turi2 edition #12 Vorbilder

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Jane Goodall ist eine Pionierin der Primatenforschung und eine frühe Mahnerin für Naturschutz und Nachhaltigkeit. Für Marketingexpertin Anja Stolz ist sie ein Vorbild in Sachen Charisma, Weisheit und Optimismus – nur nicht in ihren Essgewohnheiten

holt sie später an der renommierten Cambridge University nach und promoviert. Die Tatsache, dass sie Schimpansen Namen statt Nummern gibt, ihnen Persönlichkeiten und Gefühle zuschreibt, kritisieren Kollegen als unwissenschaftlich. Ihre unbändige Entschlossenheit, ihre fast naive Unvoreingenommenheit und ihr Mut haben sie aber alle Widerstände überwinden lassen. Das zeichnet sie noch heute aus: Sie geht unbeirrbar ihren Weg und kämpft weltweit für ihre Überzeugung. Goodalls persönliche Ökobilanz ist zwangsläufig schlecht: zu viele Flüge. Sie versucht das zu kompensieren, lebt bescheiden und weitgehend vegan. Sie fordert auch von anderen Fleischverzicht – aus ihrer Perspektive nur konsequent. Das geht mir persönlich aber zu weit. Als waschechte Bayerin esse ich zu gerne – auch Fleisch. Hier kann ich ihr bei allem Vorbild nicht nacheifern. Jane Goodall ist so modern wie nur was. Sie kritisiert und bringt sich ein, äußert sich klar und ohne Drumherum zu aktuellen Themen. Ihren Worten folgen Taten. Wer sich mit ihr beschäftigt, lernt, anders über sich und andere Lebewesen zu denken. Und wird sich der eigenen Verantwortung bewusster. Niemand muss dabei perfekt sein. Sondern vor allem tun, was innerhalb der eigenen Möglichkeiten liegt. Denn Jane Goodall ist fast nie dogmatisch. Ohne Hoffnung, sagt sie, tut man gar nichts. Auch deshalb ist sie voller Hoffnung, dass wir – die intelligentesten Wesen – unseren eigenen und einzigen Planeten nicht zerstören. Dafür muss sich nur unser intelligentes Hirn wieder mit dem Herzen koppeln. Jane Goodalls Botschaft: „Follow your heart.“

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Anja Stolz, hier mit Jane Godall, studiert Jura und Ethnologie, bevor sie sich dem Marketing widmet. Seit März 2019 ist sie Marketingchefin der R+V Versicherung

Fotos: Privat (1), Picture Alliance (1)

W

ie Jane Goodall bin ich schon seit Kindertagen begeistert von Tieren, fernen Ländern, Afrikas wilder Natur. Jane Goodall wird damals schnell mein Vorbild – dass sie in der Ferne ein abenteuerlich anmutendes „Tarzan & Jane“-Leben lebt, reicht mir völlig für meine Faszination. Erst später werden mir ihre außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen bewusst. Und noch viel später ihre weitsichtigen und ganzheitlichen Verdienste um unseren Planeten, Umwelt und Natur, unsere Jugend und unsere Zukunft – weit vor jedem Nachhaltigkeitstrend. 2020 darf ich Jane Goodall persönlich treffen. Sie sitzt neben mir, ganz ruhig, natürlich mit ihrem Stoffaffen Mr. H., der sie immer begleitet. Mit knapp 50 habe ich mich schon lange nicht mehr wie ein Schulmädchen gefühlt – jetzt schon. Goodalls Charisma, ihre Weisheit und ihr ansteckender, grenzenloser Optimismus lassen sich kaum in Worte fassen – sie fasziniert mit jedem Wort, mit jeder Geste. Ohne Jane Goodalls Verhaltensforschung wüssten wir vieles über uns und unsere nächsten Verwandten nicht. Ihre Beobachtungen stellten frühere naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf den Kopf, haben die Grenze zwischen Mensch und Tier verschoben. Ihre Leistungen für Wissenschaft und Forschung – aber auch für Entwicklungsarbeit, Natur- und Artenschutz – sind ohne Zweifel nachhaltig. Für immer bleiben wird aber ihre Idee: „Every individual makes a difference – every day“. Einfach selbst anpacken, sich für nichts zu schade sein. Das lebt sie bis heute selbst vor. Mit 86 kommt Jane Goodall auf 300 Reisetage im Jahr, leitet eine weltweit aktive Stiftung – nein, eine Bewegung. Und sagt in Richtung der Greta-Aktivist*innen: auch selbst etwas tun, nicht nur auf die Straße gehen. Ihre Idee ist lebendig und wird in all den Projekten der Menschen, die sie berührt und inspiriert hat, lange weiterleben. Während andere Frauen in der Nachkriegszeit auf Debütantinnenbällen Gatten suchen, hat Jane Goddall andere Pläne. Als sie mit 25 in den Dschungel aufbricht, halten viele sie für verrückt. Sie schafft es nicht nur nach Tansania, sondern auch – zunächst ohne Hochschulabschluss – zur Forschungsassistentin. Ihr Studium


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