turi2 edition #13: Agenda 2021

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Fotos: PR (2), privat, Daniel Grund

Starke Schwächen

Reflexionshysterie

Andrea Wasmuth, Geschäftsführerin Handelsblatt

Alexandra Groß, Vorstandsvorsitzende Fink & Fuchs AG

2020 war Distanz gefordert, die Sehnsucht nach Nähe dafür umso größer. Kommunikation wurde bedeutsamer denn je. Ich habe für mich verinnerlicht, so klar und berechenbar wie möglich in meinen Aussagen zu sein und deutlich zu machen, was ich weiß und was nicht. Ein typischer Impuls von Führungskräften ist ja oft, schnell zu antworten, um damit vermeintlich Stärke zu zeigen. Ist diese Antwort aber nicht wahrhaftig, das eigene Verhalten nicht glaubwürdig, ist das ein Zeichen von Schwäche – es schürt Unsicherheit und Misstrauen. Menschlichkeit, Nähe und Offenheit machen mich stärker. Sie schaffen Verbindung, Hingabe – auch wenn einige erst lernen müssen, mit dieser Führungsart umzugehen. 2021 werde ich mir Freude und Optimismus bewahren, und ich werde die nächsten Schritte mit meinen tollen Kolleg*innen gemeinsam als „Wir“ weitergehen.

Während viele noch darüber reflektierten, dass sie ihr Leben mal reflektieren sollten, habe ich einfach weitergemacht und meine Projekte durchgezogen. Da das nicht alleine geht, habe ich Kontaktbeschränkungen für mich anders definiert: Ich habe mich konsequent nur mit den Menschen umgeben, die lustig und leidenschaftlich mit mir Projekte nach vorne bringen wollten. So sind wunderbare Teamerlebnisse meine Highlights in 2020: Meine „alte“ Tennis-Turniermannschaft ist wieder aktiv, mit dem Qualitäts-Team in unserem Branchenverband GPRA haben wir nach langer Vorarbeit einen Qualitätsstandard im Markt eingeführt. Unser Vorstandsteam bei Fink & Fuchs war souverän und immer humorvoll dabei und hat die Organisation weiter umgebaut. Kein Teil der Reflexionshysterie geworden zu sein, empfinde ich als Privileg. Meine Kontaktbeschränkungen werden 2021 auf keinen Fall gelockert.

Infodemie entfesselt Philipp Welte, Vorstand Hubert Burda Media

Wir Medienleute sind, Seefahrern gleich, immer auf hoher See, Stürme sind unsere Begleiter. Unsere Fracht ist unser Auftrag: Es ist die Wahrheit, die es zu den Menschen zu bringen gilt. Was aber, wenn die Navigationssysteme außer Kraft sind? An was orientieren wir uns? 73 Prozent der werblichen Investitionen in digitale Medien in Deutschland dürften 2020 bei Google, Facebook und Amazon landen. Corona hat neben der Pandemie eine Infodemie entfesselt: Eine nie gesehene Flut an falschen Informationen wurde über die Netzwerke in die Köpfe der Menschen gespült. Was Zuckerberg als „Verteidigung der Meinungsfreiheit“ bezeichnet, ist knallharte Strategie. Je abstruser die Geschichte, desto höher die Interaktion, desto besser das Geschäft. Eine der mächtigsten Firmen unserer Zeit setzt in ihrem Geschäftsmodell auf Lüge. Und Corona hat nicht dazu geführt, dass sich die Politik in Berlin der Macht dieser Kartelle und ihrer destabilisierenden Wirkung auf die Gesellschaft bewusst geworden ist. Schaut man sich diese Koordinaten an, könnte man den Mut verlieren – wären da nicht die Menschen, die sich auf uns verlassen. Wenn es ernst wird, greifen sie zu journalistischen Medien. Sie vertrauen ihnen. Menschen über die Wirklichkeit zu informieren, ihnen gerade in unsicheren Zeiten Orientierung zu geben, ist unser Auftrag und mein Vorsatz für 2021. Es ist unsere Verantwortung in dieser Demokratie. Dafür lohnt es sich, zu kämpfen. Jeden einzelnen Tag.

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