turi2 edition #12 Vorbilder

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Im wenig glamourösen Deutschland der Nachkriegszeit sorgt sie mit einer Modezeitschrift für einen Hauch von Eleganz. Aenne Burda wird zur Lichtgestalt des Unternehmerinnentums. Wir brauchen mehr von ihrer Sorte, findet Familienunternehmerin Sarna Röser

Als 1950 die erste Ausgabe der „Burda Moden“ erscheint, ist Konfektionsware teuer und rar. Das Heft trifft den Nerv der Zeit. Aenne denkt praktisch, sie erfindet Schnittmuster neu und lässt sie im Verlag drucken. 1987 veröffentlicht Aenne Burda ihr Werk als erste westliche Zeitschrift in der Sowjetunion. Schon zu diesem Zeitpunkt weiß der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dass die Zeitschrift mehr als nur Mode ist: „Aenne Burda zog auf ihre Weise und mit ihren Möglichkeiten den Eisernen Vorhang ein Stück zur Seite.“ Aenne Burda erfüllt sich ihren eigenen Traum einer eigenständigen und anerkannten Geschäftsfrau in einer Zeit, in der viele Mädchen und Frauen gar keine Berufe ausüben. Burdas starker Wille, ihr Geschäftssinn und Durchsetzungsvermögen, ihre Beharrlichkeit sowie ihr einzigartiges Netzwerk von Personen aus Politik, Filmgeschäft, Mode und Medien legen den Grundstein für ihren späteren Erfolg als Mutter des heutigen Unternehmens Hubert Burda Media. Wir brauchen mehr von diesem Gründer- und Unternehmergeist. Wir brauchen starke Vorbilder, die Mut machen für den Sprung ins kalte Wasser und ins Unternehmertum. Aenne Burda ist so ein Vorbild – und sie ist ein Beispiel dafür, dass wir alles erreichen können. Meist sogar mehr, als wir uns zutrauen. Davon bin ich überzeugt.

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Sarna Röser leitet den Verband „Die Jungen Unternehmer”. Sie ist designierte Nachfolgerin des Zement- und Beton-Familienunternehmens Karl Röser & Sohn. Seit Juli 2020 sitzt Röser zudem im Aufsichtsrat der Fielmann AG

Fotos: PR (1), imago images (1)

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an kann meist viel mehr tun, als man sich gemeinhin zutraut“ – dieses Statement von Aenne Burda motiviert mich und hat mir schon bei Zweifeln Mut gemacht, die eine oder andere Herausforderung des Unternehmertums zu meistern. Aenne Burda hat dieses Statement nicht nur gesagt, sie hat es gelebt. Schon als Kind eines Eisenbahners in Offenburg weiß die junge Anna Magdalene „Aenne“ Lemminger, dass sie nicht in der Gaswerkstraße bleiben will. Sie will mehr, mehr von der Welt, mehr vom Leben. „Ich wollte erreichen, was ich wollte“, sagt sie einmal dazu. Das klingt simpel, zeigt aber Entschlossenheit und Effizienz. Die Hochzeit mit dem Verleger Franz Burda katapultiert sie aus dem verrußten Eisenbahner-Milieu hinein in die feine Gesellschaft. Doch das reicht der aufstrebenden jungen Frau noch nicht. „Ich war emanzipiert, schon als Kind. Ich bin so geboren“, erklärt sie 1994. Aenne Burda ist eine Frau, die anpackt, die ihre Ärmel hochkrempelt, um für ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu arbeiten. Dafür schätze ich sie. Im Nachkriegsdeutschland will sie es mit einer eigenen Modezeitschrift für Frauen an die Kioske des Landes schaffen. Damit will sie es auch ihrem Mann zeigen. Franz Burda, der zunächst nur eine kleine Druckerei besitzt, hat schnell Erfolg als Unternehmer – und bei anderen Frauen. Seiner Geliebten und Ex-Sekretärin finanziert er genau die Zeitschrift, nach der seine Frau so sehnlichst strebt. „Aus den Steinen, die mir heute in den Weg gelegt werden, baue ich mir morgen eine schöne Treppe“, erklärt Aenne Burda einmal. Was für ein Biss! Ich bewundere die Stärke dieser Frau. Sie lässt sich nicht scheiden, sondern verlangt – und bekommt – ihre Zeitschrift. Franz Burda überschreibt ihr den Verlag mit seinen 48 Angestellten. Und den Schulden! Er glaubt, sie würde einen Rückzieher machen, doch damit unterschätzt er seine Frau, die mutig ist und zu ihren Entscheidungen steht. Aenne startet ihre Karriere risikobewusst, unabhängig und voller Visionen.


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