turi2 edition #13: Agenda 2021

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Wie steuern Regional| 17 zeitungen durch eine krisengebeutelte Welt, Carsten Dorn?

Machen Google | 16 und Facebook die klassische Mediaagentur obsolet, Katja Brandt?

Katja Brandt, CEO der Mediaagentur Mindshare

Mediaagenturen sind heute alles andere als obsolet. Das Gegenteil trifft zu: Sie spielen eine wichtigere Rolle denn je. Jahr für Jahr vertrauen die werbungtreibenden Unternehmen uns Mediaagenturen mehr Budget und Werbegeld an. Kein anderer Teil der Kommunikationsbranche dürfte sich in den letzten Jahren so fundamental verändert haben wie die Mediaagenturen. Auf Mindshare trifft das definitiv zu. Unsere Arbeit, unsere Struktur und unsere Kultur haben nur noch wenig mit der Agentur zu tun, die wir vor zehn Jahren waren. Wir haben in Technologie und DatenIntelligenz investiert. An die Stelle der klassischen Media-KPIs sind zunehmend Ziele wie Geschäftserfolg getreten.

In dieser veränderten Medienwelt sind Plattformen wie Google und Facebook maßgebliche Partner für werbungtreibende Unternehmen. Das macht Mediaagenturen allerdings nicht überflüssig. Im Gegenteil. Die Komplexität des Geschäfts und der Bedarf an Beratung, insbesondere bei Daten, ist enorm gestiegen. Genau das können wir gut. Dafür sind wir da. Zum Beispiel beim Thema Walled Gardens. Diese autonomen, in sich abgeschotteten Systeme einzelner Plattformen und Vermarkter erschweren das, was in der heutigen Marketingkommunikation die Schlüsseldisziplin ist: eine nahtlose Ansprache von Zielgruppen. Den notwendigen Brückenschlag zwischen den großen US-Plattformen, weiteren Datenquellen und klassischen Reichweitenmedien wie Fernsehen beherrschen nur wenige. Uns bei Mindshare gelingt dieser Brückenschlag bereits in vielen Bereichen – und wir arbeiten daran weiter. Übrigens: Zu unseren Kunden in Deutschland gehören etwa Facebook, Instagram oder ExStartups wie Booking.com. Auch das macht mich optimistisch, dass wir weiterhin gebraucht werden.

My home is my castle. Lange galt dieser Spruch als rückwärtsgewandt. Wer auf der Höhe der Zeit war, setzte auf Globalisierung, stieg öfter mal ins Flugzeug und lebte in – oder träumte von – einem schicken Loft in der Stadt. Und jetzt? Ist Brotbacken hip, Urlaub wird in Deutschland gemacht. Der Trend zu mehr Regio ist aber schon älter: Denken wir an den Siegeszug von Heimatkrimis oder Gin aus der Region. Seit Jahren greifen Konsumenten verstärkt zu Bodenseeapfel statt Flugmango. Die Ursachen für diese Rückbesinnung liegen auf der Hand: Die hypervernetzte und überkomplexe Welt ist vielen zu anonym, zu anstrengend, zu schnell geworden. Der heimatliche Hafen bildet den ruhenden Gegenpol. Je unkontrollierter und unübersichtlicher die Welt da draußen, desto wichtiger werden Nähe und persönliches Umfeld. Die Pandemie beschleunigt zudem die Stadtflucht, schließlich bleiben City-Vorteile wie Kultur und Gastronomie erstmal dicht. Eine wachsende New-Work-Kultur macht es Pendlern leichter. Ein weiteres Beispiel für Regionalisierung gibt

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Carsten Dorn, Chef des Zeitungsvermarkters Score Media

es in der Medienwelt. Ob Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality – im digitalen Universum ist es ruhiger geworden. Klassische Kanäle und etablierte Medienmarken rücken wieder in den Fokus. Die regionale Tageszeitung konnte ihre Rolle als täglicher Informationsgeber vor Ort 2020 unterstreichen. Und ihre Bedeutung wird weiter wachsen. Es ist kein Zufall, dass die US-Giganten das Regio-Thema trotz mehrerer Anläufe bisher nicht besetzen konnten. Deutschlands Regionen sind vielfältig. In eine derart fragmentierte Welt einzudringen und sie zu verstehen, braucht Zeit, persönliche Beziehungen und Vertrauen. Regionale Medien leisten das seit mehr als 70 Jahren. Sie haben ihren festen Platz dort, wo globale Giganten nicht hinkommen.


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