Aufbruch in die Moderne? Paul Schad-Rossa und die Kunst in Graz

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296 — 297 Susanne Watzenböck

kulturelle Klima der Stadt für die nächsten Jahre nachwirkend beeinflussen. 1887 wurde Gurlitt Kurator des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum sowie Leiter der Prähistorischen- und Antikensammlung. Vor allem diese außeruniversitären Funktionen gaben ihm Gelegenheit, neue Richtungen im Kulturleben der Stadt in die Wege zu leiten, da er in diversen Gremien und Enqueten des Steiermärkischen Landtags für den nötigen politischen Druck sorgen konnte, um traditionelle Strukturen aufzubrechen. 1894/1895 war er Dekan der Philosophischen Fakultät. Im November 1899 wurde er Präsident des Steiermärkischen Kunstvereins, dem er eine starke Hinwendung zu modernen Strömungen verlieh. 1900 wurde er korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien. Gurlitt setzte sich zudem erfolgreich dafür ein, Paul Schad-Rossa nach Graz zu berufen, um die Entwicklung der modernen Kunst in der Steiermark zu fördern und an internationale Tendenzen anzubinden. Gurlitt war auch an der Neugestaltung der bestehenden Kunstsammlungen und der Landeszeichenakademie wesentlich beteiligt. Lit.: Eva Klein, Das Plakat in der Moderne, Phil. Diss., Graz 2011; Eva Klein, Vergessene steierische Moderne. Paul Schad-Rossa und das kreative Milieu um 1900. Sonderdruck aus dem Historischen Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 42., hg. v. Friedrich Bouvier und Nikolaus Reisinger, Graz 2012; Ulrike Tropper, Das kreative Milieu von Graz um 1900, Phil. Diss, Graz 1994. Josef Strzygowski * 7. März 1862 in Kunzendorf (Lipnik), heute in Polen, † 2. Februar 1941 in Wien Kunsthistoriker Josef Strzygowski stammte aus einer deutsch-schlesischen Textilunternehmerfamilie. Ab 1880 arbeitete er in der elterlichen Fabrik und schloss 1882 eine Ausbildung an der staatlichen Fachschule für Weberei ab. Er entschloss sich jedoch gegen die Übernahme des Textilunternehmens und studierte ab 1882 Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten in Wien, Berlin und München, wo er 1885 mit einer Arbeit über die Ikonografie der Taufe Christi zum Dr. phil. promovierte. 1887 kehrte er nach Wien zurück, um sich als Dozent für Kunstgeschichte an der Wiener Universität zu habilitieren. 1892 erfolgte die Berufung Strzygowskis an die Universität Graz durch Wilhelm

Gurlitt. Dort wirkte er ab 1892 als Professor für Kunstgeschichte sowie als erster Leiter des Kunsthistorischen Instituts. 1896 gründete er die Kunsthistorische Gesellschaft nach Vorbild der pädagogischen Erziehungsbewegung Alfred Lichtwarks. 1909 übersiedelte Strzygowski nach Wien, wo er bis zu seiner Emeritierung 1933 das erste Kunsthistorische Institut leitete. 1933 gründete er die Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung in Wien. Neben seinen wissenschaftlichen Bemühungen, eine grundlegende Methode für die vergleichende Kunstwissenschaft auszubilden, um die Kunst des Orients mit der westlichen Kunstentwicklung in Beziehung zu setzen, war Strzygowski bestrebt, die Grazer Bevölkerung für die bildende Kunst der Gegenwart zu sensibilisieren bzw. Rahmenbedingungen für ein lebendiges Kunstleben zu schaffen. Sein erfolgreichstes Buch Die bildende Kunst der Gegenwart. Ein Büchlein für jedermann erschien 1907. Strzygowski genoss nicht nur als Wissenschaftler große Popularität, sondern auch als Kritiker zeitgenössischer Kunst, beispielsweise für Die Zeit. In späteren Jahren erfuhren seine Schriften eine nationalideologische Ausrichtung, so publizierte er in der Zeit des Nationalsozialismus Bücher wie Aufgang des Nordens oder Das indogermanische Ahnenerbe des deutschen Volkes. Lit.: Ulrike Tropper, Das kreative Milieu von Graz um 1900, Phil. Diss, Graz 1994. Hermann Ubell * 3. März 1876, † 13. August 1947 in Linz Archäologe, Lyriker, Kunst- und Literaturkritiker Hermann Ubell studierte ab Mitte der 1890er-Jahre Archäologie bei Wilhelm Gurlitt und Anton Emanuel Schönbach in Graz und promovierte 1900 zum Dr. phil. Nach Erhalt des Romstipendiums bereiste er daraufhin Italien und Griechenland. 1897 organisierte Ubell die Klinger-Ausstellung am Grazer Kunsthistorischen Institut und hielt in den folgenden Jahren zahlreiche Vorträge im Rahmen der Kunsthistorischen Gesellschaft, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Ebenso war er an der Gründung des Grazer Künstlerbundes (1900) und an der Herausgabe der Grazer Kunst beteiligt. Im Mitgliederverzeichnis des Steiermärkischen Kunstvereins wird Ubells Name erstmals 1900 erwähnt, obwohl er bereits in den Jahren davor sehr aktiv am Modernisierungsprogramm des Vereins teilgenommen und

dessen Ausstellungen betreut hatte. Ubells kunstpädagogische Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich jedoch nicht nur auf Vorträge und Führungen, sondern er benützte vor allem das Pressewesen, um breitere Publikumsschichten zu erreichen. Seine ersten journalistischen Versuche ermöglichte ihm wahrscheinlich sein Vater Karl Ubell, damals Chefredakteur des deutschnationalen Grazer Tagblatts, später wurde Ubell von Hermann Bahr und dem Chefredakteur der Wiener Abendpost Eugen Guglia gefördert. Er arbeitete als Redakteur für Die Zeit und die Wiener Abendpost. 1903 wurde sein einziger Gedichtband Stundenreigen veröffentlicht und es erfolgte seine Berufung an das Oberösterreichische Landesmuseum, zu dessen Direktor er 1908 ernannt wurde. Lit.: List 1967–1982; Ulrike Tropper, Das kreative Milieu von Graz um 1900, Phil. Diss, Graz 1994; Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 93. Franz Wibiral * 1840 in Brünn (Brno), heute in Tschechien, † 12. November 1914 in Graz Rechtsanwalt Franz Wibiral war von 1869–82 als Gerichtsadvokat in Wien und Meran tätig. Aus Gesundheitsgründen musste er 1883 jedoch seinen Beruf aufgeben und widmete sich ab diesem Zeitpunkt ausschließlich der künstlerischen Grafik. 1893 übersiedelte er nach Graz, wo er rasch in das soziokulturelle Gesellschaftsleben integriert wurde: Er trat dem Steiermärkischen Kunstverein bei, in dessen Vorstand er 1897 gewählt wurde, und gehörte der Kunsthistorischen Gesellschaft als stellvertretender Obmann an. Ab 1899 befasste er sich mit dem Aufbau des Landeskupferstichkabinetts, die 1901 als eigene Abteilung des Joanneums eröffnet wurde und das er bis zu seinem Tod ehrenamtlich leitete. Zudem hielt Wibiral Vorträge und Führungen in Grazer Museen für die Kunsthistorische Gesellschaft und verfasste wissenschaftliche Arbeiten, unter anderem über die Grazer Stecherfamilie Kauperz oder die Ikonografie des van Dyck. Nach dem Tod Wilhelm Gurlitts 1905 übernahm er bis 1908 das Präsidentenamt des Kunstvereins. 1906 brachte Wibiral den Antrag auf die Auflösung der Kunsthistorischen Gesellschaft ein. Lit.: Ulrike Tropper, Das kreative Milieu von Graz um 1900, Phil. Diss, Graz 1994.


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