Dahoam Sommer 2018

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Eindrucksvolle alpine Landschaften, verkehrsberuhigte Straßen und Wege in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Steigungen. Was genau physiologisch beim Radfahren geschieht, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Es ist plausibel, dass körperliche und geistige Aktivität eng miteinander verzahnt sind. So waren die Anhänger der Lehre des berühmten griechischen Philosophen Aristoteles Peripatetiker. Der Name rührt daher, dass Aristoteles, der im Auf- und Niedergehen

EINERSEITS NIMMT MAN DIE NATUR UM SICH VOLLKOMMEN WAHR UND IST ZUGLEICH GANZ BEI SICH. ICH TRETE IN DIE

Pedale, ALSO BIN ICH.

lehrte, wohl am besten in der Bewegung denken konnte. Der rhythmisch kreisenden Tretbewegung des Radfahrens wohnt zweifellos auch ein meditatives Element inne, das eine nur auf den ersten Blick paradoxe Wirkung zeitigt: Einerseits nimmt man die Natur um sich vollkommen wahr und ist zugleich ganz bei sich. Oder, um es auf die Descart'sche Formel umzulegen: Ich trete in die Pedale, also bin ich. Selten ist die Verbindung zwischen Werden und Tun unmittelbarer erfahrbar. Erst das Fahrrad hat einen uralten Traum der Menschen erfüllt. Schneller zu sein als man selbst es könnte. Der Umstieg vom Bürostuhl auf den Sattel ist auch deshalb so lohnend und erfüllend, weil es damit in den Naturzustand des Menschen zurückgeht, der Bewegung heißt.

BERGWÄRTS. Mit dem E-Bike werden selbst anspruchsvollere Bergstrecken zum Vergnügen.

➸ Manche begreifen das Fahrrad darüber hinaus als die Versöhnung von Mensch und Natur. Für sie ist das Fahrrad die Einlösung des Versprechens einer humanen Moderne, einer humanen Technik, die sich symbiotisch zur Natur verhält und den Menschen nicht aus seiner Natur herausreißt. Es gibt das schöne Zitat „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“. Dieses lässt sich mit Fug und Recht auf das Rad ausweiten. Das Fahrrad ist dem Menschen zu Diensten, ohne dass er über ihm thront. Der strampelnde Mensch ist als Sinnbild von Hybris nämlich untauglich. Insofern ist, wie gelegentlich behauptet wird, das Fahrrad das letzte Versprechen einer Technik ohne Dialektik, ohne ein Umschlagen in die Katastrophe. Radfahren heißt nicht nur, ganz bei sich selbst zu sein, sondern auch, dem hektischen Leben und dem Trubel des Alltags zu entkommen und das Leben auf das Nötigste zu re-

duzieren, mit keinem anderen Anspruch als dem, immer weiter in die Pedale zu treten. Während die Entwicklungen des Fahrrads eher evolutionär verliefen, darf man mit dem Aufkommen des E-Bikes eine kleine Revolution konstatieren. Das E-Bike ist gerade nicht das Nonplusultra, es ist vielmehr das Plus Ultra, die Maschine, die es uns ermöglicht, die Grenzen des bisher Machbaren spielerisch hinter uns zu lassen. Dennoch bedeutet das E-Bike keinen Bruch – und erst recht keinen Widerspruch – mit den Tugenden, die das Fahrrad seit jeher ausmachen und die das Gesamterlebnis Rad-


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