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Ellen Wagner Von Schlaglöchern

51 Ellen Wagner

aus unterschiedlichen Kontexten und Zeiten zusammengetragen wurden. Dienten sie zunächst im Besitz reicher Adliger der Zurschaustellung von Macht und Weltläufigkeit oder zu Studienzwecken, entwickelten sich diese Sammlungen insbesondere im 19. Jahrhundert zu auch bürgerlich initiierten und staatlich mitfinanzierten Institutionen mit der Aufgabe, eine tatsächlich kollektiv zu nennende Erfahrung, Bildung und Erinnerung zu ermöglichen. Bis heute ist das Museum ein Ort, an dem neue Verbindungen zwischen Dingen entstehen, die ihren ursprünglichen Zusammenhängen entnommen wurden, gesammelt und geordnet nach neuen Prinzipien —etwa einer Vermittlungsabsicht, einem chronologischen Entwurf, dem Geschmack eines Individuums. Die Dinge im Museum werden, so der Philosoph und Historiker Krzysztof Pomian, gerade durch ihre Trennung vom Alltagsleben zu repräsentativen Vermittlern zwischen uns und einem Unsichtbaren: etwa dem Vergangenen, geographisch weit Entfernten oder den Kontexten, aus denen die Künstler*innen stammen. Die Exponate kommen aus dem Unsichtbaren —sind aber auch für ein Unsichtbares bestimmt: nämlich ‚die Zukunft‘, die man in unseren ausstehenden Reaktionen auf das Wahrgenommene verorten könnte.

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Die Kunstgeschichte ist voller Unternehmungen, das ‚gewöhnliche‘ Leben in den Raum der Kunst zu bringen, um dieses besser oder anders sichtbar zu machen und der Kunst frischen Wind um die Ohren zu blasen. Verstärkt seit den 1960er Jahren entwickelte sich die Installationskunst in den Museen nicht zuletzt aus einem Impuls heraus, Kunst und ‚normales‘ Leben in Austausch miteinander zu bringen. Als Charakteristika der Assemblagen und Environments, die als Vorläufer der Installation betrachtet werden können, gelten dabei häufig die anvisierte Einbeziehung der Betrachter*innen sowie eine Kontinuität zwischen dem Raum der Kunst und dessen Außen durch die Von Schlaglöchern und Zwischenräumen: Wenn die Kunst ins Leben geht Vor Kurzem war es wieder soweit: Eine weiß gestrichene Schindelfassade im Stil des US-amerikanischen VorstadtEinfamilienhauses rollte durch die Straßen Detroits. Auf der Ladefläche eines mächtigen Trucks wurde die adrette Schauseite der Immobilie zum Einsatz auf einem Performance-Festival chauffiert. Mobile Homestead (2010/13) ist die Nachbildung des Elternhauses von Mike Kelley. Während das Erdgeschoss auf dem Gelände des Museum of Contemporary Art Detroit für Ausstellungen und Treffen unterschiedlicher Initiativen, Selbsthilfe- und Hobbygruppen genutzt wird, ist der labyrinthische Keller der Atelierarbeit vorbehalten und kann nicht besichtigt werden. Die abnehmbare Fassade wiederum tourt mehrmals im Jahr durch Detroit und bietet eine Plattform für künstlerische und soziale Projekte im öffentlichen Raum.

Kelleys Arbeit wirkt beinahe wie eine Allegorie auf die Fragen, die in Bezug auf die Kunst aufkommen, sobald diese den Bereich des Museums verlässt, um das weite Feld des Urbanen zu betreten: (Wie) kann es der Kunst dabei gelingen, nicht nur soziale Anliegen, sondern auch ihre eigene ästhetische Auseinandersetzung mit diesen Anliegen zu thematisieren? (Wie) kann sie nicht nur reflexives Potential, sondern auch alltagstaugliche Wirkung entfalten? Wie viele Pferdestärken braucht es, um ein Werk ins Leben zu hieven? Und wie viel Privatsphäre ist der Kunst zuzustehen?

Die ersten Räume, in denen Kunst, kuriose Naturalia und kultische Objekte gezeigt und dabei häufig auch vom ‚Leben‘ isoliert wurde, waren im 15. Jahrhundert Wunderkammern und private (An-)Sammlungen von Dingen, die

Recently it was shown again: a white painted clapboard façade in the style of an American suburban detached house rolled through the streets of Detroit. On the platform of a giant truck the neat front section of the building was driven to an engagement at a performance festival. Mobile Homestead (2010/13) is a reconstruction of Mike Kelley’s parental home. While the ground floor is used on the site of the Museum of Contemporary Art Detroit for exhibitions and meetings by a range of initiatives, self-help and hobby groups, its labyrinthine basement is reserved for studio work and cannot be viewed. The detachable façade, however, goes on tour through Detroit several times a year and provides a platform for artistic and social projects in public spaces.

Kelley’s work almost seems like an allegory of the questions that are raised in relation to art the moment it leaves behind the realm of the museum to enter the urban environment at large: (how) can art manage to highlight not only social agendas but its own aesthetic engagement with those agendas? (How) can it have not only reflexive potential but also an effect that withstands the everyday? How many horsepower are needed to drag a work into life? And how much privacy is art permitted?

The first spaces in which art, natural curiosities and cult objects were demonstrated and thus frequently isolated from ‘life’ were 15th century cabinets of wonders and private collections of objects that were brought together from different contexts and periods. Whether they initially served to demonstrate the power and worldliness of the rich nobles who owned them or were created for the purposes of study, these collections developed during the 19th century in particular into institutions initiated by the middle classes and partly funded by the state with the purpose of facilitating experience, education and memory that could genuinely be termed collective. To this day the museum remains a place where new connections are established between things that have been removed from their original contexts, collected and ordered according to new principles —such as an intention to teach, a chronological design, the taste of an individual. According to the philosopher and historian Krzysztof Pomian, it is precisely due to their separation from everyday life that the things in a museum become representative communicators between us and something invisible: such as the past, the geographically distant or the contexts from which the artists originated. Exhibits come from the invisible —but are also intended for something invisible: namely ‘the future’ which could be located in our remaining reactions to what we have seen.

Art history is full of endeavours to bring ‘usual’ life into the realm of art in order to allow this to be seen better or differently and to breathe some fresh air into art. Installation art has developed in museums increasingly since the 1960s not least from an impulse to bring art and ‘normal’ life into exchange with each other. Potholes and Intermediate Spaces: when Art enters Life

52 Wirkung unmittelbar abzuzielen. Auch die Kunst, die nicht das Leben zu sich ins Museum holt, sondern selbst ihre eigenen vier (weißen) Wände verlässt, wird von dieser transformatorischen Dynamik erfasst.

Mitunter lautet der Vorwurf an eine Kunst, die sich neue Räume sucht, sie eigne sich parasitär Atmosphären an, die sie selbst nicht zu schaffen in der Lage sei. Manche Ausstellungen machen für Betrachter*innen wie für diejenigen, die sie kuratieren und installieren, auch einfach mehr Sinn, wenn sie nicht im Museumsbau stattfinden, etwa indem sie neue Zugänglichkeiten entstehen lassen. Fast immer hat man es mit einer Mischung zu tun: Die Faszination eines malerischen oder markanten Ortes lockt Besucher*innen und konfrontiert zugleich mit komplexen Verflechtungen von Konzepten, Gegebenheiten und den Entwicklungen, die sich zwischen diesen ergeben. Diese können auf Ausstellungsreisende wie auf die Nachbarschaften an dem gewählten Ort übergreifen.

Die Frage angesichts nomadischer, mobiler oder auch einfach lokal urbaner Kunstausstellungen und Projekte lautet also: Geht es hier implizit um die Demonstration einer Beweglichkeit von einem Ort an einen anderen, die man als reflexhafte Anpassung an die Schnelllebigkeit und neoliberal konnotierte Wendigkeit des Kunstbetriebs auslegen könnte? Oder nimmt die Kunst bewusst einen Weg zu einem bestimmten Ort auf sich, mit dem sie physisch wie diskursiv in einen Austausch tritt und darüber Anschlussstellen für ganz unterschiedliche Öffentlichkeiten bietet? Wenn der Kunsttransport, bildlich gesprochen, ins Leben geht, hat die Kunst sich unter den verschärften Rahmenbedingungen des außer-musealen öffentlichen Raums zu bewähren, der über sehr spezifische Anforderungen, etwa der Wegeführung oder Haftung, das temporäre Zusammenleben der Kunst mit dem gesellschaftlichen Alltag regelt. Hier zeigt sich, ob eine künstlerische Arbeit es schafft, innerhalb des physisch, aber auch gesetzlich abgesteckten Raums einen eigenen Raum entstehen zu lassen, der sich behauptet, aber keinen Alleingeltungsanspruch vertritt. Die Herausforderung ist es, den institutionellen Raum der Kunst —der auch außerhalb der Institution, etwa durch das Aufgreifen bestimmter Seh- und Darstellungsgewohnheiten, mitschwingt —mit dem ästhetischen Raum einer künstlerische Arbeit und zugleich den gesellschaftlichen Räumen, in denen sie ein Publikum finden kann, in eine Beziehung zueinander zu bringen. Zwischen diesen Räumen der Kunst und den Räumen ihres Außens sowie den jeweils eingespielten Wahrnehmungsweisen existiert ein Spektrum —keine klare Grenzlinie. Dieses Spektrum, in dem die Bereiche von Kunst und Leben großflächig überlappen, kann in seiner Bandbreite ausgenutzt werden. Die Fassade der Kunst geht auf Tour ins Leben. Dieses Verwendung von Alltagsmaterialien wie Zeitungen, Autoreifen und Konsumobjekten. Der Kunst wird ein verstärkter Bezug zum Leben abverlangt und attestiert, sie schafft flüchtige Situationen, die für Sammler*innen schwieriger zu lagern sind und bei ortsspezifischen Installationen, die nach einiger Zeit abgebaut werden, nicht oder nur in abweichender Form rekonstruiert werden können. Natürlich lässt sich Installationskunst —im Unterschied zum ‚echten Leben‘ —letztlich doch sehr gut sammeln, ebenso wie sich dokumentarisch fixierende und verkäufliche Formen für Happenings und Performances finden lassen. Grund dafür ist unter anderem: Egal, was man an Leben in die Kunst hineinträgt —es wird automatisch zu etwas anderem. Dieses andere aber muss nicht ein tot und ruhig gestelltes Ausstellungsobjekt sein. Es ist vielmehr etwas Eigenes, das im Zwischenraum zwischen Kunst und Leben den Abstand zum jeweils anderen überbrückt. Diese manchmal geschickte, manchmal etwas umständliche, immer aber improvisierte und temporäre Überbrückung geschieht paradoxerweise genau dadurch, dass das Ding, das da zwischen Kunst und Leben steht, einen zweiten Abstand mit ins Spiel bringt: nämlich denjenigen zu sich selbst. Jacques Rancière, der im Kontext politischer Kunst immer wieder zitiert wird, spricht von einer charakteristischen „Abtrennung“ zwischen der Kunst, ihren Herkunftskontexten sowie ihren möglichen Auswirkungen im Leben. Allerdings geht es ihm nicht, wie Pomian, um das Herstellen einer mit dieser Trennung einhergehenden neuen Verbindung zwischen Betrachter*innen und bestimmten Lebenszusammenhängen durch die Kunst, sondern um bleibende „Lücken“ in dieser Dreiecksbeziehung. Kunst zieht eine „ästhetische Distanz“ ein und fordert dadurch eine „neue Aufteilung des Sinnlichen“ heraus. Das heißt: Es werden neue Wahrnehmungsweisen möglich hinsichtlich dessen, was bisher selbstverständlich mit bestimmten Bedeutungen und Funktionen im Alltag verbunden war —was vielleicht aber auch ganz anders interpretiert und genutzt werden könnte. Tatsächlich scheint es diese „Lücke“ zu sein, salopp gesagt: ein Loch, ein Schlagloch geradezu, in dem die Kunst über Umwege plötzlich doch noch zum Leben kommen kann —wenn Betrachter*innen etwa plötzlich zu diskutieren beginnen, welche politische Haltung sich in einer künstlerischen Arbeit andeuten könnte, oder wie realistisch eine Umsetzung des in einem Projekt modellhaft angedachten Gesellschaftsentwurfes tatsächlich sein könnte. Die Kunst kann zu einer treibenden Kraft gesellschaftlicher Veränderungen werden, ohne diese Veränderungen selbst kausal zu verursachen und auf eine solche

The features of the montages and environments that can be regarded as precursors of the installation are a targeted involvement of the viewers and a continuity between the artistic space and its exterior created by the use of everyday materials such as newspapers, car tyres and consumer objects. An intensified relationship to life is demanded from and claimed for art: it creates fleeting situations that are difficult for collectors to store and in the case of site-specific installations that are dismantled after some time and either cannot or can only be reconstructed in a different form. Of course installation art —in contrast to ‘real life’ —can ultimately be collected perfectly well, just as defining documentary and saleable forms can be found for happenings and performances. The reason for this, among other things, is: no matter what part of life one puts into art —it automatically turns into something different. However, this something different does not have to be a dead and disarmed exhibition object. Rather it is something independent in the intermediate space between art and life that bridges the gap to each of the others. This at times skilful, at times rather awkward but always improvised and temporary bridge happens paradoxically because this thing that exists in between art and life brings a further detachment into play: one towards itself.

Jacques Rancière, who is repeatedly quoted in the context of political art, speaks of a characteristic “separation” between art, the contexts in which it originates and its potential effects in life. However, like Pomian, he is not concerned with creating a new link between viewers and certain life circumstances through art in keeping with that separation, but rather with the “gaps” within this triangular relationship. Art commandeers an “aesthetic distance” and in doing so calls for a “new division of the sensory”. This means: new means of perception will be possible with regard to what was previously self-evidently associated with certain meanings and functions in everyday life —but which can perhaps be interpreted and used entirely differently. This “gap” does indeed seem to exist, to put it crudely it is a hole, a pot hole at that, in which by circuitous routes art can suddenly come to life after all —when viewers suddenly start discussing what political intend might be implied in an artwork or how realistic an application of the ideal society put forward in a project as a model might actually be in practice. Art can become a driving force of social change without itself being the direct cause of those changes or specifically targeting such an effect. Even art that does not bring life into the museum but instead leaves its own four (white) walls behind is gripped by this transformational dynamic.

One criticism occasionally levied at an art that seeks out new spaces is that it parasitically appropriates atmospheres it is incapable of creating itself. Some exhibitions simply make more sense to viewers —as well as to those who curate and install them —when they do not take place in the museum building but allow new accessibilities to be created. There is almost always a mixture: the fascination of a picturesque or striking location attracts visitors while at the same time confronting them with a web of concepts, circumstances and what has developed between them. These can spill over onto visitors to the exhibition and the neighbourhoods of selected location.

The question when faced with nomadic, mobile or also simply local urban art exhibitions and projects is therefore: Is this implicitly

53 Distanz“. Ähnlich wie das Leben im Museum tritt auch die Kunst als ihr „Als-ob“ im Leben zu sich selbst in einen Abstand. Das heißt nicht, dass sie nun keine Kunst mehr ist. Sie ist in den allermeisten Fällen immer noch klar als solche erkenn- und auch erfahrbar. Doch eine Kunst, die sich ein Stück weit aus sich selbst herausträgt, kann nicht nur neue Publikumsgruppen adressieren. Sie kann auch das eingesehene Kunstpublikum zu dessen Betrachtungsgewohnheiten in Distanz setzen.

Man wird aufmerksam, außerhalb der Kunsträume, die man kennt —etwa auch auf das Verhalten der Menschen um sich herum: Sind das ebenfalls Kunsttourist*innen? Urlauber*innen und Ausflügler*innen? Vielleicht Einheimische? Wie verhält man sich selbst gerade eigentlich? Welche Haltung nimmt man beeinflusst von der Kunst zu den neuen Orten, aber auch beeinflusst von diesen Orten zu der Kunst ein?

Eine Fassade, die abgelöst von ihrem Baukörper auftritt, lässt hinter sich blicken —sie lenkt aber, gerade durch ihre Kulissenhaftigkeit, die Aufmerksamkeit auch auf das, was sich vor ihr abspielt. Dieser Metapher folgend lässt sich auch die Kunst, die sich ins Leben wagt, im produktiven Sinne als Fassade und Kulisse lesen —auch wenn sie uns nicht kulissenhaft im buchstäblichen Sinne entgegentritt.

Künstlerische Projekte im öffentlichen Raum entstehen, wie auch die institutionskritische Kunst innerhalb der ‚Museumsmauern‘ seit den 1960er Jahren, in einem ganz Bild, das man im Anschluss an Kelleys Mobile Homestead entwerfen könnte, klingt zunächst wenig schmeichelhaft. Die Kunst als solche, so wird hier suggeriert, kann nur eine oberflächlich inszenierte Wirkung auf das Leben haben. Tatsächlich aber bewirkt gerade Kelleys Mobile Homestead-Fassade ja so einiges: Sie durchquert die Stadtgebiete, erregt Aufmerksamkeit, gibt Raum für das, was man an sie heranträgt. Ist das dann noch Kunst? Oder schon Leben? Die Fassade der Kunst? Ein Als-ob der Kunst? Wer „als ob“ sagt, zieht die Augenbrauen hoch —doch öffnet dabei (bereits aus anatomischen Gründen) unwillkürlich auch die Augen etwas weiter. Durch die Skepsis hindurch kann Interesse entstehen, genauer hinzusehen, denn: Egal, was man an Kunst ins Leben hineinträgt —es wird automatisch zu etwas anderem. Das „Als-ob“ meint in der Kunstphilosophie einen ästhetischen Schein, der sich als solcher zu erkennen gibt und gerade dadurch seine Schlüssigkeit gewinnt —ähnlich wie das mit großer Ernsthaftigkeit gespielte Spiel der Kinder, die etwa so tun, „als ob“ sie sich in ein Tier verwandelten oder „als ob“ sie einen bestimmten Beruf ausübten und erwachsen wären, um sich in diesen Rollen auszuprobieren und die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Dieses „Als-ob“, so ließe sich eine lose Verbindung knüpfen, ist ebenso verwandt mit Rancières „ästhetischer

are still in many ways able to influence more. Presumably not solely through the experience of this specific artistic work and its aesthetic illusion —but very probably prompted by it and the gaps it leaves not least in relation to its artistic interaction with life and which may function as spaces in which to think and act. If art in life is its own “as if”, merely its façade or scenery —then we are left with the streets and the stages along which it moves.

Art is not real estate, not an immovable space for experiences that is reliant on its fixed location in an institutionally and architecturally closed space. The artistic space itself is anything other than closed and is permeable by life in both a democratic and a commercial sense. In turn life is also more than receptive to art and various processes of aestheticization. Only by recognizing this capacity for reciprocal influences will it become clear that the contexts of life and of art must actively seek each other out —no matter in which direction—in order not to be blurred together as a single entity.

Originally, according to Mike Kelley, he wanted to buy his parents’ house and dig secret tunnels into the earth. Nothing came of this subversive encroachment on the neighbours’ private lives —the anti-social moment of Mobile Homestead remains contained within the nonpublic basement labyrinth. At the same time Mobile Homestead invites artistic and nonartistic initiatives to present ideas —yet it refuses to keep these walls still, just as in the basement it reserves the right to always remain inaccessible to the public to some extent. This manner of openness which does not simply offer itself but demands that its viewers show an interest in its various locations, and does not simply invite them but also confronts them with the boundaries of what may be observed is the horizon towards which the façade of art on the bed of the truck is bumping along. This “as if” —a loose analogy could be made here —is also related to Rancière’s “aesthetic distance”. Similar to life in the museum, art as its own “as if” in life is distanced from itself. This does not mean that it is not art any more. In almost all cases it can still clearly be recognized and experienced as such. However, an art that protrudes from itself to some extent cannot only address new audiences. It can also place a distance between the established art public and its own habits of observation.

One becomes alert outside the art spaces one knows —to the behaviour of the people around one, for example: are they art tourists too? Holiday makers and sightseers? Or maybe locals? How is one actually behaving oneself right now? What attitudes does one adopt to new places influenced by art but also to art influenced by these places?

A façade that enters detached from its building can be seen from behind —but it also, precisely because it resembles scenery, directs attention to what is happening in front of it. Pursuing this metaphor, the art that dares intrude into life can also be read as a façade and scenery —even when it literally confronts us as something other than scenery.

Artistic projects in public spaces arise, just like art that is critical of institutions has done within museum walls since the 1960s, within a specific architectural and social environment. Its conception is shaped by mostly self-selected though never entirely predictable and controllable surroundings —and vice versa. They are, as one might say along with Rosalind Krauss, “site constructions” that deliberately introduce new elements to spaces but in the manner in which this happens are tangibly influenced by the individual dynamic of these spaces and are driven by them to a certain extent to live and grow (or overgrow). Art and its location both interpret each other afresh, each becoming material for the other although the artistic work in particular has to react to specifics of the selected location —even in such an unexpected way that an original project idea will be redirected or organized in a new or different way. The artistic work and the location become inextricably entwined with each other though without merging indistinguishably into a single image that is all too easy to consume. Through its sometimes alien presence an artwork that is site specific to such an extent can awake a sensibility to phenomena and processes in the landscape, in urban spaces and in social fabric which it itself directs, highlights and experimentally reinterprets but which we ourselves about a mobility from one location to another that could be interpreted as a reflex-like adjustment to the art market’s fast pace and flexibility with neoliberal connotations? Or does art deliberately take on a route to a specific place, with which it enters into a physical and discursive exchange while offering points of contact for very different publics?

When the transportation of art metaphorically speaking enters life, art has to prove itself under the more exacting conditions of public spaces beyond the museum that govern the temporary co-habitation of art with everyday society through very specific demands such as guidance and liability. Here it will be revealed whether an artwork succeeds in establishing a space of its own that asserts itself but does not claim any independent significance. The challenge is to bring the institutional art space —that also resonates beyond the institution, by picking up on certain habits of seeing and representation for example —into a relationship with the aesthetic space of an artistic work and also the social spaces in which it can find an audience. Between these spaces of art and the spaces of its exterior as well as practiced means of perception there lies a spectrum —not a clear boundary. This spectrum, within which the realms of art and life broadly overlap, can be exploited in its full breadth.

The façade of art goes on tour through life. This image, which could be created in response to Kelley’s Mobile Homestead, does notinitially sound flattering. Art per se, it is suggested here, can only have a superficially staged effect on life. However, Kelley’s Mobile Homestead façade genuinely has several effects: it travels through districts of the city, attracts attention and creates space for what people bring to it. Is that still art? Or has it become life? An artistic façade? An artistic “as if”?

Anyone who says “as if” will raise their eyebrows —while (for purely anatomical reasons) involuntarily opening their eyes wider. Scepticism can produce an interest in looking closer because no matter what art one carries into life —it automatically turns into something else. In the philosophy of art that “as if” means an aesthetic illusion that can be recognized as such and is convincing precisely because of this —similar to a game played with great seriousness by children who behave “as if” they had transformed themselves into an animal or “as if” they were adults working in a particular profession in order to try out these roles and see the world through other eyes. Ellen Wagner is an independent author and curator. She completed her PHD at Offenbach’s Hochschule für Gestaltung (University of Art and Design) on artistic strategies of mimicry in post-internet art (and is a co-founder of the Offenbach art association Mañana Bold e.V. )

konkreten architektonischen und sozialen Umfeld. Ihre Konzeption wird von einem meist selbstgewählten, doch nie völlig zu berechnenden und zu kontrollierenden Umfeld geprägt —und umgekehrt. Sie sind, wie man anschließend mit Rosalind Krauss sagen könnte, „site constructions“, die gezielt neue Elemente in Räume einbringen, aber in der Art und Weise, wie dies geschieht, auch spürbar durch die eigene Dynamik dieser Räume beeinflusst werden und durch diesen Antrieb gewissermaßen lebendig wachsen (oder auch wuchern). Die Kunst und ihr Ort interpretieren einander jeweils neu, werden einander zum Material, wobei jedoch insbesondere die künstlerische Arbeit auf bestimmte Spezifika des ausgesuchten Ortes reagieren muss —auch auf solche unvorhergesehener Art, die eine ursprüngliche Projektidee umlenken, neu und anders ausrichten. Die künstlerische Arbeit und der Ort verflechten sich unauflösbar miteinander, ohne doch ununterscheidbar voneinander zu einem allzu leicht konsumierbaren Bild zu verschmelzen. Durch ihre manchmal fremdkörperartige Präsenz kann eine solchermaßen ortsspezifische Kunst Sensibilität für Phänomene und Prozesse in der Landschaft, im Stadtraum, in sozialen Gefügen wecken, die sie selbst inszeniert, hervorhebt, versuchsweise uminterpretiert, die aber wir selbst in noch vielen Weisen mehr beeinflussen können. Vermutlich nicht allein durch die Erfahrung dieser bestimmten künstlerischen Arbeit und ihres ästhetischen Scheins —doch sehr wohl angestoßen von ihr und ihren Leerstellen, die sie nicht zuletzt in Bezug auf ihren künstlerischen Umgang mit dem Leben lässt und die als Denk- und Handlungsräume fungieren können. Wenn die Kunst im Leben ihr eigenes ästhetisches „Als-ob“ nur ihre Fassade oder Kulisse ist —dann bleiben uns die Straßen und die Bühnen, entlang derer sie sich bewegt. Kunst ist eben keine ‘Immobilie‘, kein unbeweglicher Erfahrungsraum, der auf seine feste Verortung in einem institutionellen und architektonisch geschlossenen Raum angewiesen ist. Der Kunstraum selbst ist alles andere als abgeschlossen und durchlässig für das Leben, im demokratischen wie im kommerziellen Sinne. Umgekehrt ist auch das Leben mehr als empfänglich für die Kunst und verschiedene Prozesse der Ästhetisierung. Nur durch eine Anerkennung dieser wechselseitigen Beeinflussbarkeit hindurch wird klar, dass die Kontexte des Lebens und der Kunst einander —egal in welche Richtung—aktiv aufsuchen müssen, gerade um nicht miteinander in eins zu verschwimmen.

Ursprünglich, so Mike Kelley, habe er sein Elternhaus kaufen und geheime Tunnel ins Erdreich graben wollen. Aus diesem subversiven Übergriff in die Privatsphäre der Nachbarn wurde nichts —das anti-soziale Moment von Mobile Homestead bleibt jedoch in dem nicht-öffentlichen Kellerlabyrinth erhalten. Gleichzeitig lädt Mobile Homestead künstlerische und nicht-künstlerische Initiativen ein, Ideen zu präsentieren —doch weigert es sich, diese Wände still zu halten, ebenso wie es sich im Keller vorbehält, für sein Publikum immer ein Stück weit unzugänglich zu bleiben. Diese Art der Offenheit, die sich nicht einfach anbietet, sondern von ihren Betrachter*innen ein Eingehen auf die unterschiedlichen Orte verlangt, und sie nicht bloß einlädt, sondern auch mit den Grenzen des Betrachtbaren konfrontiert, ist der Horizont, auf den die Fassade der Kunst auf der Ladefläche des Lastkraftwagens zuholpert.

Ellen Wagner ist freie Autorin und Kuratorin. Sie hat an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach a. M. zu Künstlerischen Strategien der Mimikry in der Post-Internet Art promoviert (und ist Mitgründerin des Offenbacher Kunstvereins Mañana Bold e. V.)