UniResearch 3

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FAKULTÄT FÜR DESIGN UND KÜNSTE / Facoltà di Design e Arti _ 033

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Designer mit Ingenieursblick

Bei der langen Nacht der Forschung konnten Kinder im vergangenen Herbst Autos bauen. Große bunte, an Lego erinnernde Körper in verschiedenen Formen, die nach Lust und Laune mit einem Fahruntersatz kombiniert werden konnten. Hat das etwas mit Forschung zu tun? Ja, sagt der Designer Martin Luccarelli. Ziel seiner Aktion war es verständlich zu machen, wie leicht Autos in Zukunft an unsere Bedürfnisse angepasst werden könnten. „So wie wir heute im Frühling die Winterreifen gegen Sommerreifen wechseln, wird man wahrscheinlich in Zukunft auf den unteren Teil eines Autos je nach Bedarf ein Cabrio oder einen Transporter aufsetzen können“, sagt er. Bis diese Zukunftsvisionen Realität werden, braucht es aber noch einige Zwischenschritte, die mit viel Forschung verbunden sind. Bei einem davon ist Martin Luccarelli direkt involviert: bei der Wende, die der Umstieg auf alternative Antriebssysteme mit sich bringt. Denn reine Elektro- oder Wasserstoffahrzeuge müssen nicht nur anders betankt werden, sie werden auch anders aussehen. Während sich das Automobildesign heute mehr oder weniger auf die Fortsetzung bekannter Baureihen mit kleinen Abänderungen beschränkt, stellen große Batterien oder Wasserstofflaschen die Designer vor vollkommen neue Herausforderungen. Genau hier setzt Luccarellis auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt an. Seine Kernfrage lautet: Wie wird sich das Design von Autos durch die Verwendung anderer Motoren verändern? Eine Frage, für deren Beantwortung der Forscher der Fakultät für Design und Künste ideale Voraussetzungen mitbringt. Neben seiner jahrelangen

Arbeitserfahrung im Bereich Fahrzeugdesign belegt er derzeit ein Doktoratsstudium im Bereich Nachhaltige Energie und Technologien an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik. Eine interdisziplinäre Herangehensweise, die laut dem jungen Forscher notwendig ist, um überhaupt einen Bezug zur Realität herzustellen. „Bevor ich bestimmen kann, was im Design passiert, muss ich wissen, welche Technologien Zukunft haben und welche Komponenten dabei ausschlaggebend sind.“ In dieser Reihenfolge nähert sich Martin Luccarelli auch dem Ziel seiner Forschung. Der erste Schritt? Die Beteiligung an einem Forschungsprojekt der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik in Bozen, das unter anderem feststellte, welche Faktoren ausschlaggebend sind, damit sich alternative Fahrzeuge künftig am Markt durchsetzen können. Um mehr über den technologischen Statuts quo und Zukunftsszenarien bei der Entwicklung dieser Fahrzeugtypen herauszufinden, verbringt der Designer das Sommersemester 2013 als Gastforscher in Deutschlands akademischer Hochburg der Elektromobilität: dem Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik der TU München. Im Umfeld der Autohersteller Audi und BMW wird dort an den kniffligsten Problemen gearbeitet, die der Umstieg auf alternative Antriebssysteme mit sich bringt. Einen echten Flaschenhals beim Elektroauto stellt derzeit laut Luccarelli die Batterie dar: groß, teuer, schwer – und entsprechend schwierig in heutige Autokonzepte zu integrieren. Für den Designer ist nun wichtig zu verstehen,

Foto von Martin Luccarelli

Große Umbrüche verlangen nach Antworten, für die das Wissen einer Disziplin vielfach nicht mehr ausreicht. Das hat auch der Designer Martin Luccarelli verstanden, der sich der Frage widmet, wie die Autos der Zukunft aussehen werden.

welche Lösungen sich für solche Komponenten in Zukunft durchsetzen werden. Ziel seines Projektes ist schließlich die Analyse von ein oder zwei Modellen von Elektroautos, bei denen alle erforderlichen Komponenten am richtigen Platz stehen und die Bedürfnisse für den jeweiligen Kontext optimal berücksichtig werden. „Denn die Anforderungen an das Design sind natürlich andere, wenn ein Auto für die Mobilität in einer Megacity oder für lange Strecken auf Autobahnen gedacht ist“, so Luccarelli. Nebenbei nutzt er sein Gastsemester in München für eine Designbewertung von Fahrzeugklassen: Im Austausch für das Know-how, das ihm die Ingenieure mitgeben, liefert ihnen der Designer Parameter, welche Proportionen für die unterschiedlichen Segmente notwendig sind, damit ein Auto gut aussieht. Auch wenn heute schon klar ist, dass sich Konsumenten an neue Formen gewöhnen werden

müssen, gilt es laut Luccarelli dennoch bestimmte Grundregeln einzuhalten, damit ein Autodesign gut wahrgenommen wird. „Wenn die Ingenieure schon zu Beginn des Entwurfs eine Art Schachtel haben, innerhalb der sie sich bewegen können, starten wir natürlich schon viel besser.“ Für einen der ersten Forscher der Freien Universität Bozen, der an zwei Fakultäten tätig ist, nur einer von vielen Belegen für die positiven Effekte multidisziplinärer Forschung. „An der TU München haben Forscher der unterschiedlichsten Fakultäten sogar gemeinsam ein fahrfähiges Elektroauto-Konzept, den MUTE, entworfen“, erzählt er. Nicht nur in der Automobilbrache sei es deshalb höchste Zeit, in der Forschung immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszusehen – um gemeinsam besser in die Zukunft zu starten.

Martin Luccarelli ist seit 2010 Forscher mit dem Schwerpunkt Produktionstechnologien und -Systeme an der Fakultät für Design und Künste. Parallel dazu belegt er den PhD-Studiengang „Nachhaltige Energie und Technologien“ der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik. Nach einem Produktdesign-Studium am Politecnico di Milano und einem Master in Transportation Design arbeitete er unter anderem in Mailand, Tokio, Dubai und Stuttgart im Bereich Fahrzeugdesign und Industriedesign.


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