turi2 edition #8, Das große Buch vom Erfolg: Was Menschen, Medien und Marken stark macht.

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Club der eingefleischten Vegetarier Godo Röben ist ein bodenständiger Querdenker: Erst macht er eine Großfleischerei zum Markenartikel – dann packt er Erbsen und Soja in die Wurstpelle. Zum Nutzen der Gesellschaft und der Gesellschafter Von Markus Trantow (Text)

W

ie kommt ein leidenschaftlicher Metzger dazu, nicht mehr Schweinefleisch im Cutter zu mischen, sondern seine Leberwurst aus Rapsöl und Soja herzustellen? Von allein gar nicht. Diese Erfahrung macht Godo Röben, als er 2011 mit der Idee einer vegetarischen Alternative zu Rügenwalders „Schinkenspicker“ durch die 600 Mitarbeiter zählende Firma läuft. „Dem Metzger tut die vegetarische Wurst mehr weh als dem Brauer das alkoholfreie Bier“, lernt er – damals noch Marketingchef des Familienunternehmens. Heute ist Röben einer von zwei Geschäftsführern und die Idee mit der fleischlosen Wurst eine Erfolgsgeschichte. Wurst auf Pflanzen- oder Ei-Basis macht 30 Prozent des Umsatzes aus, sagt Röben. Ohne Veggie hätte das 185 Jahre alte Unternehmen ein handfestes Problem. Denn die Fleischeslust der Deutschen schrumpft: Kommen 1991 noch 64 Kilo pro Kopf auf den Tisch, sind es heute nur noch 59. Markenhersteller wie die Rügenwalder Mühle spüren den Rückgang traditionell stärker: 2017 sinkt der Absatz klassischer Fleisch- und Wurstwaren hier um sieben Prozent, während die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen wächst. Bei Rügenwalder gleicht die Veggie-Linie den sinkenden Fleisch-Umsatz zuletzt nicht nur aus, sondern sorgt auch für ein kleines Wachstum. Geht es nach Godo Röben, kommt in drei Jahren die Hälfte der Produkte aus Bad Zwischenahn westlich von Bremen ohne Fleisch aus. Dabei ist er selbst ein ausgesprochener Fleischliebhaber. Bei dem schlanken 50-Jährigen kommt jeden Tag Wurst auf den Tisch – seit

Rügenwalder fleischlose Alternativen anbietet, allerdings nur noch diese. Wie wird ein Fleisch-Fan zum Veggie-Vorreiter? Geboren wird Röben 1968 in Brake an der Unterweser, wo er auch aufwächst. Seine Eltern führen einen Biergroßhandel. Nach dem Management-Studium an der Fachhochschule Bremen ist für ihn klar: „Ich will hier nicht weg“. Deswegen bewirbt er sich „rund um den Kirchturm“. Er bekommt auch ein Angebot vom KaffeeKonzern Jacobs-Suchard, entscheidet sich aber für die „Wurstklitsche“, weil er hier die Chance bekommt, etwas Neues zu machen. Er soll eine Marketingabteilung aufbauen – der Auftakt zur ersten Neuerfindung des Fleischproduzenten, der damals noch Carl Müller GmbH heißt, 25 lokale Fleischerei-Fachgeschäfte besitzt und diese mit 400 unterschiedlichen Fleisch- und Wurst-Produkten beliefert. Unter Marketingchef Röben und mithilfe des Marken-Beraters Otto Pahnke soll die Fleischfabrik Müller zum Markenhersteller werden: Die Filialen werden verkauft, von den 400 Produkten bleibt nur die Rügenwalder Teewurst, das einzige Produkt, das schon damals überregional gefragt ist und noch auf die UrRügenwalder-Mühle um 1900 in Pommern zurückgeht. Röben darf fünf Millionen Mark in Fernsehwerbung investieren. Das ist mehr als der Gewinn der Firma damals, doch Röben fährt seinen ersten Erfolg ein. Mit dem Reiter-Spot, der ab 1996 im TV läuft, verdoppelt sich der Teewurst-Absatz innerhalb von drei Jahren. Bei Carl Müller ist der Glaube an die Marke Rügenwalder geboren. Was folgt, ist eine Menge Werbelyrik,

Godo Röben wird 1968 in Brakel an der Unterweser geboren. Bei Coca Cola in Oldenburg macht er eine Ausbildung zum Industriekaufmann. An der Fachhochschule in Bremen studiert Röben Management und absolviert Praktika, unter anderem beim Bierbrauer Beck’s. 1995 heuert er frisch von der Uni bei Carl Müller als Marketing-Chef an und baut eine Abteilung für Forschung und Entwicklung auf. Seit 2017 ist er einer von zwei Geschäftsführern Godo Röben im Erfolgs-Fragebogen von turi2: turi2.de/edition/roeben

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