UZH Magazin 2/15

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DOSSIER Licht – die Quelle der Erkenntnis

Löwen gegen Krebs Mit der photodynamischen Therapie können Tumoren mit Licht gezielt bekämpft werden. Chemiker Gilles Gasser will diese Krebstherapie verbessern – mit dem Einsatz eines gefährlichen chemischen Löwen. Von Thomas Gull

andockt, und einem «Käfig». Dieser Käfig ist jener Teil des Moleküls, der dafür sorgt, dass der Wirkstoff erst freigesetzt wird, wenn er im Tumor angelangt ist und mit Licht aktiviert wird. Um diesen komplizierten Sachverhalt verChemotherapie ist nach wie vor eine grausame ben auch die gefürchteten Nebenwirkungen der ständlich zu machen, greift Gasser zu einer AnaArt, Krebs zu bekämpfen. Oft ist sie begleitet von Chemotherapie aus. logie. Es ist die Geschichte vom Löwen im Käfig. heftigen Nebenwirkungen wie Haarausfall, ÜbelDie Therapie hat allerdings ihre eigene Neben- Dieser Löwe – er steht für den Wirkstoff gegen keit, Organschäden oder Erschöpfung. Herkömm- wirkung: Sie macht lichtempfindlich. Solange die den Krebs – wird in einen Käfig gesperrt und an liche Chemotherapie greift nicht nur Tumorzellen Patienten den Photosensibilisator im Körper einen bestimmten Ort gebracht – zum Beispiel an, sondern auch gesunde Körperzellen. Die For- haben, müssen Sie Licht meiden. Das kann Wo- ins Kolosseum im antiken Rom. Dort wird der schung arbeitet deshalb daran, die Krebsthera- chen dauern. Das zweite Problem ist der Sauer- Käfig mit einem Laserstrahl (den gab es im Rom pien zu verbessern: Medikamente sollen der Antike natürlich noch nicht!) geöffnet und der Löwe darf die Todgeweihten gezielter eingesetzt werden, besser wirPHOTODYNAMISCHE THERAPIE zerfleischen (die Krebszellen). ken und weniger Nebenwirkungen verGasser arbeitet nun daran, einen ursachen. Meist werden verschiedene möglichst gefrässigen Löwen heranzuTherapien kombiniert: chirurgische Einziehen, das heisst, einen möglichst pogriffe, Chemotherapie und Bestrahlung. tenten Wirkstoff zu entwickeln. Für dieEine vielversprechende Therapie, die Mit Lichtstrahlen Krebszellen killen: Bei der photoheute bereits in der Klinik eingesetzt sen wird ein geeigneter Käfig geschmiedynamischen Therapie wird ein Photosensibilisator det, und es braucht einen Transporter, wird, ist die photodynamische Therapie gespritzt, der sich im Tumor anreichert. der den Käfig an den richtigen Ort im (PDT). Sie arbeitet mit Laserstrahlen, Dieser wird dann mit Laser bestrahlt. Das einer lichtaktiven Substanz – einem so Körper bringt – zum Tumor. Dort wird der Käfig mit dem passenden Lichtgenannten Photosensibilisator – und Licht setzt dabei toxischen Singulett-Sauerstoff frei, schlüssel geöffnet. Sauerstoff. Die Behandlung geht so: Dem der die Tumorzellen angreift. Patienten wird der Sensibilisator geGassers gefrässige Löwen sind Komplexe mit den Metallen Rhenium und spritzt, der sich im Tumor anreichert. Ruthenium. Ihre starke Wirkung hat Der Tumor wird dann mit Licht bestrahlt, das mit Hilfe der Sensibilisatorsubstanz, stoff, der in den Tumorzellen vorhanden sein Gassers Team entdeckt, eher zufällig, wie er sagt. die als Katalysator wirkt, toxischen Singulett- muss. «Tumore sind hypoxisch, das heisst, sie Doch Metallverbindungen wie Cisplatin werden Sauerstoff freisetzt. Dieser Singulett-Sauerstoff haben nur wenig Sauerstoff. Das vermindert die oft für die Therapie von Krebs eingesetzt. Sie sind greift die Tumorzellen an. Wirkung der Therapie in ihrer heutigen Form», sehr wirkungsvoll, haben aber verschiedene sagt Gilles Gasser. Der Chemiker arbeitet deshalb Nachteile: Sie können nicht gezielt eingesetzt Das Licht meiden mit seinem Team daran, die Therapie zu verbes- werden, es gibt resistente Tumoren und starke «Der Singulett-Sauerstoff zerstört nur die Zellen, sern, indem sie einen neuen, potenten Wirkstoff Nebenwirkungen wie Nierenschäden. die den Photosensibilisator angreichert haben entwickeln, der ohne Sauerstoff auskommt. DieChemischer Käfig und mit dem Laser angestrahlt werden. Damit ser Wirkstoff soll noch viel gezielter zu den Tulässt sich der Tumor sehr gezielt bekämpfen», er- morzellen gebracht und dort mit Lichtstrahlen Für Gasser war deshalb klar: Die beiden Löwen Rhenium und Ruthenium kann man nicht frei klärt Gilles Gasser, SNF-Förderprofessor am In- freigesetzt werden. herumlaufen lassen. Deshalb hat er für sie einen stitut für Chemie der Universität Zürich. Der Löwen aus Metall Vorteil dieser Methode: das Gewebe rund um den chemischen Käfig entwickelt, der nur mit Licht Tumor wird nicht beschädigt. Deshalb eignet sich Um das zu erreichen, baut Gilles Gasser neue geöffnet werden kann. Dieser Käfig verhindert, diese Therapie besonders gut für sensible Berei- Wirkstoffmoleküle. Diese bestehen grob gesagt dass die Löwen auf ihrem Weg durch den Körper che wie das Auge, das Gehirn oder den Magen- aus drei Komponenten: dem Wirkstoff, einem gesunde Zellen anfallen. An den richtigen Ort – Darm-Trakt. Dank der selektiven Wirkung blei- Biomolekül, das die Krebszellen erkennt und dort zum Tumor – gebracht werden die Löwen von

Lichtskalpell

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