»Mit 14 habe ich gedacht: Sportreporterin ist der chilligste Job der Welt« Ann-Sophie Kimmel interviewt Spieler*innen für Streaming und Social Media – im Stadion und von ihrer Couch zu Hause aus Von Anne-Nikolin Hagemann (Text und Fotos)
Ich gestehe: Noch bin ich nicht wirklich Fußball-Fan. Kannst du das ändern? Komm mit ins Stadion, erlebe die Atmosphäre. Noch toller ist, wenn man da arbeiten darf. Dann ist man viel früher da, sieht die Leute kommen, spürt, wie sich die Spannung aufbaut. Ich gehe danach auch gern nochmal ins leere Stadion und staune, wie still das in einer halben Stunde geworden ist. Nach einem Spieltag mit all seinen Emotionen würdest du Fußball nur lieben können. Seit wann liebst du Fußball? Wie wohl die meisten Mädchen fand ich Fußball erstmal blöd. Das war bis zur ersten, zweiten Klasse was für die Jungs. Für den Sohn der besten Freundin meiner Mutter zum Beispiel. Wenn wir da zu Besuch waren, wollte der immer auf den Bolzplatz. Da bin ich hinterher gedackelt, fand es aber unfassbar ätzend. Die anderen Jungs fanden auch nicht cool, dass der ein Mädchen mitbringt. Ich musste ins Tor und die zwei besten Jungs in mein Team, „um Ann-Sophie auszugleichen“. Wann hat sich das geändert? Irgendwann habe ich gemerkt: Das macht tatsächlich Spaß. Dann bin ich alleine zum Bolzplatz und habe gefragt, ob ich mitspielen darf. Da habe ich ganze Sommer verbracht. Und den Frühling. Und den Herbst. Erst mit elf habe ich im Verein gespielt, in einem Mädchen-Team. Hast du dir damals schon eine Karriere im Fußball gewünscht?
Mit 14, 15 saß ich manchmal vor dem Fernseher und habe großkotzig gedacht: Sportreporterin ist der chilligste Job der Welt. Die dürfen sich das Spiel angucken, müssen danach drei Fragen stellen – und das war‘s. Heute weiß ich, dass es ganz so einfach nicht ist. Heute, mit 26, bist du Reporterin beim Streamingdienst Dazn. Was machst du anders als die Fußballreporter*innen, die man aus dem Fernsehen kennt? Grundsätzlich ist jede Reporterpersönlichkeit anders, egal, ob bei der Sportschau oder im Stream. Bei Dazn sind wir alle sehr jung, keiner über 35. Vielleicht arbeiten wir automatisch, unbewusst anders. Die Devise ist: keine große Show machen. Wir fahren nicht zu einem Fußballspiel, um zu zeigen, was wir für coole Typen sind. Wir rücken den Sport in den Vordergrund und die Geschichten, die er schreibt. Unter dem Schirm ist alles erlaubt. Neben deinem Job bei Dazn hast du für die Fußballplattform Fums das Interview-Format Box2Box etabliert. Für klassische Sportschau-Fans: Wie läuft das ab? Ich starte mit dem Fums-Account ein Live-Video auf Instagram, moderiere den Spieler oder die Spielerin kurz an und hole den oder die dann dazu. Dann teilt sich der Screen, in der oberen Box bin ich, unten mein Gegenüber, wie bei einem Videoanruf. Wir machen keine klassische Spielanalyse, kein Post-MatchInterview. Wir sind einfach zwei Menschen, die sich unterhalten. Das
140 · turi2 edition #11 · Fußball
kann mal ein sportlicheres Gespräch sein, mal ein privateres. Es gibt keine Vorschriften. Du hast da auch Bundesliga-Profis wie Nils Petersen vor der Smartphone-Kamera. Wie erlebst du die Spieler*innen dabei? Ich interviewe sie in den verschiedensten Situationen. Eine Spielerin war währenddessen im Tierpark, andere sitzen zu Hause auf der Couch oder im Hotelzimmer, weil am nächsten Tag ein wichtiges Spiel ansteht. In jedem Fall sind sie in einer selbst gewählten, für sie vertrauten Umgebung, haben keine Leute um sich, kein Set mit Lichtern, Klappe, Kamera. Das ist etwas komplett Natürliches, eine entspannte Situation. Die meisten haben direkt Lust auf das Format, weil es für sie unkompliziert ist: Am Handy sind wir ja sowieso alle die ganze Zeit, niemand dreht Schnittbilder oder gibt Anweisungen. Nach drei, vier Fragen ist man warm miteinander. Wie sind die Interviews für dich? Eigentlich super entspannt – ich habe ja den gleichen Heimvorteil. Die größte Herausforderung ist die Technik. Da gibt es so viel, das ich nicht kontrollieren kann: Die Internetverbindung ist schlecht, das Zuschalten klappt nicht, mein Interviewpartner ist plötzlich weg. Einmal hat während des Interviews meine Mutter angerufen. Wie beeinflussen Rückmeldungen aus der Community deine Arbeit? Ich glaube, sachliche, konstruktive Kritik nimmt sich jeder zu Herzen.