden-Württemberg gegründet, inzwischen hat sich daraus ein Netzwerk aus elf STUBEN in verschiedenen Bundesländern entwickelt. Die baden-württembergische STUBE steht seit 1996 organisatorisch unter dem Dach der Evangelischen Akademie Bad Boll, mit der es darüber hinaus vielfältige Kooperationen gibt. Auch das zweite UN-Dekade-Projekt »Zukunftsfähiges Deutschland« wurde von der Evangelischen Akademie Bad Boll, namentlich dem für Umweltbildung zuständigen Stu-

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aktuell dienleiter Jobst Kraus, mitinitiiert. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kooperation zwischen zehn Evangelischen Akademien, dem Evangelischen Entwicklungsdienst (eed) und »Brot für die Welt«. Mit insgesamt 16 Tagungen widmet sich das Projekt Fragen der internationalen Gerechtigkeit, Möglichkeiten nachhaltigen Wachstums und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse. Im Rahmen dieser Reihe veranstaltet die Akademie Bad Boll zum Beispiel im kommenden November eine Tagung: »Warum ändert sich so wenig und wie lässt sich das ändern?«. Verliehen wurde die Auszeichnung am 17. März vom Nationalkomitee der UN-Dekade im Rahmen der Bildungsmesse Didacta in Köln. Der Vorsitzende des Komitees, der Erziehungswissenschaftler Gerhard de Haan: »Die DekadeProjekte leisten vorbildliche Arbeit. Sie tragen die Idee ›Nachhaltigkeit lernen‹ in die Breite«. Voraussetzung für eine Auszeichnung ist, dass Wissen und Kompetenzen aus mindestens zwei der drei Nachhaltigkeits-Dimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt vermittelt werden. Ferner müssen die Projekte innovativen Charakter haben. In diesem Jahr wurden 86 Projekte ausgezeichnet. Die UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« ist eine internationale Bildungsinitiative. Die Staaten der Vereinten Nationen haben sich verpflichtet, in den Jahren 2005 bis 2014 das Konzept »Nachhaltigkeit lernen« zu stärken. Die Deutsche UNESCO-Kommission koordiniert die Aktivitäten zur UN-Dekade in Deutschland mit Förderung des Bundesbildungsministeriums. Grundlage ist ein einstimmiger Beschluss des Deutschen Bundestages.

Interessierte begutachteten das neue AkademieGebäude beim »Tag der Offenen Tür« Ganz genau anschauen konnte man sich am 28. März, was nach gut 13jähriger Plan- und Bauzeit entstanden ist: Rund 500 Gäste aus nah und fern begutachteten beim »Tag der Offenen Tür« den neuen Südflügel, mit dem die Evangelische Akademie Bad Boll nunmehr 60 weitere Gästezimmer und drei zusätzliche Veranstaltungsräume gewonnen hat. An der Notwendigkeit dieses Neubaus habe es nie Zweifel gegeben, sagte der Kuratoriumsvorsitzende Werner Stepanek bei einer Talkrunde. Jetzt sei er »stolz und selig«, dass der Bau zum Abschluss gekommen ist. Er hoffe, dass der Neubau einen geschützten Raum zur Diskussion über Verletzlichkeiten von Menschen in ihren beruflichen Rollen biete. Oberkirchenrat Dr. Ulrich Heckel meinte, dass »Inneres und Äußeres des Gebäudes in idealer Weise zusammen wirken und das Gespräch beflügeln«. Der Akademie wünschte er, dass sie sich nach der baubedingten Improvisation nun wieder ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren kann. Den Neubau hat die Akademie noch mit weiteren Veranstaltungen gefeiert. Die offizielle Eröffnung fand am 7. März statt, und am 25. April gab es ein Benefizkonzert mit den Kammermusik-Ensembles des Polizeimusikkorps Baden-Württemberg.

Uwe Walter

Mehr über STUBE: www.stubebw.de

Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zur Akademietagung Bad Boll »Partner für den Frieden« vom 28. April 2010 1. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat sich in mehreren Erklärungen zum Existenzrecht Israels bekannt und steht grundsätzlich dazu. Diese Verbundenheit hat eine lange Tradition. Zugleich weiß sie sich auch mit den palästinensischen Christen verbunden. 2. Eine Evangelische Akademie hat den Auftrag, Denkfabrik und Brückenbauer zu sein und braucht den Freiraum, auch ungewohnte Wege zu gehen, um Kommunikation zu ermöglichen. 3. Wir nehmen die Kritik und Sorge ernst, die sich in den Anfragen an diese Tagung ausdrücken. Die Landeskirche geht davon aus, dass die Akademie bei der Auswahl der Referenten und der Konzeption der Tagung ihrer Verantwortung gegenüber den oben genannten Grundsätzen nachgekommen ist. 4. Die Kirchenleitung ist im Gespräch mit der Akademie über die Frage, wie sicher gestellt werden kann, dass diese Tagung nicht entgegen den Zielsetzungen missbraucht wird. Ziel ist es, das Gespräch zu ermöglichen, wo Sprachlosigkeit und Gewalt herrschen.

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Bild Mitte, von links nach rechts: Architektin Nike Fiedler, Oberkirchenrat Dr. Ulrich Heckel, Kuratoriumsvorsitzender Werner Stepanek, Geschäftsführender Direktor Joachim L. Beck

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rückblende Verfehlte Entwicklung in Äthiopien »Altes Land und neuer Aufbruch«, Tagung 19.-21. Februar in Bad Boll Der Prinz aus dem Hause Davids, Dr. Asfa-Wossen Asserate, begann recht diplomatisch mit seinem Vortrag über

melung bei Frauen und für AIDS-Aufklärung. Wichtig sind ebenso Versöhnungsinitiativen für zerstrittene Clans und Aufforstungsprojekte. Ziemlich unbekannt in Deutschland ist die Äthiopische Kale Heywat Kirche, die mit über fünf Millionen die größte evangelische Kirche dort ist. Sie konzentriert ihre sozialen Dienste auf Wasserversorgung und Gesundheitsdienste. Unbequem für die Regierung wird sie, wenn sich ihre »Abteilung Stellvertretung« für Menschenrechte konkret einsetzt. Gleichwohl sind aufgrund der Klimaschwankungen immer noch zehn Millionen Menschen von der Trockenheit und über sechs Millionen von Hunger bedroht. Wolfgang Wagner siehe auch Hinweise auf Onlinedokumente zur Tagung S. 6/7

Dr. Asfa-Wossen Asserate ist vor allem bekannt durch sein Buch »Manieren«.

das »uralte Kulturland« Äthiopien. Nicht zufällig hat er einen Bestseller über Manieren geschrieben. Doch die vergaßen einige Teilnehmer, als sie die Vertreterin der Bundesregierung Luisa Reichert recht scharf wegen verfehlter Entwicklungspolitik angriffen. Sie werfen dem zuständigen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vor, dass es unkritisch Gelder einer korrupten Regierung gibt, die damit ihre Kriege finanzieren kann. Zwar konnte die Referentin sachlich klarstellen, dass die bundesdeutsche Entwicklungshilfe präzise Auflagen enthält und so direkt der notleidenden Bevölkerung zugute kommt, aber die vielen Nichtregierungsorganisationen fühlen sich dennoch vernachlässigt. Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung soll durch das »Engineering Capacity Building Program« geleistet werden, das in seiner Komplexität einzigartig sei. In gewisser Weise zählen dazu auch die Kirchen. Insbesondere die evangelische Mekane-Yesus-Kirche mit ihren fast fünf Millionen Mitgliedern betreibt im Unterschied zur beherrschenden orthodoxen Kirche sechs Krankenhäuser und Sozialstationen. Sie kämpft gegen Genitalverstüm-

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Spendensammler an Deutschlands Hochschulen brauchen langen Atem Bislang werden in Deutschland lediglich neun Prozent der Hochschulaufwendungen aus privaten Mitteln finanziert. In den USA liegt der Anteil bei 55 Prozent, in Asien bei 60 Prozent. Auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland unter dem Durchschnitt. Darauf machte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Margret Wintermantel, zum Auftakt des 5. Fundraisingkongresses am 8. März in der Evangelischen Akademie Bad Boll aufmerksam. Zugleich prognostizierte sie einen wachsenden Finanzbedarf der Hochschulen. In den kommenden fünf Jahren sei damit zu rechnen, dass jährlich bis zu 450.000 junge Leute ein Studium beginnen wollen, während es zu Beginn der 90er Jahre nur 270.000 Studienanfänger waren. Dabei seien die Ausgaben je Studierendem in den letzten 30 Jahren real um 20 Prozent zurückgegangen. Margret Wintermantel zitierte den Wissenschaftsrat, demzufolge den Hochschulen jährlich 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssten, um einen Betreuungsschlüssel zwischen Studierenden und Lehrenden zu realisieren, der eine erfolgreiche Um-

Der Beitrag von Prof. Dr. M. Wintermantel ist als Audiodokument zu hören: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

setzung der sog. Bologna-Reform erlaubt. Vor diesem Hintergrund hält es die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz für nicht realistisch, dass die Finanzlücke im Hochschulbereich durch Spenden- und Sponsorenmittel behoben werden kann. »Selbst wenn es zu einer Verdoppelung oder Vervierfachung der Mittel käme, blieben die Anteile an der Gesamtfinanzierung bescheiden«, sagte sie in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Dennoch sprach sie sich dafür aus, den privaten Finanzierungsanteil konsequent auszuweiten. In diesem Zusammenhang bekräftigte Margret Wintermantel, dass die Erhebung von Studiengebühren in den beteiligten Ländern zu einer tatsächlichen Verbesserung der Finanzsituation im Bereich der Lehre geführt habe. So sei der Umfang der Hochschuleinnahmen durch Beiträge von 387 Millionen Euro im Jahr 2006 auf über eine Milliarde angewachsen. Bedauernd stellte sie fest, dass dieser Betrag nach dem Verzicht einiger Länder auf Studiengebühren allerdings wieder rückläufig sei. Nach Einschätzung der Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz hat sich an Deutschlands staatlichen Universitäten noch keine FundraisingKultur entwickelt. Dennoch seien bedeutende Fortschritte zu verzeichnen. Vor 20 oder 30 Jahren sei es den Hochschulen wie einer nachgeordneten Behörde wegen des kameralistischen Rechnungswesens gar nicht erlaubt gewesen, eigene Einnahmen zu erwirtschaften. Inzwischen sei es SYM 2/2010


rückblende geradezu zum staatlichen Auftrag geworden, sich um private Mittel zu bemühen. Lohnend sind ihrer Meinung nach besonders Aktivitäten, die für das Profil und die Wettbewerbsfähigkeit einer Hochschule von Bedeutung sind, sich aus den knappen Haushaltsmitteln aber nicht finanzieren lassen. Es gehe dabei vornehmlich um das »Besondere«, wie etwa die Sanierung alter Gebäude, die Einrichtung einer Stiftungsprofessur oder die Organisation von Veranstaltungen mit hohem Öffentlichkeitswert. Gleichwohl verwies Wintermantel darauf, dass auch die Entwicklung einer »echten« Fundraising-Infrastruktur Geld kostet und es angesichts einer »allgegenwärtigen Streichungsmentalität« überzeugender Argumente bedarf, entsprechende Abteilungen einzurichten. Sie hofft, dass Anreize entwickelt werden, damit mehr private Gelder in die Kassen fließen. Eine Steigerung der steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden und Einzahlungen in Stiftungen wäre dafür eine geeignete Maßnahme.

Beraten und verkauft? »Das Beratungswesen zwischen Ökonomisierung und Humanität« Tagung 7.-9. Mai 2010 in Bad Boll Das Buch des TV-Journalisten Thomas Leif mit dem Titel »Beraten und verkauft: McKinsey & Co.« hat Kritik am Beratungswesen angestoßen. Auf der Tagung analysierte Leif die Kultur und das Geschäftsmodell der Unternehmensberater als gigantische BluffBranche. Er skizzierte, wie sich die Zunft ihre Aufträge beschafft und dokumentierte gigantische BeratungsFehlinvestitionen, Lobbyismus und Machtmissbrauch mit fatalen sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Die Tagung, die in Kooperation mit der Erich Fromm Gesellschaft stattfand, widmete sich der Frage, was mit den Menschen und ihren Organisationen geschieht, wenn es nicht um Materielles, sondern um menschliche Produktivität wie Bildung, Kultur, Gesundheit geht. Dr. Rainer Funk, der Nachlassverwalter Fromms, konstatierte: Man orientiere sich zunehmend an objektiven Bedarfen und imSYM 2/2010

Thomas Leif, TV-Journalist, der das Buch »Beraten und verkauft: McKinsey & Co.« geschrieben hat, in Bad Boll

mer weniger an subjektiven Bedürfnissen. Dies zeige sich zum Beispiel im Pflegebereich, dessen Pflegemodulen und den Pflegeerfassungslisten. Dr. Alfons Maurer, Geschäftsführer der Keppler-Stiftung/Trägerin von Altenhilfeeinrichtungen, konkretisierte dies. Auch die Altenhilfe bewege sich auf einem Markt: Sowohl der Staat als auch der Kunde wollen es günstig. Es gehe darum, aus knappen Ressourcen das Maximum an Qualität herauszuholen. Diese müsse am physischen und psychischen Wohlergehen der Pflegebedürftigen gemessen werden. Man müsse immer – über die strukturellen Rahmenbedingungen hinaus – fragen, wo Spielräume seien und diese nutzen. Es seien nicht die Kategorien des Ökonomischen zu kritisieren, sondern deren Dominanz. Ökonomie sei in menschliche Zwecksetzungen einzubinden. Die Tagung fragte nach Beratungsentwürfen, in denen der Mensch als Subjekt der Steuerung wertgeschätzt und einbezogen wird. Die Professoren Dievernich und Wetzel vom Kompetenzzentrum Unternehmensführung der Fachhochschule Bern präsentierten ihr Konzept »Intelligenter Beraten«. Beratung brauche nicht nur intelligentere Berater, sondern auch intelligentere Klienten, die sich nüchterner mit Beratung auseinandersetzten und eigene Zugänge zurückgewinnen müssten. Es gelte, sich polyphon beraten zu lassen, nicht nur von Betriebswirtschaftlern, sondern auch von Geisteswissenschaftlern, um sich

nicht als Handlanger der Ökonomie instrumentieren zu lassen. Seit der Vorherrschaft des Neoliberalismus gäbe es keine plurale und kritische Wissenschaft der Ökonomie mehr. Dr. Christiane Dithmar, Theologin und Geschäftsführerin einer Managementberatung stellte ihr Modell der »Integrativen Beratung« als neue Form des Change Managements vor, in der die Einheit von Strategie, Struktur und Kultur postuliert wird. Die mittlere Führungsebene habe die Umsetzungs- und Integrationsverantwortung. Dies sei eine Kommunikationsaufgabe, die sich darin äußern müsse »gut stören« zu können. Ohne Störung keine Veränderung. Alles Neue impliziere Widerstände, diese müssten ernst genommen und in den Beratungsprozess integriert werden. Christa Engelhardt, Studienleiterin Die Tagung wird von der FrommGesellschaft dokumentiert

Klimaschutzmaßnahmen für die Alpen

»Der Klimaschutz in den Alpen muss ein vorrangiges Thema für die Politik werden«, fordert Thomas Urban, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Alpenvereins, zum Auftakt der »Alpinismustagung« in der Evangelischen Akademie Bad Boll (30. April bis 2. Mai). »Der Alpenraum ist vom Klimawandel besonders stark betroffen. Wir brauchen deshalb schnelle und sinnvolle Maßnahmen, um die gravierenden Auswirkungen auf das sensible Ökosystem so gering wie möglich zu halten«. Winfried Hermann, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages und Eröffnungsredner, unterstützt den DAV: »Klimawandel in den Alpen muss endlich die Bedeutung bekommen, die das Thema verdient. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass der im Rahmen der Alpenkonvention 2009 beschlossene ›Aktionsplan zum Klimawandel in den Alpen‹ ausgearbeitet und endlich umgesetzt wird«. Die ganze Pressemeldung ist auf der Website der Akademie unter Meldungen zu finden: www.ev-akademie-boll.de

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onlinedokumente

Onlinedokumente auf der Internetseite der Akademie Text- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hause lesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente Textdokument Altes Land – neuer Aufbruch, Äthiopientagung 19.-21. Februar 2010, Bad Boll Zwar nennt sich die Äthiopische Kale Heywet Kirche (EKHC) »Worte des Lebens«, aber eigentlich kämpft sie für »Taten des Lebens«. In seinem Bericht »Kirche und sozial-ökonomische Veränderung: die sozial-diakonische Arbeit der EKHC« stellt Christoph Schneider-Yattara, Referent des Evangelisch-Lutherischen Missionswerks Niedersachen für Äthiopien und frankophones Afrika, eine hierzulande ziemlich unbekannte evangelische Kirche vor. Wenn manchmal gestritten wird, welchen Wert Mission heute habe, dann sollte man sich die sozialen und politischen Leistungen dieser Kirche mit ihren bloß fünf Millionen Mitgliedern anschauen, die obendrein in einer teils orthodoxen, teils islamischen Umgebung arbeitet.

Textdokument »Macht das Alter noch Sinn?« Ethische Fragen der Fürsorge im Alter 12.-14. April 2010, Bad Boll Die Theologin Gunda Schneider-Flume stellt in ihrem Vortrag »Die Würde des Alters. Theologische Überlegungen zu ethischen Fragen des dritten und vierten Lebensalters« angesichts von Programmen eines »successful aging« die Frage, ob sich hier eine Tyrannei des gelingenden Alterns abzeichne. Zerstören Vollkommenheitsideale nicht »das uns lebbare Leben«? Die zentralen biblischen Begriffe Erbarmen, Gedenken und Gerechtigkeit verhelfen zu Grundhaltungen auch in den sehr bedrängenden und strittigen medizinethischen Fragen am Lebensende. Der Vortrag ist eine knappe

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Zusammenfassung des Buches von Gunda Schneider-Flume, »Alter – Schicksal oder Gnade? Theologische Überlegungen zum demographischen Wandel und zum Alter«, Göttingen 2008 Günter Renz, Studienleiter

Textdokument Das neue Sein. Die Christologie Paul Tillichs 9.-11. April 2010, Bad Boll Paul Tillich, dessen Christologie in der Tagung diskutiert wurde, verstand das Symbol »Christus« als das »Neue Sein«. Wie viele Theologen seiner Generation war er an dem konkreten Menschen Jesus wenig interessiert. Nach der ersten Welle der historischkritischen Jesus-Forschung Ende des 19. Jahrhunderts begnügte man sich mit der Erkenntnis, dass man keine Biografie Jesu schreiben könne und diese auch nicht wichtig für den christlichen Glauben sei. Doch heute fragen aufgrund neuer Quellen und veränderten Einsichten Menschen wieder nach dem Leben Jesu, zumal ständig Bücher produziert werden, die mit reißerischen Titeln die »Wahrheit über Jesus« versprechen und meist neue Legenden verbreiten. Professor Jens Schröter von der Humboldt-Universität Berlin gehört zu den Gelehrten des Neuen Testaments, die sich um die Ergebnisse der heutigen JesusForschung kümmern. Diese beschreiben deutlicher als früher Jesus als einen Juden aus Galiläa, der die Erneuerung Israels anstrebt. Schröter meinte in seinem Vortrag »Annäherungen an Jesus aus exegetischhistorischer Perspektive«, der auf

eine größere Veröffentlichung (Jens Schröter, Jesus von Nazaret, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig) aufbaut: »Den Juden seiner Zeit will er die heilvolle Nähe Gottes vermitteln. Er tritt mit dem Anspruch auf, der entscheidende Repräsentant Gottes zu sein. Seinen sich abzeichnenden Tod hat er wohl als Vollendung des ihm von Gott gewiesenen Weges aufgefasst.« Das Neue Testament bietet keine Biografie Jesu, aber enthält historisch verlässliche Informationen. Alle Schriften des Neuen Testaments stimmen darin überein, dass dieser Jesus von Nazaret der Christus ist. Was das freilich heute meint, können nicht allein die Historiker sagen. Wolfgang Wagner, Studienleiter

Textdokument Räume ethischer Wandlung. Der Läuterungsberg in Dantes Göttlicher Komödie 31. März bis 4. April, Bad Boll Entsprechend dem Muster von Dantes Göttlicher Komödie lag der Schwerpunkt der vom Italienischen Kulturinstitut Stuttgart unterstützten OsterTagung auf der Trinität oder Dreieinigkeit in der Spannung von: - Dantes Alighieris drei Gesängen Hölle, Läuterungsberg, Paradies - mit ihren Querverweisen auf das Weltliche, Menschliche, Göttliche - gespiegelt in Inkarnation, Kreuzigung und Auferstehung. Dante durchwandert in der Göttlichen Komödie das Reich der Verdammten (Inferno) und den Läuterungsberg (Purgatorio), wo die Sünder sich von ihren Lastern befreien. Er vertraut sich der weiblichen Führung Beatrices an, um durch die Himmel des Paradises (Paradiso) ins Empyreum, dem Sitz Gottes, zu gelangen, wo ihm die Vision der Trinität gewährt wird. Wie das Inferno sind auch Purgatorio und Paradiso jeweils in drei x drei Stufen gegliedert, die – in Parallele zu den im Inferno fortschreitend härter werdenden Strafen – zu einem immer höheren Maß an Tugend und Seligkeit führen.

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onlinedokumente

Entsprechend dem Dantischen Vorbild wurden durch den Dante-Experten Gianni Vacchelli aktuelle Bezüge zwischen Dantes Göttlicher Komödie, zentriert im Bußgang des Läuterungsbergs, dem Kreuzweg der Passion Jesu und eigener Selbsterfahrung im Spannungsfeld der Fixierung an Laster (bzw. den sieben Grund- oder Todsünden) und deren Überwindung (bzw. Erlangung von Tugenden) mit Hilfe der von Karl Metzler und Silvia Ostertag entwickelten archetypischen Gebärden hergestellt. In dem einführenden Vortrag »Dante und die Welt des Wandels im Purgatorium« führte Prof. Vacchelli aus, wie sich in der Person Dantes und seinem vor 700 Jahren verfassten Hauptwerk die Dreieinigkeit von Mensch, Dichter und Mystiker zeige. Die Aktualität des Meisterwerkes beruhe auf der Vielfalt der Bedeutungsebenen, die uns heute noch ermögliche, die drei Reiche, die der Pilger Dante auf seinem Läuterungsweg durchquert, als eigene Erfahrung und Bewusstseinserweiterung zu verstehen. Nachdem die Teilnehmenden mit Dante und Virgil die Welt der Reinigung von den sieben Todsünden Hochmut, Neid, Jähzorn, Indifferenz, Geiz, Völlerei und Wollust, hinter sich ließen, führte Prof.

Dante Alighieri, Ufficien, Florenz

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Vacchelli in die Welt des irdischen Paradieses. Dort werde Dante durch Beatrice seiner Ganzwerdung bewusst, indem sie ihn auf sein Ziel der vollkommenen Menschwerdung hinweise, italienisch: »trasumanar« (DC, Pd, 1, 70) – Mach es wie Gott werde ganz Mensch! Brigitte Furche

Textdokument Globalisierung kritisieren und gestalten. Zur Aufgabe der Weltmission heute 8. Mai 2010, Bad Boll Dr. Rogate Mshana stammt aus Tansania und arbeitet im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) als Referent für wirtschaftliche Gerechtigkeit. In der Veranstaltung »Globalisierung kritisieren und gestalten« hielt er das Hauptreferat: »Addressing Economic and ecological crises, under globalization; alternatives and challenges for the ecumenical movement«. Zunächst analysierte er die Krisen des gegenwärtigen Kapitalismus aus der Perspektive des Südens, deren Kirchen als stärker Betroffene verständlicherweise sich viel kritischer äußern als jene des Nordens, die teilweise vom System noch profitieren. Als Vision für die Arbeit des ÖRK zitierte er eine Arbeit des argentinischen Theologen René Krüger: »Leben in seiner Fülle«. Schaut man mit dieser Zielvorstellung auf die Handelskrise, die Ernährungskrise, die Ökologische Krise kommt man zu einigen Schlussfolgerungen, die den »Freistil-Kapitalismus« überwinden könnten. 1. Die Botschaft von Widerstand und Hoffnung auf Überwindung der Ungerechtigkeit muss in die Zentren der neoliberalen Wirtschaftsmächte eindringen. Dazu braucht es eine Strategie. 2. Die Kirchen des Nordens dürfen nicht nur karitative Diakonie betreiben, sondern müssen für eine politische Diakonie sich stark machen. 3. Die Spaltung zwischen Kirchen der Armen im Süden und Kirchen des Wohlstands im Norden muss überwunden werden. Ein Dialog sollte klären, ob es sich um

Dr. Rogate Mshana (li.) und Studienleiter Wolfgang Wagner

ideologische Gegensätze oder lediglich sprachliche handelt. 4. Bilaterale Kontakte der Kirchen haben geholfen, die Schuldenkrise zwischen Ekuador und Norwegen zu klären. Das kann ein Modell werden, um gerechte Strukturen des Handels und der Finanzen zu erreichen. Wolfgang Wagner

Audiodokumente 50 – 30 – 20 – aber anders. Eine zukunftsfähige Energiepolitik für Baden-Württemberg 23.-25. April 2010, Bad Boll Nach dem enttäuschenden Ausgang der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wurde auf der Tagung diskutiert, was dies für die Energiepolitik in Baden-Württemberg bedeutet. Neben einer politischen Standort- und Perspektivenbestimmung wurde ein Thesenpapier des Landesverbandes BUND Baden-Württemberg zur zukünftigen Energiepolitik des Bundeslandes vorgestellt. Beide Audiodokumente sind im Internet verfügbar: Michael Müller, ehemaliger SPD Bundestags-Abgeordneter und Staatssekretär a. D., Düsseldorf: Versuch einer politischen Standort- und Perspektivenbestimmung Dr. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND Landesverbandes Baden-Württemberg: Ökologische, ökonomische und soziale Perspektiven

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kunst in der akademie

Orangenduft und Brandgeruch »schattenboxen« Fotos aus dem Libanon von Martina Waiblinger vom 27. 6. bis 10.9.

Straßenszenen in Beirut

Kurz nach dem Bürgerkrieg (1975-1990) kam ich 1991 erstmals in den Libanon. Ich war von dem zerstörten Land, das in der Herbstsonne seine bizarre Schönheit zeigte, ebenso berührt wie von den traumatisierten Menschen, die sich so sehr über die Besucher freuten. Seitdem bin ich oft in das Land gekommen – mit verschiedenen Aufträgen oder privat. In diesem Jahr hatte ich zum zweiten Mal die Gelegenheit, einer Akademie-Reisegruppe den Libanon zu zeigen, mit verschiedenen Einheimischen ins Gespräch zu kommen und in den Bergen zu wandern. So sind meine Aufnahmen keine umfassende Libanonschau, sondern zeigen »meinen« Libanon: Wie ich ihn durch meine Begegnungen in seiner Gegensätzlichkeit und Vielfalt nach dem Bürgerkrieg, nach der Befreiung des Südlibanon im Jahr 2000 und nach dem »Sommerkrieg« 2006 erlebt habe. Martina Waiblinger

Zeichnungen von Peter Riek Ausstellung vom 19.9. bis 31.10. Der in Heilbronn arbeitende Künstler Peter Riek beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Zeichnung in ihren verschiedensten Spielarten. Neben Zeichnungen auf Papier oder Holz stehen raumbezogene Installationen, Wandzeichnungen, Eisenzeichnungen und Straßenzeichnungen. Gemeinsam ist allen Arbeiten ein abstrakt organischer Formenkanon, der sich über die Jahre langsam weiter entwickelt. Die stillen poetischen Zeichnungen, die von Vergänglichkeit und Peter Riek Deutschland, 80x60 Melancholie handeln, zeu- cm, Tusche und Fettkreide auf Papier, 2009 gen gleichzeitig von geglückten Momenten abstrakter Schönheit. Bearbeitungsspuren bleiben als Zeugen des Prozesses von Entstehen und Vergehen sichtbar. Die Arbeiten sind auf bestimmte Räume bezogen oder werden für bestimmte Situationen neu zusammengefügt. Kammerartige Installationen und kleine Häuser, die oft nur Raum für eine Person und ein Bett bieten, erzählen dennoch im Grunde von nichts anderem als von der Unbehaustheit des Menschen. Peter Riek studierte an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, wurde unter anderem mit dem Stipendium der Kunststiftung, der Cité des Arts Paris und dem Elsass-Stipendium des Landes Baden-Württemberg, sowie jüngst mit dem Stipendium der Bartels Stiftung Basel ausgezeichnet. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland machten ihn als Zeichner auch überregional bekannt. Susanne Wolf

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Vernissage Sonntag, 27. Juni, 11:00 Uhr im Café Heuss Die Ausstellung läuft vom 27. Juni bis 10. September.

Vernissage Sonntag, 19. September, 11:00 Uhr im Café Heuss Die Ausstellung läuft vom 19. September bis 31. Oktober.

Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):

Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):

Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Leitung: Susanne Wolf

Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Leitung: Susanne Wolf

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akademie und region

Der Vielfalt Heimat geben Integrationsplan Ebersbach »Ja, wir schaffen’s!« Davon waren die Ebersbacherinnen und Ebersbacher felsenfest überzeugt, als sie im Mai letzten Jahres einen Integrationsplan für ihre Stadt vorbereiteten. Zwei Tage lang befassten sich 31 Bürgerinnen und Bürger mit Studienleiter Stefan Brückner in der Evangelischen Akademie Bad Boll damit, wie das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt an der Fils in Zukunft von einem Nebeneinander zu einem Miteinander werden kann. In Ebersbach wohnen Menschen aus 69 Nationen zusammen, jeder siebte hat einen ausländischen Pass, etwa ein Fünftel der Einwohnerinnen und Einwohner kommt aus einer Familie mit Migrationshintergrund. Damit liegt die Stadt weit über dem Bundesdurchschnitt. Das Zusammenleben der Deutschen und der Ausländer ist »von Reibereien geprägt«, so das Ergebnis der Bürgerbefragung, die die Stadtverwaltung im Jahr 2009 durchführte. Das zumindest war die Einschätzung von mehr als der Hälfte der Befragten, die jünger als 25 Jahre waren. Auf der anderen Seite sind die ausländischen Bürgerinnen und Bürger ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Gut 40 Prozent aller Gewerbebetriebe haben einen nicht-deutschen Inhaber. Für Bürgermeister Sepp Vogler steht außer Frage: »Integration ist ein ganz wichtiges Thema. Für mich als Bürgermeister und auch persönlich.« Damit ist er auf einer Linie mit dem nationalen Integrationsplan, in dem es unter anderem heißt: »Integration ist eine Schlüsselaufgabe unserer Zeit, die auch durch den demografischen Wandel immer mehr an Bedeutung gewinnt.« Und weiter: »Unsere Gesellschaft wird reicher und menschlicher durch Toleranz und Offenheit in unserem Zusammenleben.« Zusammen mit der Evangelischen Akademie Bad Boll erarbeitete die Stadt Schritt für Schritt einen InteSYM 2/2010

grationsplan. Der Startschuss dazu fiel im April 2009. Im Vorfeld hatte sich die Akademie gegen einen renommierten Mitbewerber durchgesetzt. »Das Angebot hat uns einfach überzeugt«, sagt Dietmar Vogl, Beauftragter für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt. Punkten konnte die Akademie vor allem mit der örtlichen Nähe, mit ihrem Preis-Leistungsverhältnis, ihrem Service und mit der von ihr angebotenen nachhaltigen Begleitung. Im Ebersbacher Rathaus ist man zufrieden mit der Arbeit der Akademie. »Wir haben eine Vernetzung fast aller für die Integration wichtigen Organisationen und Vereine erreicht«, berichtet Dietmar Vogl. »Viele haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Inzwischen haben wir auch bereits einige Projekte gestartet.« So zum Beispiel das Projekt »Integrativer Schüleraustausch – Weltreise Ebersbach«. Im April diesen Jahres fand ein erstes Treffen mit den Klassenlehrerinnen und -lehrern der fünften Klas-

sen der Ebersbacher Schulen statt, um den Termin für den Schüleraustausch und die begleitenden Aktionen und Veranstaltungen zu besprechen. Nach den Sommerferien werden die Schülerinnen und Schüler, die dann in

Bild oben: Edgar Wolf, damaliger Bürgermeister (jetzt Landrat in Göppingen), Jana Mokali, Koreferentin und Stefan Brückner, Evangelische Akademie Bad Boll bei der Auftaktsveranstaltung in Ebersbach. Bild unten: Workshop in Bad Boll.

Integrationsplan Ebersbach – die einzelnen Etappen April 2009: Große öffentliche Auftaktveranstaltung im neuen Rathaus Ebersbach. Mai 2009: Zweitägiger Workshop in der Akademie Bad Boll mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenvereinen, Sport, Kultur, Schulen, Kirchen, sozialen Einrichtungen sowie der Kommune. Sommer 2009: Arbeit des »Runden Tischs Integration«, Erarbeitung der Vorlage des Integrationsplans für den Abschlussworkshop Oktober 2009: Abschlussworkshop im Ebersbacher Rathaus; Diskussion des vorgelegten Integrationsplans, Beschluss weiterer Schritte. Jahr 2010: Redaktionelle Überarbeitung des Integrationsplans und Vorlage im Gemeinderat. Voraussichtliche Verabschiedung des Integrationsplans durch den Gemeinderat im vierten Quartal.

der sechsten Klasse sind, sowie ihre Eltern über die Weltreise informiert – der Schüleraustausch soll dann nach den Herbstferien stattfinden. Das Projekt wird von der Robert-Bosch-Stiftung mit 1660 Euro bezuschusst. Auch auf kulturellem Gebiet tut sich dieses Jahr einiges. Im Stadtmuseum »Alte Post« können sich die Ebersbacher vom 26. September bis 31. Oktober die Wechselausstellung »Zwischen Kommen und Gehen ... und doch bleiben« anschauen. In ihrem Mittelpunkt stehen die Gastarbeiter der ersten Generation. Begleitend dazu gibt es für Schüler die Theateraktion »Who is Deutschland?« Thema ist die Interkulturalität in unserer Gesellschaft. »Wir planen während der Ausstellung so etwas wie Interkulturelle Wochen in Ebersbach mit verschiedenen Veran-

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akademie und region staltungen und Aktionen möglichst vieler Vereine und Organisationen,« sagt Dietmar Vogl. »Dazu werde ich die Teilnehmer des Runden Tisches einladen, um Ideen zu sammeln und festzulegen, welche Organisationen sich mit welchen Aktionen beteiligen«. »Außerdem«, ergänzt er, »läuft die Planung für die integrative Schüler-Fußball-WM ›Ebersbach kickt!‹.« Neben der Aktion setzen die Ebersbacher auch auf Information. Eine Gruppe Freiwilliger arbeitet an einem Flyer, in dem das Wichtigste zum Integrationsplan stehen soll. Kurz und knackig, und für jeden beziehungsweise jede verständlich. »Wir in Ebersbach – der Vielfalt Heimat geben« ist der Titel. Der Flyer soll gemeinsam mit dem Integrationsplan vom Gemeinderat verabschiedet werden. Für seine Integrationsvorhaben erhält Ebersbach vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Zuschuss von knapp 11 000 Euro. Den Antrag hatte die Akademie initiiert. Die Stadt will die Mittel vor allem dazu nutzen, den Runden Tisch Integration weiter von der Evangelischen Akademie Bad Boll begleiten zulassen. »Für den Erfolg ist es wichtig, dass durch externes Monitoring die breitenwirksame Umsetzung des Integrationsplans im Blick bleibt«, sagt Stefan Brückner. »Integration muss zur Selbstverständlichkeit werden, die Lebensqualität in einer Stadt soll dadurch erhöht und Ängste sollen abgebaut werden. Das ist möglich, wenn Integration als Querschnittsaufgabe wahrgenommen und vollzogen, Vertrautes mit Befremdlichem in Einklang gebracht wird.« Darüber hinaus ist es wichtig, dass Ebersbach mit anderen Kommunen in Kontakt bleibt oder kommt. Der Arbeitskreis »Interkulturelle Öffnung« ist die ideale Plattform. Hier treffen sich mehrmals im Jahr Vertreterinnen und Vertreter von Gemeinden und Städten zum gegenseitigen Austausch und Voneinanderlernen. Beate Wörner, freie Journalistin Infos zum Moderationsangebot für Integrationsprozesse: Evangelische Akademie Bad Boll, Stefan Brückner, 07164 798-226

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Vom Reden zum Tun Studienleiter Jobst Kraus engagiert sich in der Region für zukunftsfähiges Handeln Das EU-LEuchtturm-Projekt EULE ist für Jobst Kraus, Studienleiter der Evangelischen Akademie Bad Boll, die richtige Herausforderung. Hier geht es darum, umzusetzen, was er in seinen Tagungen schon seit vielen Jahren vorantreibt: Den ökologischen Umbau unserer Gesellschaft. Gleich nach der Ausschreibung des Ideenwettbewerbs für das Projekt wurde Jobst Kraus – 2008 vom Kommunalverbund Voralb angefragt – ganz selbstverständlich ihr Berater, Moderator, Exposé-Verfasser und Protokollschreiber. Die Voralb ist einer von neun Kommunalverbänden und vier Einzelkommunen, die beim ersten Teil des Ideenwettbewerbs aus ursprünglich 23 Antragstellern ausgewählt wurden. Am 18. Mai war die Endausscheidung für die 8 bis 9 Kommunen, deren Projekte umgesetzt und zu ca. zwei Dritteln finanziert werden. Bei Redaktionsschluss war das Ergebnis allerdings noch nicht bekannt. Martina Waiblinger hat Jobst Kraus befragt. Welchen Projektvorschlag haben die Voralb-Kommunen eingereicht? Wettbewerbsaufgabe war es, im Rahmen einer nachhaltigen, integrierten kommunalen Entwicklungsstrategie in einem EU-Leuchtturm Projekt – wir nannten es Voralb EULE »GENIAL« (Gemeinsam ENergieeffizIent und nAchhaltig mobiL) – die Ziele Klimaschutz, Kulturlandschaftserhalt, energetische Biomassenutzung, Beschäftigungsförderung und umweltfreundliche Mobilität zu verfolgen. Das Konzept sieht vor, dass die zehn Voralbgemeinden ihren Reichtum an Reststoff-Biomasse in einem Biowertstoffzentrum zusammenführen. Momentan haben die Gemeinden jeweils eigene Grünsammelplätze. Es gibt allerdings keine richtige Kompostierung. Was da gemacht wird, hat eine schlechte Qualität. Bei dem geplanten Projekt sollen alle Abfälle der VoralbRegion – »krautige« Abfälle wie Grünschnitt von Streuobstwiesen und

Parks sowie »holzige« Abfälle aus dem Wald und von den Streuobstbäumen – zu Energie verarbeitet werden. Die Grünabfälle kommen in die Biogasanlage, aus den Holzabfällen macht man Holzschnitzel und Pellets. Nach den Analysen der Fachleute könnte die Biomasse aus dem Holzstreuobstbereich ca. 900 000 l Öl ersetzen. Die Biogasanlage könnte Strom erzeugen und die Abwärme könnte umliegende Gebäude beheizen und im Sommer Hackschnitzel trocknen. Eine andere Überlegung ist, Gas für den Betrieb von interkommunalen Bürgerbussen und Solartankstellen für ElektroAutos und -Fahrräder zu nutzen. Welche Materialien mussten für den Projektvorschlag erarbeitet werden? Der Projektvorschlag, den der Kommunalverbund Voralb im Dezember abgegeben hat, umfasst 100 Seiten. Darin enthalten sind: eine ausführliche IST-Analyse, eine SchwächenNutzen-Analyse, dann Ziele und Stra»EU-LEuchtturmprojekt – EULEBW« Modellprojekt zur innovativen Kommunalentwicklung Die Kommunen des Landes, vor allem im Ländlichen Raum, stehen vor großen Herausforderungen. Zu nennen sind hier die Globalisierung der Märkte, sich abzeichnende Veränderungen durch den Klimawandel sowie der demografische Wandel zu einer älter werdenden Gesellschaft. Hier setzt das Modellprojekt »EU-LEuchtturmprojekte« (EULE) an. In einem Ideenwettbewerb sollen Lösungen für die Entwicklung ländlich geprägter Gebiete gefunden werden. EULE unterstützt Kommunen bzw. Kommunalverbünde dabei, nachahmenswerte Beispiele zu entwickeln, die von anderen übernommen werden können. Das Modellprojekt EULE ist Bestandteil des EU-Strukturförderprogramms »Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung« (RWB) in Baden-Württemberg 2007-2013. Es wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes im Rahmen des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum unterstützt. Partner des Projekts ist der Landkreistag Baden-Württemberg. weitere Infos: www.eule-rwb.de SYM 2/2010


akademie und region anlagen Mais anbauen. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die Milch- und Getreidepreise im Keller sind, während es für Biogas über das Einspeisegesetz auf 20 Jahre hinaus feste Preiszusagen gibt. In dem Projekt sollen aber nur Reststoffe verwendet werden. Sonst kommt es langfristig zu dem Konflikt »Teller gegen Tank«. Außerdem erzeugen diese Anlagen zwar Strom, oft wird aber die Abwärme nicht genutzt. Diese ergibt im Vergleich zum Strom fast das Doppelte an Energie in Kilowattstunden. Jobst Kraus präsentiert die Studie mit einem Bild des zukünftigen BiomasseWertstoffhofs »BioWert Voralb«.

tegien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung mit einem Entwicklungsleitbild für das Jahr 2025. Ferner ist eine detaillierte Darstellung des geplanten Biomasse-Wertstoffhofs enthalten. Der Projektvorschlag wurde mit drei Fachbüros zusammen erstellt und zu 80 Prozent durch EU-Mittel finanziert. Allein die Analyse des Ist-Zustands der zehn Gemeinden in Bezug auf Bevölkerungsentwicklung, Beschäftigungsstrukturen, Bildungseinrichtungen, soziale Struktur, Umweltsituation und Verkehrsstruktur, ist für die Gemeinden von großem Nutzen, – egal, ob wir am 18. Mai ausgewählt werden oder nicht. War es schwierig, die Gemeinden zu einem gemeinsamen Handeln zu bewegen? Ich habe bei unseren ersten Treffen deutlich gemacht, dass die Gemeinden nicht darum herum kommen, sich mit zukunftsfähigen Planungen zu befassen. Es geht ja auch um Beschäftigungsförderung, um die Attraktivität der Standorte als Wohnort und Produktionsort, um Klimaschutz, Artenvielfalt u.v.a. Es ist natürlich nicht ganz einfach, sowohl Landwirte als auch die Bevölkerung, Bürgermeister und Gemeinderäte zu einem gemeinsamen Handeln zu bewegen. Da gibt es die legitimen individuellen Interessen der Landwirte, die ihre eigene Zukunft sichern wollen. Es gibt Landwirte in der Region, die für ihre BiogasSYM 2/2010

Wie soll der Biomasse-Wertstoffhof »BioWert Voralb« genau aussehen? Das Gebäude mit dem zugehörigen Gelände soll in seinem Design den Wert des regionalen Reichtums an überschüssiger, bisher nicht genutzter Biomasse unterstreichen. »BioWert Voralb« stelle ich mir als einen attraktiven Ort vor, der gerne besucht wird zur Anlieferung von Grüngut oder zum Kauf von Hackschnitzeln oder zur Information im Biomasse-Infozentrum. Es sollte ein Projekt sein, auf das die Voralb–Bürger stolz sind und das Besucher aus nah und fern anzieht. Das Gebäude sollte selbst aus Wertstoffen, aus Recycling-Materialien, wie Altreifen, Flaschen und Dosen gebaut und mit einer Solaranlage überdacht sein. Das Auffangen von Regenwasser soll erlebbar werden. Es geht ja auch um eine andere Kultur, die damit angestoßen werden soll: Einerseits Rohstoffe als Wert zu nutzen und andererseits das individualistische Denken wieder stärker in Richtung Gemeinschaft lenken. Früher gab es auch die Idee der Allmende, der gemeinschaftlich verwalteten und genutzten Güter. Es gab gemeinsame Brunnen und Brunnenfeste. Warum soll man auf so einem Gelände zur – übernächsten – WM nicht ein Public Viewing anbieten? Es könnte der Einstieg in eine Kultur einer sparsamen Nutzung knapper Güter werden, eines gemeinsamen kommunalen Ressourcenmanagements, von Second-Hand und Refashioning im Interesse von Kulturlandschaftserhalt, Klimaschutz, Beschäftigung und der Wiederentdeckung der Gemeingüter.

Neues Projekt im Jugendbereich Ab September wird Stefanie Wiesing, Studentin der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, in der Evangelischen Akademie Bad Boll ein sechsmonatiges Praktikum »Soziale Arbeit« absolvieren. Wer glaubt, sie am Schreibtisch anzutreffen, wird kaum Erfolg haben. Das Ziel ihrer Praxisstudien liegt im Bereich zwischen den Institutionen: Stefanie Wiesing wird mit rund 80 Jugendlichen, die am Übergang zwischen Schule und Ausbildung in prekären Situationen stecken, Kontakt aufnehmen, ihre Lebenswelt vor Ort kennen lernen, die Beratungs- und soziale Arbeit begleiten und Bildungswünsche und Lernwege der Jugendlichen beobachten. Aus dem in der Praxis erkannten Bildungsbedarf wird sie mit ihrer Mentorin, Studienleiterin Sigrid Schöttle im Fachdienst »Gesellschaftspolitische Jugendbildung«, ein Seminarkonzept für bildungsferne Jugendliche am Übergang zwischen Schule und Beruf entwickeln. Im kommenden Februar wird dieses Konzept dann umgesetzt werden. Die Akademie nimmt dabei – klassischerweise – Brückenfunktion ein: Ziel dieser Kooperation mit dem Kreisjugendring Esslingen e. V. und der Agentur für Arbeit ist es, »Bildungssehnsüchte« zu wecken und Konzepte zu entwickeln für Jugendliche in kritischen Lebenssituationen, in denen sie den Dialog brauchen und Identität entwickeln. Gleichzeitig soll deutlich werden, dass Soziale Arbeit sich nicht auf Versorgung und Unterricht begrenzen darf, sondern Motivation bringen und Empowerment für gesellschaftliche Teilhabe bedeuten muss. Sigrid Schöttle, Studienleiterin

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»Heute fühle ich mich schon als Stuttgarterin« Eine Generationen übergreifende Geschichtswerkstatt zum Thema Integration Von Maren Lauster, Studienassistentin im Treffpunkt Senior Stuttgart In Stuttgart leben Menschen aus über 170 Nationen. Jeder vierte Stuttgarter und jede vierte Stuttgarterin ist in die Landeshauptstadt zugewandert oder stammt von Zuwanderern ab. Wie funktioniert das Miteinander der Kulturen und welche Voraussetzungen sind notwendig für eine gelingende Integration? Darüber diskutierten Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Heidehof-Gymnasiums und Seniorinnen und Senioren im März dieses Jahres. In einer dreiteiligen Geschichtswerkstatt stellten sie sich dieser Frage aus unterschiedlichen Perspektiven. Beim Besuch des Theaterstücks »Wut« im Schauspielhaus Stuttgart stand die Frage nach den Chancen und Grenzen von Integration in der gegenwärtigen Gesellschaft im Mittelpunkt. Um die historische Perspektive ging es bei der gemeinsamen Erkundung der Großen Landesausstellung »Ihr und Wir – Integration der Heimatvertriebenen in Baden Württemberg« im Haus der Geschichte und in Diskussionsrunden am Treffpunkt Senior.

Stuttgart gilt als eine Einwanderungsstadt und das nicht erst seit heute. Mehr als 1,5 Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge kamen nach dem Zweiten Weltkrieg in den deutschen Südwesten. Wie Neubürger und alteingesessene Stuttgarter damals aufeinander trafen, welche Konflikte sie austrugen und wie sie allmählich zueinander fanden, darüber kamen Schülerinnen und Schüler mit Seniorinnen und Senioren ins Gespräch. Neben dem gemeinsamen Besuch der Großen Landesausstellung »Ihr und Wir« im Haus der Geschichte interviewten sie alteingesessene Stuttgarter und Heimatvertriebene. Ihre Interviews stellten sie in Filmbeiträgen im Treffpunkt Senior vor. »Am meisten Spaß gemacht hat mir das Filmen und die Gespräche mit den Senioren«, so eine Schülerin. »Das ist noch mal was ganz anderes als das, was man aus Geschichtsbüchern erfährt.« Johannes Wahl, Geschichtslehrer am Evangelischen HeidehofGymnasium in Stuttgart, der die generationsübergreifenden Geschichtswerkstätten in Kooperation mit dem Treffpunkt Senior und dem Haus der Geschichte immer wieder in seinen Unterricht integriert, sieht ein hohes Engagement der Schülerinnen und Schüler, wenn es um den Austausch mit der älteren Generation geht: »Sie waren unheimlich bei der Sache, haben zum Teil gefilmt, bis das Aufnahmegerät voll war und dann ging es weiter mit dem Handy. Am Ende hatte ich acht Stunden Filmmaterial und stand vor der HerausfordeSchülerin und Seniorin beim Besuch der Großen Landesausstellung »Ihr und Wir – Integration der Heimatvertriebenen in Baden-Württemberg«

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rung, das auf ein Kurzfilmformat zu bringen.« Doch nicht nur die jüngere, auch die ältere Generation profitierte von diesem intergenerativen Dialog, so Helga Uhlig, eine der Interviewten. Sie kam 1950 als Heimatvertriebene nach Stuttgart: »Der Austausch mit den Jüngeren hat mich beeindruckt. Natürlich denke ich, dass es für Jugendliche in der heutigen Zeit schwer vorstellbar und nachfühlbar ist, was damals während des Krieges und in der Zeit danach passierte.« Auch Irene Veittinger, alteingesessene Stuttgarterin, resümiert: »Das Interesse und die Offenheit der jungen Leute hat mich positiv überrascht. Wir sind jetzt die letzte Generation, die davon berichten kann, wie es damals war. Von daher finde ich es wichtig, dass wir unsere Geschichte weitergeben, und es ist vor allem wichtig, dass jemand da ist, der sie hört.« Auf die Schülerfrage, was den Neuankommenden damals geholfen habe, sich in Stuttgart zu integrieren, konstatierten viele der damals Vertriebenen: »Wir Schriftdeutschen haben den Schwaben gezeigt, dass wir arbeiten konnten. Dadurch wurden wir nach und nach anerkannt.« Dass es nicht immer leicht war, sieht Helga Uhlig heute noch: »Wir waren damals sehr beschämt, gingen fast unter dem Teppich. In der Schule war ich auch die Fremde. Es gab in der Klasse drei Mädchen, die immer zusammen standen, da hätte ich gerne dazu gehört – aber ich war leider nicht einheimisch.« Diskutiert wurde, ob die Situation der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen mit dem Integrationsprozess in der heutigen Gesellschaft vergleichbar sei. Ein Höhepunkt zum Thema war der Besuch des Theaterstücks »Wut« Die Generationen übergreifende Geschichtswerkstatt ist eine Kooperation des Treffpunkt Senior Stuttgart mit dem Evangelischen Heidehof-Gymnasium Stuttgart und dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg. SYM 2/2010


akademie und region im Schauspielhaus Stuttgart, über das die Meinungen von Jung und Alt deutlich auseinander gingen. Das Stück beschreibt, wie der junge türkische Anführer einer Straßengang in das Leben eines Professorensohnes einbricht und ihn erpresst. Die Folgen unüberbrückbarer sozialer Gegensätze werden sichtbar. Der junge Türke Can wird in Volker Löschs Bühnenfassung von 15 Laiendarstellern mit Migrationshintergrund gespielt. Im anschließenden Publikumsgespräch mit den Schauspielenden und der Dramaturgin des Stücks, Beate Seidel, waren vor allem die Schüler beeindruckt davon, »dass es eben nicht nur ein Theaterstück war, sondern dass darin auch reale Szenen aus dem Leben der Darsteller eingefügt wurden«. Herrschte bei der älteren Generation vor allem Skepsis und Irritation wegen der provozierenden Gewaltszenen vor, kam die Inszenierung bei den Jugendlichen gut an, »da deutlich wurde, dass das Problem der Integration noch nicht gelöst ist und dass weiter daran gearbeitet werden muss.« Am Ende der Reihe stand die Frage, was denn Integration eigentlich bedeutet. Eine Schülerin beantwortete diese Frage so: »Integration, finde ich, ist keine Einbahnstraße. Sie bedeutet ja nicht, dass man sich vollständig anpasst. Vielmehr geht es um Respekt vor der anderen Kultur und Religion. Schließlich wollen Einheimische in anderen Ländern ja auch, dass man ihre Kultur und ihre Religion respektiert und dass man zum Beispiel nicht mit dem Trägertop in Kirchen geht. Wichtig ist, dass man sich in dem Land, in das man kommt, wohl fühlt, eine Art Zugehörigkeitsgefühl entwickelt und ein Kulturverständnis. Aber genauso wichtig ist es, dass die eigene Kultur dabei nicht verloren geht.« Die heimatvertriebene Helga Uhlig sagte: »Das Zugehörigkeitsgefühl muss von denen, die kommen, nach und nach entwickelt werden. Die ›Einheimischen‹ brauchen mehr Einfühlungsvermögen, damit sie die Fremden besser verstehen. Heute, würde ich sagen, fühle ich mich schon als Stuttgarterin, aber vor allem als Mensch unter Menschen.« SYM 2/2010

Dialogforum der Kirchen in der Region Ökumenische Zusammenarbeit im Raum Stuttgart Von Esther Kuhn-Luz 1994 wurde das Dialogforum der Kirchen in der Region Stuttgart gegründet. Vertreter und Vertreterinnen der evangelischen und katholischen Kirche wollen sich damit an der Gestaltung der Region Stuttgart beteiligen. Vorsitzende des Dialogforums sind heute auf evangelischer Seite Prälat Ulrich Mack und auf katholischer Seite Prälat Michael H. F. Brock. 1998 wurde ein katholisches Regionalbüro mit einer halben Stelle (z. Z. ist Martin Priebe Geschäftsführer) eingerichtet. Das evangelische Wirtschaftsund Sozialpfarramt des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) in der Prälatur Stuttgart nimmt die Aufgabe wahr, Kontakte zu Verantwortlichen und Mitarbeitenden der Region zu knüpfen. Veranstaltungen zu sozialen, ökologischen und wirtschaftsethischen Themen in der Region Stuttgart werden oft ökumenisch angeboten. Sie sind auch ein Zeichen der Verbindung zwischen der Evangelischen Akademie Bad Boll, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und dem Dialogforum der Kirchen in der Region. Viel Aufmerksamkeit fand im letzten November eine Veranstaltung des Dialogforums in der Stuttgarter Schlosskirche zum Thema: »Kirche und Wirtschaft im Gespräch – Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Region Stuttgart. Fragen an die Rolle der Kirche«. Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) schilderte die dramatische Situation der Unternehmen. Bettina Seibold vom IMU-Institut Stuttgart gab einen Einblick in die momentan schwierige Arbeit der Betriebsräte und Eva Strobel, die Leiterin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, referierte zur Lage auf dem Arbeitsmarkt. Rund 100 000 Arbeitsplätze seien demnach durch die Kurzarbeit gesichert. Der Anstieg

der Arbeitslosigkeit auf zwischenzeitlich 5,5 Prozent wäre sonst bedeutend höher ausgefallen. Dr. Rogg forderte die Kirche auf, sich stark in die notwendige Debatte einzumischen, welche Werte in der global verEsther Kuhn-Luz flochtenen (Finanz-) Wirtschaft gelten sollten, damit eine sozial und ökologisch orientierte Marktwirtschaft möglich ist. Eine ethische Diskussion um den Unterschied von Preis und Wert/Werten sei dringend erforderlich. Man dürfe sich von einem Casinokapitalismus nicht zerstören lassen, was durch schwäbischen Fleiß aufgebaut worden sei. Die momentane Krise fordere uns heraus, Fragen an die bestehende Wirtschaftsordnung zu stellen. Bettina Seibold forderte von den Kirchen, sich noch intensiver als »moralische Instanz« einzubringen und sich zu den Themen Gier, Moral und Verantwortung zu äußern. Wo die Mitarbeitenden in der Agentur und im Jobcenter an ihre Grenzen kommen, fängt die Aufgabe der Kirchen an, meinte Eva Strobel. »Die Kirche begleitet Menschen ganzheitlich – das können wir oft nicht leisten. Sie nimmt Menschen in ihrer Not an und begegnet ihnen mit Respekt. Sie macht Menschen wieder stark und zeigt ihnen Lebenswege auf. Das benötigen wir alle.« Esther Kuhn-Luz ist Wirtschaftsund Sozialpfarrerin beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, Stuttgart/ Evangelische Akademie Bad Boll und Geschäftsführerin des Dialogforums der Kirchen in der Region Stuttgart

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Wie gefährlich ist Fethulla Gülen? Der Studienleiter als Moderator – Anmerkungen zu einer öffentlichen Diskussion in Geislingen Von Studienleiter Wolfgang Wagner Während einer Tagung gehört die Moderation der Referenten zu den wichtigsten Aufgaben eines Studienleiters. Oftmals inszenieren wir bewusst Streitgespräche, um Sachverhalte zu klären. Teilnehmer, die uns beobach-

Fethulla Gülen ist auch in der Türkei umstritten.

ten und die Qualität unserer Arbeit schätzen, laden uns bisweilen in ihre Veranstaltungen ein. Das ist nicht ohne Risiko. Im eigenen Haus kann man meistens die Kontrahenten auswählen, die Spielregeln bestimmen und mit kultivierten Zuhörern rechnen. Fehler oder Ungeschicklichkeiten kann man meistens zu späterer Stunde wieder korrigieren. Das fällt bei öffentlichen Veranstaltungen anderer Träger weg. Mit gemischten Gefühlen sagte ich bei einer Diskussionsveranstaltung in Geislingen über die islamische Gülen-Bewegung zu. Debatten über den Islam sind vielfach emotional besetzt. Ist man zu kritisch, wird einem schnell Islamfeindlichkeit unterstellt, ist man zu freundlich, wird einem Blauäugigkeit vorgeworfen. Man gerät bei dem Thema leicht zwischen die Stühle! Zuvor hatte ein Geschäftsmann, dem man nachsagt, zu dieser Bewegung zu gehören, das zentrale evangelische Gemeindehaus gekauft. Dies förderte allerlei Gerüchte und Unterstellungen.

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Die Anhänger des türkischen Predigers Fethullah Gülen engagieren sich vor allem für Bildungsinitiativen, deren Namen wie »Verein für Dialog« kaum Rückschlüsse zulassen. Sie werden verdächtigt, den Staat Türkei islamisch zu unterwandern und junge Leute zu indoktrinieren. Hauptvorwurf ist denn auch die mangelnde Transparenz. Den Veranstaltern war es nicht gelungen, einen Vertreter dieser Bewegung auf das Podium zu bringen. Diese mögen eine Art Tribunal gefürchtet haben oder sonst eine unfaire Behandlung. Jedenfalls steigerte diese Verweigerung nicht gerade das Vertrauen in ihre Vereinigung. Schließlich informierten und debattierten eine religionskritische Journalistin, ein säkular orientierter Türke und der Islambeauftragte der Landeskirche. Ich sah meine Aufgabe in einer fairen Moderation mit dem Bemühen um sachliche Klärung der Frage, ob diese Bewegung gefährlich ist oder nicht. Jeder Kenner weiß, dass sich darüber auch in der wissenschaftlichen Literatur und erst recht in der Presse die Geister scheiden. »Sich über den Islam zu informieren, bedeutet vielfach nichts anderes, als sich die fachmännische Bestätigung für seine Vorurteile abzuholen, positive oder negative, ganz wie einem der Sinn steht…« (Stefan Weidner, Manual für den Kampf der Kulturen). Aus diesem Grund zitierte ich eingangs Martin Luthers Erklärung zum 8. Gebot mit dem Ziel: »alles zum besten kehren«. Die Berliner Journalistin Claudia Dantschke gab zunächst eine 15minütige Einführung mit PowerpointProjektion. Ihr Ansatz ist grundsätzlich religionskritisch. Sie konnte etliche Ungereimtheiten beibringen, kritisierte vor allem mangelnde Transparenz, aber kam zu dem Ergebnis: Die Gülen-Netzwerke sind oft undurchsichtig, sie wollen Einfluss in der Gesellschaft, aber sie sind nicht ge-

walttätig. Gülen selbst vertritt einen »Islam der Mitte«. Er ist weder Radikaler noch Reformer. In der Türkei, aber auch anderen Ländern haben Gülen-Anhänger zunehmenden Einfluss. In Deutschland konzentrieren sie sich auf Schulbildung und betreiben zwölf Privatschulen, die natürlich deutscher Aufsicht unterstehen. Sie suchen hierzulande durch Dialoge die Zusammenarbeit mit Christen, denn ihre Hauptgegner sind Atheismus und Materialismus. Aykut Düzgüner, Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Gesellschaft Stuttgart, führte viele Beispiele aus der Türkei an, die mangelnde demokratische Kultur verraten. Er sieht durch die Gülen-Bewegung die säkulare Verfassung der Türkei gefährdet. Die Methoden, wie sie Sympathisanten gewinnen, seien nicht sauber. Ein Video zeigte die Verfassungsfeindlichkeit Gülens und seine Eroberungspläne. Zwischenruf der Journalistin Claudia Dantschke: »Es gibt Zweifel, ob dieses Video authentisch ist.« Der Islambeauftragte Heinrich-Georg Rothe zeigte Verständnis für die Absage der Gülen-Vertreter. Er geht in seiner Arbeit nicht vom Misstrauen aus, zumal die Gülen-Bewegung vom Verfassungsschutz nicht einmal beobachtet wird. Er führt die Spannungen auf die inneren politischen Prozesse der Türkei zurück, die durch die Einwanderung auch nach Deutschland übergreifen. Erkennbar sei ein zunehmender Einfluss der Religion, aber auch eine gewisse Pluralisierung. Bisher hatten die Kemalisten den Islam diszipliniert, indem eine staatliche Religionsbehörde die Imame bezahlt und überwacht. Mit religiöser Pluralität tue man sich noch schwer. In der zweiten Hälfte kam das Plenum zu Wort, wobei sich viele Migranten beteiligten. Doch ihre Fragen, oft auch persönliche »Erfahrungsberichte« trugen wenig zur Klärung bei. So entließ ich die Versammlung mit dem Bibelwort des Apostels Paulus »Prüfet aber alles und das Gute behaltet.« (1. Thess. 5,21) SYM 2/2010


welthunger

Guter Zeitpunkt für neue Strategien gegen den Welthunger

schluss an den Welternährungsgipfel in Rom im vergangenen Jahr die Globale Partnerschaft für Ernährungssicherung ins Leben gerufen, der auch Deutschland angehört.

Von Beate Wörner

Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium Schon heute leidet mehr als ein Sechs- (BMZ). »Deutschland verließ mit dem tel der Menschheit Hunger. Was muss Rückzug aus der Agrarförderung ein die Entwicklungszusammenarbeit Feld, auf dem es große Kompetenz machen, um die weiter steigende hatte.« Auch die nationalen RegierunWeltbevölkerung zu ernähren? Zwei gen ließen ihre Kleinbauern links lieTage lang diskutierten Entwicklungs- gen, Billigimporte vom Weltmarkt zerfachleute in der Evangelischen Akastörten die nationalen Agrarmärkte. demie Bad Boll Ende Februar Strategien zur Ernährungssicherung. Im Eine Umkehr dieser Politik ist zwinMittelpunkt der Tagung stand Afrika gend notwendig, »die Landwirtschaft südlich der Sahara, das schon jetzt muss wieder in den Mittelpunkt ge»Ausgehungert« ist. So der Titel der rückt werden«, stellte Jobst Kraus Veranstaltung. fest, Studienleiter an der Akademie. Er unterstrich dies mit den Ergebnis»Wir brauchen mehr Investitionen in sen des Weltagrarberichts, der eine die Landwirtschaft. Es ist jetzt ein radikale Wende in Agrarpolitik und guter Zeitpunkt, denn die politische Agrarforschung fordert. Diese müsse Sensibilität dafür ist da«, so Dr. Rafaël vor allem auch für die IndustriestaaSchneider von der Welthungerhilfe. ten gelten, »weil man sich weltweit Weiter forderten Entwicklungsfachimmer noch an den Industriestaaten leute auf der Tagung eine verstärkte orientiert. Wir müssen in DeutschFörderung der Kleinbauern, eine bes- land eine solar-solidarische Landwirtsere Abstimmung der Geberorganisa- schaft aufbauen.« tionen untereinander und die Orien- Die Folgen der Vernachlässigung der tierung der Entwicklungshilfe an den Landwirtschaft und des ländlichen Konzepten der jeweiligen Empfänger- Raums wurden vor zwei Jahren präländer. Nur so lasse sich die Ernähsentiert. Die drastisch gestiegenen rungssicherheit in Afrika südlich der Nahrungsmittelpreise hatten die Zahl Sahara nachhaltig verbessern. In die- der Hungernden nach oben schnellen ser Region leben die meisten Hunlassen, 2009 überstieg sie die Milliargernden, der größte Teil von ihnen dengrenze. Die Stimmung, die vor der in ländlichen Gebieten. Welternährungskrise weltweit herrschte, fasste Dr. Stefan Schmitz vom Hauptursache des Hungers in Afrika Bundesentwicklungsministerium so sind klima- und wetterbedingte Ern- zusammen: »Die Weltgemeinschaft teausfälle, denn 70 bis 80 Prozent wiegte sich in dem Traum, dass der der afrikanischen Landwirtschaft sind Hunger auf dem Rückmarsch ist.« Und vom Regen abhängig. »Weder die Be- das, obwohl seit den 60er Jahren die völkerung noch die Staaten haben die Zahl der Hungernden weltweit naheKapazität, sich an den Klimawandel zu konstant bei 850 Millionen lag. anzupassen. Die Bevölkerung ist meis- Allenthalben werden neue Förderstratens so arm, dass eine zusätzliche tegien gesucht. Das BMZ arbeitet derDürre oder Überschwemmung sofort zeit an einem neuen Konzept zur zur Katastrophe führt«, betonte Dr. ländlichen Entwicklung, das Mitte Bernhard Walter von »Brot für die 2010 vorliegen soll. Auch die internaWelt«. Die Kleinbauern waren die Ver- tionale Staatengemeinschaft wurde lierer der Entwicklung der vergange- inzwischen aktiv. So wurde im Annen Jahrzehnte. »In den 1990er JahMitveranstalter der Tagung waren die ren war es einfach internationaler AGEG Consultants eG und die Stiftung Diskurs, von der Agrarförderung weg- Entwicklungs-Zusammenarbeit Badenzugehen«, so Dr. Uschi Eid, ehemalige Württemberg (SEZ). SYM 2/2010

Negativ hat sich die Vernachlässigung der Agrarpolitik durch die Entwicklungsprogramme der Industrieländer in Afrika ausgewirkt. Jetzt ist eine Umkehr dieser Politik dringend nötig.

Die Anpassung der afrikanischen Landwirtschaft an den Klimawandel wurde von den Fachleuten auf der Tagung als zentrale Herausforderung zur Ernährungssicherung gesehen. Immer drängender werde aber auch die Regulierung der zunehmenden ausländischen Landkäufe. Diese haben unter anderem auch zur Verschärfung der Nahrungsmittelpreiskrise beigetragen. Die Entwicklung eines internationalen Verhaltenskodexes soll dieses »Landgrabbing« regulieren. Klärung der Landrechte ist ein weiterer Schritt zu höherer landwirtschaftlicher Produktion und damit mehr Ernährungssicherheit. Richtschnur für alle Lösungsansätze muss das Recht auf Nahrung sein. Dies könne aber nicht die Gebergemeinschaft einfordern, das müsse die Zivilgesellschaft der jeweiligen Staaten machen. Deshalb, so die Fachleute, müsse diese gestärkt werden. »Die Umsetzung des Rechts auf Nahrung muss auch politisch gesehen werden, nicht nur juristisch«, so Dr. Stefan Schmitz vom Bundesentwicklungsministerium. Beate Wörner ist freie Journalistin in Stuttgart

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comics und bildungsarbeit

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics Von Ralf Palandt, Mitveranstalter Rechtsextreme nutzen bei ihrem »Kampf um die Köpfe« Comics, andererseits sollen die populären Bildergeschichten in der politischen Jugendbildung und im Schulunterricht der rechtsextremen Meinungsbildung aufklärerisch entgegenwirken. Zum ersten Mal griff eine Tagung das Thema interdisziplinär in seiner Gesamtheit auf. Rolf Palandt gibt eine erste Bilanz dieser internationalen gut besuchten Tagung. Im August 2009 verteilte die NPD zur Bundestagswahl an mehreren Orten in Deutschland kostenlos den Comic »Enten gegen Hühner«. Während es zahlreiche Studien zum RechtsRock gibt, werden Comics bislang in der Betrachtung rechtsextremer Medien ignoriert. Wir müssen uns aber mit altem und neuem Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in allen (Kunst-)Formen auseinandersetzen. Nur dann können wir diesen gesellschaftspolitischen Problemen entgegen treten. Comics können diese Auseinandersetzung unterstützen. Seit einigen Jahren werden Comics in der politischen Jugendbildung und im Unterricht eingesetzt, um vor den Gefahren des Rechtsextremismus zu warnen und ein Bewusstsein für Geschichte und Demokratie zu fördern. Doch beschränkt sich ihr Einsatz auf wenige Fälle. Und für einige dieser Comics gilt: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Generell gibt es wenig Wissen über die gesellschaftspolitische Als Comic-Macher waren Klaus Wilinski (Leo mischt mit), Peter Schaaff (Andi) und Torsten Bähler (Jetzt reichts in Sachsnitz) nach Bad Boll gekommen. Abends präsentierte der israelische Comic-Zeichner Gabriel S. Moses seinen aktuellen Comic-Band Spunk.

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Bedeutung, die Wirkungs- und Einsatzmöglichkeiten von Comics. Werden Gefahren für die Gesellschaft und Mittel zu ihrem Schutz sträflich übersehen? Welches bildungspolitische Potential steckt in Comics? Um diese Fragen zu diskutieren, richteten das Archiv der Jugendkulturen und ich mit der Evangelischen Akademie Bad Boll diese internationale Tagung aus. Mehr als zwanzig Fachleute deckten mit ihren Vorträgen und Workshops die Bereiche Geschichte, Theorie, Forschung und Praxis ab. Inhalte, Funktionen und Wirkungen der Comics von Rechts und gegen Rechts, von Geschichtscomics mit NS- und Holocaust-Thematik wurden interdisziplinär vorgestellt und diskutiert. Modellhaft wurden Möglichkeiten für die Bearbeitung des Themas und den Einsatz entsprechender Comics in Schule und politischer Bildung erarbeitet. Parallel präsentierte die Wanderausstellung »Holocaust im Comic« zahlreiche Bildergeschichten – von kritischen Texten begleitet. Zunächst ging es um »Comics von Rechts«. Im ersten Vortrag wurden rechtsradikale und antisemitische Comics in RechtsRock-CD-Booklets, Fanzines, Schüler- und Parteizeitungen der letzten 30 Jahre vorgestellt. Einen Blick ins europäische Ausland boten die Besprechungen rassistischer und antisemitischer Comics in Ungarn, Italien und Frankreich – von Dr. Gregor Mayer, Giulio C. Cuccolini und Dr. Joachim Sistig. Dr. Renate Schleicher ging auf entsprechende Stereotype in Asterix- und Lucky-Luke-Comics ein. In den zweiten Teil der Tagung »Comics gegen Rechts und Comics in Schulunterricht und politischer Bildung« führte Martin Frenzel mit einem Vortrag über zentrale Aspekte des Genres Holocaust im Comic ein. Es wurde deutlich, dass es nicht nur eine Form der Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema Holocaust

Die Tagung fand statt in Kooperation mit und Unterstützung von: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Bündnis für Demokratie und Toleranz, Konrad-Adenauer-Stiftung Baden-Württemberg, Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg und Rosa-Luxemburg-Stiftung.

und NS-Verbrechen im Comic gibt, sondern viele verschiedene Facetten. Die Vorträge von Marco Behringer, Hendrik Buhl, Dr. Chiara Cerri, Dr. Ole Frahm und Fabian Kettner diskutierten aus verschiedenen Perspektiven die Eignung von Comics als Lehrmittel und/oder die Umsetzung der Themen Nationalsozialismus, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Sie gingen auf die Stärken, Schwächen und die Besonderheiten des Mediums ein. Julia Franz und Patrick Siegele vom Anne-Frank-Zentrum Berlin präsentierten den Comic »Die Suche« des Anne-Frank-Hauses Amsterdam und spielten mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer Aufgaben aus dem dazugehörenden Material-Buch für Lehrkräfte durch. Christine Gundermann ging kritisch auf die Konsequenzen der Übertragung dieses niederländischen Geschichtsbildes in die deutsche Geschichtskultur und den Geschichtsunterricht ein. Die Traditionen von Judenbildern sowie sich verändernde Rezeptionsbedingungen waren die Grundlage, auf der Isabel Enzenbach ihren Workshop zur Erlangung einer visuellen Kompetenz für den Umgang mit antisemitischen Stereotypen aufbaute. Mit über 50 TeilnehmerInnen war die Tagung außerordentlich gut besucht. Der Austausch an Erfahrungen und Wissen war für die Teilnehmenden sehr wertvoll und ist essentiell für die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und für die Weiterentwicklung von Comics in der politischen Bildungsarbeit. Viele Informationen zur Tagung finden Sie auf der Website: http://splashcomics.de/ php/messen/30/rechtsextremismus_ rassismus_und_antisemitismus_in_comics Es wird eine Dokumentation erstellt werden. SYM 2/2010


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Was kommt? Tagungen vom 16. Juni bis 15. Oktober 2010 Fundraising macht Schule – Schule macht Fundraising! Fundraising für öffentliche und private Schulen und Internate 16.-17. Juni 2010, Bad Boll Private wie öffentliche Schulen und Internate verfügen über Stärken, die für das Fundraising genutzt werden können. Fundraising ist kontinuierlicher Beziehungsaufbau und Beziehungspflege. Als Teil eines engagierten Schulleitungsteams erhalten Sie hier das nötige Wissen und Handwerkszeug, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Damit hat Ihre Schule im Wettbewerb um pädagogisches Profil die Nase vorne. Tagungsnummer: 450510 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Wolfgang Mayer Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/450510.pdf

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen 16.-19. Juni 2010, Bad Boll Den Abschied aus der Erwerbsarbeit bewusst gestalten, die neue Lebensphase mutig angehen: Es gibt Tipps, Anregungen und Übungen zu einem gelingenden Übergang. Tagungsnummer: 760110 Tagungsleitung: Sigi Clarenbach Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Mitbestimmung in der Krise 17.-18. Juni 2010, Bad Boll Der Interessensausgleich zwischen den Vertretern von Arbeit und Kapital hat in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und zum sozialen Frieden geleistet. Partizipation und Kommunikation, im Betrieb und überbetrieblich, sind Kennzeichen für Demokratie und Beteiligungsgerechtigkeit. Mitbe-

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stimmung hat an Selbstverständlichkeit eingebüßt. Eine Vergewisserung im Geiste des Protestantismus und partnerschaftlicher Verantwortung ist geboten. Tagungsnummer: 270510 Tagungsleitung: Jens Junginger, Esther Kuhn-Luz Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de

Dann holen wir halt eine Polin. Haushaltsnahe Dienstleistungen grenzüberschreitend aus Osteuropa 18.-19. Juni 2010, Bad Boll Es geht um »Gewinner« und »Verlierer« am Beispiel Altenhilfe. Die vollständige Freizügigkeit in der EU naht. Verdrängen billige(re) Anbieter aus Osteuropa etablierte Altenhilfeträger und unterlaufen bisherige Standards? Welche Folgen haben grenzüberschreitende Dienstleistungen? Tagungsnummer: 430210 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Johannes Flothow Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Interkulturelle Öffnung als Zukunftsaufgabe der Justiz. Zum Umgang mit fremden Kulturen vor Gericht 18.-20. Juni 2010, Bad Boll Wie sieht es mit einer klaren und erfolgreichen Kommunikation und Aktion mit Menschen anderer Kulturkreise vor Gericht aus? Gelingt es Richter- und Anwaltschaft, Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie allen am Prozess Beteiligten sich gut zu verständigen? Tagungsnummer: 520310 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Selbstheilungskräfte aktivieren – Wege zur Gesunderhaltung und Genesung 25.-27. Juni 2010, Bad Boll Selbstheilungskräfte sind uns biologisch mitgegeben, sie müssen aber auch gefördert werden; sie bestehen in der Fähigkeit Ungleichgewichte

und Störungen wieder in ein Gleichgewicht und eine angemessene Ordnung zu bringen. Tagungsnummer: 460510 Tagungsleitung: Christa Engelhardt Infos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de

Konfirmandenarbeit im öffentlichen Diskurs – Ein Jugendbildungsangebot der Kirche 26. Juni 2010, Bad Boll Eine Auseinandersetzung mit dem größten außerschulischen Bildungsangebot der evangelischen Kirchen für Jugendliche. Im Nachgang zur württembergischen Studie zur Konfirmandenarbeit steht nun der Blick der Gesellschaft auf die öffentliche Wahrnehmung und Wirkung von Konfirmandenarbeit im Fokus. Tagungsnummer: 340410 Tagungsleitung: Viktoria Pum Infos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 ilse.jauss@ev-akademie-boll.de

Evolutionäre Ethik? Zum Trialog zwischen egoistischen Genen, kooperativen Menschen und ethischen Idealen 26.-27. Juni 2010, Bad Boll Prosoziales Verhalten hat beim Menschen ebenso eine natürliche Basis wie aggressives Verhalten unter bestimmten Bedingungen. Wie verhält sich diese evolutionäre Disposition zu ethischer Reflexion und philosophischethischen Entwürfen? Albert Schweitzers Ethik wird ebenso diskutiert wie die integrale Ethik von Ken Wilber. Tagungsnummer: 410410 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Burn-out erkennen Als Führungskraft Verantwortung übernehmen 1.-2. Juli 2010, Bad Boll Immer mehr Menschen leiden so sehr unter zunehmendem Arbeitsdruck, dass sie seelisch krank werden. Die Tagung bietet die Möglichkeit, sich mit dem Phänomen Burn-out ausein-

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vorschau ander zu setzen. Wie lassen sich möglichst früh erste Anzeichen bei Mitarbeitenden erkennen und was ist zu tun? Betriebliche und individuelle Präventionsmodelle werden vorgestellt. Tagungsnummer: 250410 Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz, Volker Stücklen Infos: Simon Lademann (KDA), Tel. (0711) 2068-261, Fax 2068-262 simon.lademann@ev-akademie-boll.de

Jungs, wohin? Positive Bilder des Männlichen für Jungen und die Jungenpädagogik 2.-3. Juli 2010, Bad Boll In Medien und Politik kommen Jungen vor allem vor, weil sie Probleme machen oder haben. Aber wohin sollen sich Jungen und Männer entwickeln? Ohne Ziele keine Entwicklung, keine passende Pädagogik. Wo sind die Zukunftsbilder des Männlichen, die wir brauchen? Tagungsnummer: 310610 Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Gunter Neubauer, Dr. Reinhard Winter Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Ausgewachsen? Wirtschaftswachstum neu denken 2.-3. Juli 2010, Bad Boll Wachstum gilt als Königsweg aus Wirtschaftskrise und Staatsverschuldung. Doch viele meinen, die ökologischen, vielleicht auch ökonomischen Grenzen des Wachstums seien erreicht. Wie sehen aktuelle Befunde zur nationalen und internationalen Ökonomie aus? Wie ist Wirtschaft mit weniger oder keinem Wachstum denkbar? Wie viel Wachstum vertragen/benötigen Mensch und Gesellschaft? Tagungsnummer: 240410 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Matthias Wanzeck, Studienleitende des Themenbereichs Wirtschaft, Technik, Arbeitswelt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

In the Year 2025 Alle unsere Zukünfte 2.-4. Juli 2010, Bad Boll Es mangelt nicht an Zukunftsvisionen,

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die von Utopia bis zu Horrorvisionen variieren, es mangelt an klaren Zukunftsvorstellungen. Diese Prognosen schreiben oft nur linear fort, was heute schon ist. Wir versuchen, einen interdisziplinären Blick auf die Perspektiven in der Wirtschaft, in der Pflege, im Städtebau zu werfen. Wie wird das Thema in der Musik, im Kabarett oder im Film behandelt? Tagungsnummer: 361210 Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, Dr. Manfred Budzinski, Kathinka Kaden, Dr. Günter Renz Infos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/361210.pdf

Autismus – Wiederholungstagung Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten. Neue Wege durch die Schule 5.-6. Juli 2010, Bad Boll Lehrkräfte aller Schularten werden über ihre Erfahrungen und einzelfallbezogenen Vorgehensweisen berichten. Einrichtungen stellen Unterstützungsmöglichkeiten für die Schulen vor. Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Reutlinger Fakultät für Sonderpädagogik werden präsentiert. Ein Schwerpunkt der Tagung ist der Austausch mit Menschen mit Autismus, die als Buchautoren bekannt sind und die ihre schulischen Erfahrungen reflektieren. Tagungsnummer: 502910 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342

(Weitere Termine: 30.9., 26.11.2010) Tagungsnummer: 501910 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/501910.pdf

Süddeutsche Hospiztage 2010 Trauerprozesse verstehen und begleiten 14.-16. Juli 2010, Bad Boll Die Hospiztage widmen sich in diesem Jahr dem Thema Trauern. Dabei wird der Blick geweitet für die Vielfalt der Trauerrituale in verschiedenen Kulturen und reflektiert, wie Lebenstrauer und Beziehungstrauer in guter Weise verlaufen können, was erschwerend und hilfreich wirken kann. Tagungsnummer: 410510 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Heilsame Zukunft durch Technik? 16.-17. Juli 2010, Bad Boll Die Angst geht um in Deutschland: Viele neue Produkte und technologische Innovationen werden argwöhnisch beäugt. Die Leichtigkeit geht um in Deutschland: Alles Neue wird gekauft und ausprobiert. Technik ist ambivalent – hier naive Neugier, da ungebrochenes Vertrauen. Gibt es eine heilsame Zukunft durch Technik? Tagungsnummer: 620110 Tagungsleitung: Falk Schöller Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225

brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Schätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe Heterogenität im Klassenzimmer 8. Juli 2010, Bad Boll Es fehlt nicht an Anregungen: Preisgekrönte Schulen, Unterrichtseinheiten, überzeugende Vordenker. Diese Reihe gibt Ihnen Gelegenheit, sich zu informieren und mit anderen engagierten Pädagoginnen und Pädagogen in Austausch zu treten. Der Ansatzpunkt liegt dabei stets auf der Ebene des alltäglich Machbaren.

Erwerbslosentagung BadenWürttemberg 2010 19.-23. Juli 2010, Markelfingen/Bodensee Der politische Protest gegen Hartz IV scheint verstummt zu sein. Die Vision vom guten Leben, von der Befreiung von Sanktionen, qualifizierter Förderung und Existenz sichernder Arbeit ist in weite Ferne gerückt. Erwerbslose treibt die Sorge um, wie der nächste Tag zu bewältigen ist. Die Tagung steht unter dem Motto: Auftauchen statt abtauchen, aufstehen SYM 2/2010


was kommt ... statt einknicken, sich stark machen statt geschwächt werden, Ermutigung statt Demütigung. Tagungsnummer: 950210 Tagungsleitung: Jens Junginger, Christa Cheval-Saur, Dimitrios Galagas, Klaus Kittler, Thomas Maile, Klaus-Peter Spohn-Logé Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de

Wer fällt in der Straffälligenhilfe durch den Rost? Ethik und Ressourcen 19.-20. Juli 2010, Bad Boll Die freie Straffälligenhilfe hat seit ihrer Gründung vor fast 200 Jahren das Selbstverständnis, jedem Gefangenen und Entlassenen – ohne Ansehen der Person oder des Delikts – Hilfe zukommen zu lassen. Die Hilfsangebote waren orientiert am Klienten und seinen Bedürfnissen nach Lebensunterhalt, Arbeit und Wohnraum. Heute ist das Selbstverständnis der Straffälligenhilfe im Umbruch. Tagungsnummer: 520610 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/520610.pdf

Frauen: Trotz Qualifikation im Abseits? Übergänge erfolgreich gestalten 22. Juli 2010, Stuttgart Trotz guter Qualifikationen stehen Frauen nach dem Studium oder der Familienphase mit ihren Berufswünschen oft vor verschlossen Türen. Trotz Fachkräftemangels stellt die Einmündung in eine dauerhafte qualifizierte (Teilzeit-)Stelle eine große Herausforderung dar. Wir beleuchten das Thema aus wissenschaftlicher und betrieblicher Sicht sowie aus der Perspektive von berufsspezifischen Netzwerken. Tagungsnummer: 240610 Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

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Ferienzeit - Akademiezeit »Vom Wasser haben wir's gelernt...« Meditativer Tanz für Frauen 30. Juli - 1. August 2010, Bad Boll Mit anderen Melodien und Rhythmen nachspüren, sich beschwingen lassen. Danach können Sie Ihren Urlaub fortsetzen mit der Ferienakademie (s. u.). Tagungsnummer: 531610 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Ferienwoche kreativ 2010: Im Aufwind. Individuelle Kreativität in anregender Gemeinschaft 1.-7. August 2010, Bad Boll In kompetent geleiteten Workshops gehen Sie Ihren kreativen Interessen nach. Ein rundum reiches Kultur- und Bewegungsangebot: Eine Urlaubszeit, die Familien, Paare und Singles aller Altersgruppen verbindet. Tagungsnummer: 330310 Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Ilse Jauß, Tel. (07164) 79-229, Fax 79-5229 ilse.jauss@ev-akademie-boll.de www.ev-akademie-boll.de/tagungen/ details/330310.pdf

Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Der altchinesische Dichter-Philosoph Zhuangzi 1.-4. September 2010, Bad Boll »Das wahre Buch vom südlichen Blütenland« des chinesischen Philosophen Zhuanghzi gehört zu den weniger bekannten Grundlagen des Daoismus. Manche nennen es »eines der unterhaltsamsten und zugleich tiefsten Bücher der Welt«. Henrik Jäger hat unter dem Titel »Mit den passenden Schuhen vergisst man die Füße...« ein Zhuangzi-Lesebuch veröffentlicht, das Grundlage dieser Sommerakademie ist. Tagungsnummer: 641410 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de Sinnsuche in der Zeit zwischen Zyklik und Wiederholung Ist die Zeit eine Illusion? Literarische Sommerakademie zu Samuel Beckett

1.-5. September 2010, Bad Boll Samuel Beckett: Zwischen Zeit, Zyklik und Wiederholung Tagungsnummer: 530910 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Die Zeit in physikalischer und philosophischer Perspektive Ist die Zeit eine Illusion? Philosophische Sommerakademie 5.-9. September 2010, Bad Boll Ist die Zeit eine Illusion? Die Zeit – das Hauptthema der Physik und die Physik unter dem Einfluss der Philosophie. Tagungsnummer: 531010 Tagungsleitung: Susanne Wolf, Annegret Wolfram Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

»… und Mohammed ist sein Gesandter« Leben und Werk des islamischen Propheten in neuer Sicht 5.-8. September 2010, Bad Boll Die einen verteufeln Mohammed als Lügenprophet, die andern empfangen von ihm die letzte Offenbarung Gottes. Neuerdings bestreiten selbst islamische Historiker seine Existenz. Wer war Mohammed wirklich? Tagungsnummer: 640810 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Susanne Wolf Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de

Platons Dialog »Lysis« Lektüreseminar 9.-12. September 2010, Bad Boll Im »Lysis«, einem der kürzeren Frühdialoge Platons, geht es um die Philia, deren Bedeutungsinhalt über Freundschaft und Wohlwollen bis hin zur Liebe reicht. Wir werden uns dem Text in seinen philosophischen Verwinkelungen durch gemeinsame Lektüre und Interpretation zu nähern versuchen. Wir lesen die deutsche Übersetzung, greifen aber mitunter erläuternd auf das griechische Original zurück. Der Text wird gestellt. Tagungsnummer: 500710

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was kommt ... Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

20 Jahre Deutsche Einheit – Gestern IM – heute Parteifreund Die Parteien, die Opfer und die Täter: Darf Versöhnung heute sein? 10.-11. September 2010, Bad Boll Es ist ein unerledigtes Thema im Vereinigungsprozess, und es gibt Grund, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer kritisch darüber zu debattieren: Wie sind die verschiedenen Parteien mit den Tätern und Mitläufern der SEDDiktatur umgegangen und welche Haltung haben sie heute zur IM-Vergangenheit mancher ihrer Mitglieder? Tagungsnummer: 300110 Tagungsleitung: Karl Giebeler, Dr. Alfred Geisel, Frieder Birzele Infos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 sybille.kehrer@ev-akademie-boll.de

Eifersucht, Habgier, Rache Eine Krimi-Schreibwerkstatt 10.-12 September 2010, Bad Boll Gehört der »Tatort« für Sie zum Sonntagabendritual? Sind Krimis Ihre Lieblingslektüre? Träumen Sie davon, selbst einmal einen zu schreiben, auch wenn es nur ein paar Seiten wären? Erhard Schmied, Autor zahlreicher Hörfunk- und Fernsehkrimis, begleitet Sie bei ihren ersten erzählerischen Schritten in die Welt des Verbrechens. Tage voller Anregungen, Erholung und Spannung pur! Tagungsnummer: 530510 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

»Matching« in der Krise. Perspektiven auf dem Ausbildungsmarkt für chancenarme Jugendliche 23.-24. September 2010, Bad Boll Die Finanz- und Wirtschaftskrise verengt den Rahmen: Ausbildungsplätze sind knapp, es gibt Gewinner und Verlierer. Jugendliche mit schlechten Startchancen brauchen Unterstützung. Ziel wirkungsvoller Förderung ist eine gute Passung zwischen den individuellen Möglichkeiten, den Aus-

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bildungsangeboten und wirtschaftlichen Erfordernissen. Welche neuen Entwicklungen und Perspektiven zeichnen sich ab? Tagungsnummer: 311910 Tagungsleitung: Gerald Büchsel Infos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de

Flucht und Migration durch Klimawandel Eine globale Herausforderung 24.-26. September 2010, Bad Boll Bei dieser Tagung sind Klimakriege, die völkerrechtliche Verortung von »Klimaflüchtlingen« und Beispiele über Auswirkungen des Klimawandels in Ländern und Regionen Themen, aus denen politische Forderungen und Vorschläge entwickelt werden sollen. Es sollen Handlungsempfehlungen für politische Akteurinnen, Akteure und Nichtregierungsorganisationen sowie Kriterien für einen menschenwürdigen Umgang mit und wirksamen Schutz von »Klimaflüchtlingen« entstehen. Tagungsnummer: 430610 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Ulrike Duchrow, Sophia Wirsching, Annette Stepputat, Bernd Mesovic Infos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax 79-5217 reinhard.becker@ev-akademie-boll.de

Der Exodus der »Gebrochenen« Die Religionen Indiens und die Befreiung der Dalits 24.-26. September 2010, Bad Boll Die bedrückende Situation der »unbeHalbjahresprogramm 2/2010 Das neue Halbjahresprogramm der Evangelischen Akademie Bad Boll 2/2010 erscheint Ende Mai. Bestellungen kostenlos bei: Monika Boffenmayer, Tel. 07164 79-305, E-mail: monika.boffenmayer@ ev-akademie-boll.de Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie samt Preisen im Internet unter: www.ev-akademie-boll.de/ akademieprogramm

rührbaren« Dalits in Indien kann nicht länger ignoriert werden. Ihre Diskriminierung hat auch religiöse Wurzeln. Viele wenden sich Buddhismus und Christentum zu, andere besinnen sich auf eine eigene Spiritualität. Welche Ansätze befreiender Religiosität überwinden jahrhundertealte Unterdrückung? Welche Rolle spielen die Religionen für eine gerechte Entwicklung? Tagungsnummer: 641010 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Walter Hahn, Lutz Drescher Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de

Schätze der Schulentwicklung – Eine Veranstaltungsreihe So macht Lernen Spaß 30. September 2010, Bad Boll Tagungsnummer: 502010 Text und Kontaktdaten siehe S. 18 Mitmachen Ehrensache Fit fürs Botschafteramt 1.-3. Oktober 2010, Bad Boll Die Aktion »Mitmachen Ehrensache« und die Evangelische Akademie Bad Boll laden Schülerinnen und Schüler aus ganz Baden-Württemberg ein, die sich als ehrenamtliche Botschafterinnen und Botschafter für diese Initiative an Schulen, bei Arbeitgebern und in den Medien einsetzen wollen. Das Seminar bietet Workshops, in denen öffentliches Auftreten und Kommunikation geübt werden. Tagungsnummer: 360410 Tagungsleitung: Marielisa von Thadden, Gabi Kircher, Sybille Mack Infos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de SYM 2/2010


was kommt... Sri Lanka: Die neuesten Entwicklungen. Wie steht es um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie? 1.-3. Oktober 2010, Bad Boll Die Verletzungen der Minderheitenrechte waren Auslöser für den 30Jahre andauernden Krieg. Gibt es heute eine politische Losung für diese Frage? Viele der demokratischen Rechte sind mit Bezug auf den notwendigen Krieg zerschlagen worden. Wie steht es um die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Meinungsfreiheit, Medienfreiheit und die unbehinderte Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen? Tagungsnummer: 430710 Tagungsleitung: Dr. Manfred Budzinski, Hedwig Held, Ranjith Lochbihler Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

2. Bad Boller Parkinson-Tag 2. Oktober 2010, Bad Boll Mit dem »2. Bad Boller ParkinsonTag« wollen wir Patientinnen und Patienten, ärztliches Personal, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Angehörige miteinander ins Gespräch bringen, zur Zusammenarbeit ermuntern und neue Impulse geben. Und das in entspannter Atmosphäre, mit genügend Pausen, einem extra Ruheraum und erfrischenden und aktivierenden Beispielen aus der Praxis. Tagungsnummer: 411110 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 4.-6. Oktober 2010, Bad Boll Praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen. In diesem Seminar wird gezeigt, wie sich dieses Modell schrittweise üben und konkret anwenden lässt. Tagungsnummer: 450710 Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 wilma.hilsch@ev-akademie-boll.de SYM 2/2010

Abschied von der Erwerbsarbeit Aufbruch ins Morgen – Weichen stellen 6.-9. Oktober 2010, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen. Die Chancen der neuen Lebensphase in Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für Andere zu erkennen, ist Ziel des Seminars. Tagungsnummer: 210510 Tagungsleitung: Volker Stücklen, Margit Metzger Infos: Ingrid Brokelmann, Tel. (07131) 982330, Fax 9823323 ingrid.brokelmann@ev-akademie-boll.de

Körper und Kult Leibfreundlichkeit in Buddhismus und Christentum 8.-10. Oktober 2010, Bad Boll Körperkult füllt Lifestyle-Magazine und Talkshows. Viele erkranken aber, weil sie ihren Körper ablehnen. Für Christen ist ihr Körper ein »Tempel des Heiligen Geistes«, Buddhisten betrachten den menschlichen Körper trotz seiner Vergänglichkeit als kostbares Instrument zur Verwirklichung der Erleuchtung. Was können beide Religionen zur Gesundung von Körper und Geist beitragen? Tagungsnummer: 641110 Tagungsleitung: Wolfgang Wagner, Klaus W. Hälbig, Vajramala S. Thielow Infos: Irmgard Metzger, Tel. (07164) 79-347, Fax 79-5347 irmgard.metzger@ev-akademie-boll.de

Menschenrecht auf Teilhabe Zwischen Marginalisierung und Inklusionsanspruch 14.-15. Oktober 2010, Bad Boll Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung bewirkt Fortschritte im Bereich von Inklusion und Teilhabe. Die Tagung reflektiert die Problematik der faktischen Ausgrenzung, die Stärken und Schwächen des Diversity-Konzepts und fragt in einer trialogischen Gesprächsrunde: Wie viel Sonderwelt muss sein?

Tagungsnummer: 410710 Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Christa Engelhardt Infos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax 79-5212 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de

Solidarisch handeln – solidarisch wirtschaften 15.-16. Oktober 2010, Bad Boll Wenn jeder nach seinem eigenen Vorteil schaut, kommt das allen zu Gute, meinte einst der Nationalökonom Adam Smith. Doch mit der Finanzund Wirtschaftskrise steht die Zukunftsfähigkeit dieser Idee erneut in Frage. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit plädieren Kirchen und Gewerkschaften. Wo gibt es Beispiele solidarischen Handelns und genossenschaftlichen Wirtschaftens? Tagungsnummer: 270610 Tagungsleitung: Jens Junginger, Reinhard Hauff, Bernhard Franke Infos: Petra Randecker, Tel. (07121) 161771, Fax 411455 petra.randecker@ev-akademie-boll.de

Die Zukunftsfähigkeit von Russland und Deutschland. Perspektiven einer kooperativen klimaverträglichen Energie- und Industriepolitik 15.-17. Oktober 2010, Bad Boll Die 3. Bad Boller Russland-Deutschland-Konferenz fragt nach den Chancen einer nachhaltigen Entwicklung bei der Energienutzung. Thematisiert werden die knapper werdenden Ressourcen, die Möglichkeiten beim Energie-Sparen, die Nutzung erneuerbarer Energiepotenziale in beiden Ländern sowie Perspektiven möglicher Kooperationen. Tagungsnummer: 520710 Tagungsleitung: Kathinka Kaden Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de

Vorschau: Akademiereise 31.10.-6.11.2010 Cilento - Die schönsten griechischen Tempel in Italien Tagungsnummer: 503110 Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de

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aus der akadmie – bücher – rezept

Aus der Akademie Anne Rahlenbeck arbeitet seit März in der Evangelischen Akademie Bad Boll als Studienassistentin im Themenbereich Wirtschaft, Technik, Arbeit mit dem Arbeitsschwerpunkt Gesellschaftsdiakonische Kurse. Davor, von 2007-2010, hatte Anne Rahlenbeck ihr Vikariat im Kirchenbezirk Freudenstadt in der Doppelgemeinde Wittendorf-Lombach absolviert. Sie löst Karin Pöhler ab, die in Elternzeit gegangen ist.

Buchtipps Hrsg.: Gerald G. Sander Wasser, Strom, Gas: Kommunale Daseinsvorsorge im Umbruch. Zum Spannungsfeld von öffentlicher Daseinsvorsorge und EU-rechtlichen Vorgaben Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2010 Das Buch dokumentiert die Beiträge der Tagung, die am 1./2. Juli 2009 an der Evangelischen Akademie Bad Boll stattgefunden hat. Viele Konzessionsverträge für die Stromversorgungen laufen demnächst aus. Zahlreiche Städte und Gemeinden müssen in diesem und im nächsten Jahr entscheiden, wie die Energieversorgung in den nächsten 20 Jahren organisiert werden soll. In diese Überlegungen wird häufig auch die Was-

serversorgung einbezogen. Die Kommunen müssen entscheiden, ob die Wasserversorgung weiter in kommunaler Hand bleiben soll, sie die Stromversorgung allein übernehmen können oder sich eine interkommunale Zusammenarbeit anbietet und welche europarechtlichen Entwicklungen zu beachten sind. Dieser Sammelband vermittelt, welche Optionen Kommunen bei der Leistungserbringung im Rahmen der Daseinsvorsorge haben.

FrauenRatschlag Region Stuttgart 1995 - 2010. Nachruf auf ein innovatives Netzwerk Langjähriges frauenpolitisches Engagement in der Region Stuttgart: Im FrauenRatschlag kamen in den 15 Jahren Frauen aus allen gesellschaftlichen Feldern zusammen, um ihren Blick auf die Regionalpolitik, ihre spezifischen Gestaltungsinteressen zusammenzutragen, zu bündeln und zur Geltung zu bringen. Anlass für diese Initiative war die Wahl und Konstituierung des Regionalparlaments 1994 und damit eine neue politische Handlungsebene zwischen Kommunen und Landesparlament. Der FrauenRatschlag agierte als offenes Forum. Es beteiligten sich Vertreterinnen aus Kommunalverwaltungen, Gewerkschaften, Beratungsstellen, aus Bildungsträgern und Kirche, aus Verbänden, sowie Frauenbeauftragte, Planerinnen und Wissenschaftlerinnen. Die Zusammenarbeit mit Frauen und Männern in Entscheidungspositionen in Regionalversammlung, Verband Region Stuttgart und in der

Auberginen-TomatenSchafskäsegratin

1 EL 3 EL

4 Personen Zutaten geputzt gewogen

Zubereitung: Auberginen in 1,5 cm dicke Scheiben schneiden; mit Olivenöl bepinseln, die Scheiben auf ein Backblech legen; 200° C ca. 15 Minuten backen, noch heiß mit Zitronensaft bepinseln; mit Kräutersalz und frisch gemahlenem Pfeffer bestreuen; Auberginenscheiben schuppenförmig in eine flache Gratinform legen; Tomaten häuten, in Scheiben schneiden und auf die

Zutaten: 800 g 500 g

1 300 g

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Olivenöl Auberginen Tomaten Kräutersalz frisch gemahlener Pfeffer Zitronensaft Schafskäse

getrockneter Oregano Semmelbrösel

Wirtschaftsförderung Region Stuttgart war ebenso wichtig wie die Einbindung von Fachfrauen aus Wissenschaft und Praxis und die Vernetzung frauenpolitischer Aktivitäten. Zwei Studienleiterinnen der Evangelischen Akademie Bad Boll (Ulrike Leipersberger und Dagmar Bürkardt hatten dieses Netzwerk mit initiiert, organisierten Sitzungen, planten und moderierten Veranstaltungen und Tagungen und standen als Kontaktpersonen zur Verfügung. Austausch, Diskussionen, Projektideen, Studien, Stellungnahmen zu wichtigen regionalen Entscheidungen, Tagungen, Beteiligung an regionalen Gremien und Projekten: In diesen Aktivitäten wurde deutlich, wie ungewöhnlich und bundesweit vorbildlich das Frauennetzwerk der Region Stuttgart war in seinem Zusammenschluss von Fachfrauen aus verschiedensten beruflichen Gruppen und gesellschaftlichen Institutionen. Im Laufe der Jahre ließen sich mangelnde Ressourcen und hohe fachliche Ansprüche immer weniger vereinbaren. Anders als andere regionale Vereine bekam der FrauenRatschlag nur punktuell Unterstützung von Seiten der Region. Das ehrenamtliche Engagement ohne festen organisatorischen Rahmen kam so an Grenzen. Ulrike Leipersberger, Dagmar Bürkardt Die Arbeit des Netzwerks wurde von Leipersberger/Bürkardt dokumentiert und kann auf der Internetseite der Evangelischen Akademie Bad Boll heruntergeladen werden: www. ev-akademie-boll.de/ onlinedokumente

Auberginen legen; ebenfalls mit Pfeffer und Kräutersalz bestreuen. Schafskäse in Würfel auf den Tomaten verteilen; Oregano überstreuen; Semmelbrösel mit wenig Olivenöl mischen, überstreuen. 20 Minuten bei 160° C backen Dazu passt eine Schüssel grüner Salat und knuspriges Fladenbrot Guten Appetit! Ihre Ingrid Hess

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kommentar

Reden oder ignorieren? Warum Gesprächsverweigerung eine Haltung, aber keine Strategie ist Volker Perthes und Nicole Renvert Die Frage, ob und unter welchen Umständen man mit problematischen politischen Akteuren sprechen darf, sorgt immer wieder für intensive Diskussionen. Besonders kontrovers ist die Debatte über die Zulässigkeit von Gesprächen mit radikalen Islamisten. Ein generelles Gesprächstabu würde allenfalls Sinn machen, wenn man alle Islamisten zu Terroristen erklären und behaupten würde, alle Organisationen, die Gewalt als Mittel der Politik nutzen, hätten keinerlei verhandelbare Ziele und könnten sich niemals ändern. Dies hieße aber auch, die mittlerweile unbestrittene Relevanz politisch-islamischer Bewegungen zu ignorieren. Fakt ist, dass Regierungen westlicher wie mittelöstlicher Staaten immer schon mit Islamisten verhandelt haben und dies wohl auch weiter tun werden. Verhandeln die USA, Russland, China sowie die EU-3 nicht mit Teheran? Haben die USA nicht mit der Taliban-Regierung über den Bau von Pipelines geredet; die algerische Regierung nicht mit der FIS verhandelt, um den Bürgerkrieg zu beenden; deutsche Beamte nicht den Austausch von Gefangenen und Gefallenen zwischen Israel und Hizbullah vermittelt? Vertreter der israelischen Regierung besprechen Alltagsprobleme oder politische Themen wie den Austausch von Gefangenen, die Zugänge zum Gazastreifen oder die Perspektive einer längerfristigen Waffenruhe mit Vertretern der von der Hamas gestellten de-facto Regierung in Gaza. In all diesen Fällen gibt es etwas zu verhandeln. Niemand dagegen käme auf die Idee, mit al-Qa’ida in Verhandlungen einzutreten. Worüber auch? Al-Qa’ida und ihresgleichen sehen sich in einem globalen Jihad, einem von Zeit und Raum weitgehend unabhängigen existentiellen Krieg zwischen ihnen als den selbsternannten »Soldaten des Islam« und den anderen, den »Kreuzrittern und Juden« und ihren Helfern. SYM 2/2010

Gerade wenn die internationale Staatengemeinschaft den Kampf gegen den globalen Terrorismus erfolgreich führen will, muss sie zwischen Jihadisten vom Schlage al-Qa’idas und anderen Islamisten trennen. Wer dies nicht tut, riskiert dem falschen Argument Vorschub zu geben, dass es sich bei diesem Kampf letztlich doch um einen westlichen Kreuzzug gegen »den Islam« handele. Barack Obama hat in seiner Rede an der Universität Kairo 2009 gerade dies als schweren Fehler angeprangert. Dabei hat er den Dialog, den er an klare Bedingungen knüpft, als ein wichtiges diplomatisches Mittel herausgestellt, der den Weg zu einem friedlichen Miteinander eröffnen kann. Sollten etwa Bewegungen wie Hamas der Gewalt abschwören, ihre Verantwortung in Regierung und Verwaltung zeigen, Abkommen sowie das Existenzrecht Israels anerkennen, wären die USA, so Obama, für einen Dialog und Verhandlungen offen. Europäische Regierungen tun sich schwer, ob sie mit diesen Akteuren in einen Dialog treten und sie damit als legitime Spieler anerkennen sollen. So ist die Entwicklung der EU-Terrorliste von 2008 eine höchst umstrittene Maßnahme. Zahlreiche Organisationen klagten und klagen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Einige wurden wieder von dieser Liste genommen, anderen ist dieses nicht gelungen oder sie waren, wie im Falle verschiedener Geschäftsmänner, denen keine Beteiligung an der Unterstützung terroristischer Aktivitäten nachgewiesen werden konnte, wirtschaftlich ruiniert. Das Problem selber wird durch eine solche Maßnahme nicht wirklich gelöst, sondern nur auf eine andere Ebene verlagert. Es verlangt nach klarer Positionierung oder eben einer Konditionierung, wann ein Dialog möglich ist. So könnten die europäischen Staaten und die EU erklären, dass sie keine

politischen Dialoge mit Akteuren – was immer deren ideologisches Label ist – führen werden, die politisch motivierte Gewalt gegen Zivilisten (vulgo: Terror) ausüben oder gar »heiligen«, und dass sie auch den Dialog mit Gruppen ablehnen, die sich bemühen, demokratisch gewählte Regierungen zu stürzen oder Friedensprozesse gewaltsam zum Scheitern zu bringen. Umgekehrt ließe sich mitteilen, dass die Bereitschaft zur Aufnahme eines Dialogs umso größer sein wird, je deutlicher und glaubhafter das Bekenntnis der anderen Seite zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit ausfällt. Verhandlungen im Krieg, also etwa zwischen Vertretern der NATO und der Taliban, sind ohnehin ein anderes Thema: Sie können der Kriegsbeendigung, einer Waffenruhe oder dazu dienen, Chancen für eine politischere Form der Konfliktbearbeitung auszuloten. Gesprächsbereitschaft kann auch Stärke demonstrieren, indem Meinungsvielfalt zugelassen wird und man sich mit denen auseinandersetzt, deren Einstellungen und Argumente man zwar nicht teilt, aber trotzdem zur Kenntnis nehmen sollte. Letztlich dienen Gespräche immer dazu, herauszufinden, was andere denken und was verhandelbar ist. Wer »darf« also mit Blick auf Verhandlungen, Gespräche oder Kontakte mit Islamisten was? Europäische Regierungen können ihre eigene Dialogbereitschaft an Bedingungen knüpfen. Sie sollten sich aber hüten, etwa der ägyptischen Regierung ausreden zu wollen, Verhandlungen über die Reintegration ehemals gewaltbereiter Islamisten zu führen. Oder einer palästinensischen Regierung zu sagen, sie »dürfe« oder solle nicht mit Hamas verhandeln. Gelegentlich können Europäer solche Gespräche sogar unterstützen oder moderieren. Wenn die Palästinensische Autorität versucht, Hamas einzubinden und zu parlamentarisieren, sollten Europäer das sogar fördern. Auch Israel wird möglicherweise eines Tages mit Hamas verhandeln, wahrscheinlich eher über einen langfristigen Waffenstillstand als über Frieden. Warum nicht? Vielleicht kann ein Abkommen zwischen den Islamis-

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meinungen ten und einer israelischen Regierung so lange halten, bis friedensfähigere Generationen herangewachsen sind. Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Bis 2005 war er Leiter der Forschungsgruppe »Naher Osten und Afrika« und lehrt seit 2006 als außerplanmäßiger Professor an der HumboldtUniversität und Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin. Nicole Renvert ist Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und forscht zur Rolle transnationaler Akteure als Stipendiatin der GerdaHenkel-Stiftung an der NRW School of Governance, Universität Essen-Duisburg.

Zwei Briefe an die Evangelische Akademie zur Tagung »Partner für den Frieden. Mit Hamas und Fatah reden«, am 11.–13.6.2010 Die Evangelische Akademie Bad Boll hat anlässlich der Tagungsankündigung, zu der ein Vertreter der Hamas eingeladen wurde, eine Flut von Briefen, Mails und Telefonaten erhalten. Zwei Stimmen veröffentlichen wir hier: Lieber Herr Budzinski, den Brief der Deutsch-Israelischen Gesellschaft an Präses Schneider habe ich gelesen und ich möchte Sie sehr ermutigen, sich in der Planung und Durchführung der Tagung nicht beirren zu lassen. Ich stimme voll mit dem Statement des Mitveranstalters Pax Christi überein. Als ehemaliger Mitarbeiter der Boller Akademie (von 1963 –1970 in der Industriejugendabteilung) kann ich nur sagen, dass Sie die Pflicht haben, die Tagung durchzuführen, um den dringend nötigen Dialog zu führen. Ich beschäftige mich intensiv mit dem Problem Israel–Palästina und damit dem Nahost-Konflikt. Gerade habe ich Felicia Langers Buch »Um Hoffnung kämpfen« gelesen, sowie die äußerst aufschlussreiche Veröffentlichung »Hitler besiegen« des ebenfalls zur Tagung eingeladenen ehemaligen Präsidenten der Knesset, Avraham Burg. In wachsendem Maße sieht sich Israel wegen seiner Politik kritischen Stimmen im

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eigenen Land und im Ausland ausgesetzt. Um diesen Stimmen entgegenzuwirken, wurden Propaganda-Instrumente wie »I like Israel« (ILI), »Politically Incorrect« (PI) und »Honestly Concerned« (HC) geschaffen und aus verschiedenen Quellen z.B. von AIPAC, der amerikanischen Pro-Israel-Lobby, unterstützt. Diese Bemühungen gleichen den Infiltrationsversuchen des südafrikanischen Geheimdienstes BOSS während der Apartheidszeit in Deutschland (zumal südafrikanische Besucher der Westbank die dortige Situation mit ihrer Bantustanzeit vergleichen). Ich bitte Sie deshalb dringend, bei Ihrem Entschluss zu bleiben, zumal es offensichtliche Anzeichen gibt, dass der Gersterbrief auch in den eigenen DIG – Reihen umstritten ist, weil auch er schon mit Hamas Leuten gesprochen haben soll. Ihr Gerhard Dilschneider

Sehr geehrter Herr Beck, mit äußerstem Befremden hat der deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-jüdische Zusammenarbeit von der geplanten Tagung in Zusammenarbeit mit Pax Christi »Partner für den Frieden in Nahost« Kenntnis genommen. So notwendig Schritte zu einem Frieden in Nahost sind, darf dabei nie das Existenzrecht des Staates Israel angezweifelt werden. Damit ist auch die von Ihnen gestellte Frage beantwortet: »Warum wird die Hamas vom Westen isoliert?« Solange die Hamas nicht offiziell und endgültig das Existenzrecht des Staates Israel anerkennt, kann sie weder für Israel noch für kirchliche und politische Vertreter ein seriöser Gesprächspartner sein. Man kann über endgültige Grenzen und Siedlungen diskutieren, aber nicht über die Existenz des Staates Israel selbst. Durch die Tagung wie die für Juni angekündigte wird allerdings Hamas als ernst zu nehmender Verhandlungspartner aufgewertet. Dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit verwahren. Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet kirchliche Kreise dieser Problematik unsensibel begegnen und »Friede, Friede« rufen, »wo kein Friede ist« und sein kann. Die Tagung dient daher auch

nicht der Information und Sensibilisierung von Gemeindegliedern für die Problematik, sondern der Verschleierung der wahren Sachverhalte und damit nicht dem Frieden, sondern dem Unfrieden im Nahen Osten. Mit freundlichen Grüßen, Dr. Henry G. Brandt, Jüd. Präsident, Ricklef Münnich, Evang.Präsident, Dr. Eva Schulz-Jander, Kath. Präsidentin

Anmerkung der Redaktion: Medienberichte aus verschiedenen Zeitungen sind nachzulesen: www.ev-akademie-boll.de/no_cache/ aktuell/medien-echo/

Impressum SYM Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 7. Jahrgang 2010, Heft 2/2010 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Joachim L. Beck) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger Fotos/Bilder: Christa Engelhardt: S. 5; Jonathan Führer: S. 7; Haus der Geschichte Baden-Württemberg: S. 12; Caroline Krebietke: Rückseite; Hans-Peter Maerker: S. 9; Günter Pohl: S. 5; privat: S. 2, 13; SEZ: S. 15; Martina Waiblinger: S. 4, 8, 11, 20, 22; Uwe Walter: S. 3, 4; SWP: S. 23; Ullstein Bild – SIPA: S. 14 SYM erscheint vierteljährlich. Bezugspreis: 3,00 € Jahresabonnement: 10,00 € Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. 07164 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. 07164 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht. Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach SYM 2/2010


meditation

Alles zuviel – oder alles zu wenig? An den Grenzen der Arbeit das Leben entdecken »Gönne dich dir selbst!« »Wo soll ich anfangen?« »Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen. Denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, dass du … keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest; dass du dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst. Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst, wo das Herz hart wird.« Aus dem 12. Jhd. kommen diese Sätze, die uns heute so aktuell ansprechen. Bernhard von Clairvaux hat sie in Sorge um die fehlende Mitte an seinen Mitbruder Papst Eugen III. geschrieben. Kein Gefühl mehr haben für den heilsamen Schmerz, der signalisiert: es ist alles zu viel – das kennen viele. Was geschieht eigentlich in unserer Zeit, in der die Worte »Burnout«, »ausgebrannt«, »Erschöpfungsdepressionen« sogar in Wirtschaftsmagazinen Hochkonjunktur haben? Analysen gibt es viele. Der Schweizer Psychiater Toni Brühlmann hat drei Punkte benannt: den Leistungsdruck, die Gier – und die Selbstverliebtheit. »Die Hochleistungsgesellschaft setzt den Einzelnen einem narzisstischen Risikospiel aus: man hat immer besser als andere zu sein. Wenn die Leistungsblase platzt, fehlen vorerst die anderen Werte, die Sinn und Halt zu geben vermögen.« Wenn die Leistungsblase platzt: Das geschieht nicht nur durch eine Erkrankung, sondern auch durch die Bedrohung von Arbeitslosigkeit. Wenn zum Beispiel in einem Unternehmen innerhalb von drei Jahren ein Viertel der Arbeitsplätze abgebaut werden soll und das auch gut qualifizierte Mitarbeitende betrifft, löst das massive Ängste aus. Nicht nur vor einer

wirkt sich oft so aus, dass noch mehr gearbeitet wird: Ich muss beweisen, dass es ohne mich nicht geht. Die Leistungsspirale wird weiter angeheizt – das Herz und die Stirn bleiben verhärtet. Das Nachdenken über andere Wege wird verdrängt. Wie Arbeit geteilt werden könnte, wie ein sinnvolles Leben aussehen kann, das für alle genügend Erwerbsarbeit, aber auch Familien- und Ehrenamtsarbeit im Blick hat.

Du sollst dich selbst unterbrechen Zwischen Arbeiten und Konsumieren Soll Stille sein und Freude, dem Gruß des Engels zu lauschen: fürchte dich nicht. Zwischen Aufräumen und Vorbereiten sollst du es in dir singen hören, das alte Lied der Sehnsucht: Maranatha, komm, Gott, komm! Zwischen Wegschaffen und Vorplanen Sollst du dich erinnern An den ersten Schöpfungsmorgen Deinen und aller Anfang Als die Sonne aufging ohne Zweck Und du nicht berechnet wurdest In der Zeit, die niemand gehört – außer dem Ewigen.

Dorothee Sölle

unsicheren materiellen Existenz, sondern auch durch die Frage: wer bin ich ohne meine Leistung? Die eigene Angst möglichst konkret zu benennen ist der erste Schritt, um nach Wegen aus der Krise zu suchen. Auch wenn die Themen der Angst ganz unterschiedlich sind, die Auswirkungen sind sehr ähnlich: ganz und gar besetzt zu sein, es gibt nur noch dieses eine Thema. Und das

»Aus christlicher Sicht ist das Menschenrecht auf Arbeit unmittelbarer Ausdruck der Menschenwürde. Der Mensch ist für ein tätiges Leben geschaffen und erfährt dessen Sinnhaftigkeit im Austausch mit seinen Mitmenschen.«, heißt es im Ökumenischen Wort der Kirchen »Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit« (1997). Dabei geht es um die Möglichkeit, sich mit den eigenen Fähigkeiten einbringen zu können – und dafür genügend Wertschätzung zu bekommen. Manchmal kommt man erst an den Grenzen der Arbeit dazu, neue Wege zu entdecken. So wie das Hanka Kupfernagel, Weltklasseradfahrerin, nach einer Burnouterkrankung für sich definiert hat: »Statt die Erwartungen anderer zu erfüllen, nach eigenen Maßstäben leben zu lernen. Sich nicht von anderen unter Druck setzen zu lassen, sondern ein Gespür für die eigenen Grenzen zu bekommen. Die Erwartungen an eigene Leistungen zu reduzieren«, so formuliert sie ihr Credo. Um sich nicht nur von den zahlreichen Beschäftigungen (und Ängsten!) ziehen zu lassen und besinnungslos zu arbeiten, ist es wichtig, sich immer wieder unterbrechen zu lassen – von dem Gruß des Engels, wie das Dorothee Sölle in ihrem Gedicht sagt. Esther Kuhn-Luz, Wirtschaftsund Sozialpfarrerin


Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11 73087 Bad Boll Postvertriebsstück 64670 Entgelt bezahlt

Schnee von gestern ... ?

Knapp dreißig junge Leute verbinden in einem Projekt soziales Lernen mit Kunst. Nicht jedem leuchtet das spontan ein. Den Streitschlichterinnen und Streitschlichtern der freien Waldorfschule am Kräherwald aus Stuttgart schon: Einer Idee gemeinsam Gestalt geben, das ist eine Mischung aus kreativem Gestalten und Aushandeln. Die Kunst ist frei und was entsteht, ist weder zufällig noch planbar. So ist das Leben. Zu viele agieren mit einem gemeinsamen Ziel und mit unterschiedlichen Haltungen, Vorstellungen und Interessen. Einander Platz lassen, Raum geben, sich auf andere Sichtweisen einlassen. Unterschiedliche Zugänge reihen sich aneinander vom fein Ziselierten bis zur groben Masse. Ein riesiges Schneerad entsteht beiläufig. Mancher verlässt sein ursprüngliches Konzept und packt einfach mit an. »Fire and Ice«, das scheinbar Unverträgliche arbeitet sich aneinander ab. Manche atmen noch schwer von der Anstrengung, andere sind schon in Faszination versunken, aber alle gemeinsam sind voll Stolz auf das Erreichte. Darüber kann man noch lange staunen, noch lange reden. Tiefe Eindrücke. Alles Mögliche, eins nicht: Schnee von gestern.


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