UnAufgefordert Nr. 101

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Zauberwort „Synergie"

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Wie in Adlershof ansässige Firmen und außeruniversitäre Forsehungseinrichtiungen die Zukunft des Standortes beurteilen: Grundgedanke und wesentliches Argument für den Umzug der Naturwissenschaften nach Adlershof sind die angestrebten „Synergien" zwischen außeruniversitärer Wissenschaft, Wirtschaft und Universität.Doch die nicht eingeplanten Leerstände der millionenteuren Neubau-Komplexe zwingen den Senat zum Umplanen. Wenn nicht hoffnungsvolle Neu- oder Ausgründungen privater Forschungseinrichtungen nach Adlershof ziehen, soll die Humboldt-Universität die Lücke büßen. Sollte die Universität mangels Substanz der Forschungsmonopolist am Standort werden, würde die beschworene Wechselwirkung eher eine Einbahnstraße. UnAufgefordert fragte Unternehmen, die bereits den Schritt in die große Leere vollzogen haben, wie sie die Zukunft des Standortes bewerten. „Im Moment ist es noch einfacher, Leute aus Erlangen hierhin zu bekommen, als Studenten von der Humboldt-Uni." Günther Wagner vom Institut für Kristallzüchtung (IKZ) sieht die gegenwärtige Situation als ein Übergangsstadium. Das 1992 gegründete IKZ, das aus einem Institut der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR hervorgegangen ist, bezog im vergangenen Jahr einen Neubau in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten Chemiegebäude. „Wir sind froh, daß hier etwas passiert", sagt der Chemiker und läßt vor seinen Augen ein positives Szenario entstehen. Er freut sich auf den Einzug der Universität und hofft auf enge Zusammenarbeit mit der Chemie und der Physik. Da viele der Mitarbeiter des Instituts selbst an der Humboldt-Uni studiert hätten, gebe es schon enge Verbindungen. Besonders hofft man auf viele Diplomanden und Promovenden.

„Zeichen staatlicher Wasserköpfigkeit" Weniger mit der HU als mit der TU arbeitet im Moment die Firma Advanced Photonic Systems im Photonik-Zentrum zusammen, die seit 1996 in Adlershof ist. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Max-Born-Institut habe sich die Standortwahl gelohnt, berichtet Geschäftsführer Jürgen Frahm. Er kann sich eine Zusammenarbeit mit der Physik an der HU vorstellen, weiß aber noch nicht, welche Schwerpunkte es dort gibt. „Wir haben noch nicht mal überlegt, ob wir dagegen klagen, weil wir die Tragweite des Entwicklungsprojektes nicht abschätzen konnten ... heute würden wir das vielleicht tun." Gerhard K. Englert, Geschäftsführer der JohannisthalSynchron, ist relativ emotionslos, wenn er mit dem Zauberwort „Synergie" konfrontiert wird. „Sicher ist es fragwürdig, ob es gut ist, als Firma in einem staatlichen Entwicklungsgebiet zu arbeiten, aber wir sehen darin auch kein großes Hindernis." Andere Beteiligte sind wesentlich ungehaltener. „Die gesamte Bauplanung ist ein Zeichen staatlicher Wasserköpfigkeit. Wenn für 90 Millionen Mark ein Gebäude hochgezogen wird und davon 80 Millionen Mark aus Fördergeldern stammen, ist die Katastrophe vorprogrammiert", meint Elmar Baumann, Mitarbeiter in einer ansässigen Umwelttechnik-Firma. Weder Effizienzient, noch Praktikabilität spielten eine Rolle, sondern lediglich die politische Aufmerksamkeit, die über solche Projekte erreicht würden. Diese Kritik richtet sich vor allem gegen die WISTA-Management-GmbH, die mit Aufbau und Ablauf des Betriebes in Adlershof betraut ist. Die Zielvorgaben der Berliner Politik, Adlershof zu einer Mixtur aus „Silicon Valley Europas" und einem günstigen Umfeld für kleine dynamische Firmen zu ent-

UnAufgefordert April 1999

wickeln, sind für die WISTA-MG kaum zu bewältigen. Daraus ergibt sich ein Konflikt zwischen notwendigem Tagesgeschäft und der Befriedigung profilneurotischer Politiker. Wolfgang Schultes, als Geschäftsführer der benachbarten „Mediacity" ebenfalls vom Erscheinungsbild Adlershofs betroffen, vertritt die Ansicht, daß der entscheidende Fehler in der Ausrichtung am Hurra-Marketing der Berliner Landespolitik besteht. Hier werde ein unspezifischer Rahmen geliefert, mit dem kein Marketing betrieben wird. „Nicht die Menschen, die eine hohe Bugwelle schieben und flotte Sprüche klopfen, entscheiden über den Standort, sondern der Erfolg der ansässigen Firmen, mit denen sich diese Menschen rühmen." Seiner Meinung nach müßte das Land Berlin endlich die Augen öffnen und erkennen, daß große Firmen wie Debis, Sony oder Siemens völlig andere Ansprüche an ihren Standort haben. „Die Durchschnittsgröße der hier ansässigen Firmen beträgt zwölf bis vierzehn Mitarbeiter. Die Erwartungen sind hier anders als die Marktstrukturen." Schultes wird es wissen. Er war von 1993 bis 1996 Marketingchef der für die Entwicklung des Standorts Adlershof zuständigen BAAG. jg do, raa

Die Schilder sind schon da: Das bunte FirmenPotpouri in Adlershof steht in Kontrast zu der „Profilbildung", mit der die WISTA wirbt.


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