turi2 edition #13: Agenda 2021

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Ist der Morgen-Newsletter die neue Zeitung, Hans-Jürgen Jakobs?

Hans-Jürgen Jakobs, Senior Editor Handelsblatt

Manchmal wache ich auf und frage mich: Was wäre, wenn es morgens nur noch Newsletter gäbe? Keine gedruckte Zeitung mehr. Erledigt die Rituale, zunächst zum Favoriten zu greifen, dann zum Gegen-Favoriten, schließlich zum Bunten? Kein Stöbern mehr in Ressorts, in den Gärten des Geistes, bei denen oft zu finden ist, was man nie zu finden glaubte? Es ist eine fürchterliche Vorstellung. Knapp dran an einer Dystopie. Ein Morgen-Newsletter ist stark, wenn er die Kuratierung der Kuratierung der Welt leistet. Dafür nämlich sorgt eine Zeitung. Für die tägliche Inspektion der Welt und die gut begründete Auswahl des Inspizierten, die Verdichtung zu einem Thema, einer Story, einer Kolumne. Gut in dieser Sicht also, wenn der Kurator Zeitung ein Morning Briefing hat, das wichtige Stücke aus dieser Form der Weltaneignung in eine Vitrine stellt. Ver-

bunden mit hochaktuellen Stücken aus der Nacht, die relevantes Fernes aus Amerika oder Asien spiegeln, sowie mit pointierter Kommentierung, kann ein solches Morning Briefing ein lebensverbesserndes Angebot zur frühen Stunde sein. Zweimal Schmunzeln, dreimal angeregt werden, das ist der so oft zitierte „KPI“ der Übung. Ohne eine Zeitung aber, aus der zitiert und auf die hingeführt wird, wäre ein solches Medium auf Dauer wenig nährreich und würzarm. Ein MorgenNewsletter ist nicht die Substitution dessen, wovon er lebt. Natürlich kann jeder, auch ohne Zeitung im Hintergrund, einen Newsletter verschicken. Man macht zum Thema, was einem zuläuft, auffällt, einfällt. Tiefere journalistische Relevanz aber ergibt sich erst aus der intensiven Prüfung der Stoffe, eben aus der Tätigkeit des Kuratierens. Liest man die vielen Newsletter, die morgendlich derzeit in die Republik verschickt werden, ergibt sich sicher auch ein Bild. Aber es ist nie das ganze, das Zeitungen, gedruckt oder als E-Paper, vermitteln. Es ist nie das vereinigte Wissen der vielen in den Redaktionen. Deshalb müsste dem Lesen der MorgenNewsletter die vertiefende Lektüre folgen – wenn dafür noch Zeit bleibt.

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Warum muss Fernsehen schlauer werden, Thomas Wagner? Damit man mich nicht falsch versteht: Fernsehen ist schlau. Oder kann schlau sein. Sowohl die öffentlich-rechtlichen Kollegen als auch die privaten Sendergruppen zeigen, dass wertvolle Inhalte funktionieren. Ein Beispiel ist ,Galileo‘, das wir zur multimedialen Marke ausgebaut haben. Was aber ehrlicherweise noch nicht wahnsinnig schlau ist, ist TV als Werbemedium. Keine Frage: Angesichts der Reichweite ist es nach wie vor schlau, eine Kampagne im TV zu planen. Seine Wirkung ist nachgewiesen. Das wissen und honorieren die Werbetreibenden. Aber sie sehen auch das Potenzial digitaler Werbeformen in Bezug auf Messung, automatisierte Ausspielung und Targeting. Adressable TVs oder Innovationen wie unser Dynamic Spot sind erste Schritte in Richtung digitaler Features für TVWerbung. Sie ermöglichen die zielgenaue Aussteuerung von Werbemitteln an Smart-TVs oder machen die Inhalte selbst dynamisch, etwa indem Echtzeit-Daten einlaufen. Das Fernsehen ist aber noch nicht am Ziel. Wir wollen es 2021 zum smarten, digitalen VideoMedium machen. Folgende Bausteine werden

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uns dabei helfen. Erstens: ein konsequenter CrossDevice-Ansatz. Dadurch können TV- und DigitalKampagnen erstmals über alle Geräte hinweg ausgesteuert werden. Zweitens: hohe Standards und einheitliche Prinzipien für crossmediale Kampagnen. Mit Reporting und garantierter Auslieferung der Werbung über unterschiedliche Plattformen. Dadurch gleichen sich TVund Digitalwerbung an und werden vergleichbar. Drittens: programmatische Buchungsoptionen. Wir werden TV-Werbung zunehmend auf Basis von Echtzeit-Tools buchbar machen, die dann automatisiert auf unseren Sendern ausgespielt wird. So wie es im Digitalen schon Standard ist. Das hebt TV als Werbemedium auf ein neues Level. Und macht es schlau.

Thomas Wagner, Chief Distribution Officer Seven. One Entertainment


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