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Was hat das schweizerische Freiburg mit dem italienischen Bari gemeinsam? Beide verehren den Heiligen Nikolaus und zelebrieren dessen Fest am 6. Dezember. Ein Heiliger, der sich ungebrochen grosser Beliebtheit erfreut. Michele Bacci

Die verschiedenen westeuropäischen Kulturen neigen dazu, dem Heiligen Nikolaus nicht nur in den eigentlich religiösen Ausdrucksformen, sondern auch im Bereich der sogenannten Volkskunde einen wichtigen Platz beizumessen; der Kult des Heiligen ist in der ganzen Christenheit tief verwurzelt. Im Osten galt das Grabmal in der lykischen Stadt Myra als Hauptpilgerort, aber der Kult wurde auch im Westen seit den ersten Jahrhunderten weitverbreitet. Rom war im Hochmittelalter der Ausgangspunkt der Verbreitung dieser Verehrung, die sehr schnell die transalpinen Regionen und das deutschsprachige Gebiet erreichte. Der bedeutende Kultort Saint-Nicolas-de-Port in Lothringen spielte ab dem 11. Jahrhundert offensichtlich eine wichtige Rolle in der Förderung des Nikolai-Kultes. Nikolaus wird in der hagiografischen Literatur wiederholt als exemplarischer Bischof gelobpreist. Deswegen schrieben ihm die Künstler die lateinischen Attribute der Bischofswürde zu. Anstelle des byzantinischen Pheloniums und des Homophorions wurde er mit Mitra, Stola und Kasel gekleidet. Zudem neigte Nikolaus dazu, seinen östlichen Bart zu verlieren, weil die westliche Kirche traditionsgemäss der Meinung war, dass sich die Prälaten immer mit einem glatt rasierten Kinn präsentieren sollten. Trotzdem benutzten die Künstler je nachdem unterschiedliche ikonografische Lösungen, vor allem weil die byzantinischen Ikonen, die Nikolaus mit Bart darstellten, im Westen immer als massgebliche Kunstwerke wahrgenommen wurden. Diener zweier Herren Würde man eine Verbreitungskarte der Nikolaus-Riten und -Bräuche herstellen, dann würde offensichtlich, dass der Heilige

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noch heutzutage nicht nur in katholischen Gebieten, sondern auch in traditionell protestantischen Städten und Regionen beliebt ist. In vielen Orten spielt er die Rolle eines überirdischen Gabenbringers, der normalerweise von einer furchterregenden und tierischen Figur begleitet wird. Es ist erstaunlich, dass dabei seine Identität als katholischer Bischof, beispielsweise in der Amsterdamer Tradition, noch vollständig erkennbar ist. In anderen Kontexten hingegen finden wir eher eine bildliche Kontamination zwischen Nikolaus und seinem wilden Begleiter, die im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts den deutschen Weihnachtsmann und folglich auch den amerikanischen Santa Claus hervorbrachte. Der Ursprung solcher Bräuche liegt allerdings in der öffentlichen Inszenierung der Ankunft des Bischofs von Myra, die in den mittelalterlichen Kirchenschulen am Vorabend des jährlichen Festes Nikolai stattfand. Dieser Brauch überlebte in Fribourg/ Freiburg bis heute, in der von den Jesuiten im 16. Jahrhundert bearbeiteten Form. Bei der Feierlichkeit präsentiert sich Nikolaus als ein Bischof mit Tiara, Pastorale und einem langen Bart, obgleich die lokalen Darstellungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert ihn regelmässig als einen glatt rasierten Prälaten zeigen. Apulische Nikolai-Hochburg Gegenüber den Freiburger und nordeuropäischen Bräuchen ist das Kultphänomen rund um die Nikolai-Basilika in Bari sehr unterschiedlich. Indirekt gilt dies als Bestätigung für die oben genannte Anpassungsfähigkeit des Nikolaus. Als eine Gruppe von vierundsiebzig Seeleuten 1087 die Gebeine des Heiligen von Myra nach der apulischen Stadt überführte, strebte die lokale Gemein-

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dossier Saint-Nicolas superstar Aussi bien en Occident qu’en Orient, tant en milieu catholique que protestant, Saint-Nicolas jouit depuis des siècles d’une popularité inaltérée. Dans de nombreux endroits, il joue le rôle de celui qui arrive de nulle part et apporte des cadeaux ; pourtant, son identité en tant qu’évêque catholique, comme c’est le cas dans la tradition d’Amsterdam, est encore reconnue. Au niveau de l’image cependant, on constate parfois une confusion ( apparue au cours des 18e et 19e siècles  ) entre St-Nicolas et son féroce compagnon et le Père-Noël allemand ou, plus tard, le Santa Claus américain. L’origine de ces différentes coutumes réside dans la mise en scène publique de l’arrivée de l’évêque de Myre qui, selon les écoles confessionnelles du MoyenAge a eu lieu la veille de la fête annuelle dédiée à Saint-Nicolas. Cette coutume s’est perpétuée à Fribourg sous la forme que l’on connaît encore aujourd’hui, remaniée par les Jésuites au 16e siècle. Lors des festivités, Saint-Nicolas est représenté en tant qu’évêque avec une mitre, une crosse et une longue barbe, même si les représentations locales des 15e et 16e siècles montrent le plus souvent un prélat glabre.

Vielbegehrter Schutzpatron


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