turi2 edition #12 Vorbilder

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45PETER HINTZE

Bewundert für seinen politischen Scharfsinn, geschmäht als Intrigant im Hinterzimmer: CDU-Generalsekretär und Bundestags-Vizepräsident Peter Hintze polarisiert. Und beeindruckt Politikerin Diana Kinnert als Typus, den sie heute in der Politik vermisst

V

Diana Kinnert ist CDUPolitikerin, Unternehmerin und Publizistin. Von 2015 bis 2016 arbeitete die studierte Philosophin sowie Politik- und Sozialwissenschaftlerin im Stab ihres Vorbilds Peter Hintze

Peter Hintze bei einer Pressekonferenz 2010 in Berlin

se auseinanderbricht. Die politische Karriere veranlasst, sich selbst zu vernachlässigen, manchmal bis zur Entstellung. Manche konnten sich selbst nicht mehr leiden. Hintze konnte alle leiden. Hintze, der Königsmacher, politisches Geschick sondergleichen. Aber nicht darum haben Minister und Präsidenten ihn aufgesucht. Hintze war am meisten Mensch. Bei ihm erlaubten sie sich, ebenfalls Menschen zu sein. Mancher hat seine Loyalität mit blindem Gehorsam verwechselt, seine Freude an der Politik mit Unernst. Wenn er über Mehrheiten spekulierte, Prozentanteile errechnete, warf man ihm vor, nicht an den Menschen zu denken. Ein Pfarrer, der in Hinterzimmern taktiert, ein Christ, der das Ritual in Zweifel zieht. Befremdlich. Aber ich habe das bewundert: Eine Regel als Zeugnis ihrer Zeit zu verstehen, Platz für neue Traditionen zu schaffen. Ins Nachkommende zu vertrauen. Er hat

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Fotos: picture alliance (2)

erunglimpft, geschmäht, verletzt: Kohls Messdiener, der schwarze Pfaffe. Handlanger der Obersten, Intrigant im Hinterzimmer. Arrogant und altklug: Peter Hintze. So hörte man, so las man. Wir hatten nichts gemein außer Wahlkreis und Partei. Dachte ich. Hintzes hohe Ämter machten Besuche vor Ort selten. An einem Samstag, Wahlkampf, Marktplatz, trat er hinzu. Schnell war er umstellt, ein geschlossener Kreis. Doch Hintze trat heraus. Zeigte auf mich, Broschüren in der Hand, abseits. „Machen wie Frau Kinnert“, verbesserte er die Altgedienten. Dem Bürger nicht den Rücken zuwenden, sondern das Gesicht. Lange war ich unsichtbar. Hintzes Sehen habe ich nie vergessen. Denke ich an ihn, werde ich nicht sentimental. Sondern neugierig, aufmüpfig, angespornt. So war ich, als wir arbeiteten. Ich dachte doppelt so schnell wie gewöhnlich, sprach auch so. „Weiter, weiter, weiter“, höre ich seine Stimme. Hintze hat die Ungeduld in mir geweckt, das Träumerische, Spitzfindige, Listige, Lustige. Im Vizepräsidentenbüro politische Pläne zu schmieden, fühlte sich an wie Detektivarbeit. Minister schlichen ein und aus. So mancher Politiker fragte derart Dämliches, dass ich es für einen Witz hielt. Ich erwartete forsche Gegenrede. Aber Hintze verdrehte nicht mal die Augen. Das hat mich irritiert. Er hat Nichtsnutzen Karrieren eröffnet, habe ich gedacht. Die hehre Politik: ein Betrieb aufgescheuchter Hühner. Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten. Die ob der Einsamkeit der Macht aus dem Alltag fallen, ihr gesellschaftliches Antlitz polieren, während das Zuhau-


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