turi2 edition #7: Unterwegs

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Angefangen hat alles mit dem Großvater, einem fernwehgeplagten Autofreak. Heute verlegt das Familienunternehmen MairDumont jeden zweiten Reiseführer, der in Deutschland gekauft wird. Und macht alles ganz anders als Opa

»Unser Thema ist nicht 14 Tage Urlaub. Es ist 351 Tage Vorfreude« Von Tatjana Kerschbaumer (Text) und Björn Czieslik (Foto)

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u Großvaters Zeiten war vielleicht nicht alles besser, aber manches einfacher. „Wenn wir Reiseführer machen wie früher, haben wir in ein paar Jahren keine Bedeutung mehr“, sagt Stephanie MairHuydts, Geschäftsführerin von MairDumont. Die quirlige 55-Jährige, so weiß gekleidet wie eine Ärztin, blickt einen kurzen Moment lang auf den Riesen-Wälzer „Pioniere des Reisens“, der fast die gesamte Verlagsgeschichte aufarbeitet. Ihr Großvater, Kurt Mair, 1902 in Österreich geboren und der Verlagsgründer, hatte es zumindest in dieser Hinsicht etwas leichter. Ihm machten weder Internet noch Apps Sorgen. Stattdessen kämpfen Kurt Mair und seine Frau Hilde ab den frühen 20er Jahren eher mit Achsenbrüchen ihres AdlerAutomobils oder Reifenpannen ihres Norton-Motorrads. Überall sind sie damit unterwegs: auf dem krisengebeutelten Balkan, im staubigen Nordafrika, am eisigen Polarkreis. Sein erstes Buch schreibt Kurt Mair allerdings über die „Hochstraßen der Alpen“. Er räumt Steine von Straßen, die eher Geröllhalden gleichen, fotografiert, skizziert und vor allem: kartografiert. Denn die Alpen und ihre Wege sind damals – trotz ihrer Lage mitten in Europa – quasi Terra incognita. Karten: Mangelware. Und wenn Kurt Mair eines fuchsig macht, dann sind es fehlende, ungenaue oder verwirrende Karten. Sein Buch, das weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus Standardwerk bleibt, dröselt selbst noch die kleinste Kurve im letzten Seitental auf. Stichwort Zweiter Weltkrieg: Da ist es mit dem Reisen erst einmal vorbei. Kurt Mair zieht zwar 1935 mit seiner Familie nach Stuttgart, um dort als Geschäftsführer für den Schweizer Hallwag Verlag zu arbeiten, wird aber bald eingezogen. Der Tourismus liegt ohnehin in ganz Europa flach, unterwegs ist nur noch, wer wirklich muss und nicht anders kann. Erst 1948, Mair wird nach dem Krieg von einer Spruchkammer als „unbelastet“ eingestuft, packt er etwas Neues an. Er gründet das Kartographische Institut Kurt Mair in Stuttgart – oder dem, was von der Stadt übrig ist. Die erste Zeit dient eine halb zerbombte Wohnung als Büro. Mair stört das nicht. Vom ersten Geld nach der Währungsreform fährt er mit dem Zug nach Hamburg und spricht bei der Deutschen Shell AG vor – deren Autofahrer-Karten,

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STEPHANIE MAIR-HUYDTS

Den Unterwegs-Fragebogen beantwortet Stephanie Mair-Huydts unter: turi2.de/edition/mairhuydts

wird 1963 geboren, studiert Betriebswirtschaftslehre und promoviert 1989 in St. Gallen in der Schweiz. Im selben Jahr beginnt sie ihre Karriere im Familienbetrieb, ab 1990 leitet sie den internationalen Verkauf. Seit 1996 ist sie Verlegerin aller Reiseführer-Serien bei MairDumont, seit 2010 Sprecherin der Geschäftsführung. Privat reist sie mit Vorliebe in die Bretagne

FRANK MAIR wird 1968 geboren, studiert ebenso wie seine Schwester Betriebswirtschaftslehre und promoviert an der selben Universität. 1995 geht er zu Procter & Gamble nach England, danach arbeitet er für Holtzbrinck im Bereich Strategische Unternehmensentwicklung. Seit 1999 ist er Geschäftsführer von MairDumont und baut MairDumont Ventures auf turi2 edition #7 · Unterwegs


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