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Test und Technik | touring 12 | 8. Juli 2010
Stöpsel rein und ab auf den See Ein Oldtimer ist an sich schon ein Blickfang. Wenn er dann auch noch schwimmen kann, wird er zur wahren Attraktion. Ein Tag zu Wasser und zu Land mit dem Amphicar.
› Ein kleiner Badestöpsel entscheidet über
die Dauer eines Wellenritts mit dem Amphicar. Wird er vergessen, sinkt das Gefährt innert weniger Minuten. Auch sollte man sich vor der Wasserung daran erinnern, die Türen doppelt zu verriegeln, denn sonst drohen nasse Füsse. Beachtet man diese beiden Massnahmen, steht einem «Schwumm» im Zürisee nichts mehr im Weg – ausser das Schweizer Gesetz (siehe Kasten). Amphibienfahrzeuge sind wieder im Trend. Vor zwei Jahren stellte Rinspeed sein Tauchfahrzeug Squba am Autosalon Genf vor. In Städten wie Miami und Rotterdam gibt es Stadtführungen in Amphibienbussen, welche den Touristen völlig neue Perspektiven eröffnen. Doch schon lange bevor James Bond in «Der Spion, der mich liebte» mit seinem Lotus Esprit auf Tauchgang ging, wurden in Berlin Amphibienfahrzeuge in Serie produziert. Mit dem Amphicar versuchte man anfangs der 60er-Jahre den amerikanischen Markt zu erobern, denn der Dollarkurs bewegte sich damals in schwindelerregenden Höhen und versprach saftige Gewinne. Allein, es blieb beim Traum vom grossen Geld, die Produktion wurde nach wenigen Jahren wieder gestoppt. Zurück blieben Ersatzteile, welche von den Mitarbeitern
Keine Amphicars auf Schweizer Gewässern Amphibienfahrzeuge sind auf Schweizer Gewässern nicht erlaubt. Jedoch können die Kantone Sonderbewilligungen erteilen. Im umgrenzenden Ausland sind die Gesetzesverordnungen weniger restriktiv. So sind Fahrten auf italienischen Seen wie dem Gardasee oder den Kanälen im Elsass oder deutschen Gewässern wie dem Rhein bis zur Mündung ohne weiteres erlaubt. In grosser Formation waren die Amphicars letztmals am Zürifest zu sehen.
günstig zu erstehen waren und die heute gutes Geld wert sind.
Schwimmendes Cabrio | Die Gemeinschaft der heutigen Amphicar-Besitzer schätzt Sebastian Herrmann, Geschäftsführer von Amphicar Schweiz, europaweit auf 150 Personen. In Berlin existiert ein Club der eingefleischten Fans, «aber in der Schweiz braucht es das nicht», meint Herrmann, denn: «Die acht Schweizer Amphicar-Besitzer kennen sich ohnehin.» Und: Wer einen Amphicar sein Eigen nennt, sollte kontaktfreudig und fotogen sein. Denn an der Seepromenade sitzt keiner, der beim Anblick des Amphicars nicht winkend die Handykamera zückt. Auch der Mitarbeiter von Entsorgung & Recycling Zürich zeigt sich interessiert, als er sich in einem Boot nähert und einige joviale Fragen stellt. Nicht zu überhören sind derweil drei quietschende Mädchen auf ihrem Pedalo, die mit dem Finger auf das ungewöhnliche Boot zeigen und fragen: «Das isch aber scho keis Auto, oder?» Zum veritablen Glücksfall wird die Amphicar-Sichtung für einen anderen Quai-Spaziergänger mit Profikamera im Anschlag. Mit grossen Gesten bewegt er den Amphicar zur Umkehr. Zufälligerweise handelt es sich beim australischen Touristen um einen Fotografen, der gerade dabei ist, eine Art Wikipedia der Automarken aufzubauen. Dass er im Zürisee einen Amphicar in Aktion sehen würde, krönt seinen Zürich-Aufenthalt. Herrmann ist Massenaufläufe gewohnt, wenn er mit seinem knallroten Amphicar auftritt. «Vor einer Ampel halten die meisten Autofahrer schräg hinter mir und reiben sich verwundert die Augen, wenn sie die beiden Propeller sehen», lacht Herrmann. So winkt er hier in die Kamera und gibt dort eine eloquente Antwort, sobald ihm eine Frage gestellt wird. Herrmann wuchs in Berlin auf, wo er in Teenager-Jahren erstmals auf einen Amphicar aufmerksam wurde. «Ein weisser Amphicar stand am Strassenrand. Das Gefährt hat mich fasziniert und ich habe mich zum Besitzer durchge-
Oben: Auf diesen Amphicar aus Pennsylvania wartet noch eine Menge Arbeit.