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EIN APPENZELLER

MORGENSTIMMUNGEN haben es «Alpsteinmeitli» Claudia Strässle besonders angetan.

Wenn Claudia Strässle aufbricht, darf eines nicht fehlen: ihr Maskottchen, ein Plüschsteinbock. Steinböcke waren auch der Auslöser für ihre heutige Freizeittätigkeit als Bloggerin. Immer wieder habe sie Bilder von diesen Tieren auf den sozialen Medien gepostet und sei dabei auf ein positives Echo gestossen. Eines Sonntagmorgens kam ihr dann die Idee, dass sie sich selbst einen Namen geben und ein Logo kreieren könnte. Als eine, die mit Marketing vertraut ist und den Alpstein liebt, entschied sie sich für den Namen «Alpsteinmeitli». Das war vor gut zwei Jahren. Inzwischen kann sie auf ihren Kanälen auf Tausende von Followern zählen, die ihre Impressionen gesposteter Sonnenaufgänge, Felswände, Kuhköpfe, Bergseen oder Alpenblumen lieben. Die Kommentare reichen von «Oh Gott, ist das schöön» über «Da bekommt man Lust, in die Berge zu fahren» bis hin zu «Leider han ich zBasel keini Berge» oder «Bravo Alpstämäätli».

WER HINTER DEM PSEUDONYM eine waschechte Innerrhoderin oder Ausserrhoderin erwartet, muss enttäuscht werden. In Tat und Wahrheit liegen die Wurzeln von Claudia Strässle abseits des Appenzellerlands: Aufgewachsen in einer typischen Schweizer Familie in Wil, die im Sommer das Wandern und im Winter das Skifahren liebt, liess sie sich später zur Primarlehrerin ausbilden. Nach etlichen Berufsjahren folgte die Weiterbildung zur Schulleiterin. Inzwischen hat sie das Berufsfeld gewechselt. Die heute 41Jährige leitet das Familienunternehmen Strässle Immobilien im thurgauischen Wängi und hat sich dafür zusätzlich zur Immobilienbewerterin und bewirtschaferin ausbilden lassen. «Das Wandern ist der perfekte Ausgleich zu meiner Berufstätigkeit», sagt Claudia Strässle und klärt sogleich auf, dass sie einen 100ProzentJob habe und nicht, wie viele vermuten, täglich im Alpstein unterwegs sei. Ihre Bilder verteilt sie gekonnt, sodass sie nahezu täglich ihre Fans beglücken kann.

DEN ALPSTEIN LIEBT Claudia Strässle in mehrfacher Hinsicht: Ob gut oder weniger gut zu Fuss, die Region biete für alle etwas. Die visuellen Eindrücke seien dabei weit «mehr als nur nett». Besonders angetan haben es ihr die Morgenstimmungen mit der im Wasser der Bergseen spiegelnden Sonne. Für Tierfotos marschiert sie vorab Richtung Rotstein und Zwinglipass, in Sachen Aussicht erwähnt sie die Saxerlücke sowie den Säntis. «Und sollte das Wetter einmal nicht mitspielen, gibt es immer

Die Pandemie und ein verregneter Sommer hinterlassen bei den Bergbahnen ein Loch in der Kasse. Statt zu jammern, hat die Hoher Kasten Drehrestaurant und Seilbahn AG die Flucht nach vorne ergriffen und investiert. Weshalb das Unternehmen optimistisch denkt und handelt – dazu eine Rückblende und

Vorschau. Text JOLANDA SPENGLER // Bilder CARMEN WUEEST

Der Gipfel ruft. Der Kabinenbegleiter der Seilbahn begrüsst die Gäste in waschechtem Innerrhoder Dialekt und wünscht ihnen einen erlebnisreichen Aufenthalt auf dem Berg. Es ist an diesem Montag Mitte September die erste offizielle Morgenfahrt von der Talstation Brülisau auf den 1794 über Meer liegenden Hohen Kasten. Sie wird acht Minuten dauern und 857 Höhenmeter überwinden. Bereits eine halbe Stunde vorher wurde das Personal des Gipfelrestaurants auf den Berg gebracht. Mit einer Handvoll Ausflügler und Wanderer ist die Schwebebahn nur spärlich besetzt. Da bleibt genügend Platz für die mit Obst und Gemüse gefüllten Kisten. Bananen, Zitronen, Tomaten und Lauch lugen hervor. Wie jeden Morgen sorgt die Bahn für den Lebensmittelnachschub im Gipfelrestaurant. Und regelmässig wird in einem grossen Tank auch Wasser auf den Berg transportiert. Denn Trinkwasser gibt es dort oben keines. Regenwasser hingegen schon, es wird in separaten Tanks gesammelt und fliesst als Spülwasser durch die WC-Anlagen. Oder es kommt ins Löschwasserreservoir, das sich mit einem Fassungsvermögen von hundert Kubikmetern unter der Restaurantterrasse befindet.

DASS DIE 8-UHR-BAHN nur von wenigen Touristen genutzt wird, ist mit Blick auf den wolkenlosen Himmel erstaunlich. Schliesslich könnte das Wetter zum Wandern nicht besser sein. Ob die in der Vorwoche vom Bundesrat veranlasste Zertifikatspflicht in den Restaurants dafür verantwortlich ist? Emil Koller kann es nicht ausschliessen. Für den Verwaltungsratspräsidenten der Hoher Kasten Drehrestaurant und Seilbahn AG sind die Zeiten nicht einfach. «Die Leute sind vorsichtiger unterwegs und meiden grosse Ansammlungen, das hat sich schon den ganzen Sommer gezeigt.» Zudem habe er festgestellt, dass die Wanderer jünger werden. Und diese besteigen den Berg lieber auf Schusters Rappen, als dass sie die Bahn nehmen. Die Covid-19-Pandemie hat das letztjährige Geschäftsergebnis des Bergbahnunternehmens massiv beeinflusst. Koller spricht allein bei den Frequenzen von einem Rückgang von knapp vierzig Prozent, wobei die baubedingte Betriebsschliessungen im letzten und laufenden Jahr ebenfalls zu den tieferen Zahlen beitragen. Und auch das laufende Jahr verleitet ihn nicht zu Luftsprüngen. «Sowohl bei der Bahn als auch in der Gastronomie können wir nur von Zahlen träumen, wie sie vor Corona üblich waren.» Konkret ausgedrückt sind das 130000 Berg- oder Talfahrten statt 200000, und im Restaurant gehen an Spitzentagen lediglich 700 Menüs statt 1500 über die Theke.

BEI EMIL KOLLER, Verwaltungsratspräsident der Hoher Kasten Drehrestaurant und Seilbahn AG, laufen seit achtzehn Jahren die Fäden zusammen.

«SOWOHL BEI der Bahn als auch in der Gastronomie können wir von Zahlen träumen, wie sie vor Corona üblich waren.» EMIL KOLLER

Statt zu hadern, entschied sich der Verwaltungsrat zur Flucht nach vorn. Er forcierte den für Herbst 2020 geplanten Ausbau des Tunnels zwischen Bergstation und Restaurant und nutzte den Lockdown im Frühling für die erste Bauetappe. Was bedeutete, dass die Bahn ihren Betrieb erst im Juli 2020 wieder aufnehmen konnte. Der Tunnelbau im knapp dreissig Meter langen Stollen mit dem Ausbruch von insgesamt 2250 Tonnen Felsmaterial folgte ab November. Die Konsequenz war ein mehrmonatiger Stillstand von Bahn und Gipfelrestaurant. In die Saison 2021 konnte deshalb erst verzögert Mitte Mai gestartet werden.

AUF DIESEN NEU GESTALTETEN Tunnel ist Emil Koller stolz. Die Halle bei der Bergstation wurde vergrössert, bei vollen Kabinen können die Ströme der ankommenden und abfahrenden Gäste getrennt geleitet werden. Der Einbau eines Schräglifts im seitlich erweiterten Stollen lässt Menschen im Rollstuhl die Steigung von 28 Prozent problemlos überwinden. Überraschend ist die Klang- und Lichtinstallation, die den Gast auf dem Weg durch den Tunnel hinauf zum Untergeschoss des Bergrestaurants begleitet. Sie ist das Werk einer Künstlergemeinschaft unter der Leitung der Rk Studios GmbH in Biel. Laut Emil Koller haben sie sich bei der Umsetzung von Thomas Manns Roman «Der Zauberberg» inspirieren lassen. Die moderne Inszenierung ist vom Verwaltungsrat gewollt. «Trachtenmädchen, Geissen, Kühe und Hackbrettspiel sind zwar schön, wir wollten

AUF DREI EBENEN SCHÖN ANGERICHTET

War es nicht wunderschön, das Porzellangeschirr mit dem edlen Goldrand, das unsere Grossmutter nur dann aus dem Schrank holte, wenn Gäste zu Besuch kamen? Der Sonntagsbraten mit Kartoffelstock und Gemüse schmeckte darauf serviert gleich doppelt so gut. Und der selbstgebackene Kuchen…einfach herrlich. Schöne alte (und auch neuere) Teller findet man auf Flohmärkten und in Brockenstuben zuhauf: kunstvoll bemalte, geblümte, getüpfele, goldverzierte oder schlichte, formschöne. Zur dreistöckigen Etagere umfunktioniert, eignet sich der Tellerturm perfekt für Apérogebäck, Kekse, Obst oder pikante Leckereien. So kommt ausrangiertes Geschirr zu neuen Ehren. Wir zeigen, wie es geht.

Gebrauchtgegenstände aufmöbeln, sie verschönern und einer neuen Nutzung zuführen, diese Philosophie verfolgen Helen und Franziska Keller mit ihrem «Kellerwerk» in Trogen. In der Serie «Werken mit Kellers» geben die beiden Frauen Handwerkertipps fürs individuelle Aufhübschen und Wiederverwerten von Möbelstücken und Accessoires. Dieses Mal entsteht eine Telleretagere. kellerwerk.ch

MATERIALLISTE

– Flache Teller in unterschiedlichen Grössen – Akkubohrmaschine – Spezialbohrer mit Diamantbohrkopf (Durchmessergrösse beachten) – Etagerenstangen-Set – Schraubenzieher – Wasserspritzer – Wasserfester Filzstift – Massstab – Klebeband – Möbelfilzli

Um für alle Fälle gerüstet zu sein, lohnt es sich, zudem folgende

Gegenstände griffbereit zu haben: – Unterlage, ein alter Molton oder ein

Frottiertuch – Lappen oder Haushaltspapier

SO WIRD ES GEMACHT

Je nach Tellerkombination können Sie Ihr persönliches Unikat schaffen. Lassen Sie Ihrer Fantasie beim Zusammenstellen freien Lauf.

Die Teller an der Oberfläche mit einem Filzstift mittig markieren. Wenn kein Zentrierwinkel vorhanden ist, kann ganz einfach mit einem Massstab einmal horizontal und einmal vertikal die Mitte ausgemessen werden. 2 Bei Ton- oder Steinzeugtellern auf der Rückseite in der Mitte ein Klebeband anbringen. Damit lässt sich das Ausreissen des Materials um das Bohrloch verhindern. 3 Den Bohrer anfangs schräg ansetzen, dann gerade stellen

und mit leichtem Druck den Teller durchbohren. Während des Bohrvorgangs regelmässig etwas Wasser auf Bohrkopf und Teller spritzen, um ein Überhitzen zu vermeiden. 4 Die Etagerenstangen durch die Teller «einfädeln».

TIPP: Etagerenstangen gibt es mit Ring, Krone, Blume oder

Knopf als Abschluss. Sie sind in verschiedenen Farben erhältlich, auch golden und silbern. 5 Die Teller an der Stange mit Schrauben und Zwischendichtungen befestigen. 6 Bei Bedarf am untersten Teller Möbelfilzli für eine bessere

Stabilität der Etagere auf der Unterlage anbringen.

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Dieses Jahr feiert die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi das 75-Jahr-Jubiläum. Zu diesem Anlass erzählt Leena Gemperle ihre Geschichte. Sie steht exemplarisch für jene vielen Waisenkinder, die nach dem Krieg in Trogen eine neue Heimat

fanden. Text & Bild KATJA NIDERÖST

Tagelang dauerte die Reise der Kinder aus dem Europa der Nachkriegszeit bis ins Kinderdorf Pestalozzi. In St.Gallen mussten die Mädchen und Knaben nochmals umsteigen für die letzten Kilometer mit der Bahn. An der Endstation in Trogen erwartete sie ein unbekanntes neues Leben. Sie zogen in eines der 23 Häuser, meist mit anderen Kriegswaisen aus dem gleichen Ursprungsland, besuchten die Schule im Kinderdorf und lebten in einer bunten, internationalen Gemeinschaft. Andere Sprachen lernten sie buchstäblich spielend auf den grünen Wiesen zwischen den Häusern im Austausch mit ihren neuen Freunden.

AUCH AM 24. MAI 1948 schlängelte sich die Bahn gemächlich ruckelnd von St.Gallen den Hügel hinauf. Im Wagen sass Leena Marttila zusammen mit sechzehn anderen Kindern aus Finnland. Die heute 82-Jährige verlor im Zweiten Weltkrieg ihren Vater, und kurze Zeit später starb auch die Mutter. Sie und die drei älteren Geschwister blieben als Waisen zurück. Die Älteren konnten sich nicht um die Jüngeren kümmern, so hatte die neunjährige Leena keine andere Wahl, als man sie zusammen mit dem jüngsten Bruder Pertti in einen Zug steckte. Das Verlassen der Heimat fiel ihr schwer, und über das Ziel der Reise wusste sie so gut wie nichts. Mit dem Schiff ging es via Helsinki nach Stockholm, von dort per Bahn durch Deutschland bis nach Basel. Viele Erinnerungen sind verschwommen, aber es gibt Momente, die sich ins Gedächtnis der kleinen Leena eingebrannt haben. Sie erinnert sich an das Bild der völlig zerstörten Stadt Hamburg mit nur vereinzelt verschont gebliebenen Häusern. «Die Fahrt bis in die Schweiz dauerte vier Tage, und wir Kinder verschenkten aus dem Zugfenster unser Essen an die vielen Bettler an den Bahnhöfen.» Genau entsinnen kann sich die Finnin auch an den Augenblick der Ankunft mit dem Zug in Trogen. Die kleinen Blondschöpfe und ihre mitgereiste Lehrerin wurden von vielen Leuten am Bahnhof empfangen. Italienisch sprechende Buben – Kinder, die bereits im Kinderdorf lebten –, luden alles Gepäck auf Leiterwagen und spazierten mit den Ankömmlingen den viertelstündigen Weg hinauf ins Kinderdorf. Erst später erfuhr Leena Gem-