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Refugium für Kunst-Gäste

Bild: caw

Logiert in dieser Stube in einem alten (Appenzeller) Haus jeweils Besuch? Das Bett mit Leinenüberwurf ist parat, das mitgebrachte Blasinstrument schon mal abgestellt – falsch, beim Vergrössern des Bilds sehe ich Staub auf den Kofferverschlüssen, der Koffer ist schon länger hier deponiert.

Halbmond und Stern auf grünem Grund sind der Blickfang im zweckmässigen Büchergestell unten links – davon später.

Ein paar Buchrücken stechen ins Auge: Beuys, Erwin Wurm, der Fotograf Seydou Keïta, Dubuffet, Kippenberger, «Afrika im Schmuck» aus dem Dumont

Wer liest da?

Bücher prägen den Menschen, Bücher im Regal können etwas über uns aussagen. In unserer Rubrik «Wer liest da?» schicken wir Autorin Gabriele Barbey, langjährige Leiterin der Bibliothek Herisau, kommentarlos ein Foto eines Bücherregals per Mail. Sie kann das Foto am Computer vergrössern, um Details besser zu sehen – mehr aber nicht. Sie analysiert, interpretiert und vermutet vom heimischen Schreibtisch aus, wem das Regal gehören könnte. Die Auflösungen finden Sie weiter hinten in diesem Heft. Verlag – ein Titel, den man aufgrund der aktuellen Rassismus- und Kolonialismus-Debatte mit geschärftem Blick ansehen muss? Daneben die britischen Künstler Gilbert & George – und Emma Kunz, die zwölf Jahre in Waldstatt wirkte, bis zu ihrem Tod 1963. Auch Gertrud Vogler ist da, welche die Zürcher Jugendbewegung 1980 fotografisch dokumentierte: «Nur sauber gekämmt sind wir frei».

In der internationalen Buchauswahl (speziell Sowjetunion/Russland, Osteuropa, Island) sehe ich auch viele Namen aus der Schweiz, aus der Region: Herbert Maeder und Roman Signer, Hansruedi Frickers «Mail-Art und Tourism» aus dem Vexer Verlag 1989. Bemerkenswert der Katalog zu Harald Szeemanns Ausstellung «Der Hang zum Gesamtkunstwerk» im Kunsthaus Zürich 1983.

Krimis, Belletristik und Philosophisches fehlen nicht, Kunstbände und Kunstperiodica überwiegen aber; Bice Curigers «Parkett» ist nur ein Beispiel.

Zurück zu den Flaggen, die unten im Gestell etwas kaschieren. Im Netz erfahre ich: Bis 2017 entsprach der linke Teil der mauretanischen Flagge. Der rechte Teil ist die Flagge der Venda, einem Homeland, das von 1979 bis 1994 formal unabhängig von Südafrika war; diese Länder liegen geografisch weit auseinander … Generell: Steckt hinter dieser Bücherauswahl eine aufmüpfige, (früher) politisch linke Persönlichkeit, die auch im Westen und Süden Afrikas gereist ist?

Welche Bücher wirken gebraucht? Neben «Orpheus und Eurydike» von Klaus Theleweit ist es «Freibeuter 58» auf dem zweituntersten Regal in der Mitte – Thema der Nummer: Erotik im Zeitalter der Pornographie, erschienen 1993 bei Wagenbach.

Etliche Namen von nicht mehr jungen Intellektuellen mit Hang zur Fotografie gehen mir durch den Kopf – oder ist dieser Bücherfundus gewachsen im Namen einer Institution? Wie auch immer: Um daraus schöpfen zu können, lässt man sich am besten einschliessen … Gabriele Barbey

PS: Auch im Regal: Luise F. Pusch: «Das Deutsche als Männersprache», der SchockKlassiker von 1984.

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