hoch3 #5/2013

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Technische Universität Darmstadt  |  hoch3  |  Oktober 2013   Seite 24

Bild: adpic.de/M. Schon

In diesem Jahr feiern einige Institutionen der TU Darmstadt Jahresjubiläen: Sie besinnen sich auf Gründung und Herkunft, ziehen eine Bilanz ihrer Leistungen und verorten sich im wissenschaftlichen Umfeld. Ein Blick auf Maschinenbau, Elektrotechnik, Geschichte und Pädagogik.

Entlastende Medizintechnik Bild: EMK

Forscher der TU Darmstadt entwickeln neuartige Orthesen und Operationsverfahren Chronik des Instituts EMK 1959: Die Fakultät Elektrotechnik beantragt ein neues Ordinariat: Konstruktion und Anlagen der Nachrichtentechnik. 1. 4. 1963: Professor Dr.-Ing. Curt Brader übernimmt den Lehrstuhl für elektromechanische Konstruktionen und konstruktive Entwicklung elektromechanischer Geräte, der ab 1964 Lehrstuhl für Elektromechanische Konstruktionen heißt. Diesem wird 1965 ein Institut angegliedert; Brader wird zu dessen Direktor bestellt. 1965: Einführung der Projektseminare als neue Lehrform. Seitdem haben Studierende in hunderten von Projektseminaren Aufgaben aus Lehre, Institutionen und Industrie kreativ gelöst und von der Idee bis zum Produkt begleitet. 1969 lieferte ein solches Seminar zum Beispiel Vorarbeiten für Tempomaten. 1967: Heinrich Buschmann ist der erste Promovierte am Institut EMK. Bis heute schlossen 77 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Institut ihre Promotion ab. 1971: Umzug ins Hans-Busch-Institut schafft Platz und bessere Arbeitsbedingungen. Seit den 1970er Jahren: Erweiterung der Forschungsgebiete um technologische Fragestellungen und um Medizintechnik, Mensch-MaschineKommunikation und nutzerfreundliches Design. 1990 bis 1992: Das in Projektseminaren entwickelte und gebaute Solarmobil Pinky gewinnt dreimal die Weltmeisterschaft Tour de Sol der Solarmobile in der Schweiz. Seit 1995: Neuausrichtung des Instituts auf die Arbeitsschwerpunkte Mikrotechnik und elektromechanische Systeme, Mess- und Sensortechnik. Der Förderverein EMKlub e.V. unterstützt das Institut EMK ideell und finanziell. 2003: Das Fachgebiet Lichttechnik wird dem Institut EMK zugeordnet. Seit 2009: Digitale Angebote und E-Learning ergänzen Vorlesungen und Übungen bei der »Einführung in die Elektrotechnik«. Das E-TeachingAngebot wurde mehrfach ausgezeichnet. 2011: Erste Firmen-Kontaktbörse EMKontakt. 2013: Festschrift zum Institutsjubiläum. Herausgeber sind die Professoren Schlaak, Werthschützky und Khanh (ISBN 978-3-00-042543-1).

Ein halbes Jahrhundert unter Spannung Fachgebiet Elektrische Energieversorgung Das Fachgebiet Elektrische Energieversorgung der Technischen Universität Darmstadt feierte in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Der 1963 begründete Lehrstuhl Elektrische Energieversorgung hat in den vergangenen 50 Jahren durchgehend Beiträge zu den jeweils relevanten Forschungsthemen geliefert und zahlreichen Absolventen mit einer fundierten Ausbildung den Grundstein zu einer hervorragenden Berufslaufbahn geboten. Aktuell beschäftigt sich das Fachgebiet, das sich zeitgemäß »Elektrische Energieversorgung unter Einsatz Erneuerbarer Energien« nennt, vor allem mit der Umgestaltung der Energieversorgungsnetze im Rahmen der Energiewende. infos: www.e5.tu-darmstadt.de

Forschungsergebnisse der TU erleichtern den Alltag.

Exoskelett – das klingt nach Science-Fiction, nach einer Rüstung mit Motoren an den Gelenken, die dem Träger übermenschliche Kräfte verleiht. Am Institut für Elektromechanische Konstruktionen (EMK) der TU Darmstadt wird Medizintechnik entwickelt, die aus der Vision ein Stück Wirklichkeit macht. Für ältere Menschen, die sich mit Treppensteigen oder mit dem Aufstehen aus dem Sessel schwertun, entwickeln EMK-Forscher ein Exoskelett mit einem Mini-Elektromotor, um die Muskeln der Senioren zu unterstützen. Diese sogenannte aktive Kniegelenksorthese soll es Senioren erlauben, Etagenwohnungen zu behalten oder schwungvoll aus einem Sessel aufzustehen. »Unsere Medizintechnikforschung orientiert sich am Bedarf in Gesellschaft und der Ärzteschaft«, sagt Daniel Pfeffer, Mikrotechnik-Ingenieur am EMK. Eine 50-jährige Tradition des EMK helfe, die komplexen Projekte – Know-how aus verschiedensten technischen Disziplinen fließt in sie ein – zum Erfolg zu führen: Die Forscher aus den drei Fachgebieten des Instituts arbeiten stets eng zusammen. Hilfreich für minimalinvasive Chirurgie

Dabei entsteht in den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Medizintechnikprojekten Erstaunliches. Etwa Assistenzsysteme für die minimalinvasive Chirurgie. »Sie geben Chirurgen den Tastsinn wieder, der bei dieser Form der Chirurgie verloren gegangen ist«, erklärt Doktorand Sebastian Matich vom EMK. Wenn Operateure ihre Instrumente durch sehr kleine Schnitte in der Bauchdecke einführen und sie von außen fernsteuern, fehlt ihnen der direkte Kontakt zum kranken Gewebe. »Einen Tumor kann der Arzt dann nicht mit Hilfe seines Tastsinns vom umgebenden Gewebe unterscheiden«, sagt Matich. Daher könne aus Versehen gesundes Gewebe beschädigt werden. Der Mikrotechnik-Ingenieur entwickelt mit einem Kollegen des Fachgebiets Mess- und Sensortechnik und Chirurgen der Uniklinik Tübingen ein System für minimalinvasive Eingriffe zur Darmkrebs­entfernung. Dabei steuert der Chirurg Greifer über ein Gestänge fern. Sensoren messen die Kräfte, die bei der Operation auf die Greifer wirken. Die Messwerte werden von einem Aktuator in eine Bewegung umgesetzt, die der Arzt am Steuergerät spürt.

Matich. Besonders sensibles Gewebe könnte auf diese Weise sanft behandelt werden. Das EMK-Team entwickelt seine Systeme meist von Grund auf neu, angefangen bei den einzelnen Komponenten bis hin zum Design des Gesamtsystems. Das Institut baut dabei auf ein breites Know-how von mikromechanischen Gelenksystemen bis hin zur Aktorik und Sensorik. Dabei betritt das Team oft auch technisches Neuland. So hat der Messtechnik-Ingenieur Dr.-Ing. Thorsten Meiss den kleinsten Kraftsensor der Welt entwickelt, der kaum dicker ist als ein menschliches Haar und dennoch die Kräfte in allen drei Raumrichtungen misst. Er soll bei der Herzkatheterisierung eingesetzt werden. Beim Durchdringen von Ablagerungen und beim Setzen von Stents navigieren Ärzte mit feinsten Führungsdrähten durch die äußerst engen Herzkranzgefäße. Dabei orientieren sie sich an Röntgenbildern. Sie können beim Bedienen des Führungsdrahts aber nicht fühlen, wenn dessen Spitze auf eine Gefäßabzweigung oder auf Ablagerungen an den Gefäßwänden trifft. Der Kraftsensor wurde von Meiss und seinem Team in ein System integriert, bei dem die Messwerte über Aktoren an die Fingerspitzen des Chirurgen weitergeleitet werden und er gewissermaßen einen erweiterten Tastsinn erlangt. So wird ihm die Navigation durch das Adersystem und die Feststellung von Ablagerungen erleichtert. Die Forschungsergebnisse dieses Projekts werden derzeit in einem DFG-Projekt zum Erkenntnistransfer für einen umfassenden Test weiterentwickelt. Auch das Projekt Orthese ist weit gediehen. Ein Prototyp des motorisierten Exoskeletts wurde an der Uniklinik Heidelberg an Probanden erfolgreich getestet. Es bestehen also gute Chancen, dass Senioren, Patienten und Ärzte bald vom praxisorientierten Erfindergeist der EMK-Forscher profitieren werden. christian meier

Schonend für das Gewebe

Diese Technik liefert neben dem Tastsinn potenziell neue Möglichkeiten: »Das Verhältnis zwischen der Kraft, mit der der Arzt hantiert, und derjenigen am Greifer lässt sich regulieren«, sagt

der autor ist wissenschaftsjournalist und promovierter physiker


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