
3 minute read
2 | 2022 Virtuelle Verankerungsplanung in der Kieferorthopädie
Die computergestützte 3D-Positionierung von Verankerungspins ist ein Baustein im digitalen Workflow. CAD/CAM-Führungsschablonen und Lasersinter-Apparaturen sind Teil eines Gesamtkonzeptes für komplexe Fallplanungen.
Advertisement
Eine maximale Verankerung ist für die Umsetzung von orthodontischen Bewegungen von Zähnen oftmals erforderlich. TADs* bieten dafür einen Fixationspunkt im Kieferknochen. CAD/CAM-Apparaturen wie der „Vienna Palate Expander“ und der „Vienna Mesial Slider“, nach Dr. Alexander Schwärzler, beinhalten virtuell positionierte TADs zur optimalen Kraftverteilung (Abb. 1).

Abb. 2: Schnittbild der virtuellen TAD-Position
Abb. 1: Frontalansicht mit Vienna Palate Expander
Virtuelle TAD-Positionierung
Computertomographische 3D-Modelle und Intraoral-Scans erlauben eine TAD-Positionierung entsprechend den individuellen anatomischen Strukturen (Abb. 2). Die digitale Überlagerung von Knochen und Weichgewebe stellt die Basis der 3D-Planung dar. 2017 beschrieben Hourfar et al. eine durchschnittliche Erfolgsrate der Verankerungspins von 98,4 Prozent im vorderen Gaumen. Diese Region ist somit besonders geeignet für die Anwendung von TADs im Oberkiefer.

*TAD – Temporary Anchorage Device lautet der internationale Begriff für die temporäre knöcherne Verankerung bei kieferorthopädischen Behandlungen.
Abb. 3: Palate Anchorage Guide

Abb. 4: Virtueller Palate Anchorage Guide auf digitalem Oberkiefermodell

Literatur: Hourfar J., Bister D., Kanavakis G., Lisson J. A., Ludwig B. Influence of interradicular and palatal placement of orthodontic miniimplants on the success (survival) rate. Head Face Med. 2017.
Palate Anchorage Guide
Die digitale Konstruktion der Schablone „Palate Anchorage Guide“ erfolgt im Fachbereich Kieferorthopädie mittels CAD-Programmen. Nach 3D-Druck aus biokompatiblem Kunststoff wird die virtuelle TAD-Position in den Patient:innenKiefer übertragen. Der Palate Anchorage Guide (Abb. 3) wurde von Dr. Alexander Schwärzler in Zusammenarbeit mit der Firma Tiger Dental (Bregenz, Österreich) für die Anforderungen des Vienna Palate Expander und des Vienna Mesial Slider entwickelt. (Siehe auch Ausgabe DentUnique 1/2022)
Design
Zwei Führungshülsen bilden die Kernelemente der Schablone, welche Positions- und Winkelwerte der Titanpins beinhalten. Die Rahmenkonstruktion aus Kunststoff stützt sich an dem Zahnbogen des Oberkiefers (Abb. 4). Ein STLDatensatz der Schablone wird an das zahntechnische Labor für den 3D-Druck übermittelt. Nach abschließender Qualitätskontrolle sind die Guides einsatzbereit. Der Fertigungsprozess benötigt, inklusive 3D-Druck und Feinausarbeitung, sechs bis acht Stunden.
Individuell
Der Workflow von Design und Produktion der TAD-Positionierung ist standardisiert. Die individuelle Maßanfertigung entsprechend den anatomischen Strukturen macht jede Schablone zum Unikat.•
Anforderungen an palatinale Verankerungspins:
• optimale Nutzung des
Knochenangebots • symmetrische Positionierung • Schonung von Zahnwurzeln und den umliegenden Strukturen • optionale bikortikale Verankerung für den Vienna Palate Expander (Gaumendach, Nasenboden)
Anwendungsbeispiel
Virtuelle Planung und klinischer Einsatz des Palate Anchorage Guide.
TAD-Länge 14 mm Kerndurchmesser 2.0 mm Position vorderer Gaumen monokortikal Abstand TAD–TAD 9 mm, parallel
Einsetzwinkel Prozedur Apparatur
Anwendung
15 Grad single session Vienna Mesial Slider
beidseitiger Lückenschluss bei Nichtanlage 12,22
TAD-Indikation
Die kieferorthopädische Planung sieht einen Lückenschluss durch Vorwanderung der Seitenzähne von 7 mm vor. Knöcherne Verankerung entlastet Zähne und gewährleistet in Kombination mit dem Vienna Mesial Slider eine körperliche Bewegung der Seitenzähne. Die Aufklärung bezüglich der Behandlung geschah im Beisein des oder der Erziehungsberechtigten.
Klinische Positionierung
Nach digitaler Konstruktion und 3D-Druck des Palate Anchorage Guides wurde die Schablone am Oberkiefer platziert (Abb. 5a, 5b). Ein langsam drehender Schraubendreher mit zylindrischem Führungsaufsatz erlaubt eine schonende und passgenaue Inserierung der TADs (JEIL Medical Corp) (Abb. 5c). Der Vorgang dauert 15 Minuten und geschieht unter lokaler Betäubung des vorderen Gaumendachs.



Abb. 5a: Schnittbild virtuelle TAD-Position Abb. 5b: 3D-gedruckte Schablone Abb. 5c: Oberkiefer mit TADs
Fazit: Die Kombination aus CAD/CAM-Apparaturen und schablonengeführter Verankerung ist eine effiziente und zeitsparende Methode. Komplexe kieferorthopädische Behandlungen können, in Zukunft auch in Verbindung mit einer Lingualtherapie oder einer Alignertherapie, nahezu unsichtbar durchgeführt werden.
Das Team
Dr. med. dent. Alexander Schwärzler Assistenzarzt im Fachbereich Kieferorthopädie Universitätszahnklinik Wien
Univ.-Prof. DDr. Erwin Jonke Leiter des Fachbereichs Kieferorthopädie Universitätszahnklinik Wien