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Vorwort
«Alles nur Theater?» – Aussenstehende mögen sich fragen, was dieses Thema wohl mit dem Haus Appenzell und seinen Ausstellungen zu tun hat. Die Frage ist fürs Erste berechtigt, geht man jedoch auf die Ursprünge der Liegenschaft, die 1911 erbaut wurde, zurück, drängen sich sogleich Parallelen auf. Seit Bestand des Gebäudes bis ins Jahr 2005 wurde im Haus Appenzell – früher noch Firma Ernst Hohl & Co. Innendekoration/Möbelfabrik – auf höchstem Niveau für den gehobenen Innenausbau geplant, entworfen, entwickelt und ausgeführt. Man suchte nach technischen Lösungen, erstellte Licht- und Farbkonzepte, nähte, malte, beizte, lieferte und montierte schlussendlich weit über die Schweizer Grenzen hinaus. Die Stilgeschichte ab dem 13. Jh. bildete die Grundlage für die Entwürfe für private Villen, Schlösser, Hotelhallen. Aber auch Kinos und Theater wurden von hier aus konzipiert. Knapp 100 Jahre später nun widmet sich die aktuelle Ausstellung ähnlichen Themen im kleineren Rahmen, doch mit den zum Teil noch gleichen Personen: Peter Mäder, dessen Sammlung historischer Papiertheater einen Teil der Ausstellung bildet, war zusammen mit dem Stiftungsratspräsidenten als Tapezierer/Dekorateur in diesem Haus tätig. Dazumal wurden Innendekorationen im Stilbereich, wie sie heute nur noch in seinen Theaterszenen zu finden sind, kreiert und vermittelt. Bernhard Vogelsanger, auch er ein gelernter Dekorateur, entwarf Szenerien, Figuren und Ausstattungen für seine Miniatur-Opernbühne, mit der er bei sich zu Hause in Zürich-Schwamendingen ein ausgewähltes Publikum in die grosse weite Welt des Musiktheaters und seiner mitreissenden Geschichten entführte. Die Gebrüder Tobler, Söhne des nach München ausgewanderten Trogener Kunstmalers und Illustrators Victor Tobler, erweckten Ende des 19. Jh. mit ihrem Marionettentheater ein kleines Kunstwerk zum Leben: Ganze Interieurs wurden originalgetreu nachgebaut, gemalt, mit raffinierter Bühnentechnik versehen und dem staunenden Publikum präsentiert. Auf diese Bühne, die mit all ihren Accessoires nach ihresgleichen sucht, sind wir im Museum Appenzell gestossen. Sie bildet den dritten Teil der Ausstellung. Alle drei Beteiligten haben eine Gemeinsamkeit: Das grosse Herzblut für das Theater, seine Dekors, Ausstattungen und Geschichten, die ihr Publikum in frühere Jahrhunderte, fremde Länder und Themen reisen lassen und auf wunderschöne Art und Weise kulturelle Erlebnisse in die gute Stube bringen. Ich hoffe, es mag der Ausstellung «Alles nur Theater?» gelingen, auch Sie in diese Welt eintauchen zu lassen. Eine Welt und ihre Interieurs, wie man sie heutzutage fast nur noch in den Museen findet und deren Handwerke leider immer mehr verschwinden.
Ernst Hohl, Präsident der Ernst Hohl-Kulturstiftung Appenzell Oktober 2022, im Jahr der Paradigmenwechsel