TÜV SÜD Journal 4/2013

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Auf die Probe

Grüne Energie: Ethanol ist der Hauptbestandteil von Biosprit. Mikroorganismen können es aus dem Treibhausgas Kohlenmonoxid gewinnen – ganz ohne Nahrungsmittelpflanzen.

»Ohne fossile Energieträger bleibt uns nur die pflanzliche

Biomasse

als Kohlenstoffspeicher.« – Prof. Dr. Olaf Kruse, Universität Bielefeld

uninteressant bei immer größer werdenden Elektronikanteilen im Auto. Vom Langweiler zum Algenfutter Abgase sind aber nicht nur heiß, sondern sie transportieren auch jede Menge wertvolle Stoffe: Als »Kraftstoff der Chemieindustrie« priesen einst die beiden Nobelpreisträger George Olah und Joseph Stiglitz das eigentlich als »Klimakiller« verpönte Kohlendioxid. Das nämlich hält ganze Stoffwechselkreisläufe seit Urzeiten am Laufen: Bäume und Sträucher verwandeln das Gas jeden Tag in lebendiges Grün, ohne CO 2 fände keine Fotosynthese statt. Der Klimakiller ist eigentlich ein Lebensspender. An sich ist CO 2 allerdings ein ziemlicher Langweiler, reaktionsarm und träge. Man muss es zu einer Reaktion zwingen, was entweder große Mengen Energie oder einen reaktionsfreudigen Partner erfordert. Beides ist schlecht für die Energiewie Klimabilanz. Man könnte aber auch Algen damit züchten: Kohlendioxid ist perfektes Futter für die Algen, die das CO 2 etwa zu Biodiesel für Automotoren umwandeln. Die Energiekonzerne RWE, e.on Hanse und Vattenfall erproben seit einigen Jahren die Algentechnologie im Großmaßstab, Versuchsanlagen neben Kohlekraftwerken nutzen dazu deren Abgase. Und ermöglichen dem CO 2 somit ein zweites Leben. 20 TÜV SÜD Journal

»Zurzeit haben wir nur die Möglichkeit, die kohlenstoff basierten Treibstoffe, die eine ausreichend hohe Energiedichte haben, aus den natürlichen Kohlenstoffreserven wie Kohle, Öl und Gas herauszuholen. Wenn wir das nicht mehr tun wollen oder können, bleibt uns nur die pflanzliche Biomasse als Kohlenstoffspeicher«, sagt Prof. Dr. Olaf Kruse von der Universität Bielefeld. Der Biologe erforscht seit acht Jahren Mikroalgen als potenzielle Biospritlieferanten. Das Problem: Die Einzeller verdoppeln zwar innerhalb weniger Stunden ihre Biomasse und werden so zu idealen Energielieferanten, die Zellwände der Algen sind allerdings relativ fest. Man muss die Einzeller kochen oder ausquetschen, um sie »zu melken«, wie die Biotechnologen sagen. Dies jedoch verschlechtert die Energiebilanz des Algendiesels. Zusammen mit dem »Karlsruher Institut für Technologie« betreiben die Bielefelder Wissenschaftler eine Versuchsanlage in Australien. In dem intensiven Sonnenlicht des Kontinents kommt die Fotosynthese ganz ohne künstliche Lichtquellen in Gang. »Das Charmante an den Algen ist, dass sie überall dort relativ leicht gezogen werden können, wo die Sonne scheint und es gemäßigte Temperaturen und Wasser gibt«, sagt Kruse. Die sonnigen Regionen der Erde könnten also zum natürlichen Treibstofflager der Zukunft werden.

Drei Worte für die Effizienz Eine Entwicklung, die das »Melken« unnötig macht, kommt aus Neuseeland. Die Firma LanzaTech arbeitet ebenfalls an der Zukunft der Biospritproduktion. Die Entwickler züchten ein Bakterium aus der Familie der Clostridien, das durch Gärung Ethanol produziert, den Hauptbestandteil von Biosprit. Einzige Voraussetzung: eine ausreichende Versorgung mit Kohlenmonoxid. Dann setzt er den Vorgang der Fermentation in Gang. Zusammen mit Siemens Metalltechnologie baut das Unternehmen derzeit zwei kommerzielle Anlagen an Stahlwerken in China auf, die 2014 ihre Arbeit aufnehmen sollen. LanzaTech schätzt das weltweite Potenzial der Ethanol-Brauerei aus Abgasen von Stahlwerken auf 100 Milliarden Liter jährlich. Ein Auto, betankt mit Bakterien-Bioethanol, das die Abwärme seiner CO2-neutralen Abgase mit einem thermoelektrischen Generator zur Stromerzeugung nutzt – das wäre eine Ausgeburt an Energieeffizienz. Die allerdings lässt sich – was den Pkw-Bereich angeht – durch eine ganz besondere Technik der Abgasnutzung noch weiter steigern und in drei Worte fassen: runter vom Gas.

Was ist drin im Auto-Abgas? Mehr Infos: www.tuev-sued.de/automotive/abgas


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