78 touring | Nachgefragt Nr. 5 | 29. Mai 2015
Zwischen Naturkatastrophen, Unfällen und Entführungen Geraten Schweizer im Ausland in Not, tritt Botschafter Ralf Heckner in Aktion. Der 48-Jährige ist Chef des Krisenmanagement-Zentrums (KMZ) des EDA.
Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit beim KMZ erzählen? Während der Sommermonate 2014 waren wir mit zwei Entführungsfällen konfrontiert, einem auf den Philippinen und einem in der Ukraine. Ausserdem mussten wir in Libyen das Personal
aus unserer Botschaft in Tripolis evakuieren. Und wir haben die Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien vorbereitet.
Adrenalin gehört zu seinem Alltag. Ralf Heckner ist als Chef des EDAKrisenstabs ständig mit aussergewöhnlichen Situationen konfrontiert.
Wie versuchen Sie eine Krisensituation zu lösen? Das KMZ beruft einen Krisenstab ein und arbeitet plattformübergreifend mit verschiedenen Dienststellen des EDA sowie anderen Eidgenössischen Departementen zusammen. Letztes Jahr zum Beispiel, während der Ebola-Krise, handelten wir gemeinsam mit dem Bundesamt für Gesundheit. Es ist wichtig, bereits zu Beginn einer Krise rasch und effizient zu reagieren. Dabei spielt auch die Kommunikation eine wesentliche Rolle. Arbeiten Sie auch mit dem privaten Sektor zusammen? Wir arbeiten häufig mit Partnern wie dem TCS zusammen. Letztes Jahr, als sich Unglücksfälle in Spanien und Norwegen ereigneten, organisierten wir die Rückführungen mit Hilfe Ihres Clubs. Die Zusammenarbeit funktioniert perfekt, da wir uns gut kennen.
«Bei Krisen geht es häufig um Leben oder Tod» Ihre Arbeit erfordert starke Nerven – wie bewahren Sie Ruhe, wenn sich Menschen in Gefahr befinden? Wir müssen uns laufend vergewissern, ob wir für eine Krise gewappnet sind. Es ist unsere Verpflichtung, dies zu tun, ähnlich einem Sportler, der für einen Wettkampf trainiert. Bei dieser Vorbereitung helfen uns verschiedene Instrumente wie die Ausbildung der Angestellten, unser Beziehungsnetz und die Krisenvorkehrungen, die von unseren Vertretungen getroffen werden. Trotz alledem ist und bleibt eine Krise eine enorme Herausforderung. Das Adrenalin gehört dazu – ein bisschen wie im Sport –, es hilft uns, unser Bestes zu geben. Prävention spielt in Ihrer Arbeit aber ebenfalls eine grosse Rolle… Die Reisehinweise für 176 Länder bilden das Hauptinstrument der Prävention. So können sich Schweizerinnen und Schweizer über die Risiken in einer bestimmten Destination wie auch über die Länder und Regionen, von denen das EDA abrät, informieren.
Emanuel Freudiger
Welche Bedeutung hat der Begriff «Krise» in Ihrem Alltag? Ralf Heckner: Eine Krise ist eine Situation, die sich nicht mehr als normal bezeichnen lässt. Sie ist ein Notzustand, über den uns nicht genügend Informationen vorliegen. Im Krisenmanagement-Zentrum geht es häufig um Leben oder Tod.
Verzichten Sie privat auch auf Reisen in diese Länder? Ja. Im beruflichen Rahmen hingegen werde ich in genau solche Länder entsandt; meine nächste Destination ist Kenia. Dort gelten mehrere Regionen als unsicher. Interview: Aline Beaud