turi2 edition #12 Vorbilder

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Christian Gehlsen ist Pfarrer, Bürgerrechtler, Landtagsabgeordneter und Sterbebegleiter. Agenturchef Benjamin Minack lernt ihn kennen, als er gerade ein Haus besetzt – und Gehlsen der Einzige ist, der ihn ernst nimmt

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Benjamin Minack war Hausbesetzer, Clubbetreiber und Kleinstadtverleger. Dann wird er Jurist, Verlagsmanager bei „Zeit“ und „Handelsblatt“ und Gründer der Kommunikationsberatung Ressourcenmangel. Seit 2017 ist er erster ostdeutscher Präsident des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen

Aktivist Christian Gehlsen zur Wendezeit

von Lagerfeuern auf Privatgrundstücken und das Ordnungsamt lädt zu einem Gespräch in etwa vier Wochen. Christian kommt am Abend vorbei – mit einer Delegation der PDS und einem Scheck über 1.000 D-Mark für politische Arbeit. Er setzt sich zu uns ans Feuer, singt laut mit, hört interessiert zu. Seit dem Herbst 1989 ist Christian Gehlsen einer der Wende-Stars unserer Stadt. Als Direktor der Wichern-Werkstätten und ausgebildeter Pastor hat er in den Jahren zuvor vielen Dissidenten Unterschlupf geboten, sich für deren Ausreise oder Freilassung eingesetzt. An die Spitze der Revolution – so würde er es sagen – haben ihn andere getrieben. Ein so konsequentes Berufsbild daraus gemacht haben die wenigsten. Nach dem langen Kampf gegen SED und Stasi fordert er intensiv den Austausch, sucht die Konfrontation mit den Tätern von einst. Dabei lernt er viele von denen so gut kennen und kommt ihnen so nahe, dass sich viele alte Bekannte immer wieder verwundert abwenden. Wie kann er nur?! Er sucht seinen Weg, Einfluss zu nehmen auf das, was im neuen Deutschland geschieht, seiner Kritik

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Fotos: PR (1), imago images (1)

n jeder Schulkarriere gibt es diese Phase, in der sich die eigene Beliebtheit an der Menge der Freundschaftsbuch-Ausfüll-Anfragen ablesen lässt. Zwei Dinge kann man hier lernen: Wie leicht sozialer Status zu messen ist. Und wie wichtig die Inszenierung der eigenen Persönlichkeit für diesen sein kann. Ich war völlig überfordert mit den Aufgaben der Persönlichkeitsinszenierung. Lieblingsfarbe: keine. Lieblingsbuch: Liste zu lang. Lieblingslehrer: komplexe Abwägung. Ähnlich geht es mir, wenn man mich nach meinen Vorbildern fragt. Habe ich welche? Lebe ich nicht gut damit, dass ich vor allem – und mit viel Freude – Dinge, Menschen, Haltungen ablehne und aus dieser Abgrenzung meinen eigenen Handlungsraum erschaffe? Vorbilder daher auch: nicht vorhanden. Dafür aber Menschen, von denen ich meinen Kindern gerne erzähle, die mich tief beeindruckt haben, die Einfluss darauf hatten, wie ich heute die Welt sehe. Einer davon ist Christian Gehlsen, Pfarrer, Bürgerrechtler, Landtagsabgeordneter und Sterbebegleiter. Ich lerne ihn am 1. Mai 1994 kennen. Die aufgeklärte Wohlstandsjugend meiner Heimatstadt hat gerade ein Haus besetzt. Unter lautem Gejohle und mit viel Pathos rechtfertigen wir diesen Schritt als Zeichen im Kampf gegen des Schweinesystem und ernstzunehmenden Versuch, einen Ort freier politischer Bildung und selbstbestimmten Lebens zu schaffen. Vielleicht ist Christian an diesem Tag der Einzige, der uns ernst nimmt. Die Polizei bittet, nicht allzu laut zu sein, die Feuerwehr verweist auf die geltenden Bestimmungen für das Unterhalten


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