Zeitung Vinschgerwind ausgabe 6-17 Vinschgau Südtirol

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23.03.17

Vinschgerwind 6-17

/KULTUR/ 39

Originalzitate aus dem Film: Karl, der Zuckbichler, hatte nicht viel. Er wollte auch nicht viel und brauchte nicht viel. Karl war ein besonderer Mensch: er verließ die Familie und lebte wie ein Landstreicher. Er war Einsiedler, Einzelgänger, Philosoph, Idealist, Rufer in der Wüste, Freidenker, ein Gescheiterter, ein Suchender, vielleicht ein Verrückter. Oft schien er wie Diogenes, der in einer Tonne lebte und mit der Laterne am helllichten Tag nach Menschen suchte. Karl stammte aus Nordböhmen und ist in der ehemaligen Tschechoslowakei aufgewachsen. Er ging in den Westen und wollte dort mit vielen Persönlichkeiten Kontakt aufnehmen. Er traf Vaclav Havel, den Präsidenten von Tschechien und wollte mit der Königin von Holland sprechen. Nach Rom ging er, weil er einen Wirtschaftsmann treffen wollte. Er traf ihn und sprach rund 10 Minuten mit ihm, doch gebracht hat das Treffen am Ende nicht viel. Auf dem Rückweg kam er in den Vinschgau und landete auf Zuckbichl, einen aufgelassenen, zerfallenen Hof, einen einsamen Ort am Vinschger Sonnenberg. Für Karl war Zuckbichl seine „Residenz der Zuversicht.“ „Ich fühle mich hier wohl. Es ist für mich nichts Abnormales, es ist etwas ganz Natürliches, hier zu wohnen. Ich fühle mich magisch angezogen von alten Gemäuern. Im Tal, in einer neuen Wohnung mit neuen Möbeln würde ich mich nicht wohl fühlen.“ Das sagte Karl. Allerdings fügte er hinzu: „Es ist aber nicht immer so leicht, wie man es sich anfangs vielleicht vorgestellt hat.“ Für viele war Karl da oben auf Zuckbichl auf der Suche nach dem eigenen Ich. Dazu meinte er folgendes: „Nein, ich habe aufgehört zu suchen. Das Leben lässt sich nicht vom Verstand her finden. Das Leben lässt sich bloß leben und das hat viel mit Bewusstsein zu tun. Wenn ich sage: ICH BIN, dann brauche ich nichts hinterfragen, da kommt nix. Man braucht nicht alles bewerten. Es ist wie es ist.“ Karl lebte auf Zuckbichl einfach und bescheiden. Im Winter zog er nach Deutschland, aber drei Winter blieb er auch in seiner Behausung auf Zuckbichl. Manchmal stieg er ab ins Tal, besuchte Bekannte in Vetzan und Schlanders, machte Einkäufe, öfters suchte er auch die Bibliothek Schlandersburg auf.

„Geld soll dem Leben dienen und nicht das Leben dem Geld“, dies war einer seiner zentralen Gedanken. „Die Kirche verlangt von den Leuten, dass sie glauben. Der Glaube aber kann nicht von außen kommen. Es muss gelingen, die Menschen so lange alleine zu lassen, dass sie lernen selber zu glauben. Es gibt kein Leben aus zweiter Hand, ich muss selber am Göttlichen beteiligt sein. Das Göttliche kommt nicht, es ist da. Und je nach unseren Möglichkeiten, liegt es an uns sich dessen bewusst zu werden.“

Fotos: Heinrich Zoderer

Beim Gespräche mit Karl kam er oft ins Philosophieren: „Das Leid ist ein Teil des Lebens. Sich vorstellen, ich mach mir ein schönes Leben, das ist ein Trugschluss. Wenn ich die leidige Seite ausschließe, schließe ich auch die Freudige aus“

oben: Mitten in der Natur liegt „Zuckbichl“, der aufgelassene Hof oberhalb von Vetzan am Vinschger Sonnenberg Mitte: In dieser Baracke hauste Karl. Für ihn war es die Residenz der Zuversicht unten: Auf Zuckbichl stehen nur mehr Mauerreste. Es ist ein magischer Ort


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