Fotos: Privat
Der Mann, die Branche, die Stadt und das Geld
Wiesbaden leuchtet: Zu Ruzickas Gartenparties am Sonnenberg kamen die Stützen der Bussi-Bussi-Gesellschaft
party am Wiesbadener Sonnenberg und zur Hirschjagd nach Ungarn. Und die Jagdausrüstung durfte der Kunde auch behalten. Das könnte man Bestechung nennen. Nein, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich habe nie Gewehre oder Ausrüstung namhaften Wertes verschenkt. Ich habe mich gefragt: Wie kann ich im Sinne der Agentur mehr Zeit mit dem Kunden oder dem potentiellen Kunden verbringen, um ihm in Ruhe unsere Leistungsfähigkeit aufzuzeigen? Man hat das Kundenohr nirgendwo so lange und ungestört wie auf einem Hochsitz, auf dem Golfplatz oder bei einem Sommerfest am Samstagabend. Wenn ein Kunde vier Stunden auf den Hirsch wartet,
Aleksander Ruzicka wächst in Südfrankfreich in der Nähe von St. Tropez auf, studiert BWL an der Fachhochschule Mainz und tritt 1985 bei der Agentur HMS in Wiesbaden als Planungsassistent ein. Die HMS wird 1972 von Kai Hiemstra als erste deutsche Mediaagentur gegründet und ist mit dem Aufstieg des Privatfernsehens groß geworden. Ruzicka macht dort Karriere, wird 1999 CEO. Die Agentur gehört da schon zur französischbritischen Agenturgruppe Aegis (ehemals Carat, mittlerweile Dentsu/Aegis). Ruzicka ist erfolgreich, steigert den Gewinn der Agentur von neun auf 70 Millionen Euro, drängt den Gründer Kai Hiemstra und dessen Sohn Axel aus der Agentur. Hiemstra gibt Ruzicka den Beinamen „Sonnenkönig“ – denn der feiert sich und die Branche mit rauschenden Festen in seiner Villa am Millionärshügel Birnbaum im Wiesbadener Stadtteil Sonnenberg. Gäste wie Hubert Burda, Wolfgang Reitzle und Nina Ruge sind dabei. Ruzicka perfektioniert das System von Kickbacks, Rabatten und Geschenken, lässt Gelder über eigene Firmen wie Camaco und Watson laufen – und nennt es „Beziehungsmanagement“. 2005 gerät Ruzicka in Konflikt mit Europa-Chef Jerry Buhlmann und seinem eigenen Vize und Finanzchef Andreas Bölte. Bölte zeigt ihn anonym an, im September 2006 wird Ruzicka verhaftet, am 12. Mai 2009 spricht das Landgericht Wiesbaden das Urteil: „Untreue in 68 Fällen“ mit einem Schaden von 37,8 Millionen Euro. Ruzicka wird zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Im Zivilprozess scheitert Aegis später mit dem Versuch, von Ruzicka 20 Millionen Euro Schadensersatz zu bekommen. Aleksander Ruzicka kommt im April 2015 nach achteinhalb Jahren Haft frei
fängt er irgendwann an, zu erzählen – über sein Geschäft, über seine Sorgen. So viel Qualitätszeit kriegen Sie in keinem Konferenzraum. Das war gut investiertes Geld und wurde stets auch kaufmännisch unter diesen Gesichtspunkten aufgearbeitet und reportet. Aber aus Sicht des Kunden war es Bestechung, oder? Er hatte ja keine Vorteile daraus, außer dem Hirsch, den er aus Privatvergnügen schießen konnte. Ganz und gar nicht. Erstens konnte sich jeder eingeladene Gast eine solche Veranstaltung selbst leisten. Wenn der Kunde zu mir Vertrauen gefasst hat und zu uns als Mediaagentur gewechselt ist, hat er zweitens am Ende ja auch das bessere
75 · turi2 edition #8 · Erfolg
Leistungsangebot bekommen und in der Regel einen Millionenbetrag an Vorteilen realisiert. Insofern waren diese Zeit und die Events für alle Kunden immer ein Zugewinn für das Unternehmen in Millionenhöhe. Und seinen Hirsch hatte er am Ende auch: Wenn er ihn beim ersten Mal nicht schießen konnte, haben wir ihn nochmal eingeladen – und wir hatten so nochmal vier Stunden mit ihm. Einen CEO eines Dax-Unternehmens können Sie nur schwer zur Bratwurst in ein Zwei-ZimmerAppartment einladen. Für mich riecht das nach Korruption. Nein. Der Geschäftsführer einer großen deutschen Automarke, über deren Etat für ein osteuropäi-