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Dossier: Notfall

NOTFALL!

144

76 Minuten Wettlauf gegen die Zeit

Herzinfarkt! Begleiten Sie die fiktive Patientin Frau Müller auf die Notfallstation des USZ.

Text: Manuela Britschgi Bilder: Nicolas Zonvi

Damit keine Patienten mit COVID-19 ungeschützt ins Spital spazieren, findet die Prätriage vor dem Notfall statt. Fachfrau Gesundheit Tatjana Sturm befragt die Patienten nach COVID- 19-Symptomen und misst die Körpertemperatur.

Frau Müller sitzt auf einem Stuhl und atmet schwer. Sie telefonierte gerade auf dem Balkon mit ihrer Schwester, als ihr plötzlich übel wurde, sie einen unangenehmen Druck im Oberbauch und in der Brust bemerkte und sich hinsetzen musste. Sie ruft ihren Mann, der das Geschirr vom Mittag spült. Herr Müller erstarrt, als er seine bleiche, schwitzende Ehefrau sieht. Für ihn ist klar: Wir müssen sofort auf die Notfallstation. In Windeseile fährt er seine Ehefrau an die Schmelzbergstrasse 8. Frau Müller ist unser fiktives Beispiel, stellvertretend für 1700 Patientinnen und Patienten, die jedes Jahr mit Brustschmerzen am Institut für Notfallmedizin des USZ behandelt werden. Begleiten Sie sie auf ihrem Weg.

Vor der Notfallstation

Minute 1 Das Ehepaar wird bereits auf dem Vorplatz der Notfallstation empfangen. Frau Müller wird nach ihren Beschwerden gefragt und ob sie Symptome wie Husten, Halsschmerzen oder Fieber hat. Hat sie nicht. Kein Verdacht auf das Coronavirus. Die Fachfrau Gesundheit begleitet Frau

Müller umgehend an die Leitstelle der Notfallstation. Herr Müller wartet draussen. Wegen des Coronavirus sind keine Angehörigen auf dem Not‑ fall erlaubt. Herr Meier lässt seine Frau nur ungern alleine in dieser Situ‑ ation. Es beruhigt ihn etwas, dass die Fachfrau Gesundheit ihm erklärt, wie es nun weitergeht, und dass er mit seiner Frau telefonisch in Kontakt bleiben kann.

Erst war es ein Zelt, nun steht seit Monaten ein zweiter auffälliger weis‑ ser Container vor dem Notfall des USZ. Damit COVID‑19‑Infizierte nicht mit anderen Patientinnen in Kontakt kommen, werden sie bereits vor dem Notfall abgefangen und müssen bis zur Aufnahme im Prätria‑ ge‑Container warten.

Die Arbeit in der Prätriage ist eine zusätzliche 24/7‑Aufgabe, die das Pflegeteam des Instituts für Notfall‑ medizin seit der ersten Minute der Pandemie stemmt. «Neben der Vorab‑ klärung auf COVID‑19 kümmern wir uns auch um die Angehörigen», sagt Tatjana Sturm, Fachfrau Gesundheit. «Am Anfang der Pandemie war es sehr schwierig für die Angehörigen, und wir mussten viel diskutieren und be‑ ruhigen. Inzwischen ist den Leuten aber bewusst, dass im Spital Besuchs‑ beschränkungen oder ‑verbote gelten.»

Ersteinschätzung

Minute 2 Während ihr Ehemann draussen an der Prätriage informiert wird, gibt Frau Müller an der Leitstelle ihre Persona‑ lien an und wird von der Expertin für Notfallpflege zu ihren Symptomen befragt. Seit wann hat sie Schmerzen? Hat sie einen Schlag oder Stoss auf die Brust erhalten? Ist der Schmerz stechend, brennend oder drückend? Wo schmerzt es genau? Hat sie Mühe beim Atmen? Danach wird Frau Müller in die Kernzone direkt hinter der Leit‑ stelle übergeben. Die Einschätzung der Dringlichkeit der eintretenden Patienten nach dem Emergency Severity Index, kurz ESI, ist die wichtigste Tätigkeit der Leit‑ stelle des Notfalls. Die Triage ent‑ scheidet darüber, wie schnell und wo die Patienten behandelt werden. «ESI ist fünfstufig. Patientinnen der Stufe 4 und 5 sind leichte Fälle und werden dem direkt neben dem Notfall liegenden Fast Track zugewiesen. Je tiefer die ESI‑Zahl, desto mehr Res‑ sourcen werden benötigt, und desto kürzer ist die angestrebte Reaktions‑ zeit. Die Einschätzung ist also sehr wichtig für einen adäquaten Behand‑ lungsstart», erklärt die Pflegefach‑ frau Eva Waldispühl. Sobald die Pati‑ entin erfasst und eingeschätzt ist, wird sie elektronisch im Dashboard der Notfallstation erfasst.

Die erste Etappe der baulichen Gesamterneuerung des USZ wird auch das neue Notfallzentrum beherbergen. Dort behandelt das Institut für Notfallmedizin ab 2028 Patientinnen und Patienten. Zu den künftigen Nachbarn in den beiden neuen Gebäuden Campus MITTE1 und 2 gehören medizinische Fachbereiche, die sinnvollerweise in der Nähe der Notfallversorgung angesiedelt werden: beispielsweise die Chest Pain Unit der Kardiologie, die Herzinfarkt-Patientinnen und -Patienten behandelt, oder die neurologische Stroke Unit für die Erstversorgung bei Schlaganfällen. Durch die räumliche Nähe kann das USZ die interdisziplinäre und interprofessionelle Notfallversorgung weiter stärken.

Herzkurve schreiben

Minute 4 Frau Müller liegt in einer Patientenkoje der Not‑ fallstation. Der Experte Notfallpflege klebt ihr gerade die zehn Elektroden des Elektrokardio‑ gramms auf Brust, Arme und Beine und startet das Gerät. Die Herzkur‑ ve wird anschliessend durch eine Kaderärztin des Instituts für Notfall‑ medizin beurteilt. Im EKG ist nichts Eindeutiges ersichtlich, erklärt sie Frau Müller. Entwarnung kann die Notfallmedizinerin aber noch nicht geben. Es braucht weitere Ab‑ klärungen. Die 20 Patientenkojen des USZ‑Not‑ falls sind an den Wänden des grossen quadratischen Raums und in ange‑ gliederten Zimmern platziert. In der Mitte befindet sich das Herzstück, das sogenannte Cockpit: Über zahlrei‑ che grosse Screens behalten Pfle‑ gende und Ärztinnen die Vitalzeichen der Patientinnen im Auge, bespre‑ chen und beraten sich. Hier wird ihnen auch angezeigt, wenn die Leitstelle einen neuen Patienten anmeldet und welche Fachkräfte diesem zugeteilt sind. «Verantwortlich für diese Zutei‑ lung ist eine Expertin Notfallpflege, die an diesem Tag die Koordination übernimmt. Sie entscheidet anhand der Einschätzung nach ESI, wer sich um die Patientin kümmert», erläu‑ tert Sarah Ruff, Expertin Notfallpflege. Diese organisatorische Aufgabe ist entscheidend für die Patientensicher‑ heit. «Durch die sehr strukturierten Prozesse können wir die definierten Re‑ aktionszeiten gut einhalten. Bei Brust‑ schmerzen muss beispielsweise innert maximal zehn Minuten ein EKG ge‑ macht werden», ergänzt Sarah Ruff.

Minute 7

Viele Schläuche und Kanülen

Während der zuständige Assistenzarzt der Patientin erklärt, welche weiteren Abklärungen folgen, und ihr Fragen zu ihrer Krank‑

heitsgeschichte stellt, beginnen die Experten Notfallpflege mit den weite‑ ren Massnahmen. Sie legen Zugänge für Infusionen, nehmen Blut, messen Blutdruck, Puls und Sauerstoffsätti‑ gung. Zusätzlich werden Frau Müller die Elektroden des Defibrillators auf die Brust geklebt. Dies dient der Sicher‑ heit, falls sich ihr Zustand plötzlich ver‑ schlechtern sollte. Zwei bis drei Fach‑ spezialisten arbeiten nun parallel an und um Frau Meier. Das stört sie aber nicht. Sie ist froh, dass man sich um sie und ihre Beschwerden kümmert.

«Ohne klare Richtlinien und Standards wäre die Notfallmedizin ein Chaos», sagt Judith Engeler, Oberärztin Not‑ fallmedizin. Wenn Sekunden über den weiteren Verlauf eines Patienten ent‑ scheiden, muss jeder Handgriff sitzen. «Weil wir uns an den immer gleichen internationalen notfallmedizinischen Standards und Abläufen bei der je‑ weiligen Verdachtsdiagnose orientie‑ ren, weiss jedes Teammitglied, was zu tun ist, kann effizient arbeiten, und es bleibt Raum für all die unvorher‑ gesehenen Entwicklungen, die auftre‑ ten können», ergänzt die erfahrene Oberärztin.

Minute 13

Morphium gegen die Schmerzen

Neben anderen Werten muss nun der Laborwert des Herzenzyms Troponin abgewartet werden. Ist er erhöht, kann ein Herz‑ infarkt vorliegen. Es dauert maximal eineinhalb Stunden, bis der Wert da ist, erfährt Frau Müller vom Assistenz‑ arzt. Sie erhält zusätzlich zu anderen Medikamenten auch Morphium gegen die Schmerzen. Das Morphium hilft zu‑ dem dabei, den etwas hohen Blutdruck von Frau Müller zu senken, weil es die Gefässe erweitert. So wird ihr Herz ent‑ lastet. Nun kehrt etwas Ruhe ein. Frau Müller ruft ihren Ehemann an.

Seit Beginn der Corona‑Pandemie hat die USZ‑Notfallstation zusätzlich zu den regulären Notfällen 6000 Perso‑ nen mit einer Corona‑Infektion oder mit Verdacht auf eine solche betreut. wurden früher aber von Ärztinnen und Ärzten aus verschiedenen Fach‑ bereichen betreut – medizinische Patienten von Medizinern und chi‑ rurgische von Chirurgen. Heute ge‑ schieht die Notfallversorgung durch ausgebildete Notfallmediziner, un‑ abhängig von der anschliessenden Be‑ handlung. Neben gesteigerten Kom‑ petenzen in der Notfallversorgung er‑ möglicht dies auch, dass die ärzt‑ lichen Ressourcen auf der Notfallsta‑ tion nach Arbeitslast anstatt nach Fachbereich verteilt werden. Assis‑ tenzärztinnen und ‑ärzte verschie‑ dener USZ‑Kliniken arbeiten rotierend auf der Notfallstation für ihre Notfall‑ ausbildung.

Im Team gehts besser: Oberärztin Judith Engeler (rechts) bespricht einen Patienten mit der Direktorin des Instituts, Dagmar Keller Lang.

COVID‑19‑Infizierte werden räumlich getrennt von den anderen Patienten versorgt, um Ansteckungen zu verhin‑ dern. Die Corona‑Pandemie ist eine hohe Zusatzbelastung für das Personal, bringt im Notfall des USZ aber auch Herausforderungen bezüglich der Infra‑ struktur mit sich. «Räumlich sind wir mit den jährlich bis zu 45’000 Patien‑ ten bereits überlastet. Corona ver‑ schärft die Situation nun zusätzlich», präzisiert Dagmar Keller, Direktorin des Instituts für Notfallmedizin.

Herzinfarkt!

Minute 52 Frau Müller muss sich übergeben und hat erneut grosse Schmerzen im Oberbauch, in der Brust und neu auch im Rücken und Nacken. Es wird ein weiteres EKG angeordnet. Nun ist eine Veränderung ersichtlich, ein soge‑ nannter ST‑Hebungsinfarkt. Die Not‑ fallstation informiert die Kardiologie. Die Herzspezialisten werden bei Frau Müller die verschlossenen Herzkranz‑ gefässe wiedereröffnen. Die Notfallmedizin ist ein vergleichs‑ weise junger Fachbereich. Notfall‑ stationen gibt es zwar schon länger,

Minute 59

HerzkatheterUntersuchung

Auch der gemessene Tro‑ poninwert spricht für die Diagnose Herzinfarkt. Frau Müller wird vom Kardiologen über den be‑ vorstehenden Eingriff aufgeklärt. In einer Herzkatheter‑Untersuchung wird ein dünner Draht über die Blut‑ bahn von der Leiste zu ihrem Her‑ zen vorgeschoben. Mit Kontrastmittel werden die Herzkranzgefässe sicht‑

bar gemacht und das verschlossene Gefäss identifiziert. Ist der Verschluss klein, kann das Gefäss direkt in der Untersuchung mit einem aufblasbaren Katheter gedehnt werden. Falls ein komplexer Verschluss vorliegt, muss Frau Müller eventuell operiert wer‑ den. Frau Müller willigt ein und infor‑ miert ihren Mann telefonisch.

Neben den 120 Pflegenden und 41 Ärztinnen und Ärzten der Notfallstati‑ on arbeiten diverse andere Disziplinen und Bereiche in der Notversorgung der Patientinnen mit. Beispiele dafür sind das Labor, die Radiologie, konsi‑ liarisch zugezogene Fachspezialisten aus den Kliniken, die Anästhesie im angegliederten Schockraum oder auch die Reinigung. «Für mich ist der Notfall meine zweite Familie», sagt Ismail Mohamud, der seit 16 Jahren die Kojen nach jedem Patienten und jeder Patientin reinigt. Auch er folgt klaren Vorgaben und Richtli‑ nien. «Corona macht es auch für uns schwieriger, weil wir viel öfter Schutzkleidung tragen müssen als normalerweise».

Minute 76

Übergabe an die Kardiologie

Frau Müller wird nun vom Experten Notfallpflege und vom As‑ sistenzarzt zum Eingriff gefahren. Um auch unterwegs schnell reagieren zu können, nehmen sie den Defibrillator und den Reanimations‑ Rucksack mit den Notfallmedikamenten mit. Mit der Übergabe an die Fachspezialisten der Kardiologie endet Frau Müllers Aufent‑ halt im Institut für Notfallmedizin des USZ. 76 Minuten, in denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sie und ihre Gesundheit voll einge‑ setzt haben.

Ein Herzinfarkt äussert sich bei Frauen und Männern unterschiedlich. Wie ge‑ nau, erfahren Sie im Artikel auf Seite 28.

Die Kojen werden nach jedem Patienten gereinigt. Ismail Mohamud ist darin Profi: Er arbeitet seit 16 Jahren am USZ in der Spezialreinigung.

Die häufigsten Notfälle – wie reagieren?

Bei einem Notfall zählt oft jede Minute. Selbst wenn sofort ein Notruf erfolgt, vergeht bis zum Eintreffen der Rettungskräfte wertvolle Zeit. Profis in Spitälern und bei der Ambulanz wissen genau, was zu tun ist. Aber wie erkennen Laien das Problem und reagieren richtig?

Text: Marcel Gutbrod Bild: Line Rime

Anaphylaxie

(Allergischer Schock)

Die Anaphylaxie ist die schwerste Form einer allergischen Reaktion und kann tödlich enden. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der gesamte Körper reagiert. Meistens tritt eine Anaphylaxie sehr schnell und heftig nach dem Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff auf. Bei Erwachsenen wird sie häufig durch Bienen und Wespenstiche, Medikamente und Nahrungsmittel wie Erdnüsse oder Krustentiere ausgelöst. Personen mit stark ausgeprägten Allergien sind sich dessen meist bewusst und tragen einen AdrenalinPen sowie Notfallmedikamente auf sich.

Symptome

– Jucken, Anschwellen der betroffenen Stelle – Atembeschwerden, Atemnot,

Hustenattacken – MagenDarmBeschwerden:

Bauchkrämpfe, Erbrechen, Durchfall – Starker Schwindel, Gefühl von Kraftlosigkeit

Wie helfen?

144 alarmieren und die betroffene Person bis zum Eintreffen der Rettungskräfte möglichst flach lagern und wenn möglich Noxe (z.B. Stachel vom Bienenstich) entfernen. Keine Flüssigkeit oder Nahrung geben. Betroffenen fragen, ob Allergien bekannt sind und ob die Person eine Notfallmedikation mit dabei hat (z.B. EpiPen, Notfallset).

Herzinfarkt

In der Schweiz erleiden pro Jahr rund 30’000 Personen einen Herzinfarkt. Durch rasches und richtiges Handeln im Notfall können die Überlebenschancen der Betroffenen erhöht und bleibende Schäden minimiert werden. Männer sind drei bis viermal so häufig von einem Herzinfarkt betroffen wie Frauen. Wichtig zu wissen ist, dass sich die Symptome bei Frauen und Männern unterscheiden können. Aus diesem Grund werden Infarkte bei Frauen nicht immer erkannt.

Symptome bei Männern

– Heftiger Schmerz in der Brust – Ausstrahlung des Schmerzes in die Schultern und Arme – Todesangst – Atemnot – Schweissausbrüche

144

Die Notrufnummer für alle medizinischen Notfälle.

Symptome bei Frauen

Mögliche Symptome wie bei den Männern, zusätzlich – Ungewohnt starke Müdigkeit – Magenschmerzen – Schwindel – Ohnmacht – Engegefühl in der Brust (auch rechts)

Wie helfen?

Alarmieren Sie sofort den Notruf 144. Lagern Sie den Betroffenen anschliessend mit leicht angehobenem Oberkörper auf dem Boden. Falls die Person nicht mehr atmet, beginnen Sie sofort mit der Herzdruckmassage, und wenden Sie den Defibrillator an.

Vergiftung

Eine Vergiftung kann verschiedenste Ursachen haben: zum Beispiel versehentlich verschluckte Chemikalien, eine Überdosis an Medikamenten, übermässiger Alkoholkonsum oder Drogenmissbrauch. Auch giftige Pflanzen, Tiere oder Pilze können gefährlich werden, wobei dies in unseren Breitengraden eher selten ist.

Symptome

Die Symptome sind abhängig von der Substanz und Menge – Übelkeit und Erbrechen – Rauschzustand – Schläfrigkeit – Bauchkrämpfe – Atembeschwerden – Bewusstlosigkeit

Wie helfen?

Toxinfo Suisse (145) anrufen oder den Notruf (144) alarmieren. Der Person Wasser, Tee oder Sirup geben, um die toxische Substanz zu verdünnen. Kein Erbrechen bei der Patientin oder beim Patienten herbeiführen. Bei verätzter Haut die Stelle gründlich mit Seife und Wasser auswaschen und auf den Selbstschutz achten (nicht ungeschützt berühren). Bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage anwenden oder Wiederbelebungsmassnahmen beginnen, falls keine Atmung und keine Lebenszeichen vorhanden sind.

Verschlucken

Fischgräten, Hühnerknochen oder einfach ein Stückchen Brot – schnell hat man sich beim Essen verschluckt. Normalerweise ist das harmlos, und wir husten den Fremdkörper einfach wieder aus der Luftröhre heraus. Verkeilt sich der Fremdkörper allerdings, kann es schnell gefährlich werden. Im schlimmsten Fall wird man innerhalb von Minuten bewusstlos und kann sogar sterben – den sogenannten Bolustod.

Symptome

– Heftiger Hustenreiz – Klossgefühl im Hals – Geräusche beim Atmen – Würgen – Bewusstlosigkeit

Wie helfen?

Sofort mit ein paar kräftigen Schlägen auf den Rücken reagieren. Meistens reicht das schon, um den Fremdkörper auszuspucken. Fall nicht, den Rettungsdienst (144) alarmieren und dann den HeimlichHandgriff anwenden. Dabei umfasst der Helfer die Betroffene von hinten und übt mit beiden Händen ruckartig Druck auf die Magengrube aus. Führt das Manöver zum Erfolg, muss sich der Patient trotzdem ärztlich untersuchen lassen, um innere Verletzungen auszuschliessen. Bei Ohnmacht oder Atemstillstand sofort mit Wiederbelebungsmassnahmen beginnen.

WICHTIGE NUMMERN

Tel. 144 Notruf/Rettungsdienst

Tel. 145 Toxinfo Suisse (bei Vergiftungen)

Tel. 112 Euronotruf

Tel. 1414 Rega

Kaiserschnitt auf Knopfdruck

Treten vor oder während der Geburt Komplikationen auf, dann muss es schnell gehen – nicht selten kommt es zu einem Notfallkaiserschnitt.

Text: Maja Rose Bild: Tobias Willa

Auf der Gebärabteilung der Kli‑ nik für Geburtshilfe gehört er zum Alltag: Ein bis zwei Mal die Woche führen die Mitarbeitenden einen Notfallkaiserschnitt durch. Wenn es so weit kommt, muss es schnell ge‑ hen, denn jede Minute ist für den Ver‑ lauf der Geburt entscheidend.

Ein Knopfdruck zum Kaiserschnitt

Zu einem Notfallszenario vor oder während der Geburt kann es aus den verschiedensten Gründen kom‑ men. Fängt es stark an zu bluten, geht es dem Kind oder der Mutter nicht gut, löst sich eventuell die Plazenta oder reisst sogar die Gebär‑ mutter, dann bleibt den zuständi‑ gen Ärztinnen und Ärzten nur noch der Entscheid, auf den sogenannten roten Knopf zu drücken, der sich am Eingang des Stationszimmers in der Gebärabteilung befindet. «Das hat den Vorteil, dass alle involvierten Mit‑ arbeitenden, von der Anästhesie über die Pflegenden bis zum Kinderarzt, einen Alarm auf ihren Piepser erhalten. Sie lassen dann alles stehen und lie‑ gen und begeben sich so schnell wie möglich ins Patientenzimmer», erklärt Nicole Ochsenbein‑Kölble, Leitende Ärztin der Klinik für Geburts‑ hilfe.

Neun Minuten bis zur Entbindung

Die Entscheidungs‑Entbindungszeit dauert am USZ nur etwa neun Minu‑ ten. Das bedeutet, dass innerhalb die‑ ser neun Minuten die Entscheidung zum Notfallkaiserschnitt gefällt, der rote Knopf gedrückt und das Kind per Kaiserschnitt auf die Welt geholt wird. Damit wird der vom Kanton Zürich festgelegte Zielwert von 15 Minuten deutlich unterschritten. Das bezieht sich aber nur auf die Notfall‑Sectio

an sich, so Nicole Ochsenbein. «Es kann natürlich vorkommen, dass die Mutter danach noch weiter ope‑ riert werden muss. Das kann unter Umständen mehrere Stunden dauern.» Üben muss das Team um Nicole Ochsenbein‑Kölble so einen Eingriff nicht mehr: «Für uns gehört das zur Routine. Wir haben eine ganze Abteilung mit Risikoschwanger‑ schaften. Und die Zusammenarbeit zwischen allen Mitarbeitenden der verschiedenen Abteilungen funktio‑ niert hervorragend. Wir freuen uns aber jedes Mal mit Mutter und Kind, wenn alles gut verläuft.»

«Geht der Alarm los, lassen die Mitarbeitenden alles andere stehen und liegen.»

Nicole Ochsenbein-Kölble,

Leitende Ärztin der Klinik für Geburtshilfe

GEBÄREN IM USZ

Einen Ratgeber zur Geburt und weitere Informationen finden Sie unter www.geburtshilfe.usz.ch

In drei Minuten war Aldo auf der Welt

Jeanine B. hatte eine einfache Schwangerschaft. Die ersten drei Monate war ihr ein bisschen übel, aber sonst lief alles wie im Lehrbuch. Sie stellte sich auf eine ganz normale Geburt ein. Es kam anders.

Text: Barbara Beccaro Bild: Thomas Egli

«Im Vorbereitungskurs am USZ wurden wir über mögliche Komplikationen und entsprechende Szenarien informiert. Man hatte uns erklärt, wie ein Kind in wenigen Minuten auf die Welt geholt werden könne. Ein Knopfdruck, dann gehe es blitzschnell, das Vorgehen sei erprobt, jeder Handgriff sitze. Ich fand das spannend, aber nie im Leben hätte ich damit gerechnet, es zu erleben.

An einem Dienstag, um drei Uhr morgens, verspürte ich die ersten

Wehen, wir gingen ins USZ. Dort überwachte ein spezielles Gerät, das CTG,

«Ich spürte keine Angst und hatte eine innere Zuversicht, dass es gut kommt.»

Jeanine B. Patientin

den Herzschlag meines Kindes und meine Wehen. Schnell war klar, dass es noch nicht so weit war. Wir wurden wieder nach Hause geschickt, wo das Warten gemütlicher war. Um sechs Uhr abends platzte meine Fruchtblase, die Wehen wurden stärker, wir sind also wieder ins Spital. Diesmal waren die Hinweise des CTG nicht so gut. Offenbar war die Herzfrequenz meines Kindes zu tief. Von da an blieb immer eine Hebamme bei uns im Zimmer. Ich war aber nicht beunruhigt. Ich atmete schön regelmässig in meine Wehen, wie ich es im Kurs gelernt hatte, und kam dadurch nahezu in einen hypnotischen Zustand. Mit der Geburt ging es aber nicht vorwärts. Das Kind war noch viel zu weit oben, und ich hatte bereits Presswehen. Die Töne aus dem CTG wurden immer alarmierender. Schliesslich entschied die zuständige Oberärztin, den roten Knopf für die NotfallSectio zu drücken. Den Knopf, von dem ich im Vorbereitungskurs gehört hatte. Die Ärztin erklärte, ein Kaiserschnitt sei jetzt unumgänglich. Aber selbst jetzt spürte ich keine Angst. Ich hatte diese innere Zuversicht, dass die Leute um mich herum sehr genau wussten, was zu tun war.

Jeanine B. hat nicht mit einem Notfall-Kaiserschnitt gerechnet. Jetzt ist sie einfach nur dankbar, ein gesundes Kind zur Welt gebracht zu haben.

Super Einstieg ins Leben trotz Notfall-Kaiserschnitt

Kurz vor der Narkose bin ich dann doch etwas nervös geworden. Ich wollte nicht bei der Geburt meines ersten Kindes erfahren müssen, dass ich möglicherweise allergisch auf ein Mittel reagieren würde. Der Anästhesist beruhigte mich, und ich schlief ein. Für die Nerven meines Partners hingegen war alles ziemlich aufreibend. Er war ja die ganze Zeit in einer Beobachterrolle und konnte nichts tun. Er realisierte schnell, dass da etwas gar nicht gut lief. Den penetranten Alarmton des CTGs empfand er als höchst bedrohlich.

In knapp drei Minuten war unser Sohn da. Er schrie sofort, seine Werte waren perfekt, und in seinem Blut wurden keine Stresshormone nachgewiesen. Trotz des Notfall-Kaiserschnitts gelang sein Einstieg in die Welt super. Auch ich war wenige Minuten nach der Geburt hellwach, wie nach einem Powernap. Uns wurde erklärt, Aldo hätte in der Nabelschnur einen Knoten gehabt. Vermutlich war das der Grund für seine Herzprobleme. Eine natürliche Geburt wäre ohne grössere Komplikationen nicht möglich gewesen.

Während bei mir der Schnitt zugenäht wurde, durfte mein Partner den ersten Kontakt zu unserem Baby knüpfen und einen intensiven, glücklichen ersten Moment mit unserem Sohn verbringen. Nach all dem Stress, den er hat aushalten müssen, hat mich das sehr gefreut. Und gerade auch in Zeiten von Corona war es für ihn ein kleiner Trost, weil er aufgrund der Schutzmassnahmen in den ersten Tagen nicht so viel Zeit mit Aldo verbringen können würde.

Dankbar für das gesunde Kind

Mir ging es schnell wieder sehr gut. Ich war zwar nicht so mobil wie zum Beispiel meine Zimmernachbarin, die bereits kurz nach der Geburt herumlaufen konnte. Aber ich bin so dankbar, mit dem Kaiserschnitt ein gesundes Kind geboren zu haben. Während vier Tagen wurde ich im Spital von den Hebammen und Pflegefachfrauen super betreut, sie haben mir viele hilfreiche Tipps gegeben. Es war wie eine kurze Lehre im Umgang mit einem Säugling.

Ich weiss aufgrund der aktuellen Maskenpflicht gar nicht, wie die Hebamme, die mich während der Geburt betreut hat, aussieht. Ihre Augen werde ich aber nie vergessen. Sie hat so gut kommuniziert, klar und wohlwollend. Mir sind in der Geburts klinik viele hoch kompetente Mitarbeitende begegnet, ich konnte da» rauf vertrauen, dass sie alles richtig machen.

Die Herz-Odyssee

In seinen Ferien spürt Asidin Durmisi, dass etwas mit seinem Herzen nicht stimmt. Doch sein Hausarzt widerspricht ihm. Statt einer schnellen Behandlung erlebt der Gipser eine kleine Odyssee, bis er schliesslich in letzter Minute auf dem USZ-Notfall landet.

Text: Marcel Gutbrod Bild: Nicolas Zonvi

«Alles fing vor ein paar Wochen in meinen Fe rien im Kosovo an. Plötzlich hatte ich überall Schmerzen: In der Schulter, am Herzen und auch an der Lunge – alles tat schrecklich weh. Ich ging dort zum Kardiologen, und der sagte mir, dass etwas mit meinem Herzen nicht in Ordnung sei. Ich solle mich – sobald ich zurück in der Schweiz sei – unverzüglich bei meinem Hausarzt für eine Untersuchung anmelden. Er gab mir zwei Tabletten mit auf den Weg. Eine zur Blutverdünnung und eine für das Herz. Zu Hause angekommen, rief ich sofort meinen Hausarzt an und schilderte ihm meine Situation. Dieser meinte aber, ich solle wegen eines möglichen CoronaInfektes zuerst noch zwei Wochen zu Hause warten. Erst nach dieser Zeit durfte ich zu ihm. Als es endlich so weit war, legte ich ihm den ärztlichen Bericht aus dem Kosovo vor. Nach der Untersuchung war seine Diagnose aber eine andere: Es sei etwas in der Schulter eingeklemmt, meinte er bestimmt. Mit dem Herzen sei soweit alles in Ordnung, und ich solle auch die Tabletten absetzen. Ich vertraute ihm und ging danach wieder als Gipser auf dem Bau arbeiten. Aber bei jeder körperlichen

Nach einem kürzlich erlittenen Herzinfarkt geht es Asidin Durmisi heute wieder besser - obwohl noch weitere Operationen und eine Reha nötig sind.

Anstrengung war ich sehr schnell er‑ schöpft. Ich konnte kaum Treppen hochsteigen und musste mich ständig ausruhen. So kann es nicht weiter‑ gehen, dachte ich, und vereinbarte eine erneute Konsultation bei meinem Hausarzt. Doch auch diese brachte keine Veränderung. Für ihn war wei‑ terhin die Schulter und nicht das Herz das Problem. Ich könne weiter‑ hin arbeiten; was ich auch tat, bis es an einem Montag eben nicht mehr ging. An diesem Tag musste ich auf dem Bau richtig Gas geben. Plötzlich wurde mir schlecht, und ich spürte ein heftiges Stechen in der Brust. Panik stieg in mir hoch, und ich konnte ge‑ rade noch meine Arbeitskollegen alar‑ mieren, bevor ich zusammenbrach.

Diese reagierten blitzschnell, was mir wahrscheinlich das Leben rettete. Da unsere Baustelle nur zwei Kilometer vom Unispital entfernt war, beschlossen sie, nicht auf den Kran‑ kenwagen zu warten, sondern mich direkt in den Notfall zu bringen. Ich weiss noch, dass mir ein Kollege wäh‑ rend der Fahrt das Herz massierte. Als wir im USZ ankamen, hatte ich mich schon fast aufgegeben.

«Meine Arbeitskollegen reagierten blitzschnell, was mir wahrscheinlich das Leben rettete.»

Asidin Durmisi, Patient

Im Aufwachraum kam ich wieder zu mir und spürte eine riesige Erleich‑ terung. Die Schmerzen waren ver‑ schwunden, und es überkam mich gegenüber dem behandelnden Per‑ sonal eine tiefe Dankbarkeit. Es war wirklich sehr knapp, und ich musste sofort operiert werden, sonst hätte ich es nicht geschafft. Endlich konnte ich auch meine Familie informieren. Bei der Einlieferung hatte ich keine Kraft mehr dafür. Für sie war es natür‑ lich ein riesiger Schock. Doch ich konnte sie schnell beruhigen, da ich bereits spürte, dass das Schlimmste hinter mir lag und es ab jetzt wieder bergauf ging. Am nächsten Tag wurde ich ins Kantonsspital Luzern verlegt, da es näher an meinem Wohnort liegt. Ich habe noch weitere Operationen vor mir und gehe bald in die Reha. Doch ich bin optimistisch, dass alles gut kommt und ich bald wieder der Gleiche bin wie vor dem Herzinfarkt.

So ein Ereignis ist auch immer eine zweite Chance. Ich freue mich sehr, dass ich sie dank dem USZ be‑ kommen habe. Ich war sehr zufrieden mit meinem alten Leben, werde aber künftig besser auf meine Gesundheit achtgeben. Mein Hausarzt hat sich übrigens bei mir gemeldet und sich in aller Form entschuldigt. Somit ist die Sache für mich abgehakt.»

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