Eppan Magazin 2017 deutsch

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UNTERWEGS

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in sonniger Tag kurz vor Frühlingsbeginn in St. Michael | Eppan. Die Musikanten der lokalen Bürgerkapelle tragen zum ersten Mal ihre neue Tracht zur Schau. Stramm und stolz stehen sie da: Auf dem Kopf einen großen schwarzen Scheibenhut aus Filz mit Tschoggelen (Quasten), um den Hals die schwarzseidene Halsbinde. Das Hemd aus feinem weißen Leinen hat weite bauschige Ärmel, unter dem braunen Lodentuchrock mit Stehkragen und Revers blinken die silbernen Knöpfe des seitlich geknöpften, roten Leibls mit grün eingefasstem Halsausschnitt. Die schwarze, dezent bestickte Kniebundhose aus sämisch gegerbtem Hirschleder ist am Knie mit einem grünen Band gebunden. Schmutzigweiße Trachtenstutzen mit traditionellen Strickmustern und schwarze Schnallenschuhe vervollständigen das Gewand. Die neue Männertracht ist detailreich gefertigt, fast alles ist handgemacht. Insgesamt sechs einheimische Handwerksbetriebe und eine Lederschneiderei aus Lienz waren in das Projekt eingebunden. 2014 wurde unter der Führung des damaligen Obmannes der Bürgerkapelle Wilfried Bernard eine Arbeitsgruppe gebildet. Die bestehende Tracht war nämlich 1946 ohne hundertprozentige historische Grundlage angeschafft worden. „Sie war eher ein Musikgewand als eine Tracht“, erklärt Alexander Pircher aus Eppan, Mitglied der Arbeitsgruppe Männertracht. Sie bestand aus einer schwarzen Lodenhose, einem grell hellroten Gilet und einem weiten Hemd. „Es war kein angenehmes Rot, wir

haben geleuchtet, wenn wir in der Sonne standen“, lacht Pircher. Ihm war die Rückkehr zur Tradition ein Herzensanliegen, denn entwickelt haben sich die Alltags- und Festtagstrachten bereits im frühen 18. Jahrhundert. Wenn die Arbeit in den Obstwiesen und Weingütern im Winter ruhte, stickten, strickten und nähten die Bäuerinnen in den Stuben an den Trachten. Zu besonderen Anlässen und an hohen Feiertagen trugen die Menschen auf dem Land ihre Festtagstracht.

DIE TRACHT HAT IHR VERSTAUBTES IMAGE ABGELEGT. ALEXANDER PIRCHER

In den vergangenen Jahrzehnten trugen oft nur noch die Mitglieder von Musikkapellen oder die Schützen Tracht, aber langsam schlüpft auch die Jugend immer häufiger zum Kirchgang am Sonntag, zu Firmung, Erstkommunion und Hochzeit in das traditionelle Gewand. Pircher freut sich über diese Entwicklung: „Die Tracht hat ihr verstaubtes Image abgelegt, das hat sicher auch damit zu tun, dass viele Trachtenschneider modische Lederhosen anbieten.“

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