turi2 edition #17 Jobs - Arbeiten in der Kommunikation

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»Den Startup-Spirit bewahren« Philipp Justus, Google-Chef für Zentraleuropa, kennt viele große Internet-Player von innen. Für den Nachwuchs wünscht er sich schnellere Netze und weniger Bürokratie

In den 2000ern haben Sie für Ebay und Paypal gearbeitet. Wie hat sich die Arbeitskultur bei DigitalKonzernen seither verändert? Ebay, Paypal und Google haben in einigen Bereichen eine sehr ähnliche Kultur: angetrieben durch eine

inspirierende Unternehmensmission, hochgradig kollaborativ, mit einem starken Fokus auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diesen Startup-Spirit, das respektvolle Miteinander ohne Betonung von Hierarchien, möchten wir uns bei Google bewahren, auch wenn wir natürlich längst ein großes Unternehmen sind. Wo im Digitalen ist noch Raum für das nächste große Ding? Das Spannende ist doch: Wir wissen alle gar nicht, welche Innovation, welches neue Produkt oder welcher neue Anbieter im nächsten Jahr für Aufsehen sorgen wird. Die vergangenen Jahre haben immer wieder gezeigt, dass es gerade in der digitalen Welt immer neue Überraschungen und Fortschritte gibt. Wer hätte vor fünf Jahren den Erfolg von TikTok oder Shopify vorhergesagt? Den Durchbruch von Krypto? Oder hier bei uns in Deutschland von N26, TradeRepublic und Celonis?

Philipp Justus Geb. 1969 in Hamburg 1989 Liberal-Arts-Studium in Massachusetts, USA 1990 Studium Betriebswirtschaft in Koblenz, Paris und den USA 1996 Projektleiter und Recruiting Director bei Boston Consulting 2000 Geschäftsführer von Ebay Deutschland 2004 Europa-Geschäftsführer von Ebay 2008 Senior Vice President Global Markets bei Paypal 2010 CEO beim MarketingNetzwerk Zanox 2013 DACH-Chef von Google 2015 Zentraleuropa-Chef von Google

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Also sind es gerade gute Zeiten für junge Digital-Unternehmerinnen in Deutschland? Die Zeiten waren nie besser. Im Jahr 2021 wurde mehr Venture Capital in deutsche Startups investiert als je zuvor, die Anzahl an Unicorns hat sprunghaft zugenommen, und auch an der Börse schlagen sich eine ganze Reihe der größeren digitalen Player aus Deutschland sehr gut. Aber es gibt auch viele Hürden: Unsere digitalen Netze sind zu langsam. Es fehlt in weiten Teilen der Gesellschaft an digitalem Knowhow, und der Gesetzgeber tut noch zu wenig, um die Rahmenbedingungen für Startups zu verbessern. Mitarbeiterbeteiligungen und Bürokratie seien hier als nur zwei Stichworte genannt. Wenn man nach Ihnen googlet, findet man keine peinlichen Fotos von Ihnen. Haben Sie da Ihre Finger im Spiel? Ich habe länger nicht mehr geschaut, was man da so findet, insofern freue ich mich, dass Sie da nicht so viel Peinliches gesehen haben. Und nein, ich habe keinerlei Einfluss auf den Algorithmus der Google-Suche. Ein Grundpfeiler der Google-Suche ist die Unabhängigkeit und Relevanz der Ergebnisse. Diesem Anspruch müssen wir jeden Tag mehrere Milliarden Mal gerecht werden, andernfalls verlieren wir das kostbarste Gut, auf dem unser Unternehmen aufgebaut ist, nämlich das Vertrauen unserer Nutzerinnen und Nutzer. Welche Aspekte in Ihrem Leben halten Sie bewusst analog? Das ganz analoge und persönliche Gespräch gefällt mir viel besser als jede Videokonferenz, E-Mail oder Chat-Nachricht. Musik genieße ich auch lieber analog und live als im digitalen Stream. Und Sport finde ich draußen auch besser als vor dem Bildschirm. Nancy Riegel

Foto: picture alliance

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2001 öffnete das erste deutsche GoogleBüro in Hamburg, Sie sind seit 2013 dabei. Haben Sie manchmal das Gefühl, die spannendste Phase verpasst zu haben? Überhaupt nicht. Ich erlebe für mich jedes Jahr wieder als die spannendste Phase von Google. In den fast neun Jahren habe ich so viel Aufregendes miterleben dürfen – von den Durchbrüchen bei künstlicher Intelligenz mit AlphaGo und Alphafold über den Launch unserer Pixel Phones bis hin zu den bahnbrechenden Forschungsergebnissen im Bereich Quantum Computing. Es könnte also nicht viel spannender sein.


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