TURRIS BABEL 105 Rassegna Architetti Arco Alpino

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34 DIE WERTUNG DER JURY

Die italienischen Alpen sind in vielerlei Hinsicht ein sehr heterogenes Gebiet, und das macht zugleich ihren großen Reichtum aus: Tourismuszentren in der Nähe industriell geprägter Tälern, abgeschiedene Landschaften in der Nähe vieler kleiner Städte, Verkehrssysteme, historische Sehenswürdigkeiten und Nationalparks in direkter Nachbarschaft zueinander. In Italien gibt es keine alpine Identität, die so stellvertretend typisch wäre, dass sie durch ein einziges Bild, eine Form oder ein Material versinnbildlicht werden könnte. Die Jury des Preises der Architettura Arco Alpino, zusammengesetzt aus einem Österreicher, einem Italiener und einem Schweizer, konnte diese objektive Tatsache, die auf die geografischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Besonderheiten Norditaliens zurückzuführen ist, nicht unberücksichtigt lassen. Die Alpen können für uns als Jury nicht nur idyllischer, natürlicher Raum sein, frei von Problemen und unberührt von der nur wenige Kilometer entfernten Zivilisation der Ebene. Jede Architektur der italienischen Alpen muss sich, im Guten wie im Schlechten, mit der Komplexität dieser dynamischen, vielschichtigen und widersprüchlichen Situation auseinandersetzen. Die Situation der Architektur in den italienischen Alpen ist eine schwierige: Oft wird mehr von Quantität als von Qualität gesprochen, und oft muss sich gute zeitgenössische Architektur gegen einen neo-volkstümlichen Stil durchsetzen, der gewöhnlich und unachtsam ist, aber vielen eben vertraut erscheint. Die Jury hat schließlich rund zwanzig Werke ausgewählt und vier besonders hervorgehoben: Touristische Bauten, aber auch Infrastrukturen, (permanente) öffentliche Einrichtungen und (saisonal genutzte) Wohnhäuser, Produktionsgebäude und Renovierungen verlassener ländlicher Gebäudeensembles. Die ausgewählten Werke stehen für Geradlinigkeit statt Komplexität, Durchdachtheit statt Formalismus, bauliche Qualität statt Auffälligkeit. Einige Bauten sind sehr klein, doch ebenso präzise. Alle suchen die konstruktive Auseinandersetzung mit der außergewöhnlichen alpinen Landschaft, der natürlichen ebenso wie der kulturellen, und immer entscheiden sie sich für Mut statt Schüchternheit. 


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