Fernseh-Pfarrer
Mit Kreuz vor der Kamera Sonntags Predigt, montags Drehtag: Rainer Maria Schießler ist katholischer Geistlicher – und eine kleine Medienberühmtheit
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Foto: Picture Alliance
ieser Mann ist ein alter Fernsehhase. „München 7“, „Dahoam is dahoam“, „Anschi & Karl-Heinz“: Zumindest im Programm des Bayerischen Fernsehens ist fast jeder Zuschauer schon einmal über Rainer Maria Schießler gestolpert. Nicht immer, aber bevorzugt verkörpert er Pfarrer. Das liegt daran, dass er einer ist. Schießler, 59, schmales Goldkettchen mit Kreuz um den Hals, betreut die Pfarrei St. Maximilian im Münchner Glockenbachviertel. Zusätzlich hilft er predigttechnisch auch noch in der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt aus. Und fast nebenbei bastelt er seit Jahrzehnten an seiner Fernseh- und Autorenkarriere, nicht ganz ohne Hintergedanken: „So kann ich Kirche präsent machen“, sagt er. Und fügt bescheiden an: „Man selbst darf natürlich nie wichtiger sein als die Sache.“ Angefangen hat alles als Kaplan in Rosenheim beim Regionalfernsehen, fast 30 Jahre ist das her. Zurück in seiner Heimatstadt München folgten Radioaufnahmen, eins kam zum anderen, irgendwann klopfte der BR an, wenig später auch Serienmacher wie Franz Xaver Bogner. Schießler machte und macht immer gerne mit. Ob als „Servicefachmann für religiöse Fragen“ im Nachmittagsmagazin – „auch wenn du da zum
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»Naja, fürs Fernsehen musst du ja auch eine Textsau sein!« hundertsten Mal Fronleichnam erklärst“ – oder als Schauspieler. Viele Fernsehzuschauer wissen, dass Schießler ein echter Geistlicher ist. Und die, die es nicht wissen, kommen irgendwann drauf. Seine Mission, den Glauben und die katholische Kirche via Flimmerkiste menschlicher und beliebter zu machen, funktioniert – zumindest lokal: Seine Pfarrei ist die einzige Münchens mit zweistelligen Eintrittszahlen. Nicht alle geistlichen Kollegen sind begeistert von Schießlers Medienpräsenz, auch wenn es viele gibt, die genau das gut finden. Ob er mal daran gedacht hat, sich ganz dem Fernsehen zu widmen – und die Kirche hinter sich zu lassen? Nein, sagt Schießler, auf gar keinen Fall: Erstens wusste er schon mit 13, 14 Jahren, dass er für die Kirche arbeiten will. Und er ist zwar gern fürs Fernsehen unterwegs, aber ein Drehtag reicht ihm in der Regel. „Die anderen, die müssen da ja jeden Tag rein!“ Lachend erinnert er sich daran, wie er bei einem Dreh permanent den fiktiven Namen einer Darstellerin verwechselte, so lange, bis der Regisseur nur noch mit den Augen rollte. „Naja“, sagt Schießler, „fürs Fernsehen musst du ja auch eine Textsau sein!“ Seine Predigten hält er aber problemlos frei von der Leber weg. Pfarrer, die sogar die Begrüßung der Gläubigen ablesen, sind ihm ein Graus. Seit er 2016 und 2018 zwei Bücher veröffentlicht hat – für flucherprobte Bayern doppeldeutig betitelt mit „Himmel, Herrgott, Sakrament“ und „Jessas, Maria und Josef“ – ist Schießler fast mehr auf Lesungen unterwegs als fürs Fernsehen. Wobei er seit drei Jahren für das BR-Format „kreuz & quer“ regelmäßig in geistlicher Mission entsandt wird. Dann plaudert er zum Beispiel mit der Putzfrau der Gnadenkapelle Altötting oder besucht die Flugseelsorge am Flughafen München. Mit laufender Kamera im Rücken. Und wie schaltet so ein Tausendsassa eigentlich ab, abends, wenn das Kirchentor und Pfarrbüro zu, der Drehtag vorüber ist? Die meisten anderen Geistlichen würden natürlich sagen: im Gebet. Rainer Maria Schießler betet auch, aber – da kennt er nichts – sitzt auch gerne mal vor dem Fernseher. „Das ist super zum Runterfahren.“ Gerade, sagt er, hat er endlich alle Staffeln der Krimiserie „The Mentalist“ durch.
Rainer Maria Schießler im TV-Fragebogen turi2.de/edition/schießler
151 · turi2 edition #9 · TV
Tatjana Kerschbaumer