Vorarlberger jagdzeitung november dezember 2015

Page 51

Dennoch – mit zusammengebissenen Zähnen, die Schmerzen hinter einem Lächeln verborgen, bevor die Nacht hereinbricht, bauen wir den Ansitzschirm am Balzplatz auf, tarnen ihn mit Zweigen und graben Äste als Entfernungsmesshilfen ein. Alles ist bestens für die morgige Jagd vorbereitet. Im Anschluss machen wir uns auf den Weg zur Jagdhütte, um das Abendessen vorzubereiten und bei einem Glas Wein die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Nach einem geselligen Abend, immer wieder durch heftigste Unwetter mit Sturmböen und Hagelschlag gezeichnet, fallen wir nach Mitternacht müde ins Bett.

Es wird ernst... „Sanft“ aus dem soeben beginnenden Tiefschlaf geweckt, steht der Kaffee bereits kurz nach drei Uhr morgens auf dem Tisch – danke Christian! Zweifelnd, ob denn unsere Vorbereitungen den Unwettern Stand gehalten haben, machen wir uns auf den Weg. Auf nassen Wiesen, übersät mit Hagelkörnern, laufen wir zirka fünfundvierzig Minuten, um erfreut festzustellen, dass der Schirm noch steht und die eingegrabenen Äste vorhanden sind. Es kann also losgehen. Ich nehme meinen Platz im „Häuschen“ neben Christian ein, während sich die anderen in sicherer Entfernung irgendwo zwischen Alpenrosen und Heidelbeersträuchern niederlassen. Die Temperatur ist, nach dieser stürmischen Nacht, unerwartet angenehm. Die morgendliche Stille, die Unberührtheit der Natur, die Schönheit dieser Landschaft, es ist „vollkommen“…

Auch die Jägerin lernt nie aus... Wir warten geduldig und unterhalten uns flüsternd, als plötzlich der erste Birkhahn auf dem Balzplatz einfällt. Voller Stolz, als wolle er seine Rivalen rufen, hinterlässt er, kullernd und zischend, sein Geläuf auf dem Schneefeld. Es dauert nicht lange bis weitere Hahnen seinem Ruf folgen, das Schauspiel hat begonnen. Immer wieder frage ich mich, wofür sich diese wunderbaren Raufußhühner so ins „Zeug legen“… bis Christian mich aufmerksam macht, dass sich an der Hügelkante eine „ Dame“ als Zuschauerin befindet. Während ich das Balzverhalten interessiert verfolge, hat Christian bereits das professionelle Ansprechen hinter sich gebracht, um mir „meinen“ Hahn zum Abschuss freizugeben. Schweigend, hochkonzentriert, verfolge ich mit dem Lauf meiner Waffe das ausgewählte Wild. So einfach es

war, auf eine Zielscheibe zu schießen, so schwierig gestaltet sich nun das anvisieren, da diese Vögel immer in Bewegung sind. Dann endlich, den Hahn im Visier, den Finger am Abzug, wird das Schweigen der Nacht durch einen lauten Knall unterbrochen. In Sekundenschnelle ist alles in Aufruhr, mein Hahn zeichnet und liegt regungslos auf der weißen Schneedecke, seine Rivalen streichen ab... Christian geht, nachdem er kurz gewartet hat, auf das erlegte Wild zu. Der Morgen ist erwacht!

All das war bisher Theorie. Die Natur in ihrer Perfektion so zu erleben, war unvorstellbar.

Erleichterung, Stolz und Demut

Stolzerfüllt bringe ich meinen Hahn, nachdem Christian ihn weidmännisch auf Tannenzweige gebettet hat, und die anderen Begleiter/in das Prachtexemplar staunend bewundert haben, ins Jagdhaus, wo wir bereits bei den ersten Sonnenstrahlen unser wohlverdientes Frühstück genießen. Hubert, der Jagdaufseher des benachbarten Reviers, stößt zu uns und erklärt sich bereit, meinen Hahn zu präparieren.

Irgendwie erleichtert, befreit von der Anspannung der letzten Stunden, betrachte ich mein erstes Weidmannsheil. Die Balzrosen, in einem unbeschreiblich leuchtenden Rot, die blau schimmernde Färbung des Federkleides, der weiße Stoß, die Sicheln, Balzstifte an den Ständern –

Am späten Vormittag verlasse ich die Berge und begebe mich in die „Werkstatt“ von Hubert, der mir geduldig während des Abbalgens all meine Fragen beantwortet. Um mein erstes Jagderlebnis „ganzheitlich“ zu erleben, darf ich meinen Hahn unter seiner professionellen Aufsicht, im Anschluss an das Abbalgen, ausnehmen und genauestens „unter die Lupe“ nehmen.

Foto: Gernot Heigl

färbt sich mein Auge langsam in alle möglichen Rot und Blautöne…

All diese Eindrücke und Erfahrungen lassen sich in keinem Lehrbuch beschreiben, man muss es einfach erleben! Weidmannsdank Allen, die dabei waren und mein erstes Jagderlebnis zu einem ganz besonderen Jagderlebnis gemacht haben.

JÄGERINNEN & JÄGER

November/Dezember 2015

51


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.