Klanggestaltung und auditive Wahrnehmung in Kunst und Design

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Klanggestaltung und auditive Wahrnehmung in Kunst und Design

Tom Franke



Berliner Technische Kunsthochschule University of applied sciences Department Media SpaceS

Klanggestaltung und auditive Wahrnehmung in Kunst und Design von Tom Franke

1.Auflage 2014

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Titel:

Klanggestaltung und auditive Wahrnehmung in Kunst und Design

Abstract: Wir leben in einer Welt, die stark von visueller Kommunikation geprägt ist. Während es möglich ist die Augen zu verschliessen, kann man das Ohr nicht einfach abschalten. Der Hörsinn ist bei jeder Sinneswahrnehmung beteiligt. Dies führt dazu, dass mangelhaftes akustisches Design als unangenehm oder gar störend empfunden wird. Trotzdem wird das Visuelle seit jeher dem Auditiven gegenüber bevorzugt.

Design sowie deren Anforderungen und Möglichkeiten in der Gestaltung. Es soll recherchiert werden, ob Indizien und Faktoren für einen medialen Umschwung zugunsten des Auditiven präsent sind und ob ein derartiges Umdenken möglich oder sogar notwendig wäre. Somit stellt sich die Frage, inwieweit wir uns nach einem ‘linguistic turn’, einem ‘pictorial turn’ und einem ‘spatial turn’ einem eventuellen ‘acoustic turn’ annähern. Anhand der praktischen Umsetzung eines Soundartprojektes in Form einer Soundscape-Installation soll der Entwicklungsprozess eines Sound-Projektes aufgezeigt werden und die Schritte in der Gestaltung dokumentiert werden. Die Installation sollte Möglichkeiten aufzeigen, wie Sound als Gestaltungselement genutzt werden kann und untersuchen, ob durch neue Wahrnehmung von auditiven Sinneseindrücken auch neue Erkenntnisse für zukünftige Klanggestaltung abgeleitet werden können. Die Intention, akustische Wahrnehmung nicht als singuläres Phänomen und nicht in Abgrenzung zu visuellen Sinneswahrnehmungen zu begreifen, ist das Ziel des praktischen Teils der Thesis.

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Title:

Sound Design and Auditory Perception in Art and Design

Abstract:

visual perception is often underestimated. While you can close your eyes, you can‘t just as easily block what you hear. Your sense of hearing is involved in every sensory perception, which often leads to acoustic designs which are perceived as unpleasant or even distracting. Nevertheless, the visual has always been preferred to the auditory sense. The rapidly changing technical world we live in also affects our auditory perception, positively through media and

as well as their requirements and possibilities in the design process. It should be investigated whether evidence and factors for a medial shift in favor of the auditory are present, and whether such a rethinking is possible or even necessary. The question then becomes, if after the ‚linguistic‘, ‚pictorial‘ and ‚spatial turns‘, are we moving towards an ‚acoustic turn‘? The installation should demonstrate possibilities, such as if sound can be used as a design element as well as investigate whether its realizations are also deriving new insights for future sound design by new perception of auditory sensory impressions. The aim of the practical part of this thesis is an understanding of acoustic perception not as a singular phenomenon in opposition to visual senses, but in addition to them.

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Inhalt Vorwort - Motivation 1 Einführung 2 Auditive Wahrnehmung 2.1 Hören 2.2 Physikalische Grundlagen der Akustik 2.3 Der Hörprozess 2.4 Psychoakustik 2.5 Die Stimme 2.6 Klang und Emotion

3 Visual versus Auditiv 3.1 Vom Visual zum Acoustic Turn 3.2 Historische Phasen der Seh- und Hördominanz 3.3 Hören Heute 3.4 Lärm und auditive Perspektiven

4 Sounddesign 4.2 Geschichte 4.3 Filmsounddesign 4.4 Produktsounddesign 4.5 Corporate Sounddesign 4.6 Funktionale Klänge

5 Soundart und Klangkultur 5.2 Geschichte der Soundart 5.3 Soundinstallation 5.4 Musik und Raum 5.5 Medien und Raum

6 Technologien der Gestaltung und Wiedergabe von Klang 6.1 Digitale Klangbearbeitung 6.2 Analog versus Digital 6.3 Klangsynthese und Funktionen der Audiobearbeitung 6.4 Audiowiedergabetechnologien

7 Fazit 7.1 Zusammenfassung

8 Referenzen 9 Inhalt beigelegter CD VI


Vorwort - Motivation

Viele Jahre habe ich mich in unterschiedlichster Form mit dem Klang der menschlichen Stimme beschäftigt. Mit dem 7.Lebensjahr wurde durch Zufall meine Musikalität entdeckt und mein Knabensopran wurde Teil des Kinderchores der Deutschen Staatsoper entstand durch die Faszination der Kunstform Oper. Als 8-Jähriger stand ich in Puccinis ‚Tosca‘ auf der größten Opernbühne des Landes und hatte die Aufgabe, jene Tür zu öffnen, die dem Polizeipräsidenten scher und gleichzeitig gefahrankündigender Moment im Handlungsspielraum einer Kirche, wo das Erscheinen Scarpias Erstarren bei den Anwesenden hervorruft. Mit diesem Auftritt Scarpias, der auf der Suche nach dem politisch Gefangenen den Reizen und Verführungskünsten der Sängerin Tosca erliegt, beginnt in der Tosca-Handlung das Drama bei dem am Ende alle drei Hauptrollen in den Tod gehen. Klanglich wird dieser Auftritt sehr eindrucksvoll durch einen majestätischen Orchesterklang dargestellt. Reduziert man den Klang auf die Harmonie, dann hören wir eine große Terz aufwärts, eine kleine Sekunde aufwärts, eine ve aufwärts. Insgesamt nur 5 Töne, mit denen aber musikalisch viel erzählt wird. Hier wird im Klang die Charakteristik des Polizeipräsidenten illustriert: Macht und Erhabenheit - gemischt mit einer Abgründigkeit. Somit wird klanglich eine Aufmerksamkeit und gleichzeitig Gefahr assoziiert. Dieser Scarpia Auftritt war für mich als 8-jähriger ein prägendes Erlebnis. Mir schien, die Klangwelt erzählt viel mehr, als was man auf der

und Opernhäusern entschied ich mich eigene Kunstprojekte zu machen und habe die künstlerische Leitung der Liedergalerie in Hamburg übernommen, um dort mehrere hundert Programme zu konzipieren und aufzuführen. In Zusammenarbeit mit vielen anderen Künstlern spezialisierte ich mich auf eine Kunstform, Das klassische Lied. Für mich waren die Geschichten, die mit dieser Kunstsparte erzählt wurden, nach wie vor aktuell, auch wenn sie in den Augen meiner Generation nicht ‚cool‘ waren. Dieser Sichtweise der jungen Generation wollte ich entgegenwirken und habe mich deshalb auch in dieser Schaffensperiode der neuen Medien bedient. In einigen Programmen wurde Videolassen, in anderen wurde Audiotechnik verwendet um Soundelemente mit klassisch traditioneller Musik zu mischen. Es wurden Programme konzipiert, bei denen das Publikum die Musik in Echtzeit in verschiedenen internationalen Konzertsälen hören konnte und somit einen auditiven Vergleich von der Akustik verschiedenster Konzertsäle bei gleichbleibendem Aufführungsort und Musikern bekam. Mein anschliessender zweijähriger Aufenthalt in Canada, wo ich mich mehr mit visuellen Medien beschäftigt habe, führte zu dem Wunsch, mein Wissen in Medienmeines Schwerpunktes auf das Auditive etwas auszugleichen, indem ich mich mehr dem Visuellen widme.

ferenziertes Verständnis von musikalischem Aufbau, Notensystem oder der kompletten Opernhandlung). Mein jetziges Abschlussprojekt wurde inspiriert von eikommen, aber der Orchesterklang gab mir darüber hinaus die Informationen über seinen Rollencharakter. Die Möglichkeit durch Klang einen Charakter zu skizzieren, ähnlich wie ein Kostümbildner dies durch die ten bzw. ein Choreograph mit Körperbewegungen, faszinierte mich schon als Kind.

wurde von mir eine Neufassung von Schuberts ‚Winfür ein Sänger konzipierten) Zyklus interpretieren. Da eine Wiederholung, aufgrund des hohen Organisationsaufwandes, nicht möglich war, entstand der Wunsch das Projekt als Raumklang-Installation nachRaumklangerlebnis von 12 im Raum verteilten Stimmen nachahmen kann.

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Von diesem Wunsch inspiriert, habe ich mich ausführlicher mit dem Thema Klang und Wahrnehmung beschäftigt und die Forschungsarbeit auf die zwei -

Die praktische Arbeit der Thesis wird die Umsetzung einer Soundart-Installation als Hommage an das menschliche Gehör. Der Titel der Installation EAR-TH setzt sich zusammen aus dem englischen Wort für Ohr

Audiovision, Sounddesign und die Projektarbeit zum

sichtigt ist. Einerseits die wissenschaftstheoretische beit über ein bestimmtes Fachgebiet und andererseits

produziert und für das Filmsounddesign meine Stimme als Erzähler verwendet habe. Und letztendlich gab Anlass, mich intensiver mit der Frage zu beschäftigen inwieweit auditive Wahrnehmung durch das visuelle Wahrnehmen verfälscht werden kann. Während meiSängern an Opernhäusern miterlebt. Manchmal als Zuhörer und manchmal befand ich mich selbst in der die wirklich beste musikalische Leistung bewertet. Ausschlaggebend für den Zuschlag einer Partie oder eines Spielzeitengagements waren vielmehr das AusTalent, die Ausstrahlung und ähnliche Faktoren, die alDer Fakt, dass die visuelle Wahrnehmung die auditive natürlich Fragen auf. Wenn dies bereits unter professionellen Musikern passiert, so stellt sich die Frage, wie stark dann die Täuschung des Visuellen gegenüber dem Auditiven im Alltag ist? Wie groß ist die Gefahr von Lärmverschmutzung wenn wir diese gar nicht mehr bewusst wahrnehmen? Hat der ‚pictorial turn‘ dazu geführt, dass wir das Hören vernachlässigt haben? Hat die Industriealisierung zu einer globalen Hörbelastung geführt? Hat sich die Klangwelt durch den ‚spatial turn‘ verändert oder bedarf es neuer, anderer Klanggestaltung für neu geschaffene Räume wie bspw. das Internet? All diesen Fragen möchte ich in der Masterarbeit nachgehen und untersuchen inwieweit wir für zukünftige Gestaltung mehr Wert auf das klangliche Design legen können oder sollten.

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Wortes - hier heißt der betonte und schwere Taktteil


1 Einführung Es gibt eine umfangreiche Studie über Musiker aus ment Science and Innovation). Die Wissenschaftlerin und ausgebildete Konzertpianistin konnte in ihren Untersuchungen nachweisen, dass Wettbewerbsgewinner von großen Musikwettbewerben weder von musikalischen Laien noch professionellen Musikern tung als solche erkannt werden konnten. Jedoch, dass winners führte - sowohl bei musikalischen Laien als auch professionellen Musikern. Dieses bereits im Vorwort erwähnte Phänomen bestätigt, dass die visuelle Wahrnehmung von Musikern gleicher Professionalität eine bedeutende und oft entscheidende Rolle für die 2012). Die visuelle Wahrnehmung verfälscht die auditive Wahrnehmung. Einige Orchester sind bereits dazu dem die Auswahlkommission nicht der visuellen Täuschung erliegen kann. Dabei wird zwischen Jury und urteilende Jury sich ausschliesslich auf das Klangerlebnis konzentrieren kann. Wissenschaftler der Universitäten Harvard und Princeton fanden heraus, dass sich ein strikt geschlechtsneutrales Probespiel durch die Verhinderung der visuellen Wahrnehmung bis zu 300% positiver auf die

Eine ähnliche Vorgehensweise gibt es bei dem TV-Unterhaltungsformat ‚The Voice of Germany‘, wo die Jury lauscht. Allerdings besteht hier der Unterschied, dass der Fernsehzuschauer die Künstler trotzdem sieht, was dann wiederum den Eindruck erweckt, dass diese Konzentration der Jury auf das reine Hören nur als publikumswirksames Element eingebaut wurde.

das Hören in einer modernen Welt, die scheinbar immer lauter wird, entwickeln und zunehmend visueller geprägt scheint. Gibt es eine Gleichberechtigung von und spatial nun einen acoustic turn? Unsere Umwelt ist ständig in Veränderung und mit ihr verändert sich gleichzeitig auch der Klang unserer Umgebung. Aber für wen verändert sich dieser Klang? Sind wir uns dieser Veränderung bewusst? Und wer kann einschätzen, welches Ausmaß diese Klangveränderung hat? Inwieweit sind diese KlangverändeFrequenzen? Hat die ständige Lärmbelästigung Auswirkungen auf unser Hörverhalten, so dass wir das Zuhören verlernen und ein Weghören antrainieren? Welche Aufgaben ergeben sich für Designer hinsichtlich zukünftiger Klanggestaltung und wie können Soundkünstler auf die Problematik aufmerksam machen oder positiv dazu beitragen?

den Terminus: ,Hören als auditive Wahrnehmung‘ und gibt Einblick in die Funktionsweisen des menschlichen Ohrs und der menschlichen Stimme sowie deren akustischen Grundlagen. Es folgt eine erste Gegenüberstellung von auditiver und visueller Wahrnehmung weiteren Verlauf wird der Übergang zum Zeitalter der Industrialisierung erläutert, der zu einer starken Veränwie Sounddesign, Soundscapes und Soundart prägte. Vertiefend wird auch das Thema Lärmbelästigung aufgegriffen. Darauf aufbauend werden in zwei Kapiteln die Themen Sounddesign und Soundart, jeweils in ihrem geschichtlichen Zusammenhang, beleuchtet. Es werden die Unterschiede der Klanggestaltung in Design und Kunst aufgezeigt sowie einige Herangehensweisen und Technologien näher betrachtet. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung, wobei die uns nach einem visual turn einem eventuellen Zeitalter des Hörens nähern‘ im Vordergrund steht. Aus diesem zentralen Fokus heraus werden die in dieser Arbeit behandelten Positionen gegenübergestellt.

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„Man kann dem Sehen Zusehen aber man kann dem Hören nicht Zuhören“ Marcel Duchamp - französisch-US-amerikanischer Maler

2 Auditive Wahrnehmung Der Handyklingelton, das entfernte Geschrei eines Kleinkindes, prasselnde Regentropfen, die Sirene eines Krankenwagens: An kaum einem Ort herrscht wirklich absolute Ruhe! Durch das Ohr tritt die Außenwelt in uns hinein. Doch was ist das, was das menschliche Ohr da die ganze Zeit aufschnappt? Töne, Klänge und Geräusche, die den Alltag begleiten, sind für das Auge unsichtbare Wellen, die die Luft bewegen und dabei zufällig auf die Ohren treffen: Schallwellen.

2.1 HÖren Der Hörvorgang, als eine Form der Wahrnehmung, wird auch als auditive Wahrnehmung bezeichnet. Wahrnehmung. Diese auditive Wahrnehmung ist eine “[...] Sinneswahrnehmung von Schall durch Lebewesen. Zur Wahrnehmung des Schalls dienen Sinnesorgane, die durch Schwingungen aus der Umgebung des Lebewesens stimuliert werden. Diese Schwingungen werden. Der Hörsinn ist nicht immer an Ohren gebunden, insbesondere Vibrationen können auch durch Sinnesorgane an entsprechenden Körperteilen wahrgetionsfähigkeit das menschliche Ohr vollbringt, zeigt Schallwellen. Mit 343 Metern pro Sekunde bewegt sich Schall in der Luft rasend schnell - das entspricht ungefähr 1.200 Stundenkilometer. Im Wasser breitet sich Schall sogar noch schneller aus: hier beträgt die Geschwindigkeit 1.480 Meter pro Sekunde. Ohr statt. Im Ohr werden die Töne mechanisch bzw. physikazerlegt und im Gehirn wird die Zerlegung dann fortgesetzt: Kriterien wie die Lautstärke, die Dauer von Tönen und deren zeitlicher Ablauf werden analysiert. Hierfür sind jeweils unterschiedliche Hirnareale zuständig. Die daraus gewonnenen Informationen werden zusammengeführt und interpretiert. Sie werden -

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Die weitere Analyse der Laute in der richtigen Reihen-

Pierre Schaeffer hat in seiner Abhandlung über das verschiedene Weisen des Hörens ein Klangobjekt auch verschieden darstellen. Das Französische kennt drei Verben, die ein unterschiedliches Gerichtetsein des Hörens zum Ausdruck bringen: ouïr, écouter und entendre. Im Deutschen könne das verglichen werden mit dem Hören als natürlichen Orientierungsvorgang, dem Zuhören oder Horchen und einem „hörend Verfür die englische Sprache: hearing, listening-in-readiness, listening-in-search. Der Architekt und Geograph gendes Modell der Klang-Welt vor: kreis mit den objektivierbaren und formbaren akustischen Objekten, Medium des Zuhörens, Hinhörens haft gegenwärtige Seite der Klangwelt, die durch betrachtende Wahrnehmung wirklich wird, Medium des -

psychologischen Akt”, eine Haltung, die er ebenfalls nius 2006, 76): Hören, seine physiologische Hörfähigkeit, auf Indizien: en. Das zweite Zuhören ist ein Entschlüsseln: Das, was gehört wurde, wird decodiert und ins eigene Zeichensystem eingeordnet. ‘Verstehen’ geschieht hier auf einer funktionalen Ebene. Diese Art des Hörens ist die in unserer Gesellschaft meist intendierte. Sie ist auf ein Handeln und auf die Umsetzung des Gehörten ausgerichtet.


„Früher rasierte man sich, wenn man Beethoven hören wollte, jetzt hört man Beethoven, wenn man sich rasieren will.“ Peter Bamm - deutscher Schriftsteller

Das dritte Zuhören geht auf eine zutiefst menschliche, soziale, vielleicht sogar spirituelle Ebene weit darüber hinaus: Es erfasst nicht das Was, das gesendet wird, es den Sprecher, die Sprecherin, den Menschen, der spricht. Aus der Stimme eines Menschen, aus seiner Tonhöhe, aus seiner Modulation, der Klangfarbe seiner Stimme und aus dem, was mitschwingt, können wir alle unterschiedlichen Gefühlsebenen herauslesen. Dies gilt sehr oft auch über alle Sprachgrenzen hinweg. Auf der dritten Ebene wird der Akt des Sprechens und des Hörens noch durch den intersubjektiven Raum erweitert, der zwischen Sprechenden und Hörenden entsteht. Hören führt somit zu einem Verstehen, das die grundsätzliche Anerkennung der/ des Sprechenden miteinschließt. Hören und Sprechen Aktionen. Sie sind durch den kommunikativen Raum, der dabei entsteht, miteinander verbunden. Diese dritte Art des Hörens geschieht nicht von selbst. Nur in einer Kultur, in der diese Form Wert hat, in der sie auch gelebt wird, wachsen Menschen heran, die diese Fähigkeit lernen. Eine Fähigkeit, die sich aus vielen anderen Teilfähigkeiten, wie Empathie, Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zusammensetzt, die alle notwendig sind, damit das Zuhören zu einer Haltung wird. Um zu untersuchen, wie weit dieses dritte Zuhören als Form des Hörens einen Wert in der heutigen Kultur hat oder ob hier, wie in der Thesenformulierung vermutet, ein Umdenken notwendig wäre, wird unter anderem noch in den Kapiteln 5.4 Musik und Raum sowie 5.5 Medien und Raum hinreichend erörtert. Entscheidend ist also nicht das Hören an sich sondern die Form des Hörens. Daraus, dass das Gehör der einzige Wahrnehmungsdie Augen geschlossen bzw. ’deaktiviert’ werden kann, ergibt sich, dass der Mensch ununterbrochen hört und das Ohr stets einer gewissen Dauerbelastung ausgesetzt ist. Das dritte Zuhören könnte eine Möglichkeit sein, die Umwelt bewusster wahrzunehmen und sich mit den akustischen Geschehnissen intensiver auseinanderzusetzen, denen sich der Mensch in seiner Umwelt nicht natürlich entziehen kann.

2.2 Physikalische Grundlagen der Akustik Akustische Phänomene haben für das tägliche Leben tierungshilfe in der Umwelt und Warnsignale, denen man im Gegensatz zu visuellen Signalen nicht einfach durch Schliessen der Ohren entgehen kann, über die Wahrnehmung von Musik und dem beeinträchtigenden Lärm, auch alltäglicher Kommunikation der Sprache, bis hin zu medizinischen Anwendungen etwa in der Logopädie, dem Ultraschall, der Musiktherapie oder der Audiologie. Die Spekulation, dass Klänge Wellen in der Luft sind, Physikalisch gesehen ist Schall eine als Welle fortschreitende mechanische Deformation in einem Medium mit Frequenzen im Wahrnehmungsbereich des menschlichen Gehörs. Die Wellen sind mechanische Schwingungen, wähter Stoff ist. Die Schallausbreitung in der Luft erfolgt Druckunterschied weiterleiten und auf diese Weise ein Signal übermitteln. Die Frequenz gibt dabei an, wie viele Wellenlängen in einer Sekunde durchlaufen werden und bestimmt die Tonhöhe, die Amplitude den Schall. Je nach Art der Schwingung unterscheidet man in Töne, Klänge, Geräusche und Knall. Während ein Audiosignal mit genau einer Frequenz als reiner Ton bezeichnet wird, Klang sind Grundschwingung und Obertöne enthalten, wobei die Obertöne ein ganzzahliges Vielfaches der Grundfrequenz sind. Geräusche enthalten viele verschiedene Frequenzen ohne bestimmtes Frequenzverhältnis. Dominierende Frequenzen machen den Charakter eines Geräusches aus. Vereinfacht formuliert ist ein Ton eine gleichmäßige, einheitliche Schwingung. Klänge sind mehrere Töne die sich gleichzeitig überlagern. Das Geräusch ist ein wechselhaftes, uneinheitliches Gemisch von Schwingungen. Und ein Knall ist eine kurze, starke Schwingung. Wie können diese nun vom Mensch wahrgenommen werden?

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„Es gibt um ein Vielfaches mehr Nervenverbindungen zwischen dem Ohr und unserem Gehirn als zwischen dem Auge und dem Gehirn.“ Alfred A. Tomatis - französischer Ohr- und Hörforscher

Im Gegensatz zum visuellen Sinn, der auf das Gesichtsfeld beschränkt ist, können akustische Reize vom Ohr aus allen Richtungen wahrgenommen werden. Die auditive Orientierung im Raum wird durch die unterschiedliche Entfernung der Schallquelle zu den Ohren, dem Zeitunterschied, dem Winkel und den unterschiedlichen Amplituden ermöglicht. Geräusche und Klänge, die durch den visuellen Sinn nicht geortet ohne einen Kirchturm zu sehen), lassen sich durch

2.3 Der HÖrprozess tem und besteht aus dem äußeren Ohr, dem Mittelohr und dem Innenohr. Vom äußeren Ohr wird die Aufgabe der Schalleitung aus der Umwelt zum Trommelfell erfüllt. Von hier aus werden die auditiven Signale verstärkt und zu Mittel - und Innenohr weitergeleitet.

360 Grad-Modus werden alle akustischen Ereignisse rundum wahrgenommen. äusseres Ohr

Mittelohr

Innenohr

der Luftwellen in mechanische Energie statt. Diese wird über Hammer, Amboss und Steigbügel an das Innenohr weitergegeben. Dort wird der Schall schließlich in Nervenimpulse umgesetzt, indem die in der gerät und indirekt die Hörnerven erregt. onsverarbeitung statt, nämlich die Wahrnehmung von Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe, Tondauer sowie die Lokalisation. Diese komplette erste Informationsverarbeitung passiert noch vor der Verarbeitung im GeNachdem das Schallereignis den Weg des Schalltransportes durch Außen- und Mittelohr sowie die Transformation in elektrische Nervenimpulse im Innenohr durchlaufen hat, schließt sich der letzte und komplizierteste Teil des Hörvorgangs an, die neuroAlle auditiv verarbeiteten Informationen werden durch den Hörnerv übertragen. Die Sinneszellen der ter neuronaler Erregungen in welchen die physikalischen Eigenschaften des Schallsignals decodiert sind. Damit der Mensch die Muster auf ihren Informationsgehalt hin analysieren kann, werden sie durch das Nervensystem aufgearbeitet.

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Abb.1 Aufbau menschliches Ohr

Ein weiterer Unterschied zum Sehsinn besteht darin, dass das Außenohr pausenlos Geräusche aufnimmt nehmung zwei voneinander getrennter Reize schneizwei Tönen reicht ein Abstand von drei Millisekunden. Zwei Sehreize benötigen 20 bis 30 Millisekunden um als gleichzeitig wahrgenommen zu werden. Von diesen Schwellen unabhängig ist die ‚Ordnungsschwelle‘. Unterhalb dieser kann man zwei Reize zwar als nicht gleichzeitig erkennen, jedoch nicht zeitlich bestimmen zweite Reiz war). Diese Schwelle ist für alle Sinnesbe-


Welche enorme Leistung das Ohr vollbringt wird auch daran erkennbar, dass das Auge sich im Film ab 20 -

Solch ein systemübergreifender Ansatz der Psychoa-

25 Frames und das amerikanische 30 Frames pro Segung von Klang mit 44.100 Samples pro Sekunde auf

Deborah Withington, Professor of Auditory Neuros-

Interessant ist auch die Tatsache, dass bei der Neubildung eines menschlichen Lebewesens das Gehör der erste unserer Sinne ist, der vollständig ausgebildet ist. Das sogenannte ‚Cortische Organ‘, als der wichtigste Teil unseres Gehörs, bildet sich unmittelbar aus der Haut des Embryos. Der Embryo will demnach hören. bilden. „Alles bezieht es noch von der Mutter, aber ein Ohr will Wissenschaftler haben nachweisen können, dass der ße erreicht und dass er zum Zeitpunkt der Geburt sehr weit entwickelt ist. Der Mensch beginnt schon im Mutterleib zu hören.

„Lerne mit den Ohren sehen, übe die Askese des Blickes! Die Welt wird von Bildern tyrannisiert!“

mit der Fähigkeit von Tieren und wie diese Klänge in Gefahrensituationen orten, entwickelte sie zusammen mit ihrem Team neue Klänge für Überwachungskameras. Diese verursachen bei Überfall ein Geräusch. Der Klangdesigns für Martinshörner, Alarmsysteme für Flughäfen sowie Krankenwagen - und Feuerwehrsirenen. Sirenen jaulen zwischen 500 und 3.000 Hz, was für die Ortung der Fahrzeuge nicht gerade optimal ist. Ein breitbandiges Krächzen dagegen führt bei der Hörwahrnehmung zu einer um fünf Grad genaueren räumlichen Ortung der Klangquelle. Withington entwickelte eine Alternative, mit der in England bereits die ersten Feuerwehren, Rettungs- und Streifenwagen unterwegs sind. Erfolgreich, denn statistisch kommen krächzende Fahrzeuge zehn Prozent schneller ans Ziel, was im Notfall Leben retten kann. Und das, obwohl der neue Klang wesentlich leiser ist, als die vor-

Georg Skrypzak - deutscher Restaurator und Maler

Seit einigen Jahren beschäftigen sich auch Ärzte, Therapeuten und Pädagogen mit der Klangwelt. Durch Musik werden Schmerzen gelindert, Erinnerungen

2.4 Psychoakustik und Musikpsychologie

von Schall als Hörereignis sowie dessen physikalischen Schallfeldgrößen als Schallereignis. Sie erklärt die subjektive Reaktion auf alles, was der Mensch hört Spektrum, Pegel, Frequenz) und die Art und Weise, Klangfarbe).

Kommunikation ermöglicht. Neurowissenschaftler, Psychologen, Designer und Evolutionsforscher versuchen zu erforschen, welche Wirkung bestimmte Klänge auf den Menschen ausüben. Musikwissenschaftler, Komponisten, Werbeagenturen und Sounddesigner suchen nach einer Klangwelt, die sich dem modernen Industriezeitalter anpasst oder dieses verbessern kann. Warum berühren uns bestimmte Harmonien? Welche Rhythmen bringen den menschlichen Körper Gehirns? In einer vornehmlich von Sprache und Versenschaftliche) stark angewachsen. Klang und Musik mit ihrem direkten Zugang zu Emotionen sind tief verankert in der Menschheitsgeschichte und helfen mit

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„Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muß sie positiv ausgesprochen werden. Problematisches hab ich in mir selbst genug.“ Johann Wolfgang von Goethe - deutscher Dichter Stimmritze geschlossen Stellung beim Sprechen

Stimmritze offen Stellung beim Atmen

2.5 Stimme Abb.2 Stimmritze

Vielleicht erscheint es im Zusammenhang mit Wahrnehmung und Klanggestaltung etwas abwegig den Aspekt ‚Stimme‘ gesondert zu beleuchten, aber der Umstand, dass der größte Anteil unserer bewussten auditiven Wahrnehmung die menschliche Stimme ist, begründet die Wertigkeit. Die menschliche Stimme ist der durch die Stimmlippen eines Menschen erzeugte und in den Mund-, Rachenund Nasenhöhlen modulierte Schall. Die Stimme wird vom Menschen zur Übermittlung von Informationen in Form von Sprache und anderen Lauten wie Schreien, Weinen, Lachen, Stöhnen usw. eingesetzt. Musikinstrument zur Erzeugung von Tönen, Klängen und Melodie, oft verbunden mit Sprache eingesetzt.

Auf Grund der geschlechtlich bedingten unterschiedlichen Größe des Kehlkopfes und der damit verbundenen unterschiedlichen Länge der Stimmbänder, liegt die Tonhöhe des Grundtons für die männliche Stimme bei etwa 125 Hz und für die weibliche bei etwa 250 Hz. Kleine Kinder haben eine Tonlage um 440 Hz. Der Stimmumfang beträgt normalerweise 1,3-2,5 Oktaven mit Stimmtraining sind aber auch mehr als 3 Oktaven möglich. Der Frequenzbereich der menschlichen Stimme mit den Obertönen beträgt etwa 80 Hz bis 12 kHz. In diete, die für die Sprachverständlichkeit, die ErkennbarWärme eine Rolle spielen.

bestehend aus Muskel- und Gewebeschichten, deren Stellung und Spannung durch Muskeln, Knorpel und Gelenke verändert werden kann. Die Stimmlippen können die Luftröhre bis auf einen kleinen Spalt verschließen. Diese engste Stelle im Kehlkopf wird wird erzeugt, wenn die Stimmlippen des Kehlkopfs locker aneinander liegen und dadurch die Glottis verZwerchfell und den Lungen produzierten Phonations-Luftstrom werden die Stimmlippen zunächst auseinandergepresst, so dass die Luft in den darüberliewerden die Stimmlippen wieder zusammengepresst und die Glottis schließt sich. Dadurch wird Luft mit jeder Schließung stoßweise in den Artikulationsraum entlassen, wodurch periodische Schwingungen entstehen. Die Frequenz dieser Schwingungen hängt u.a. von der Länge sowie der während des Sprechens ausgeübten Spannung der Stimmlippen ab. Je entspannter die Stimmlippen sind, desto langsamer schwingen sie und der Klang wird tiefer. Mit höherer Spannung wird die Schwingung schneller und der Ton höher. 8

Charles Darwin war der Meinung, dass sowohl Musik als auch Sprache aus einer gemeinsamen musikalischen ‘Protosprache’ hervorgegangen sind, mit der man sich beim Ausdruck von Emotionen, beim Liebeswerben und Revierhalten verständigte. Trotz unterschiedlicher Theorien unterstützen mehrere Wissenschaftler Darwins These. Aktuelle Forschungsergebnisse der Musikpsychologin Manuela Marin von der Universität Wien bekräftigen die Vermutung eines gemeinsamen 2012). Soziale Interaktion ist nur durch emotionale Kommunikation möglich. Dass durch die Musik Emotionen sehr gut kommuniziert werden können, ist den meisten bekannt. Die Sprache und die Sprechweise enthalten durch Veränderung der Tonhöhe, des Sprechtempos oder der Lautstärke). Auch die Klangfarbe der Stimme variiert werden kann) trägt zu einer Übertragung von Emotionen bei.


„Zeichnen ist Sprache für die Augen, Sprache ist Malerei für das Ohr.“

Mit der Art und dem Ausdruck des Sprechens vermittelt der Mensch Stimmungen, Gefühle und Nebenbedeutungen, beispielsweise wenn in die Stimme ein ironisierender, langweiliger oder abwertender Ton gelegt wird. Das wird beim Empfänger auch wahrgenommen. intuitiv auch aus einer Vielfalt von Lauten, Klangfarbe, Stimmung, Tonhöhe, Lautstärke, Rhythmus, Musikalität und Artikulation geformt. Nach wissenschaftlichen die Gesamtwirkung einer Aussage zu 38% durch die Stimme bestimmt. Der Inhalt hingegen macht nur 7% aus. Mimik und Gestik übernehmen die restlichen bis heute viel zitiert und bisher nie widerlegt. Wenn nonverbale Signale eine viel stärkere Wirkung haben als der verbale Inhalt, dann könnte hierin auch eine Ursache für die durch Visualität und Sichtbarkeit geprägte Kultur liegen, da 55% der Wahrnehmung visubezogen könnte dies ein Hinweis auf einen eventuellen acoustic turn bedeuten, da die 38% der auditiven Wahrnehmung prozentual unwesentlich entfernt von turn) positioniert ist. Inhalt / Worte

Joseph Joubert - französischer Essayist

2.6 Klang und Emotion Musik löst Emotionen aus. Aber welche Musik löst welche Emotionen aus? Die emotionale Komponente von Musik als eine Sprache der Gefühle zeigt in den verschiedenen Kulturen und Epochen eine unterschiedliche Differenzierung des Ausdrucks, die mit Mitteln der Sprache nicht adäquat wiedergegeben werden kann. Mehrfache Untersuchungen haben aber festgestellt, dass diesem Reichtum an Ausdruck einige wenige Ausdrucksmuster zugrunde liegen, welche sich in Verbindung mit menschlichen Verhaltensweisen interpretieren. Eine den. Paul Ekman, der eine physiologisch orientierte Klasunterschiedliche emotionale Qualitäten des Gesichtsausdrucks auf Portraitfotos von Angehörigen der verschiedensten Kulturen mit überwältigender Mehrheit Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung. Ferner wurden bei amerikanischen und japa-

Körpersprache

Stimme/Ausdruck

Gesichtsmuskulatur registriert, wenn sich die Versuchdern unbeobachtet fühlten. Ekman folgerte daraus, dass die überkulturellen Momente bei der Kundgabe von Emotionen erst durch Darstellungsregeln und -techniken, die innerhalb einer Gesellschaft erlernt

Abb.3 Silent messages nach A.Mehrabian

Eine weitere Studie untersuchte die Stimmwirkung im Hinblick auf persönliche Ausstrahlung: Ein gebildeter rigen Akademikern bestimmt zu 56% die Stimme über Von dieser Tatsache ausgehend soll im kommenden Absatz der Zusammenhang von Klang und Emotion erfasst werden.

man 2010, 2ff). Siehe Abb.4. Helmut Rösing beschreibt welche Eigenschaften ein fühl und Zärtlichkeit getragenes Musikstück haben müsste. Im Nachdruck von 2005 wurden von Rösing ‚Resignative Passivität‘, ‚Imponiergehabe‘ und ‚Zärt-

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Japan

87

Glück

71

Furcht

87

Überraschung

63

Zorn

82

Ekel /Abscheu

74

Trauer

Abb.4 Prozentualer Anteil richtiger Zuordnungen von Gesichtsausdrücken und Emotionswörtern in fünf verschiedenen Kulturen

Es ist zu ergänzen, dass neben dem hauptsächlich untersuchten Gesichtsausdruck von emotionalen Zu345- 423). Imponiergehabe

Gestus

Resignative Passvität

Betonte Aktivität

bedächtig, gemessen, zielstrebig

behutsam,vorsichtig, sich an-

und bestimmt

schmeichelnd

gehemmt-kreisend, ohne stoßkraft

voll motorischer Spannkraft, vital,

sich-groß-machen, angespannt,

sich-klein-machen, unaufdringlich,

in-sich-zusammenfallend, ge-

aufrecht, unnahbar

zurückhaltend

schlossen, Tendenz des Absinkens,

übersprudelnd, agil, sprunghaft drängend

schwerfällig

Äußerung Funktion

I

Verhaltensweise

Aktion

Zärtlichkeitsbekundung

leise, zart und liebevoll, sanft

dunkel, monoton, farblos

hell, intensitätsgeladen, lebendig,

Machtrepräsentation, werbende

Aufgabe der eigenen Machtpo-

Abkapselung vom alltäglichen Le-

Veräußerung von innerer Aktivität,

Wirkung bei Gleichgesinnten, Unter-

sition, Einstimmung auf einen

ben, Rücksichtnahme erheischend,

Korrespondenz mit der emotionalen

werfung fordernder Drohgebärde

schwächeren, Geborgenheit und

Korrespondenz mit der emotionalen

Qualität Freude

gegenüber Feinden

Schutz vermittelnd

Qualität Trauer

weit gespannt, großer Ambitus

einfach umgrenzte Motivska-

kreisende Motivik, schrittweise

weiter Ambitus, aufwärtsstrebend,

la, überschaubare Motive in

fallende Memos

große Intervalle

stark akzentuiert, nachdrückliche

ohne Stoßkraft, schleppend kontur-

vielfältig, lebendig, kontrastreich,

Betonungen

los, Tendenz zum Erstarren

hüpfend-synkopisch

sehr langsam, durch ritardandi

durchaus schnell, accelerandi

beeindruckend

Melodik

abwechslungsreich

Musikalische Kennzeichen

Bogenform

Rhythmus

nicht zu schnell, schreitend

gemäßigt bis schnell

Tempo

geprägt dicht, abgerundet, harmonisch

Zusammenklänge

nur vereinzelt, bevorzugt Terzen

-

und Quinten, einfache Harmonik

bindungen

nicht verschwimmend, geringe

dunkel, verschmelzend, wenig

Intensität

Intensität

Typ Marschmusik, große Klang-und

Typ Schlummer-und Wiegenlieder,

Typ Trauermusik, dunkle Stimm-

Typ Festmusik, stimme und

Geräuschdichte, Instrumente mit

Vokal mit nur melodieunterstüt-

und Instrumentalfarben, abwärts-

Instrumente in hoher Lage, über-

großem Klangvolumen

zender Instrumentalbegleitung

schreitende Motive

sprudelnde Tempi

Metamorphosen Trauermarsch

Beethoven op.81a, Fidelio Finale u.

Strauss/Mozart KV477

Schluss 9.Sinfonie

Harmoniefolgen

Musikbeispiele

I

intensitätsgeladen, massiv

Klangfarbe Allgemein

Berlioz: Romeo u.Julia, Einleitung/

Speziell

Berg:Wozzeck, Szene Marie-

Nocturnes

hell, starahlend, intensitätsgeladen

Tambourmajor

Abb.5 Ausdrucksmodell als Erklärung für die Wirkungen von Musik

Um für die Klanggestaltung eine einfache Übersicht zu erstellen, die sichtbar macht welche Art von Klang -

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Aktion Freude

vital, agil, sprunghaft

Freude

Presto

Trauer

Adagio

Macht

Marsch

Liebe

Wiegenlied

Gestus vorwärtseilend, sich öffnend

Äusserung

Funktion

hell.lebendig,

lebensbejahende Veräußerung

abwechslungsreich

von innerer Aktivität

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Trauer

schleppend, kreisend

in sich zusammenfallend

dunkel, monoton

ohne Stosskraft

sich zurückziehend

farblos

Abkapseln vom alltäglichen Leben

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Macht

zielstrebig, gemessen

sich groß machen, unnahbar

voluminös

Repräsentation von Macht

bestimmt

angespannt, aufrecht

beeindruckend

Drohgebärde gegenüber Feinden

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Liebe

behutsam

sich klein machen

zurückhaltend

durch Zuwendung Geborgenheit

sich anschmiegend

Nähe suchend

sanft

und Schutz vermittelnd

Wenn also unterschiedliche Klänge unterschiedliche Emotionen auslösen und durch Klanggestaltung die zug auf die Forschungsfrage zu untersuchen, ob überkeit für eine Gestaltung der menschlichen Gefühlswelt besteht. Ausgehend von der Studie im Abschnitt 2.5 kann die Notwendigkeit der Gestaltung dahingehend

auch mit emotionalen Aspekten auseinanderzusetzen. Im März 2014 berichtete die Computerzeitschrift CHIP von einem von Neurowissenschaftlern entwickelten Computersystem welches zwar noch nicht selbst fühlen, aber besser als Menschen zwischen echten und 2014). Jarek Krajewski von der Universität Wuppertal hat eine Software entwickelt, die eine Stimme je nach

Verbesserung der gegenseitigen Kommunikation bewachsende Anzahl von Kommunikations- und Verhaleiner Gesellschaft, die von einer überwältigenden Vielfalt moderner Technologien geprägt ist, haben die Vertreter der Künstlichen Intelligenz erkannt, wie wichtig Emotionen für einen ‚intelligenten‘ Computer sind und ‚interaction design‘ hat sich als eigenständige Designdisziplin herausgebildet,

müde oder wach beziehungsweise traurig oder nicht traurig einstuft, und die Telekom Innovation Laboratories der Deutschen Telekom haben einen Ärger-Detektor mit rund 80-prozentiger Treffsicherheit entwickelt, um Anrufe verärgerter Telekom-Kunden serviceorien-

nur eine andere Art zu denken seien und das jede EmoMinsky 2006). All dies sind Verweise darauf, dass die Wahrnehmung und Verarbeitung von Emotionen und gewinnt.

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der Umstand das an deutschen Hochschulen Sprecherziehung oder Stimmbildung nicht obligatorisch für alle Lehramtsstudierenden angeboten wird. hende Lehrer, ob sie stimmlich und sprechtechnisch in der Lage sind, den Lehrberuf dauerhaft auszuüben, ist bisher ebenfalls nicht realisiert worden, obwohl 2006 in einer Studie der Universität Leipzig unter Einbeziehung von 5000 Studenten nachgewiesen wurde, dass 40 Prozent der zukünftigen Lehrer Stimmauffälligkeiten haben. Im Vergleich zu Untersuchungen zwischen Stimmauffälligkeiten zeigten, bedeutet dies einen An2010).

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Wenn, wie bereits oben angeführt, der Klang eine so wesentliche Rolle bei der Übermittlung von Informationen spielt, bedarf es eventuell einer umfangreichen Studie, ob hier nicht mögliche Kapazitäten freigelegt werden könnten, nicht nur für zukünftige Lehrkräfte, sondern generell für zukünftige Führungskräfte. Dies erscheint insbesondere deshalb aussichtsreich, weil Sprecherziehung für Lehramtsstudenten überwiegend auf mögliche Stimmschäden ausgerichtet ist und bisgestaltung hat.


3 Visual versus Auditiv

„Lerne zuhören, und du wirst auch von denjenigen Nutzen ziehen, die nur dummes Zeug reden.“ Platon - griechischer Philosoph

Nachdem im vorhergehenden Kapitel die Vorgänge beim Hören behandelt wurden und bereits einige Unterschiede der visuellen und auditiven Sinneswahrnehmung aufgezeigt wurden, soll der nachfolgende Abschnitt dazu beitragen, die beiden Sinneswahrnehzu betrachten. Hierzu werden Phasen der Sehdominanz und Phasen der Aufwertung des Hörens in der abendländischen Geschichte gegenübergestellt. Im mende Aufmerksamkeit für das Hören angesprochen und versucht, ein Abbild des heutigen Hörens zu geben, indem Wissenschaftler, Künstler und Medienpraktiker zu Wort kommen, die für einen acoustic turn plädieren. Dabei lässt sich das Thema Lärm nicht umgehen. Diesem wird zusammen mit zukünftigen Aussichten des Hörens und Möglichkeiten von auditiver Forschung ein eigener Abschnitt gewidmet. Um Hinweisen auf einen möglichen acoustic turn nachzuspüren, wird anhand des stattgefundenen visudie Voraussetzungen eines möglichen acoustic turns festgelegt.

„Nicht sehen trennt den Menschen von den Dingen. Nicht hören trennt den Menschen vom Menschen.“ Immanuel Kant - deutscher Philosoph

Die turn-Etikettierung bezieht sich manchmal auf eine neue methodologische Fokussierung, manchmal aber auch auf einen neuen inhaltlichen Forschungsschwerpunkt und manchmal hat es auch den Anschein, als ob mit solch großem Ernst betreibt, dass gleich eine neue turn-Etikettierung mitgeliefert wird.

bestimmte Richtung und nehmen, mehr oder weniger plötzlich, einen Richtungswechsel vor. Diese führen zu neuen Perspektiven, neuen Schwerpunkten, zur interdisziplinären Erarbeitung neuer Forschungsgebiete, zur Überwindung überlieferter Theorien- und Methodenansätze sowie Problemlösungskonzepten. solcher turn auditiv geprägt sein könnte, soll einer der wichtigsten turns dieser wissenschaftlichen Debattenkultur, der sogenannte pictorial bzw. iconic turn einer ikonischen Wende spricht, publizieren vor allem Kultur- und Literaturwissenschaftler unter dem von W.J.T. Mitchell bezeichneten pictorial turn, womit der ten Gesellschaft gemeint ist.

3.1 Vom visual turn zum acoustic turn Geisteswissenschaftler denken gerne in turns. Wo man früher wissenschaftliche Umorientierungen im Anschluss an den US-amerikanischen Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn als ‘Paradigmawechsel’ Aus dieser Denkweise, bei der es darum geht, bei jeder neue Themengebiete zu lenken, wurde unser Sprachgebrauch bisher mit einer Vielzahl von turns bereichert. Ausgehend von den wichtigsten wie linguistic, cultural, iconic oder pictorial turn und performative literary) turn, postcolonial, topological, topographical, geographical, digital, mnemonic, narrative, neurobiological, emotional und translational turn.

Es geht dabei um eine grundlegende Neujustierung der sprachlichen und gedanklichen Auseinandersetzung jeglicher an visuellen Phänomenen interessierter Forschungsrichtung. Nach Mitchell ist die “Fiktion [...] ei[...] nunmehr zu einer realen technischen Möglichkeit henden Umstrukturierung des Sehens rechtfertige es, von einer visuellen Zeitenwende zu sprechen. Die Fernsehers und des Computers noch gesteigert hat, durchdringenden Mittel der Kommunikation und des Denkens geworden.

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Gleichzeitig bezeichnet Mitchell den ‚pictorial turn’ aber auch als einen Irrtum. Die Vorherrschaft des Sichtbaren gerade in der Gegenwart anzusiedeln es immer schon gegeben: Sowohl die Wende der Israeliten vom unsichtbaren Gott weg hin zum sichtbaren Idol sei ein ‚pictorial turn’ gewesen als auch die ‘Seins’ traten jetzt die Kategorien des ‘Scheins’ und Mit dem pictorial turn soll, nach dem Vorbild des mentale Rolle für die wissenschaftliche Rationalität erhalten, wie sie die Sprachanalyse faktisch besitzt. Kritiker argumentieren, dass es sich gar nicht um eine methodische Wende handele es also weiterhin keine Alternative zur Sprachanalyse gäbe, sondern das es sich hier nur um eine verstärkte Hinwendung chen Gegenstand handele. “Dass ein turn ein turn ist, zeigt sich [...] erst, wenn unter seinem Vorzeichen in möglichst vielen Disziplinen mann macht den Vorschlag, jeden turn folgender Testfrage zu unterziehen: “Wieweit werden nicht nur neue Erkenntnisgegenstand), sondern daraus zugleich auch methodisch fruchtbare neue AnalysekategoAuf die Forschungsfrage bezogen bedeutet dies: Inwieweit wäre ein acoustic turn beispielsweise in der Lage, über die bloße Häufung des Untersuchungsinteresses auf Klang, Musik, Geräusche, Schallwellen und akustische Phänomene hinaus, wirklich einen ‘turn’ zu etablieren. „Das Auge trennt, während das Ohr verbindet.“

grundlegende Phänomen der Wahrnehmung, nämlich die Atmosphäre, überhaupt nicht einzelsinnlichen

dominanz in der abendländischen Geistesgeschichte. Platons Höhlengleichnis bestimmt die Hierarchie der Sinne zugunsten des Visuellen. Das Auge wird zum zentralen Erkenntnisorgan und das Visuelle oberster Heraklit werden die Augen zu ‘genaueren Zeugen’ als Visuellen als Informationsträger, worunter die abendländische Ausrichtung des Denkens auf das Sichtbare, als platonisches Erbe seit der Renaissance verstanden wird, verbunden mit den medientechnischen Errungenschaften, potenziert sich im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte. Erst Johann Gottfried Herder matisch das Ohr, „der erste Lehrmeister der Sprache“ Erkenntnisorgan neben das Auge. Das „Herdersche Ohr - und das ist das entscheidende - [richtet sich] auf die Welt. Es hört die Welt und nicht nur was es traditionellerweise tut - den anderen Menschen. Und es Welt die Sprache und also das Denken. Das Ohr, in der europäischen Tradition vorwiegend als soziales, ethisches, kommunikatives Organ angesehen, wird bei Herder ein welterschließendes, erkennendes, kog-

Nach Herder sind es vor allem Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger als Vertreter der jüngeren Gegenwartsphilosophie, die auf das visuelle Erkenntnis Paradigma im Rahmen sprachphilosophischer Gedan-

Friedrich Nietzsche - deutscher Philosoph

3.2 Historische Phasen von Seh - und HÖrdominanz Eine Gegenüberstellung von Sehen und Hören soll keineswegs als Polarisation aufgefasst werden. Menschliche Wahrnehmung auf einen vermeintlichen Hauptsinn zu reduzieren sowie die Aufrechterhaltung einer wie auch immer sortierten Hierarchie der Sinne, scheint wenig hilfreich, da der Mensch in seinen soversteht.

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und plädieren für das Hören. Dem visuell geprägten und bestimmten Vernunftdenken stellt Heidegger das Hören als „die eigentliche Gebärde des jetzt nötigen derts entsteht eine Aufmerksamkeit, die vonseiten der kulturwissenschaftlichen Disziplinen dem Ohr, dem Hören und dem akustischen Raum entgegengebracht wird, welche sich als Reaktion auf die vermeintlich 312) und Dominanz der Visualität betrachten lässt.


„Hört einer Stimmen, so wird er in eine Anstalt gebracht, hat er aber Visionen, so gilt er als Vordenker, ja als Prophet.“ Wolfgang Welsch - deutscher Philosoph

3.3 HÖren Heute eine ‘Neue Aufmerksamkeit’ auf das Ohr und das gibt es eine Wiederentdeckung der Anziehungskraft von Soundart. Der iPod erreicht Kult-Status. Audiosowie das Entstehen zahlreicher neuer Webseiten und Internet - Plattformen mit auditiven Inhalten, darunter die beiden größten Portale ‘myspace’ und ‘soundcloud’ mit mehreren Millionen Nutzern, zeigen ein neu erwachtes Interesse am Akustischen.

Aussage Heraklits, dass die Genauigkeit des Hörens die des Sehens um ein Vielfaches übersteigt und die Vorzüge des Hörapparats gegenüber den Augen immens sind. Dazu führt sie folgenden Vergleich an: Die Möglichkeit einer auditiven Wahrnehmung von zehn Oktaven ist zehnmal größer als der Wahrnehmungsbereich des Sehorgans bei der Farbunterscheidung. weit vorne, denn zwischen dem leisesten weiterleitbaren und dem lautesten bis zur Schmerzgrenze noch erfassbaren Geräusch besteht das gewaltige Verhältnis von eins zu einer Million. Marshall McLuhan macht eindringlich auf das auditive Vision eines ‚audio-taktilen Raums‘ als neue Heimat mit ganzheitlicher Orientierung, welcher ihn aus dem

Zahlreiche Fördervereine, Organisationen, Stiftunches Interesse an der Thematik Hören und Zuhören. Zu nennen sind etwa die Stiftung Zuhören und die bundesweite Initiative Hören, die sich der Medien- und

des Auditiven zu verstehen und fungieren andererseits selbst als Multiplikatoren einer neuen Aufmerksamkeit für das Ohr. Viele Wissenschaftler, Künstler und Medienpraktiker diskutieren über diese ‘Neue Aufmerksamkeit’ und manch einer sieht darin Anzeichen für einen möglichen acoustic turn. So plädiert der Philosoph Wolfgang Welsch für eine auditive Wende und verweist darauf, dass unsere abendländische Kultur ursprünglich keine Kultur des Sehens, sondern eine des Hörens war: „Ein Verdacht geht um: Unsere Kultur, die bislang einer Kultur des Hörens zu werden. Und dies sei wünschenswert und nötig. Nicht nur aus Gründen der Gleichbehandlung müsse nach der über zweitausendjährigen Dominanz des Sehens nun das Gehör emanzipiert und vielleicht sogar privilegiert werden. Sondern der hörende Mensch sei auch der bessere Mensch - er sei nämlich fähig, sich auf Anderes einzulassen und es zu achten, statt es bloß zu beherrschen“

ziehende Wende der Technologien des visuellen zu denen des akustischen Raums in unserer Gesellschaft 63). Sein Schüler, der Literaturwissenschaftler und Oralitätsforscher Walter J. Ong, bezeichnet die gegenwärtige Epoche als “neues Zeitalter sekundärer Oralität”, denn mit dem Telefon, dem Radio, dem Fernseher und verschiedenen Klangaufzeichnungsgeräten werde ein wirkliches Publikum geschaffen, wohingegen das

‘Die Welt ist Klang’ gar das Ende des visuellen Zeitalters herauf: „Der Neue Mensch wird ein hörender Mensch sein - oder er wird nicht sein. Er wird in einem Maße Klänge wahrnehmen, von dem wir uns heute noch keine Vorstellung machen können [...]. Die tiefere ausgelöst, daß wir uns endlich das Ohr und das Hören in dem Maße erschließen, in dem das Auge und das Sehen ohnehin in unserer Kultur erschlossen sind“ “Nicht nur Homer war blind, auch Ödipus wurde es, nachdem er wirklich verstanden hatte, was er getan Kalchas, der Seher, mit dem die Ilias beginnt, waren ebenfalls blind. Immer wieder - durch die Jahrtausende hindurch - klingt an: Der Seher ist deshalb ein her-Gabe. Unvorstellbar wäre ähnliches bei anderen

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„Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“ Robert Koch - deutscher Mediziner und Mikrobiologe

Es gleiche wissenschaftshistorisch einer Revolution, der in den Naturwissenschaften erhalten haben. Die visuelle Evidenz ersetze oder überspiele oft das ver‚wie man sieht‘ zufrieden. In solch einem Umfeld sei es nur eine Frage der Zeit, bis ein ‚wie man hört‘ als akustische Evidenz in den Forschungsprozess gleich-

Verborgene Netze. Analogien in unseren Ausdrucksformen‘, schreibt Heinrich Haerdtl, dass bereits “für die Chinesen das Auge ein YangSinn war: männlich, aggressiv, herrschend, verlegend - während das Ohr der Yin-Sinn ist: weiblich, empfangend, helfend, intuitiv und spirituell, ins Innere dringend, das Ganze als Eines wahrnehmend“ Haerdtl 2007, 48). Für eine klangökologische Aufmerksamkeit plädiert tik der Lärmverschmutzung und damit Hören als vernachlässigte Kernkompetenz und Umweltorientierung in den Mittelpunkt seiner anfangs künstlerischen und musikdidaktischen Arbeit. Einen Vergleich zwischen Sehsinn und Hörsinn macht dass Licht das Gegenteil von Dunkelheit ist. Das Gegenteil rendt 2008, 148f). tens mit der wissenschaftlichen Erkenntnis gestützt werden, dass es keine absolute Stille gibt. Wie bereits beschrieben empfängt das menschliche Ohr ununterbrochen und kann nicht abgeschaltet werden. ad absurdum geführt. Je stiller es im Saal wird, umso deutlicher kommt eine andere Musik zum Vorschein, eine Zufallsmusik, nämlich die Geräusche, die ohnehin von den Zuschauern selbst gemacht werden. Die absolute Stille ist unerreichbar. rendt aber aufgegriffen und dem Klang als Gegensatz der Lärm gegenübergestellt werden.

3.4 LÄrm und auditive Perspektiven Nun stellt sich die Frage: Wenn Lärm als Gegenteil von Klang betrachtet wird, was ist dann der Unterlaute Geräusche. „Lärm ist jedes unerwünschte laute Geräusch. [...] Je stärker ein Geräusch ist, desto mehr Menschen empjektiv geprägt, messtechnisch zugänglich ist nur das Der Unterschied zwischen lautem Klang und Lärm liegt in der erwünschten oder unerwünschten Wahrnehmung des Hörers. Jetzt müsste geschlussfolgert werden, dass der Mensch bei unerwünschten Lärmsich nicht in eine laute Umgebung begibt. Aber zum einen birgt die psychologische Gewöhnung an eine laute zu dringen. Zum anderen machen sich beginnende Hörschäden im Frühstadium durch eine Absenkung der Hörschwelle im Frequenzbereich zwischen 5 und 6 kHz bemerkbar. Dieser Frequenzbereich ist für die Wahrnehmung von Sprache oder Musik weniger reso dass eine Schwerhörigkeit sich schleichend über eine Gewöhnung an den erst nur geringen Hörschaden auftritt. Welch große Gefahr von Lärm ausgeht verdeutlicht sich, wenn man auf oben genannter Webseite die Zahlen der Untersuchungen des Umweltbundesamtes lem durch Straßenverkehrslärm belästigt fühlen, 20% davon sogar stark beeinträchtigt. Das Wort Lärm ist hervorgegangen aus ‚Alarm‘, dem italienischen all‘arme, welches ‚zu den Waffen‘ bedeutet. In Deutschland schreit. Der Unterschied zum realen Krieg ist allerdings der, dass ein Krieger, welcher mit Waffen ausgestattet war, immerhin eine Chance hatte den Gegner zu besiegen. Der heutige Kampf von 40 Millionen Menschen wird gegen einen unsichtbaren Feind geführt und der Ruf ‚zu den Waffen‘ transformiert sich vom AngriffsWaffe, die den Lärm besiegen kann.

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Verkehrslärm, Maschinengeräusche und laute Musik -

Beispiele

Lautstärke in dB

Geräusch länger andauert. Ein Automotor im Leerlauf -

Wirkung

180 170

bereits 40 Millionen Deutsche durch Lärm belästigt fühlen und 6 Millionen Deutsche durch Lärm ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Teil der aber zu vermuten das eine deutlich hohe Dunkelzif-

Gewehrschuss in Mündungsnähe 160 Düsenjäger in 7m Abstand Walkman/Max.Belastung Flugzeug 7m Abstand Bohrmaschine/Diskothek Kreissäge Posaunenorchester

lauten Geräusche durch die oben erwähnte psychologische Gewöhnung an laute Umgebung, gar nicht als solche registriert und sich dadurch der über Jahrzehn-

PKW/Moped mit 100km/h in 1 meter Abstand

bezeichnet Lärm als ‚hörbaren Abfall‘ und ‚größtes

PKW mit 50km/h in 1m Abstand

24). „Der Mensch ist ständig von akustischem Müll umgeben ohne ihn als solchen zu erkennen“ . Wenn nun der Mensch nicht in der Lage ist, Lärm zu erkennen, wie soll er dann in der Lage sein, Lärm von Klang zu unterscheiden? Der Schalldruckpegel als angezeigter Messwert in Dezibel kann hier zwar Aufschluss über einen nach Rechtsvorschriften zulässigen Wert geben, aber der Lärm wird dadurch nicht verschwinden. Es wird immer nur Lärm gemin-

Rasenmäher Schreibmaschine

Webseite drei Arten der Lärmminderung: Neben passivem Schallschutz und Abschirmung ist die Minderung des Lärms direkt an der Quelle die wichtigste. Trotz jahrelanger Lärmschutzverordnungen, Lärmmessungen und -berechnungen leidet die Hälfte bestimmte Anzahl setzt sich einer schleichenden Schwerhörigkeit aus, weil sie Lärm erst gar nicht als solchen registriert. Da stellt sich die Frage, welche Anforderungen und Möglichkeiten in der Lärmminderung bestünden, wenn ein neues Hörbewußtsein geschaffen würde, das einerseits dazu führe Lärm und umzuwandeln. Ähnlich wie der Mensch optischen Müll wiederverwertet, könnte der akustische Müll in Klang umgewandelt werden. Ob dies eine auditive Perspektive ist, kann erst die Zukunft beantworten. Aber der Weg in die Richtung ist bereits eingeschlagen, wie im Abschnitt 2.6 durch die Mensch-Maschine-Interaktion angedeutet wurde.

130

Schmerzgrenze

120

kurzer Einwirkung

110

schmerzhaft

100

unerträglich

90 85

Umgangssprache PKW in 15m Abstand üblicher Tagespegel im Wohnbereich

80 70 65 60 55 50

Brummen eines Kühlschranks/leise Radiomusik Flüstern

Blätterrauschen

laut der Kommunikation

40 30 25

tropfender Wasserhahn

kungen

leise

20 10 5

ruhig

0

Abb.6 Dezibelskala Pegelbereiche für Geräusche

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spektive, deren Potential noch lange nicht ausgeklanglichung von Daten, deren Anwendungen derzeit vor allem in der Prozessüberwachung und der Navigationsunterstützung oder auch der Seismologie sosualisierung’ und hat dieser gegenüber einen bedeutenden Vorteil. Den zeitlichen Faktor. Die durch Sonistark modulieren und dem Ohr ist es, im Gegensatz zum Auge, bis zu einem gewissen - jedoch höheren - Grad möglich, Änderungen im Verlauf zu entdecken und wahrzunehmen. Verklanglichungen auf diesem Gebiet bieten eine nützliche Ergänzung oder Alternative zu den Videobildern, um wissenschaftlich analykönnten klanglich ‚den Weg weisen‘, indem über eine -

tische Verfahren ‚Hypersonic Sound‘ bei dem Schallwellen unterschiedlicher, unhörbarer Frequenzen in tung gewinnen. Mit dem Verfahren können Töne erzeugt werden, die in einer Menschenmenge nur eine bestimmte Person hören kann. Dieses lasergenaue Fokussieren von Ton entsteht durch das Zusammentreffen der unhörbaren Frequenzen, deren Differenz eine hörbare Frequenz bildet. Obwohl Norris schon Nutzungsmöglichkeit erkannt wurde. Norris erhielt einer halben Million Dollar dotierten Lemelson Prize des Massachusetts Institute of Technology. Auch dieses Verfahren besitzt Potential als neue Analysekategorie indem Ton als neues Erkenntnismittel genutzt werden kann.

Möglichkeit bekommen, interaktiv ihre Umgebung abzutasten oder erkenntnisfördernde Informationen über Unregelmäßigkeiten und/oder Sturkturänderungen in Mittel zur Vertonung von Daten erbringt das Gehör permanent ungeheure Mustererkennungsleistungen. Attributen differenzieren, wie beispielsweise Tonhöhe, Lautstärke, Dauer, Hüllkurve, Klangfarbe, Rauhigkeit ten einer Zeitserie in Schalldruck umgesetzt werden. Neurophysiologen benutzen die Methode beispielsweise, um die Aktivität eines einzelnen Nervs hörbar Auswertung

von

Langzeit-Elektrokardiogrammen nungen, den so genannten ElektroenzephalogramStunden aufgezeichneten Daten auf höchstens eine Minute zu komprimieren, damit der Arzt sie schneller beurteilen kann. Diese Art der Anwendungen könnten satz kommen, wo durch schnelles screening Unregelmäßigkeiten oder Gleichmäßigkeiten in großen Zeitperioden oder großen Datenmengen effektiv erkannt die Forschungsfrage und deren in 3.1 festgelegten Voraussetzungen durchaus als methodisch fruchtbare neue Analysekategorien angesehen werden.

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„Lärm ist das Geräusch der anderen“ Kurt Tucholsky - deutscher Schriftsteller


„Design wird verschwinden. Design wird so verschmelzen mit jedem nur denkbaren Prozess oder Projekt, dass das Wort Design obsolet wird. Die Trennung von Entwurf und Produktion löst sich auf. Alles wird Design sein.“

tischen Musik beginnt die Auseinandersetzung mit

Philippe Starck - französischer Designer

4 Sounddesign wird, bedarf es vorerst einer Erklärung des Mediums, das gestaltet werden soll. Was wird allgemein als

Durch die Möglichkeiten der neuen elektronischen Musikinstrumente, der tontechnischen Geräte und Verfahren im Studio steht nun der Sound im Zentrum pretation, Komposition und Notation gegenüber der Technik in den Hintergrund tritt. Das Markenzeichen wird der durch den Umgang mit der Tonstudiotechnik erzeugte charakteristische Klang. Es geht nicht mehr nur um den Sound des Musikers, sondern auch um

längst nicht mehr nur Klang oder - im akustischen wie psychologische Sinne - Klangfarbe. Sound meint die Totalität aller den Gesamteindruck der Musik bestimmender oder vermeintlich bestimmender Elemente ‘Sound Design’ übernommen wurde, wird bei wikipedia als ‘Tongestaltung’ bezeichnet. Auch der Deutsche Filmpreis, als renommierteste Auszeichnung für den deutschen Film, bezeichnet den Arbeitsschwerpunkt als Tongestaltung und hat seit 2005 eine Kategorie für kalischen Sinne die Schallwellen in Ton, Klang, Gegerecht, da hier sowohl Töne als auch Geräusche und Klänge gestaltet werden. Im deutschen SprachSounddesign.

allem aus musikalischer Seite auch als ‘fetischhaft verehrte[s] Markenzeichen’ kritisiert und ‘wichtigste[s] 176) mit einer ‘Schlüsselfunktion in der kommerziellen ein Sound nutzt sich ab, und dann muss eine neuer

als ‘Klangfarbe’, ‘Klangqualität’ oder ‘charakteristischer Klang’ in der Jazz-, Rock- und Popmusik bis heute verwendet. Die heutige Nutzung des Wortes ist gibt Frank Schätzlein in ‘Sound - Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien’, indem er un-

„Es hört doch jeder nur, was er versteht.“ Johann Wolfgang von Goethe - deutscher Dichter

4.1 Definition “Im deutschsprachigen Raum hat die Verwendung des Jazz. [...] der individuelle Sound galt als musikalisches Ziel und Qualitätsmerkmal eines Musikers, eines Kom-

weise die Gesamtheit aller Schallereignisse auf der Film-Tonspur oder die auditive Ebene eines Fernsehprogramms oder Computerspiels), räusche: ‚Sound Effects‘ bzw. ‚SFX‘), - charakteristischer Klang einer Ware oder eines InTelefone oder sogar Lebensmittel) und - charakteristischer Klang einer Marke oder eines Un-

Rock- und später in der Popmusik.

ternehmen und Fernsehprogrammen wie ‚Das Erste‘

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Ebenso wie in der Umgangssprache verschiedenste den wissenschaftlichen Fachrichtungen unterschiedliDie Umweltpsychologie konzentriert sich auf die menLärms auf den Menschen. In der Musik-und Theaterwissenschaft wird Sound als Klang bzw. Klangfarbe verstanden, aber auch als Ausdruck für einen musikalischen Stil oder Stilelemente

„Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen.“ George Bernard Shaw - irisch-britischer Dramatiker

als: - die gesamte Tonebene eines Mediums mit den unterschiedlichsten Schallereignissen, - den charakteristischen Klang der Produktionen eines Komponisten, Tonmeisters, Sounddesigners oder Regisseurs, - den charakteristischen Klang bestimmter medientechnischer Geräte und Einrichtungen, tischen in den Medien bzw. der Tonspur im Film und

4.2 Geschichte

geworden, was eventuell auch darauf hinweist, dass sich verschiedenste Disziplinen und Wissenschaften ausgiebiger mit dem Thema Klang beschäftigen. Dieses zunehmende Interesse an der Klanggestaltung könnte auf einen möglichen acoustic turn hinweisen

In den Ingenieurswissenschaften wird Sound in der oder eines Raumes verstanden. Im Rahmen des Akustikdesigns soll der Sound hier beispielsweise stützen, zum Kauf bzw. Gebrauch eines Industrieprodukts/Geräts anregen, die akustischen Eigenschaften

werden. Wie man am spatial turn erkennen konnte, wurde dieser auch durch geschichtliche Ereignisse ausgelöst. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und den vorhergehenden Eroberungskriegen des Naziregimes zur Schaffung eines neuen ‘Lebensraums kulturellen und geographischen Räumen zunächst

beim Verweilen in einem Raum erhöhen. unterschiedlichen Gestaltungsdisziplinen zuzurechgriffe Klang und Sound sowie deren Zusammensetzungen wie Klanggestaltung und Sounddesign oder Klangkunst und Soundart verwendet, ohne in ihrer

20

Kalten Krieges und der Öffnung der Grenzen wurde ein verstärktes Interesse der Sozial- und Kulturwissenschaften an geographischen Phänomenen möglich. turn verhindert? Deren Ursprung geschichtlicher oder politischer Art ist? Und seit wann beschäftigt sich die Menschheit überhaupt mit der Klang-Thematik?


Honduras, lebt der Quetzal, ein grüner Vogel mit lan-

Diese Raubkatzen verehrten die Mayas ebenfalls, wie zahlreiche Skulpturen und Gemälde in Chichen Itza belegen.

vor 1500 Jahren hat man den Vogel als heiliges Tier Das heiße, trockene Klima Yucatans wird von dem Vogel nicht bevorzugt und trotzdem kann man den Maya Tempels von Chichen Itza am richtigen Ort in die Hände klatscht und dem Klang lauscht der dadurch hervorgerufen wird.

der es nicht um die Imitation von Naturgeräuschen geht, wo aber durchaus gezielte Klang-Architektur gestaltet wurde, sind die griechischen Theater. Diese sind oft kreisförmig an einen Hügel gebaut. Dort hatten bis zu 15000 Zuschauer Platz und die Akustik war so gut, dass die Schauspieler ohne Mikrofonierung selbst in den letzten Reihen gut verständlich waren.

Als Touristenattraktion bekannt geworden ist das ganze Die Römer wiederum haben in ihren Theatern an ganz im Jahr zeigt sich der Höhepunkt der Maya-Kalenderkunst während der Tag- und Nachtgleiche. Dann wird an die Treppe ein Licht und Schattenspiel geworfen, welches verbunden mit den Schlangenköpfen am mittelt, dass hier eine große Schlange von der Pyramide herab kriecht. Neben diesem visuellen Schauspiel gibt es auch das viel später entdeckte akustische Phänomen, welches durch ein ‘in die Hände klatschen’ hervorgerufen wird. bei diesem Tempel mehrfach den Klang aufgenommen, den die steilen Tempelstufen zurückwerfen, wenn man davor in die Hände klatscht. Das Ergebnis seiner Versuchsreihe war immer dasselbe: Das von den Stufen in seine Frequenzen zerlegte Echo ist ein zwitscherndes Geräusch. Sein Klang ist dem Ruf des Quetzals unheimlich ähnlich. Lubman ist überzeugt, dass die Maya-Architekten die Pyramide mit Absicht so konstruierten, dass sie den Ruf des Quetzals imi-

welche als Resonanzverstärker dienten. Die Stimmen der Schauspieler waren dadurch sehr klar und deutlich verständlich. von Hypogeum auf Malta. Sie ist 4 ½ tausend Jahre alt. Dort gibt es eine Kammer, in der sich auf Kopfhöhe die tiefen Anteile der Stimme verstärkt werden. Das heißt, wenn ein Sprecher hinein spricht, dann wirkt seine Stimme tiefer und imposanter. Technisch wird das heute als ‘Helmholtz-Resonator’ bezeichnet. Hier wurde bei Hügelgräbern in England und Frankreich festgestellt, dass die langgezogenen Grabkammern einen resonanzverstärkenden Effekt hervorrufen, wenn man am Eingang zu diesen Grabkammern trommelt. Das daraus erzeugte Echo aus der Kammer zeigen, dass sich bereits frühere Hochkulturen mit Klanggestaltung und Raumakustik befasst haben.

nur in die Hände klatschen müssen, um dem Volk die stieß er auf Ablehnung, da man den Mayas solch ein akustisches Wissen nicht zutraute. Weitere Versuchsreihen auch anderer Akustiker stützten jedoch Lubmans These und führten bei der ‘Ton-Architektur’. Eine Flüstergalerie etwa, die es ermöglicht zwischen zwei Tempeln zu kommunizieren. elles Handball mit schweren Kautschukbällen spielten. Zwei acht Meter hohe Steinmauern begrenzen die 145 Gebrüll eines Jaguars ähnelt.

21


Es gibt keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen, ob geschichtliche Ereignisse wie Kriege, Katastrophen, Revolutionen und dergleichen eine Auswirkung speziell auf das menschliche Hören haben. Aber es kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Traumata bei Auswirkungen auf den Hörprozess haben. Viele der heute etwa 70- bis 85-jährigen Menschen trügen seit treibung, Verfolgung, Vergewaltigungen und Kampfhandlungen in sich. Je nach Altersgruppe erlitten bis zu 60 Prozent kriegsbedingte Traumata, schreibt die Psychotherapeutin Heide Glaesmer vom Universi-

Der Krieg hinterließ in ganz Europa zerstörte Familien und verwüstete Städte, menschliche, urbane und bauliche Ruinen. Die Menschen standen vor einer unerlytiker Michael Ermann analysiert die Nachkriegszeit und ihre Kriegskinder und stellt fest, dass das Wirtschaftswunder half, die materielle Not zu lindern - aber auch bewirkte, dass die Wunden verborgen blieben, an denen alle litten, die diesen Krieg erlebt hatten. Die gemeinsame Kriegskind-Identität zeigt sich in einem Mangel an Selbsteinfühlung und Gefühlsferne in einer gewissen Rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst, einer bestimmten Zähigkeit, mit der viele von ihnen durchs Leben gehen, einer Unauffälligkeit des zeigt der Umgang mit der Zeit bemerkenswerte Relikte von Flucht und Fliegerangriffen: Das Hinauszögern von Abschieden, von Entscheidungen, das Ausnutzen von Zeit bis zur allerletzten Sekunde, die Unentschlossenheit bei Reisen, das Chaos vor der Abreise. Oder merkwürdige, oft unbemerkte kleine Phobien, zum menzucken bei Aufheulen von Sirenen, beim Vorüber-

Wenn also der Wirtschaftsaufschwung bei einem traumatischen Kriegserlebnisse führte, dann könnte durchaus auch angenommen werden, dass die Entwicklung von Synthesizern dazu beitrug, neue Klangerlebnisse zu schaffen, um frühere Klangerlebnisse zu verdrängen.

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Musik wird oft als eine Art Droge konsumiert, um die Verdrängung negativer Erfahrungen zu bewältigen. Erschwerend kommt hinzu, dass in Deutschland nach der Kriegsbewältigung eine neue Problematik durch das SED-Regime entstand samt der damit verbundenen Verfolgung von andersdenkenden Menschen. Rund 300.000 Menschen kamen in der DDR aus politischen Gründen ins Gefängnis.

zone und der DDR betrafen nicht nur diese 300.000 Menschen, sondern auch die Familien wurden in Schicksal für die Kinder, die in den vierziger und fünfziger Jahren in den sowjetischen Speziallagern und den Gefängnissen der DDR geboren wurden und dort Jahre ihres Lebens zubringen mussten“, erklärt die

Die besonderen Härten, die Kinder von politisch Verfolgten erleiden mussten, waren nicht auf die frühen gesetzt indem gedroht wurde, dass sie in Heime eingewiesen oder zur Adoption freigegeben würden. In einer Studie der Psychologinnen Grit Klinitzke und Häftlingen der DDR deutlich höhere depressive, angst-

riere für einen möglichen acoustic turn auszugehen ist, wurde wissenschaftlich nicht erforscht. Es kann aber festgestellt werden, dass das letzte Jahrhundert durch seine geschichtlichen Ereignisse, zumindest auf deutschem Gebiet, nicht gerade zu einer freien und renicht entwickeln, da durch Diktatur und Unterdrückung das Hören eine Tendenz zu Hörigkeit und Gehorsam entwickelte.


Als Gegenargument könnte angebracht werden, dass wurde, wie im virtuellen Raum des Internets ersichtlich, eine neue Raumauffassung nötig, die den Raum

dem Interesse und Handeln einzelner Menschen oder Gruppen entspringt und der reale Raum wird ergänzt durch die für das Subjekt dominante, sozial und kulturell überformte Raumwahrnehmung bzw. -konstruk-

Durch die Einführung elektronischer Musikinstrumente und Synthesizer wurde ebenfalls eine neue Klangauffassung nötig, die den Klang nicht mehr als eine versteht. Der neue elektronische Klang erscheint als ein Ergebnis der Industriealisierung ebenfalls aus dem Interesse und Handeln einzelner Menschen oder Gruppen entsprungen. Insofern könnte hier schon eine Art ‘acoustic turn’ eingeleitet worden sein.

„Barkeeper hören mehr als alle Psychoanalytiker und Beichtväter zusammen.“ Clint Eastwood - US-amerikanischer Filmschauspieler

4.3 Filmsounddesign

Filmsounddesign ist das tonästhetische Gesamtkonzept, also die umfassende Erschaffung der klanglichen Welt eines Films. Sie beschreibt die Tätigkeitsfelder des Sound-Designers ganzheitlich als kreative Arbeit mit Geräuschen und Sprache, wozu die Kreation einzelner Klänge genauso gehört, wie deren Montage. Ebenso sieht sie die Kommunikation mit dem Komponisten der Filmmusik, sowie die Koordination aller am Ton-Produktionsprozess beteiligten Abteilungen 2001, 18).

Zumindest hat die Einführung von Synthesizern in vie-

Fritz Lang war einer der ersten Regisseure, der einen Pfeifen des Kindermörders, noch bevor sein SchatKlanggestaltung stellte eine Herausforderung an die ‘Medienkompetenz’ des Publikums dar. Die Zuschauer mussten erst lernen, ein ‘reales’ Geräusch, dessen

wurde zu einer gleichberechtigten Erzählinstanz im ihm entwickelten sich vielfältige, neue Möglichkeiten

‘Sounddesign’, der, wie oben bereits erwähnt, erst in das, was schon Fritz Lang Jahrzehnte vor den Filmemachern der New-Hollywood-Ära praktiziert hatte: Einen kreativen Umgang mit den Möglichkeiten des schen für einen bestimmten dramatischen Effekt. Walter Murch zufolge verändert gutes Soundesign nicht nur das, was das Publikum sieht. Vielmehr löst und Ton aus. Das heißt, der Ton lässt den Zuschauer lässt ihn den Ton anders wahrnehmen, der ihn dann

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ist die Simulation des sogenannten Cocktail-Party-Effekts. Dieser beschreibt die Tatsache, dass der Mensch auch in lauten Umgebungen in der Lage ist, einzelnen akustischen Ereignissen gezielt zuzuhören eingeordnete) Ereignisse auszublenden. Schafer beschreibt diesen Umstand als einzigen Schutz des Ohres vor unerwünschten Lauten, da der Hörsinn nicht , 11). Dies wäre bspw. in einer Umgebung mit einer sehr der Fall, wo trotz der Masse an akustischen Ereignissen und ihrer Lautstärke der Mensch in der Lage ist, einem Gespräch zu folgen. Hier kann das Sounddesign durch die Auswahl und Mischung der auditiven Elemente die Aufmerksamkeit des Zuhörers bewusst auf die gewünschten Klangobjekte lenken. Es übernimmt also die Funktion des Heraushörens wichtiger Klänge. Schafer sieht darin die Chance, die Lautübertion leidet und die getrenntes Wahrnehmen von Klängen mehr und mehr zu einer Herausforderung macht, aufzulösen. Akustische Ereignisse können innerhalb des Sounddesigns getrennt eingesetzt werden, um -

Der Zuschauer kann angesichts schrecklicher Ereignisse auf der Leinwand die Augen schließen, die Ohren aber nicht. Die Tonspur, die ihm aus den zahlreichen Kinolautsprechern entgegenkommt, hat eine gewisse Macht über ihn und schwächt ihn in der Rezeption. „Ab einer bestimmten Lautstärke wirkt der Sound als eine direkte Stimulanz auf das vegetative Nervensystem und löst - kognitiv kaum zu kontrollieren - emotionale und körperliche Reaktionen aus und schen zurück. Dieser als Acoustic Driving bezeichnete Prozess wird vor allem in Filmen, die Katastrophen, Gefahr, Terror und Gewalt thematisieren, eingesetzt“

Ein für die Forschungsfrage nicht unwesentlicher Aspekt wird im Filmsounddesign besonders deutlich: Die schiedene Momente darstellen, auch wenn sie dem Filmbetrachter synchron erscheinen mögen. Ein gehörter Ton beispielsweise sensibilisiert umso mehr für riert. Nur in ganz seltenen Fällen ist eine Filmhandlung in Echtzeit zu sehen, oft wird die Tonspur für zeitliche ment für Sequenzmontagen oder auch zur Erzeugung einer akusmatischen Situation benutzt. Eine parallele künstlerische Zusammensetzung beider Ebenen wird der Film zum Gesamtkunstwerk. sounds vorwiegend bei großen amerikanischen Filmproduktionen zugenommen. Dies ist daran erkennbar, das die Erstellung der Tonspur inzwischen nicht mehr von einzelnen Personen sondern von spezialisierten Teams und großen Soundstudios übernommen wird, bei denen Sounddesigner, Komponisten, Soundedieiner konsequenten Produktion für ein 6-Kanal-WieSchätzlein 2008b). Die Wertigkeit beim Film liegt aber merksamkeit zu widmen, beim visuellen, während weltweit bekanntesten Filmpreisverleihung, werden Kategorien werden überwiegend durch den visuellen Inhalt geprägt und 4 Kategorien sind dem Auditiven -

Der auditiven Wahrnehmung wurde in den letzten Jahren auch eine ansteigende Aufmerksamkeit in der Wirtschaft zuteil. Ein guter Klang ist heutzutage ein Qualitätsmerkmal geworden. Aus dieser Einsicht herund Corporate Sounddesign entwickelt.

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„Es gibt Geräusche, die wahrnehmbar sind wenn man die Augen schließt.“ Bruno Ziegler - deutscher Bildhauer

4.4 Produktsounddesign In den letzten Jahren beschäftigen sich immer mehr Hersteller mit dem Klang ihrer Produkte und erhoffen sich dadurch Marktvorteile gegenüber der Konkurrenz. In der modernen Gesellschaft sind die Menschen fast ständig von Produkten umgeben. Ein wesentlicher Aspekt der Lebensqualität ist der von diesen allgegenwärtigen Klangquellen erzeugte Klang. Ein Produkt, das klappert, dröhnt oder unangenehm quietscht hat eine ganz andere Wirkung als ein Produkt, welches nutzer erwartet oder sogar positiv überrascht. Der Sound eines Produktes oder Teile von ihm ist mehr und mehr zu einem Verkaufsfaktor geworden insbesondere im Hinblick auf alle möglichen ElektroVentilatoren, Audio-Produkte usw. Es gibt Auto-Liebhaber, die ihr Auto durch den Klang der zuschlagenden Tür erkennen. In der Autoindustrie sind schon seit vielen Jahren Teams von Sounddesignern, Ingenieuren, Produktdesignern und Psychologen damit beschäftigt, einen sehr charakteristischen Sound für die Marke zu entwickeln. Der Sound verder Marke. Wie die Qualität eines Produktes vom Nutzer wahrgenommen wird hängt von einer Reihe von Produkteiaktivitäten, Funktion, Lärm/Schall, Gewicht, Geruch/ Geschmack und haptischen Eigenschaften ab. Produktsounddesign ist eine Klangoptimierung und werden Disziplinen innerhalb der Wahrnehmungspsyauf die mechanische Konstruktion des Produktes untersucht.

Das übergeordnete Ziel bei der Produktentwicklung ist es, zukünftige Verbrauchereinstellungen, -erwartungen und -vorlieben zu nutzen, so dass der Sound eines Produktes zu einem positiven Attribut für den

Es werden folgende Kategorien von Produktklang unterschieden: Passive Sounds sind die Klänge, die erzeugt werden, usw.). Im Gegensatz dazu werden Aktive Sounds durch Der Klang eines Produktes ist immer im Zusammenvon anderen Faktoren zu sehen. Er hat die Tendenz, sich im Laufe der Zeit teilweise aufgrund der technischen Fortschritte oder auch aufgrund der sich verändernden Geschmäcker und Moden, zu ändern. Demzufolge ist die Optimierung von Produktsound ein sich ständig erneuernder Prozess. gleichzeitig zum kommenden Unterpunkt des Corporate design übergeleitet und aufgezeigt, wie nah Produktsounddesign und Corporate Soundesign beieinanderliegen. Obwohl bei einer Harley Davidson der Klang des Motors überaus laut und nicht wirklich umweltfreundlich ist, kann er als Hauptmerkmal des Produkts angesehen werden. Der Sound der Maschine ist ein wesentliches Element des Produkts, die Identität des Motordynamisch, eine Inkarnation eines wilden und freien Leben. Harley Davidson hat sogar seinen Motorensound patentieren lassen um sich vor Kopien der Wettbewerber zu schützen. Das Produktsounddesign wird hier gleichzeitig zum Corporate Sounddesign.

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„Wer das Ohr beleidigt, dringt nicht zur Seele vor.“ Quintilian - römischer Rhetoriklehrer

4.5 Corporate Soundesign Corporate Sound Design ist im Gegensatz zum Corporate Visual Design ein vergleichsweise junges Gebiet, sollte aber hier mit aufgeführt werden, da es ein Corporate Sound ist das akustische Gesamtkonzept einer Marke, das auf der Markenidentität basiert und ein Teil der Corporate Identity eines Unternehmens. bewerb unterscheidbares Selbstverständnis eines Unternehmens und beinhaltet die gesamte Selbstdarstellung eines Unternehmens nach außen und innen. Viele Unternehmen schenken ihrem visuellen Erscheinungsbild immer noch mehr Aufmerksamkeit und erst nach und nach beschäftigen sich Unternehmen auch mit ihrem Erscheinungsklang. Als Corporate Soundding, Audio Identity, Sound Identity, Acoustic Identity, die alle den gleichen Aufgabenbereich beinhalten: Den strukturierten Prozess, in dem ‚das Akustische‘ ein Teil der Marke und ihrer Markenidentität wird. Es schaffen. Dabei werden wie bei jedem anderen Designprozess auch verschiedene Aufgabenbereiche gien, Research, Umsetzung und Controlling. Das Ziel eines Corporate Sounddesign ist die Stärkung

Im Gegensatz zum Produktsounddesign, welches sich im Laufe der Zeit teilweise aufgrund der technischen Fortschritte oder auch aufgrund der sich verändernden Geschmäcker und Moden ändert, sollte ein Corporate Sound Design als Wiedererkennungsmerkmal keiner wesentlichen Änderung unterzogen werden. Ob die teilweise mangelhaften Ergebnisse von Corporate Sound Umsetzungen, wie bspw. langweilige und nichtssagende Telefonwarteschleifen, dem Umstand zuzurechnen sind, dass das Corporate Sound Design ein vergleichsweise junges Gebiet ist oder ob hier der auditiven Thematik nur zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde, wird durch die zukünftigen Auswirkungen der momentanen Klanggestaltung beurteilt werden müssen. Ein Großteil der akustischen Gestaltung wird heute immer noch ohne das Hinzuziehen eines Sounddesigners oder Klanggestalters durchgeführt und oft wird aufgrund von Optimierung und Wirtschaftlichkeit die akustische Gestaltung zu wenig berücksichtigt. Ein Corporate Sound Design oder eine Produktsoundgenehmen statt. Während sich eine Vielzahl von Sounddesignern mit der Frage beschäftigen, wie der Klang einer schliessenden Mercedes Autotür klingen muss und man bei einem hochpreisigen Auto von einer kompletten Orchesterklangkomposition sprechen kann, det man bspw. bei den öffentlichen Verkehrsmitteln in akustischen Warnsignalen für das Schliessen von Türen. Weder eine Einheitlichkeit noch eine Funktionalität, die mit dem visuellen Warnsignal übereinstimmen Studie mit einer neu entwickelten Designlösung für ein

renzierung gegenüber dem Wettbewerb, Steigerung keit und Differenzierung. Hierzu können verschiedene Elemente benutzt werden, wie bspw. Firmenhymne, Music usw.

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Anhang A1). Ein akustisches Warnsignal muss in erster Linie eine Funktion erfüllen. Deshalb unterscheidet man im Sounddesign nochmal die Kategorie der funktionalen Klänge.


so entsteht eine neue Sprache.“ Theodor W. Adorno - Philosoph, Soziologe und Komponist

mit der rasanten Entwicklung von Fertigungs-, Werkzeug- und Fortbewegungsmaschinen, die neue Strukturen in Gesellschaft und Umwelt mit sich brachten und somit auch neue kommunikative Erfordernisse, - die Entdeckung des Elektromagnetismus und damit die Möglichkeiten neuer Kommunikationsmedien und -fähigkeiten über Telegraphien, Phonographen, Telefonie, Film hin zur Funktechnik und - die Digitalisierung im 20.Jahrhundert, die mechanische Geräte und damit deren Geräusche mehr und mehr reduzierte zudem in der Folge andere nahezu lautlose Geräte hervorbrachte, welche aber in ihrem

4.6 Funktionale KlÄnge

in Schulze 2008, 186-187).

Unser tägliches Leben durchzieht eine Vielzahl von absichtlich generierten Klangereignissen, wie etwa Klingeltöne, Signaltöne an elektrischen Geräten oder die Sirenen von Krankenwagen und Feuerwehr. Diese tung, die dem Hörenden vermittelt werden soll. Es handelt sich um Klänge und Geräusche, die eine zielgerichtete Kommunikation ausüben, um ein beabsichtigtes Ergebnis zu erreichen. Sie sind funktionalisiert. Die Funktion die der Klang erfüllen soll, ist ein Mittel zum Zweck. Funktionale Klänge oder auch Funktionsklänge sind kurze akustische Signale für nicht-sprachliche Schnitt-

Earcons und Auditory Icons sind auch den Funktionsklängen zuzuordnen. Earcons sind nichtsprachliche Audiosignale, die analog zur Verwendung von gra-

in Handymenüs oder beim Patientenmonitoring, beim Verschließen des Autos, als Warn- oder Achtungssignal bei Fahrstühlen oder Verkehrsmittel usw. Sie dienen dazu, Informationen oder Daten auditiv dar-

können, Information im Mensch-Maschine-Dialog zu kommunizieren. Sie sind abstrakte, neu gestaltete akustische Nachrichten, die bei Interaktionsvorgängen dazu verwendet werden, Zustände oder Ereigaktionsobjekte auditiv zu beschreiben. Ihre Funktion muss vom Empfänger erst erlernt werden. Auditory Icons werden ähnlich wie Earcons zur Unterstützung der Mensch-Maschine-Kommunikation in terschied zwischen Earcons und Auditory Icons liegt darin, dass Auditory Icons realistische Alltagsgeräumit Interfacekomponenten bringen soll. Diese Verbindung muss nicht, wie es bei Earcons erforderlich ist,

statt einer visuellen Repräsentation zur Verfügung verwendet. Das Prinzip von Funktionsklängen wird schon seit cken in regelmäßigen Abständen entlang der Laufbahn einer Kugel auf einer schiefen Ebene. Der Rhythmus der Glockenschläge bildete für ihn die Grundlage zur Georg Spehr benennt drei Zeitpunkte, welche die zunehmende Anwendung von Klang und Geräusch und damit auch den Einsatz des Funktionsklanges ent-

Computers, welches mit einem Klang bestätigt wird, der wie das Zerknüllen von Papier klingt. Durch die wachsende Anzahl von elektronischen Geräten wie Smartphones, Laptops, Playstations, Tablets, Ticketautomaten, Geldautomaten, KartenlesegeKlanggestaltung von Earcons und Auditory Icons entstanden. und die Gestaltung von funktionalen Klängen seit den letzten Jahrhunderten stetig angestiegen ist und besonders in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat.

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„Hören sie nicht auf das, was die Kritiker sagen. Für einen Kritiker ist noch nie ein Denkmal errichtet worden.“

5 Soundart und Klangkultur Hier ist auch in Zukunft mit einem weiteren Anstieg zu eine intensivere Aufmerksamkeit in der Klanggestaltung einhergeht.

Vorfeld der Versuch einer Unterscheidung von Kunst und Design aufgestellt werden. Sowohl Kunst als auch Design sind kreative Gestaltungsdisziplinen. Der -

ten ist, ist jene, dass die Gestaltung des Sounds direkt an den Verbraucher abgegeben wird und dadurch der Hersteller nicht mehr verantwortlich zeichnet für das Sounddesign. Die neuen Technologien führen dazu, dass Handybesitzer sich ihren eigenen Klingelton

in England, herausgebildet. Hier waren Künstler beteiligt, die mit daran gearbeitet haben, Produkte des Alltags in ihrer Formgebung gestalterisch zu verbessern und verschönern. So wurde die Designgestaltung

auf ihr Telefon herunterladen. Diese Möglichkeiten werden bereits bei mehreren Produkten angeboten, wie beispielsweise der Wohnungsklingel, dem Alarmwecker, dem Anrufbeantworter. Die Klanggestaltung dass sich die Einzelperson selbst ihren Klang gestaltet und sich nicht dem vorgegebenen Klang eines Unternehmens oder Designers unterordnen muss. Hier könnte es in Zukunft zu einer Entwicklung kommen, wo der Verbraucher bei vielen elektronischen Geräten sein eigener Sounddesigner wird: Eine lachende Espressomaschine, ein meeresrauschender Fön, ein eine elektrische Zahnbürste welche die morgendlichen Grußbotschaften des Partners kommuniziert.

für künstlerische Produktgestaltung. Design orientiert sich eher an gewisse Vorstellungen eines Kunden, dient dem täglichen Gebrauch und ist im Gegensatz zur Kunst zweckorientiert. Heutzutage bezeichnet Design den gesamten Prozess, der von einer neuen, kreativen Idee bis hin zur Innovation führt und wird meist in Teams erarbeitet. Faktoren wie der gesellschaftliche Wandel oder Ökologie verändern die Anforderungen im Designbereich und verlagern oft die Interessen der Kreativen, so dass Designgestaltung auch im sozialen und politischen Umfeld oder der Kunst eingesetzt wird und sich damit von der Idee der Produktgestaltung und des Marktes entfernt. Viele Kreative interessiert zu einer bestimmten Disziplin nicht mehr. Künstler entwerfen funktionale Objekte und Designer Unikate als Sammelobjekte, so dass die Kreativen die Disziplinen als auch Designbereich bewegen. Design und muss keine Funktion erfüllen - jedenfalls nicht im Sinne einer praktischen Nutzung. Nachdem im Abschnitt 4 der Klang-Designbereich auf mögliche Anzeichen eines acoustic turn untersucht

dass auch erforscht werden kann welche Veränderuntung in der Musiktheater- und Medienwelt zu verzeichnen sind.

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„Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ George Orwell - britischer Schriftsteller

Klangkunst wird im Allgemeinen als eine Gattung der

ginn der sogenannten Emanzipation des Geräuschs, bei der das musikalische Material auf alles akustisch Klingende hin erweitert wurde. Schon Gustav Mahler nien Hämmer und Kuhglocken. Der entscheidende räusche), bei dem der Komponist ein selbst konstruiertes Orchester aus Geräuschinstrumenten, den so genannten Intonarumori, akustisch realisierte. Histo-

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5.1 Definition von Soundart

152). „Töne sind höhere Worte.“ Robert Schumann - deutscher Komponist

5.2 Geschichte der Soundart Die Entstehung der Klangkunst hat sich aus verschiedenen anderen Künsten entwickelt und beruht außerdes zwanzigsten Jahrhunderts stattfanden. hend etablierten Raumkünsten wie Architektur und Malerei sowie Zeitkünsten wie Musik und Dichtung entgegenzuwirken und die Kunstgattungen zu verschmelzen. Die Oper als Verbindung der verschiedeschon seit Ende des 16. Jahrhunderts in Europa, aber die Künstler des beginnenden 20.Jahrhunderts und hier vor allem die Komponisten, suchten nach neuen Wegen der Verschmelzung von unterschiedlichen Kunstgattungen. Einer der ersten Versuche dieser Art 60‘, für die er eine zweistimmige Lichtstimme für ein beleuchtungssteuerndes ‚Lichtklavier‘ komponierte. Die erste Aufführung mit der Lichtstimme fand im März statt, welche von Preston Millar entworfen wurde. Dabei wurden die Farben auf eine Leinwand über dem Orchester projiziert. In Kubismus und Dada tauchten die Collagetechnik und die Aktion auf.

der Klänge bezeichnete, wurde das musikalische Hören im 20. Jahrhundert regelrecht revolutioniert. Alle Klänge des Alltags und der Umwelt waren für ihn interessant. tes und die Musikwelt bis heute polarisierendes Stück ten und 33 Sekunden, unterteilt in drei Sätze, keinen einzigen Ton. Es klingt ausschließlich das, was sonst als nicht zur Musik gehörig und störender akustischer Hintergrund ignoriert wird: Der Raum und die Umgekeineswegs durch die totale Lautlosigkeit, sondern ist geprägt durch die Umgebungsgeräusche, die das Ohr des Zuhörers während der Performance erreichen. Die Inspiration zu dem Werk bekam Cage in den versität Harvard besuchte. Eine echofreie Kammer ist so konstruiert, dass die Wände, die Decke und der trat den Raum und erwartete, rein gar nichts zu hören hohen und einen tiefen. Als ich dies dem verantwortlichen Techniker beschrieb, erklärte er mir, dass der hohe Ton ständig vom Nervensystem erzeugt werde, se werden meinen Tod überdauern. Man braucht keiSmaczny 2012).

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„Und wie der Klang im Ohr vergehet, der mächtig tönend ihr entschallt, so lehre sie, dass nichts bestehet, dass alles Irdische verhallt.“ Friedrich Schiller - deutscher Dichter

5.3 Soundinstallation ren der alle musikalischen Parameter kontrollierenden, elektronisch generierten Seriellen Musik von die Gegenwart der unzähligen Spielarten der Popmusik, der Neuen Musik und der Klangkunst. wegungen, ist auch “der enge Zusammenhang zwischen der Innovation technischer Verfahren und den neuen künstlerischen Ausdrucksformen und Inhalten. [...] Zu den meisten Mißverständnissen führt dabei immer wieder die unlösbare Frage ob die technische Innovation erst die künstlerische nach sich zieht oder die kulturellen Veränderungen die Voraussetzung für Zu diesen Innovationen werden die Aufzeichnungs- ebenso der Synthesizer oder Klangerzeuger und der Computer mit den verschiedensten Spielarten von Algorithmen.

raumgreifendes, ortsgebundenes und oft auch ortsoder situationsbezogenes dreidimensionales Kunstwerk bezeichnet. Dieses kann natürlich auch mit Sound kombiniert werden, so dass eine Installation nung Soundinstallation hat. Neben den installativen Formen in der Klangkunst tronische Musikperformance ist beispielsweise mehr manchmal aber auch gleichzeitig als Installation klaszwischen den Formen der Klanginstallation und der Objekt meint und mehrere Objekte eine Klanginstallation bilden können. von Ort zu Ort bewegen oder in unterschiedlichen mance Elemente, Aufnahme- oder Rundfunk-Elemente enthalten, sie werden manchmal über mehrere liert, sie können in Galerien, Museen, elektronischen installiert werden.

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„Wer denkt, bewegt sich in Räumen. Wer musikalisch denkt im Sinne der abendländischen Musik, kann in Palästen wandeln.“ Albert Breier - deutscher Komponist

5.4. Musik und Raum Die beiden Komponenten Raum und Musik in ihrem Zusammenwirken zu betrachten, hätte auch bereits habt. Sowohl im Sounddesign als auch in der Soundart spielt der Raum eine sehr wichtige Komponente. Unter Raum kann nach musikalischen Gesichtspunkten Verschiedenes verstanden werden, „der komposides Komponisten, aber auch des Hörers), der Gehörsraum, der Notationsraum, der Tonraum und der reale

Vor allem für die Werke mit großer Orchesterbesetzung boten die Konzerthäusern eine ideale Akustik und Nachhallzeit. Hatten die ersten Konzertsäle noch für wenige hundert stehende Zuhörer Kapazität, so ten nun mehr als 1000 Zuhörer , wie bspw. Wiener Mudert folgten dann, geprägt durch die Architektur der Moderne, Säle in asymmetrischen Formen und einer Kapazität bis zu 2.500 Plätzen wie die Philharmonie in

der Klangquellen im Raum, so daß Klang im Raum Dermietzel nimmt eine Kategorisierung in akustische Musikräume und mentale Musikräume vor: Als akustische Musikräume bezeichnet er die Verteilung der Klangquellen im Raum, wobei als Klangquellen sowohl Instrumente und die menschliche Stimme, als auch elektroakustisch simulierte Sounds durch LautDermietzel 2003, 44). Mentale Musikräume dagegen spielen sich ausschliesslich auf der geistigen Ebene ohne konkrete sinnliche Erfahrung ab. Die räumlichen Aspekte werden als kompositorisches Hilfsmittel, theoretisches räumen beim Hörer eingesetzt. „Wer die festen Koordinaten des euklideischen Raumes verlässt, um sich mit Tonraum, Musikraum, Gefühlsraum usw. ausein-

In heutiger Zeit werden Konzerthäuser so konzipiert, dass sie Säle mit variabler Akustik besitzen, die sich für verschiedene Musikarten eignen, um eine Wirtwährleisten - unabhängig von musikalischen Moden oder Trends. Das Zusammenspiel von Raum und Musik hat eine lange Tradition, obwohl die Zeitkunst Musik oft als Antipode der Raumkunst Architektur angesehen wurde. Heutzutage verliert Musik immer mehr ihre Form als Zeitkunst und Künstler versuchen das Räumliche in die Musik- oder Klangwelt zu etablieren. „Die Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmen sich mehr oder weniger alle der Frage der Durchdringung von Raum und Musik: Karlheinz Stock-

der gleichwohl an Faszination bisher nichts eingebüßt Seit dem 16. Jahrhundert nutzte Mehrchörigkeit die Wirkung mehrerer Ensembles im Raum. Ensembles passten sich an die Akustik ihrer Aufführungsorte an. Architekten entwarfen eigene Raumtypen, die der des öffentlichen Konzertwesens gegen Ende des 17. Jahrhunderts wechselten die Aufführungsräume der Musikveranstaltungen. Statt in Festsälen, Wirtshäusern und Kirchen spielte die Musik nun in eigens dafür errichteten Konzerthäusern.

geführten Oper ‚Die Soldaten‘ seine Idee der ‚Kugelkomponierten Zyklus ‚Stücke der Windrose‘ musika-

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Die Verbindung von Raum und Musik entwickelt eine Inszenierung großräumlicher Events im Stadtraum“ spannende Projekte, die mit der traditionellen Konzertsituation großer Konzertsäle nichts mehr zu tun haben. Das Publikum sitzt oder bewegt sich zwischen dem Orchester, Maschinenmusik oder eigenständig spielende Instrumente die elektronisch gesteuert werden, 15.000 Orchestermusiker die ein Stadion füllen ganze Stadt als Konzertraum nutzt und bei dem die Darbietungen von 100 Musikern an 50 öffentlichen Plätzen mittels der Tonsumme akustisch koordiniert schen Möglichkeiten bieten vielfältige Anwendungs-

lungsanlagen im großen Probensaal und Foyer, Gegensprechanlagen, Sound-Effekt-Wiedergabe-Systeme, Paging-Sound-Systeme für die Live-Überwachung von Aufführungen, Rufen und Voice Alarm sowie die Aufnahme- und Klangeffekt Produktionssysteme. Die Toningenieure können mit den eingebauten Systemen sogar die Nachhallzeit regulieren und somit an die jeweilige Aufführung anpassen. Opern von Richard Wagner, Richard Strauss usw. benötigen eine längere Nachhallzeit, etwa 1,7 s, während moderne Rockopern und Musicals eine kurze Nachhallzeit von ca.

sich teilweise auch eine neue Suche nach Identität von klassischen Werken bemerkbar macht indem diese in Events oder Größenwahn ausarten und nach sik neue Räume zu erschliessen ist groß, denn Musik macht Raum erfahrbar. Wie bereits im Abschnitt Sounddesign ausgeführt, hat die Klanggestaltung eine jahrtausendealte Tradition gestaltet. Wenn die römischen und griechischen Theaterbauten vor 2-3000 Jahren schon unter akustischen Gesichtspunkten errichtet wurden, so kann man heute bei modernen Theater-und Konzerthäusern kompleAkribie an die räumlichen Verhältnisse ausgerichtet werden. Verstärkungssysteme werden für höchste werden so konzipiert, dass störende Echos minimiert die automatisch von einem Tracking-System gesteuert wird, so dass die Überzeugung des Publikums in der ‚Illusion‘ verharrt, den gehörten Klang direkt von dernen Theaterbau soll hier das Opernhaus in Oslo dienen, das im April 2008 eröffnet wurde und somit zu den neuesten und modernsten Theaterbauten der Welt zählt. Das Haus hat einen großen Saal mit 1358 Sitzplätzen und einen kleinen Saal mit 440 SitzplätAula gibt es ein großes Induktionsschleifensystem -

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Abb.7 Akustiksystem des großen Saals am Opernhaus Oslo

de Technik ist heutzutage in jedem deutschen StadtKünstler um andere Schallquellen, Instrumente usw.

- Soundeffekte aus mobilen Lautsprechern auf der - Erweiterte Surround-Effekte


Im Theater ist es heute üblich, dass die Grundvoraussetzungen für eine gute Tonverständlichkeit, wie lärmarme, niedrige Verzerrung, Feedback Prävention, angemessene Schalldruckpegel und Abdeckung erfüllt sind. Dabei muss beachtet werden, dass die ne richtig lokalisiert werden, um Verständlichkeit und Transparenz zu erhalten und dem Publikum keinen Verlust zwischen visuellen und auditiven PerspektiLage sein, für mehrere virtuelle Quellen die Positionen unabhängig voneinander verändern zu können. im Theaterbereich sind den akustischen Musikräumen zuzuordnen, auch wenn diese teilweise von den AnforAnspruch oder der Ausführung der Kompositionen) „Für Schopenhauer ergab sich die Analogie zwischen -

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kes wie die von ihm erstrebte und theoretisch begründete Synthese der Einzelkünste, die in seinen Opern und die süchtig machende Verführungskraft seiner chromatischen Harmonik haben ihre Wirkung auf die architektonischen Vorstellungen der Epoche gezeitigt“ Neuschwanstein hatte die Musik Wagners einen maßRitualstätte von Auserwählten, mitten im industriellen Zeitalter entstehen konnte. Richard Wagners Idee vom Gesamtkunstwerk beeinkönnen hier die Totaltheater-Entwürfe von Friedrich Kieseler und Walter Gropius genannt werden, bei deerraum-Elemente das Raumbewusstsein in Verbindung zur Musik veränderte. In Wagners Konzept des Gesamtkunstwerks nahm die Architektur eine dienende Stellung zur Verwirklichung der musikalischen Idee ein und hatte die praktische Raumumgebung für die Einheit der Künste zu schaffen.

war ein zweckgerichteter Funktionsbau, der den stilistischen Konventionen des historischen Zeitalters nur in bescheidenem Maße entgegenkam.

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Was für das moderne Theater schon seit einiger Zeit realisiert wurde, nämlich eine dem Nutzungsverhalten angepasste Raumakustik, ist in vielen anderen Gebäuden noch Zukunftsmusik. Allerdings gibt es bei der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Künstlern und Gestaltungsdisziplinen auch interessante Ansätze, wo unter den Gesichtspunkten von Hörwahrnehmungen, Raumakustik und Sounddesign geforscht wird. Projekte dieser sollen hier aufgeführt werden:

net. ‚Cromatico‘ ist begehbar und gleichzeitig akustisch erfahrbar. Sie präsentiert die Visualisierung der Chromatik und bietet die Möglichkeit körperlich in eine Oktave einzutreten und eine spezielle musikalische Situation zu erleben. Sie ist didaktisch eine 1:1-Erfahrung zwischen den Halbtönen E und F. Der Architekt ist Rosario Nuin.

Diese Klangskulptur nutzt auf der Grundlage der Prinzipien der Äolischen Harfe die Kraft des Windes. Die Rohre verstärken und leiten die Resonanzfrequenzen, die durch die Schwingung von Wind erzeugt werden. Das dopMittelpunkt steht. Es entstehen unterschiedliche Schall- und Sichtportale, die sich im Laufe des Tages je nach Standort der Skulptur verändern.

Gebäude seien wie Musikinstrumente, sagt Liebeskind. Im Jüdischen Museum wurden ganz bewusst akustische Räume, inspiriert von Schönbergs ‚Moses und Aron‘, gestaltet. Die Schritte der Museumsbesucher erschaffen ‚Voids‘, erinnern an das Verschwinden der Jüdischen Kultur durch den Holocaust.

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„Lerne den Ton der Gesellschaft anzunehmen, Adolph Freiherr Knigge - deutscher Schriftsteller

5.5 Medien und Raum Die Medien sind heute überall präsent. Einkaufspassagen, Kaufhäuser, Fahrstühle, Wartehallen, Hotels, Cafes mit Musikberieselung - ja selbst wenn am Telefon die Warteschleife läuft, wird Kurzweiligkeit mit mehr oder weniger abscheulichen Melodien erzeugt. Jeder Haushalt besitzt Radio und/oder Fernseher. Viele besitzen sogar mehrere Geräte, die teilweise gleichzeitig laufen. Diese Art von Klanglandschaften, die uns heute umgeben, haben unterschiedlichste Aufgaben. Einerseits dienen sie der Unterhaltung und des Zeitvertreibs, andererseits werden sie zur Stimulation und allem beim Kaufverhalten) oder auch zur Abgrenzung, wie bspw. in Restaurants, wo die Musikberieselung dazu führt, den Gästen das Gefühl der Anonymität zu vermitteln. Ab einer bestimmten Lautstärke können die Personen am Nachbartisch nicht mehr so genau das Gespräch am Nebentisch verfolgen. Das Raumempauditive Orientierung geht verloren. Klanglandschaften als Hintergrundmusik sind inzwian der Marke Starbucks zu erkennen ist. Alle StarServietten, Tassen, Firmenlogos, Wanddekorationen und andere Design-Merkmale. Starbucks orientiert sich an einem ‚authentisch und organischen‘ Design. Über achtzig Designer werden von Starbucks beschäftigt, um dieses ‚authentisch und organische‘ Design zu orten weltweit, ist Starbucks auch einer der weltweit führenden Musik-Einzelhändler. Wie der Kaffee, wird die Musik streng standardisiert und reguliert. Jedes Starbucks-Café ist mit einem speziellen Player ausgestattet, der nur Musik, die durch die Starbucks Corporation festgelegt wurde, spielt. Jedes Starbucks-Café erhält zur gleichen Zeit, mit einer Fluktuationsrate von etwa drei Monaten, die gleiche Musik. Wenn neue Musik eintrifft, verfällt die vorherige, was bedeutet, dass es nie wieder gespielt wird. Somit gibt es keine Abweichung in der Musik, die in jedem Starbucks-Café gehört wird, überall in der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt.

und Klänge eine Einheit bilden, die Organisation von Klängen nicht aus der Produktion des Ortes gescheKlänge nicht einfach an Orten ‚passieren‘, sondern bewusst an Orten platziert werden. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass große Konzerne in der Zukunft unsere ganze Umwelt auditiv vorgeben, so dass inszenierte Klanglandschaften ähnlich omnipräsent schirmen, Häuserwänden usw. rator statt über Inhalte. Die Stimme eines Moderators prägt die Klanglandschaft einer Radiosendung. Auch beim Fernsehen erhält jede Sendung nicht nur ein bestimmes visuelles Design, sondern auch einen ganz schaft. Dies lässt sich an bestimmten Sendeblöcken bis hin zur speziellen ‚Klangatmosphäre‘ eines ganzen Senders beobachten. Durch die ständige Unterbrechung von Werbeblöcken gehen größere dramaturgische Spannungsbögen verloren. Die Anpassung an dieses Senderaster hat zur Folge, dass die Werbung oft lauter gesendet wird als der sie umgebende Film: hier wird bereits einkalkuliert, dass der Fernsehzuschauer die Werbung als Pause benutzen wird, um die Toilette aufzusuchen oder ein neues Getränk zu holen. Die Klanglandschaft mutiert zu einem ‚Hinterherschreien‘. Mit oft erheblichem Aufwand versucht die Werbeindustrie, alle Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie zu nutzen, um Inhalte im Gehirn des Konsumenten zu verankern. Oft genügt ein einziger wiedererkennbarer ‚Sound‘, um ein Produkt damit zu verbinden. Und wie in vielen anderen Nachrichtensendungen, hat sich auch in der Werbung eine schematisierte Artikulation der Sprache herausgebildet. Eine auf das TV-Format angepasste und auditiv gestaltete Klanglandschaft, welche fortlaufend einem innovativen Hörerlebnis wie sie bei Hörspielen, elektroakustischer und traditioneller Musik in Konzertsälen oder oft auch bei Filmen zu erleben ist, kann hier keine Rede sein. Abzuwarten bleibt, ob die neuen ständig wachsende Anzahl von Mediendesign-Hochschulen hier in Zukunft dem Klang als Medium mehr -

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6.2 Analog versus Digital Zunahme des Untersuchungsinteresses auf Klang, Musik, Geräusche, Schallwellen und akustische Phänomene sowohl im Theater/Musiktheaterbereich, Raumkunst Architektur. Methodisch neue Analysekategorien bei denen Schallwellen, Klang oder Ton als neue Erkenntnismittel genutzt werden könnten und wie sie in Abschnitt 3.1 gefordert werden, sind nicht ersichtlich.

„Das Denken ist ein Erhören.“ Martin Heidegger - deutscher Philosoph

6 Technologien der Gestaltung und Wiedergabe von Klang Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich mit den digitalen Produktionsmitteln und ihren unterschiedlichen Möglichkeiten bei der Gestaltung von Klang. Die Veränderungen bei der Herangehensweise in der Gestaltung von Klang durch die Virtualisierung der Klangproduktion und ihre Auswirkungen in dem Produktionsfeld sollen auf die Forschungsfrage hin untersucht werden. Die Darstellung unterschiedlicher Audiowiedergaben bilden den Abschluss und sollen das Forschungsbild durch das Aufzeigen der Entwicklung ständigen.

„Man muß die Musik des Lebens hören. Die meisten hören nur die Dissonanzen.“ Theodor Fontane - deutscher Schriftsteller

6.1 Digitale Klanggestaltung Da die Gestaltung von Klang oder Sound heutzutage fahren und digitalen Produktionsmittel sowohl in der Musikproduktion, dem Sounddesign als auch der

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Die professionelle analoge Klangproduktion ist nur in High-End-Studios möglich und deshalb mit erhebprofessionelle Produktionen das Privileg derer, die sich die Einrichtung oder das Anmieten eines Studios leisten können. Der immer schnellere Fortschritt der neuen Informations- und Kommunikationstechnolozu einem enormen kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. In der Musikkultur bewirkt diese technologische Entwicklung gravierende Änderungen in Produktion, Distribution und Rezeption. Durch die Digitalisierung ergibt sich eine, in den letzten Jahren zunehmende, musikalische Demokratisierung und SelbstprofessioEinfügen, Loopen, usw.) sind nun in entmaterialisierter und entlinearisierter Form möglich. Die Manipulationsmöglichkeiten sind wesentlich umfangreicher und Durch die Digitalisierung in der Musikproduktion entstehen neue digitale Produktionsmittel wie Synthesizer, Sampler und Sequenzer. Digitale Synthesizer berechnen Klänge, um sie dann als analoge Signale wieder auszugeben und hörbar zu machen. Viele analoge Synthesizer sind als Softwaresimulation umgesetzt worden und haben geringere Ausmaße als ihre analogen Vorgänger. speichert und stehen dann zur digitalen Manipulation zur Verfügung. Jedes aufgezeichnete Klangereignis kann endlos und ohne Qualitätsverlust wiedergegeben oder bearbeitet werden. Der Sampler wird oft wie die Klangerzeugung durch das verfremden von vorhandenem aufgenommenem Material und nicht durch Oszilatoren und Generatoren erreicht wird. Klang- und steuerdatencodierende Technologie, die bei der analogen Klangproduktion getrennt waren, werden vereinigt, was zu einer Verschmelzung von Musikinstrument und Wiedergabegerät führt. Sequenzer werden dazu verwendet, die Klänge zu strukturieren und musikalische Abläufe zu program-


Instrument spielen zu müssen. Es wird mit der Maus gearbeitet und alle Parameter mit der Hand eingegeben, welche immer wieder verändert werden können. Dies bringt beispielsweise den Vorteil, kein Instrument beherrschen zu müssen oder auch unspielbare Passagen zu ermöglichen. Digitalisierung führt zu einer Virtualisierung der Produktionsmittel. Dadurch wird der Produzent immer unabhängiger von Hardware und der Computer übernimmt die Aufgaben sowohl von Synthesizer, Sampler und Sequenzer. Es entsteht ein virtuelles Tontudio, welches eigenständig gestaltet und unbegrenzt erweitert werden kann. Viele Effektgeräte können als PlugIn zusätzlich installiert werden, so dass Soundproduktion ziert werden kann. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass so gut wie jedes Instrument zu jeder Zeit verfügbar ist. Die Digitalisierung der Musikinstrumente und Aufnahmetechnik wirkt auch auf den kreativen Prozess zurück. Die Musiker sind nicht mehr die klassische Produktionseinheit, sondern der Produzent, welcher weitgehend emanzipiert mit geringem technischem Aufwand Instrumentalparts in hoher Qualität per Mauszung der Musiker/Instrumente und kann diese von Track zu Track ändern. Durch die Digitalisierung wird die Musik zum immateriellen Datensatz und Tonträger werden und stehen jederzeit zur Verfügung. Durch die Entmaterialisierung von Sound und dem Internet, haben sich neue Vertriebswege entwickelt, die dazu führen, dass bspw. keine Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit einem Label mehr besteht und auf Internetplattformen jeder seine eigene Musik präsentieren, vertreiben und zum Download anbieten kann. Eine ähnliche Entwicklung ist beispielsweise in der Literatur zu sehen, wo der Schriftsteller durch die Möglichkeit der ebook Publikation gleichzeitig Verleger wird.

Vor allem junge Leute kommen früh mit einfacher Prosoftware günstig oder bereits auf neueren Rechnern Die unterschiedlichen Internetplattformen bringen Produzenten mit ähnlichen Interessen zusammen. Der Austausch von Musikern und Klangkünstlern unterschiedlichster Musikrichtungen wird erleichtert und die Entmaterialisierung von Musik ermöglicht eigene deren neu interpretieren zu lassen. Diese neuen Möglichkeiten führen zu einer Demokratisierung der Klangproduktion. tung von Musik beschäftigen. Der Hörer greift immer durch selbst zum Komponisten. Die Klassenstrukturen innerhalb der musikalischen Hierarchie werden aufgebrochen, so dass es keine Unterscheidungen mehr zwischen Komponist und In-

Die Vertrautheit mit musikalischen Klischees durch den bewussteren Umgang mit Klang nimmt zu, so dass zu erwarten ist, dass sich durch die Digitalisierung der Musikproduktion selbige zu einer Standard-

dar. Dass die Entmaterialisierung von Klängen zu eiführt, ist nicht erkennbar.

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„Niemand auf der Welt bekommt so viel dummes Zeug zu hören wie die Bilder in einem Museum.“ Jules de Goncourt - französischer Schriftsteller

6.3 Klangsynthese und Funktionen der Audiobearbeitung Als Klangsynthese wird die Erschaffung und Zusammenführung von Klängen und dem zur Entstehung notwendigen kreativen Prozess dahinter bezeichnet Es werden drei Formen der Audiobearbeitung unterschieden: Die Pegelbezogene Klangbearbeitung, die Frequenzbezogene Klangbearbeitung und die ZeitbeAuf eine detailierte Erläuterung der vielfältigen Möglichkeiten von Klangbearbeitung sowie der Vielzahl unterschiedlicher Audiobearbeitungsprogramme wird hier verzichtet, da dies für die Forschungsfrage nicht relevant erscheint. „Ohne den Lautsprecher hätte ich das deutsche Volk nie erobern können.“ Adolph Hitler - Diktator des Deutschen Reiches

6.4 Audiowiedergabetechnologien In der Soundart oder Klangkunst wird versucht mit Hilfe verschiedener Audio-Technologien eine technische stellen. Hier kann die Absicht des Künstlers je nach sein. In den meisten Fällen führt die Entwicklung der Technologie zum Wunsch, ein akustisches Ereignis neu oder anders zu interpretieren. Mit anderen Worten: Die Wiedergabetechnologien für die Aufnahmen akustischer Ereignisse werden mit dem Ziel verwendet, um dem Hörer eine möglichst räumlich korrekte oder authentische Wiedergabe, je nach Entwicklungsstand der Technologie, zu ermöglichen. Die Auswahl der Technik wird in der Regel in den physikalischen Eigenschaften der Schallausbreitung und/ oder den psychoakustischen Eigenschaften unseres räumlichen Hören begründet. Oft ist die Kombination von Lautsprechern und Algorithmen für die Audiomanchmal auch der Schallraum an die Technologie je nach Absicht des Komponisten oder Soundkünstlers. Hierbei können Kompositionstechniken eine Rolle spielen oder auch klangästhetische Gestaltungsformen. 38

Die künstlerischen Konzepte werden danach gestaltet, was der Komponist mit der Zusammensetzung der einzelnen Komponenten von Raum, Technologie und Kompositionstechnik erreichen und welche Art von Auch Faktoren, wie die gewünschte Genauigkeit des gebend bei der Wahl der Technologie. Die gängigsten Technologien werden im Anhang genauer beschrieben. Der geschichtliche Rückblick auf die Audiowiederbei der Inspirationen für neue Anwendungsmöglichfranzösische Ingenieur Clément Adler sein ‘Theatrophone’, mit dem Aufführungen aus der Pariser Oper Garnier übertragen wurden. Dies war der geschichtliabhängig voneinander stereophone Prinzipien entwickelt, bei denen Lautsprecher verwendet wurden, um Phantomklangbilder zu erstellen. Die erste brauchbare stereophone Schallplattenaufnahme gelang der lung und qualitativen Verbesserung der LangspielStereoaufzeichnungsverfahren international durchsetzen. Die erste stereophone Langspielplatte, eine Aufnahme von Tschaikowskys ‘Nussknackersuite’, Plattengesellschaft Mercury. Der Rundfunk begann mit der Ausstrahlung von Stereosendungen Anfang ständige

Verbesserung

der

Übertragungstechnik -

Künstler mit stereophonen Effekten zu spielen, bis hin zum Einsatz der Stereophonie als Mittel zur bewussten

Jahre). Multi-Kanal-Stereo-Formate für das Kino drei Front-Kanälen und einen Surround-Kanal sehr beeingeführt, ein Vier-Kanal-Surround-Sound-System. Dieses Format ist noch im Einsatz, wird aber nach und nach abgelöst von digitalen Tonspuren, die entweder fünf oder sieben Kanäle von Surround-Sound sowie Anhang A5).


Stockhausens Vision das Quadrofonie in alle Wohnaber dass die Menschen den generellen Wunsch verspüren, die Klangwiedergabe in ihren Wohnzimmern verbessern zu wollen, wurde durch das Surround Sound 5.1 System bewahrheitet.

Ambisonics hat möglicherweise Aussichten, die konventionellen kanalgebundenen Übertragungsverfahren in der Zukunft abzulösen. Seit der ersten bekannten Stereo-Übertragung von Musik auf der Pariser Ausstellung 1881 sind kontinuierlich Verbesserungen der Wiedergabe vom aufgezeichneten Schallfeld über die Jahre erreicht worden. Heute schiedene Systeme, wobei die 5.1 -Kanal-Surround Wiedergabe sowohl für den öffentlichen als auch

A7) mit dem Ziel entwickelt, ein Gesamtschallfeld zu dem Ziel, ein Originalschallfeld zu rekonstruieren.

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„Taubheit verursacht mehr psychische Probleme als Blindheit, dem Blinden kann ich das Gesehene beschreiben, aber was soll ich einem Tauben zeigen?“ Alfred A. Tomatis - französischer Ohr- und Hörforscher

7 Fazit 7.1. Zusammenfassung Es gibt Unsichtbares, das gehört werden kann. Akustische Ereignisse erfüllen den ganzen Raum und machen diesen erfahrbar. Akustische Ereignisse können Emotionen wecken, Körperreaktionen hervorrufen und Aufmerksamkeit erregen. Sie können manipuin Innen- und Außenräumen kann also dazu beitragen, das Raum-Zeit-Gefühl zu verändern. eine Eindringlichkeit ein und macht das Hören zu einer unmittelbaren Erfahrung. Akustische Signale werden schneller wahr genommen als optische Signale. Der auditive Sinn ist vor allem besser zur Erfassung zeitlicher Prozesse geeignet. Gegenüber dem Gesichtssinn liefert das Ohr wichtige zusätzliche Informationen, wie Raumgefühl und Nähe, Genauigkeit und Dauer, Entgrenzung und Zuwendung. Auch ein wenig geschultes Ohr ist in der Lage, in einer gehörten Musik Fehler oder Auffälligkeiten in Form harmonischer oder rhythmischer Abweichungen sofort zu bemerken. Den gleichen Fehler in der gedruckten Notenschrift einer Partitur mit dem Auge zu suelle Aufbereitung von Daten ist oft sehr zeitaufwenmengen in Klänge umzuwandeln und den Zeitrahmen auf wenige Minuten zu komprimieren. Trotz der Komprimierung können die Auffälligkeiten herausgehört könnte dieser Vorteil des Ohrs gegenüber dem Auge Demgegenüber ist bei räumlicher Dimensionierung und Vermessung das Auge kaum zu überbieten. Es tur und der Unveränderlichkeit. Das Ohr hingegen orientiert sich in der Zeit, hat seine Stärken in der Wahrnehmung von Prozessen und erlaubt, zeitveränderliche Aspekte und Dynamik eines Phänomens zu studieren. 40

Die Wahrnehmung und Gedächtniskultur wurde im letzten Jahrhundert nicht nur durch visuelle Medien verändert. Durch die technischen Möglichkeiten Klang aufzuzeichnen und wiederzugeben, ist ein Wandel in Hörbuch, mp3 Player, Mini Disc-Rekorder, Compact Disc, Video und die damit inzwischen oft interagierenden auditiven Potentiale internetbasierter Kommunikation zeigen die bedeutende akustische Dimension innerhalb eines kulturellen Wandels, der individuelles, wie auch kollektives Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen ermöglicht, als auch die Produktion und den interaktiven Austausch von Hörangeboten aller Art fördert. Somit könnte man schlussfolgern, dass sich ein acoustic turn medienpraktisch längst vollzogen hat. Wissenschaftlich aufgearbeitet wurde er jedoch noch nicht hinreichend. in viele unterschiedliche Kulturwissenschaften hineinwirken, ist innerhalb der Wissenschaftsgemeinde bisher nichts vergleichbares für das Hören oder den terdisziplinäre Klangwissenschaft beschäftigen würde, wird momentan von verschiedenen anderen Wissenschaftszweigen ausgefüllt, vor allem von der Musikwissenschaft und der Medienwissenschaft. Wobei die Medienwissenschaft sich mehr auf das Visuelle als

In der Musikwissenschaft, die seit einigen Jahren verstärkt bemüht ist, über einen engen Musik- und Werkbegriff hinauszukommen, werden partiturbezogene den klangbezogenen Methoden immer noch bevorzugt. Das heißt: Partituren zu lesen ist in der Musikausbildung wichtiger als Klänge zu hören. Der traditionell ausgebildete Musiker muss demzufolge erst sehen, um etwas spielen zu können.


eine im Vergleich zum Sehen vernachlässigte Wahrnehmung und das, obwohl Podcasts, Hörbücher, Mobiltelefone, Corporate Sounds, produktbezogenes Sounddesign, Dolby-Surround-Technik im Kino, Einsatz von 3D Audiotechnik in Event-Inszenierungen, Sound und hintergründige atmosphärische Akustik in zierte auditive medienkulturelle Landschaft der Gegenwart darstellen. Fast alle zentralen Medien haben heutzutage eine auditive Ebene. Zahlreiche digitale Klangmedien sind keine Vorrangstellung mehr, wie noch zu Zeiten, da Klang nur akustisch erzeugt werden konnte. Klang ist elektronisiert und digitalisiert worden, so dass die auditive Wahrnehmung neben dem Lesen, Schreiben Zudem kann man von einer zeitlichen wie örtlichen Allgegenwärtigkeit von Musik sprechen. Die Musik hat die Anforderungen an Konzertsäle verändert und die Konzertsäle auch teilweise verlassen, um Einzug deutung gewonnen. Eine qualitative Steigerung bleibt wohl weiter zu diskutieren. Es besteht keinerlei Notwendigkeit eine Klangwissenschaft als neue Spartendisziplin zu etablieren oder dass die Kulturwissenschaften sich nur noch mit Klängen beschäftigen sollten. Eine Sensibilität für die Kulturbedeutung von Klängen und des Hörens zu entwickeln und nicht nur auf einzelne Gegenstandsbereiche zu beschränken scheint hingegen gegenwärtig und zukünftig erforderlich zu sein. Das Ziel sollte eine Erweiterung der allgemeinen Sozial- und Kulturwissenschaften sein, die eine bisher vernachlässigte Dimension erschließt. Es wurde sehr nachdrücklich aufgezeigt, dass Lärmbelästigung eine der größten Herausforderungen für zukünftige Klanggestaltung darstellt. Etymologisch leitet sich das Wort Lärm von einer Gefahr her, von der Möglichkeit vom Feind in einer kriegerischen Auseinandersetzung überrascht zu werden.

Für mich war an dieser Forschungsarbeit vor allem überraschend, wie viele Menschen ihren Feind gar keinster Weise bekämpft. Solange wir Lärm als Lärm und nicht als Klang wahrnehmen ist er ebenso an einem möglichen Untergang unserer Hochkultur beteiligt wie der Müll und muss auch mit einer entsprechenden Konsequenz bekämpft werden. Die großen Veränderungen unserer auditiven Umgebung, in der akustische Umweltverschmutzung bereits neue Krankheitssymptome hervorruft, scheint ein Demzufolge wäre die Notwendigkeit eines acoustic turn hier durchaus gegeben. Transformationen des Lärms in neu komponierte urbane Klanglandschaften, Gestaltung akustischer Inseln innerhalb lärmbelasteter Umgebungen und Soundinstallationen im städtischen Raum können einen Anfang in die bewusstere auditive Wahrnehmung darstellen. Ebenso bedarf es dringender Entwicklung und Erprobung technischer Verfahren, um Lärm zu transformieren oder zu absorbieren. Eine intensivere Klangökologie in Forschungsund Gestaltungsbereichen, ein erweitertes Akustikdesign das sich vor allem auf das Vermeiden unnötiger senden Autotüren und knackigen Paprikachips) sowie auch das Erproben ganz neuer Umweltgeräusche sind erforderlich und können positiv auf die Problematik akustischer Umweltverschmutzung einwirken. Wenn Klang und Musik mit ihrem direkten Zugang zu Emotionen in der Menschheitsgeschichte so tief verankert sind und uns helfen, mit uralten emotionalen feld sich darauf konzentrieren, diese Emotionen und zu lassen. Unseren nachkommenden Generationen eine Welt zu hinterlassen, die auditive Wahrnehmung zu einem positiven Hörerlebnis gestaltet, wird die große Herausforderung von Künstler, Musiker und Sounddesigner in den kommenden Jahrzehnten darstellen. Ästhetische Praktiken der Künste können das Hören selber zum -

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„Du verhörst dich, weil du mich verhörst und nicht hörst.“ Manfred Hinrich - deutscher Philosoph

7.2 Bewertung Während die paradigmatischen turns der letzten Jahrzehnte auf eine Neubewertung und Aufwertung eigener Wissensdisziplinen abzielten, werden akustische Phänomene als integrativer Teil von Kultur- und Medienwissenschaft schon vielfältig diskutiert. Der Stellenwert des Hörens wird damit zwar nicht in eine Hienicht unbeachtet. Generell stellt sich die Frage, ob eine Hierarchie der Sinne überhaupt sinnvoll erscheint und nicht eher eine Demokratie der Sinne angestrebt werden sollte, so dass ein neuer turn einen anderen, vorhergehenden, nicht ablöst, sondern als ein Teil der Gesamtheit wirkt, in welcher die verschiedenen turns miteinander konkurrieren, kooperieren und sich durch Wenn man einen turn nicht als Alternative zu einem nächsten turn versteht, sondern als seine Ergänzung, würde durch jeden neuen turn die Untersuchung der sensuellen Formen der Erschliessung unser Welt zumindest um eine dieser Formen vervollständigt. Schon allein aus diesem Grund dürfte es nicht an einem acoustic turn fehlen, um diese ganzheitliche Erschliessung zu gewährleisten. Ich schliesse mich der Aussage Mitchells an, der sich in seiner Kritik am pictorial turn vor allem auf die Dominanz einer einzigen Wahrnehmung bezieht: “Die prätendierte Hegemonie des Visuellen werde sich als Irrtum herausstellen, wenn man die anderen Sinne Ein eventueller acoustic turn sollte also keinesfalls vom Visualprimat zum Audioprimat führen, sondern als eine Ergänzung die vorhergehenden turns vervollständigen. Essay über ‘Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit’, dass Wahrnehmung kein „biologisches Faktum, sondern eine kulturelle Variable“ sei, auf die der mediale Wandel seine mittel-

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Demzufolge ist es nur eine Frage der Zeit, dass ein neuer turn bevorsteht oder aber die Wissenschaften “ihren Kampf um ‘symbolisches Kapital’, um Vorgeben und erkennen, dass gar keine Notwendigkeit besteht, eine Vielzahl von wissenschaftlichen Königreichen zu konstruieren. ner ‚Demokratie der Sinne‘ gleichberechtigt zu stärken und uns einer multisensorischen Wahrnehmung unserer Umwelt zu öffnen, bedarf es vielleicht keines acoustic turn, aber sehr wohl eines acoustic gap. nem Ausspruch von Nikolaus Harnoncourt, der als Piseinen Arbeiten über Jahrzehnte hinweg bewiesen hat, dass Innovation und Tradition nicht nur nebeneinander, sondern vor allem im Miteinander zu wunderbaren Werken fähig ist. Seine Worte unterstützen gleichunbedingt notwendig ist, dass aber ein Anspruch auf Ausschliesslichkeit einer einzigen Wahrnehmungsform ein Irrweg ist: „Ich fürchte, heute entwickelt sich unsere Welt so, dass man das nicht mehr versteht. Man richtet sich immer mehr nach dem Zweckhaften, das zum anderen, zum technischen Aspekt gehört. Wohlverstanden: Das zweckgerichtete Denken ist sehr wichtig und muss sein. Aber wenn es Ausschließlichkeit beansprucht, Denn die Logik kennt keine Moral. Deshalb bin ich der standteil unseres Lebens. Es muss neben dem logischen auch das phantastische Denken geben. Kunst


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Abb.10

Abb.12 Abb.13

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Abb.18

Anhang: http://hightechrupestre.com/wp-content/uploads/2014/01/mobilesmobile.jpg

Abb.11

48


Abk端rzungsverzeichnis

bzw. ebd. DTS f ff ggf Hrsg. Hz. o. A. S. SFX [sic!] usw. vgl.

= = = = = = = = = = = = = =

zit. n. =

beziehungsweise ebendort und folgende Seite und folgende Seiten gegebenenfalls Herausgeber Hertz - Einheit f端r Frequenz ohne Angabe Seite Soundeffekte wirklich so - Ausweisung eines erkannten Fehlers in einem Zitat und so weiter vergleiche zitiert nach

49


Klanggestaltung und auditive Wahrnehmung in Kunst und Design

Anhang

50




Anhang A1 Sounddesign - Erarbeitung eines neuen Funktionsklanges (akustisches Signal für nicht-sprachliche Schnittstellen mit Informationsgehalt) Name kurz aber repräsentativ ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Illustration eine Skizze des Problems ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------entscheidende Rolle bei der Abwägung von Kompromissen im Design ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

ein langanhaltender gleichbleibender Ton

Fünf kurze hintereinanderfolgende gleichlange Töne mit gleichbleibenden Pausen

Drei gleichlange Töne: Ausgangston - große Terz aufwärts - Rückkehr zum Ausgangston

I


Signale bei gleichen Zügen

Argumentation:

Durch eine allgemeine Klangcharakteristik wird dem Fahrgast bewusst, dass: 1. der Schliessprozess vorbereitet wird

Nutzer:

Fahrgäste, Reisende

Gerät: Stadtbahn, Züge regional und überregional Anwendungsbereich: öffentliche oder private Verkehrsmittel Nutzererleben: Vertrauen, intuitiv

II


A2 Klangsynthese Als Klangsynthese wird die Erschaffung und Zusammenführung von Klängen und dem zur Entstehung notzeugers mit vielen verschiedenen Klangfarben dar. Auch alle anderen Instrumente können als Synthesizer beund synthetischen Instrumenten bzw. Verfahren. Die daraus resultierende Annäherung oder Abgrenzung der Herkunft der klanglichen Resultate zueinander oder durch eine Mischform nicht eindeutig zu benennend, kann zu variationsreichen Ergebnissen führen. Das dazu notwendige technische Verfahren kann sowohl elektronisch als auch mechanisch funktionieren, indem entweder Klang mit diesen Hilfsmitteln aufgenommen oder erzeugt wird oder auf bereits bestehende AufnahAuch gänzlich neue Klänge können mit analogen oder digitalen Klangsyntheseformen realisiert werden, welche mit gängigen akustischen Instrumenten nicht herzustellen sind. Mithilfe von Oszillatoren werden Töne erzeugt, die dann mit Mischern, Filtern, Hüllkurven, tieffrequenten Oszillatoren und anderen Modulationsquellen im Pegel und in der Obertonstruktur bearbeitet werden können und da-

Subtraktive Synthese

Sägezahn-, Dreiecksschwingung und Pulswelle, sowie die damit einhergehenden, unterschiedlichen Strukturen

Additive Synthese Fouriers Theorem besagt, dass man jedes beliebige periodische Signal in eine Summe von Sinus- und Kosiquenzanteile. Im Umkehrschluss kommt man zu der Erkenntnis, dass jedes beliebige periodische Signal durch Zusammenfügen von verschiedenen Sinus- und Kosinusfunktionen generiert werden kann. Man kann sich einen gewünschten Ton also aus seinen einzelnen Frequenzanteilen ‚zusammenbauen‘. Diese Methode wird als ‚Additive Synthese‘ bezeichnet. Ringmodulation zweier Signale werden kontinuierlich multipliziert. Dies erzeugt einen Effekt, der als Ringmodulation bezeichnet wird. Die Ringmodulation ist eine spezielle Form der Amplitudenmodulation. Modulation heißt hier „verändert“. Die Amplitude einer Wellenform wird verändert, indem ihr Wert kontinuierlich mit dem Wert der Amplitude einer anderen Wellenform multipliziert wird.

III


FM-Synthese Die Frequenzmodulation setzt sich aus einem Träger- und einem Modulationssignal zusammen, bei welchem das Modulationssignal auf das Trägersignal einwirkt und durch Summen- und Differenzbildung der beiden Signale um die Trägerfrequenz herum neue Frequenzen bzw. Obertöne erzeugt werden, welche auch als Seitenbänder bezeichnet werden. Die bis heute beim Rundfunk verwendete Technik der Frequenzmodulation wurde -

Wavetable Synthese Filtern und Modulationsquellen manipuliert. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die zugrundeliegende Wellenform, falls gewünscht, im Verlauf des Spielens jederzeit geändert werden kann. Die verschiedenen Reihenfolge abgespielt werden. Hierbei bietet sich für die Wahl der Wellenformen, bzw. das Überblenden der verschiedenen Wellenformen ineinander, die Zuhilfenahme von Modulationsquellen wie Hüllkurven und LFOs an, da so teilweise überraschende, nicht vorherzusehende Resultate wie auch kontinuierliche Übergänge zwi-

Granularsynthese gel < 50ms ), sogenannten Grains, besteht. Sie hat den Vorteil, dass die Geschwindigkeit des Abspielvorgangs unabhängig von der Tonhöhe verändert werden kann. Realisiert wird dies über die Vervielfachung der Grains Formanten sowie die Tonhöhe eigenständig bearbeitet werden. Physical Modeling sikinstruments mit Modellen beschrieben. Reale Instrumente werden realitätsgetreu nachgebildet und virtuelle Instrumente bzw. neue Klänge können kreiert werden. Die physikalischen Eigenschaften eines Modells sind frei veränder- und kombinierbar. Das Funktionsprinzip des Physical Modeling ist, das zu imitierende oder kreierende Instrument in seinem Aufbau und in seiner Funktion zu analysieren und in Module aufzuteilen. Anschließend wird das entstandene Modell in ein mathematisches System übertragen. lich. Auch kann man mit dem Physical Modeling Elemente verschiedener Instrumente kombinieren, beispiels-

IV


A3 Audiobearbeitung schiedlichen Funktionen der Audiobearbeitung erläutert. Dabei wird, auf Grund der vielfältigen Möglichkeiten von Klangbearbeitung sowie der Vielzahl unterschiedlicher Audiobearbeitungsprogramme, auf eine detailierte Erläuterung verzichtet und sich ausschliesslich auf die Grundfunktionen der Audiobearbeitung konzentriert. Es werden drei Formen der Audiobearbeitung unterschieden: Die Pegelbezogene Klangbearbeitung, die Frequenzbezogene Klangbearbeitung und die Zeitbezogene Klangbearbeitung. Pegelbezogene Klangbearbeitung -

Es sollte darauf geachtet werden, immer in den Nulldurchgängen zu schneiden, so dass keine unbeabsichDurch die Funktionen Dämpfung/Verstärkung/Normalisierung kann der Pegel des Audiosignals bestimmt werden. Hierbei werden immer alle Werte des Signals in gleichem Maße verändert. Als Verstärkung wird allgemein die Pegelveränderung bezeichnet, also dessen Anhebung und Absenkung. Als Dämpfung wird Signals. Die Mischung von Audiodateien kann durch die Addition der einzelnen Samplewerte erreicht werden. In der ten kann, welche zu Laut sind und somit störend wirken. Fade Out/Fade In wird für das Ein- und Ausblenden von Datenmaterial benutzt und ist oft wichtiges Gestaltungsmittel beim abschließenden Verfahren. angewendet werden. Die klassische ADSR-Hüllkurve der analogen Klangsysnthese kann dabei simuliert

Frequenzbezogene Klangbearbeitung teil musikalischer Gestaltung und bieten die Möglichkeit, den Frequenzgang bzw. die Klangfarbe von Audiosignalen zu verändern. quenz, Pegel, Filterbreite) einzeln und unabhängig voneinander einzustellen. Graphische Filter bestehen aus einzelnen Schiebereglern, die festen Frequenzbändern mit festen Filterbreiten zugeordnet sind. Nur der Pegel der einzelnen Frequenzbänder ist einstellbar. Eine Mischform aus parametrischem und graphischem Filter ist der paragraphische Filter. Hier sind, wie beim parametrischen Filter, alle Parameter einzeln und unabhängig voneinander einstellbar. Die Frequenzveränderung wird jedoch zusätzlich visualisiert. setzt, um Verzerrungen durch Zischlaute bei Sprach/Gesangs-Aufnahmen zu verhindern.

V


Zeitbezogene Klangbearbeitung Die Zeitbezogene Klangbearbeitung kann durch die Verzögerungsfunktionen Chorus, Echo, Flanging, Phasing sowie durch Hall, Pitchshifting und Timestretching durchgeführt werden.

der Erzeugung eines Echos, wird das Originalsignal verzögert und anschießend wird das verzögerte Signal angewandt. Die Delayzeiten sind hier allerdings kürzer als 10 ms. Durch das Flanging wird die Klangfarbe ist. Der als Phasing bezeichnete Effekt gleicht im Höreindruck sehr einem starken Flanging. Die Phasenausdend für den Raumeindruck ist, wird oftmals auch eine „Early-Decay-Time“ angegeben. Zudem sind auch die absorbieren unterschiedliche Frequenzen und klingen somit anders. Die Simulation eines natürlichen Halls ist deshalb aufwendig und sollte sehr bewusst eingesetzt werden. Gute müssen. Alternativ können oftmals auch die klanglichen Eigenschaften der Absorption durch Filter simuliert werden. Der Effekt des Pitchshiftings besteht darin, dass die Tonhöhe des Audiomaterials um ein bestimmtes, wählstretching wird hingegen die Länge des Audiomaterials verändert - die Tonhöhe bleibt dabei unverändert.

VI


A4 Stereofonie Das Stereosystem ist ein mehrkanaliges Aufnahme- und Wiedergabesystem, bei dem aufnahmeseitig zwei der Position des Hörers auf der Mittelachse der Lautsprecher. Der Abstand der Lautsprecher entspricht dabei den Abständen der Lautsprecher zur Hörposition. Aus dieser Anordnung ergibt sich ein gleichseitiges Dreieck, das sogenannte Stereodreieck. An der stereofonen Wiedergabe sind also mindestens zwei Schallereignisse Um ein Hörereignis an einem bestimmten Ort zwischen den Lautsprechern erzeugen zu können, werden Pe-

der Differenzen repräsentiert. Werden zwei Mikrofone dort aufgestellt, wo der Zuhörer im Aufnahmeraum sitzt, dann müsse doch die Übertragung mit perfekten Komponenten auch perfekt sein schließlich haben Menschen auch nur zwei Ohren. Doch hochwertigsten Anlagen können wir bestenfalls tonale Ausgewogenheit erzielen. Korrekte räumliche Darstellung ist mit den konventionellen Verfahren nicht möglich. Diese geht schon bei der Aufnahme verloren.

Kopfhörer wiedergegeben. Mit der richtigen Platzierung der Mikrofone wird dabei versucht, die Maße des menschlichen Kopfes mit der Lage der Ohren nachzubilden. Eine natürliche Lokalisation akustischer Signale durch den Menschen soll erreicht werden. Dafür wurden unterschiedliche Aufnahmearten entwickelt. Zwei Mikrofone mit Kugelcharakteristik werden entsprechend den menschlichen Abmessungen bzw. Ausmaßen in entgegengesetzter Richtung platziert und mit einer schallabsorbierenden Scheibe getrennt. Die Scheibe simuliert auf einfache Weise den menschlichen Kopf. Eine weitere Möglichkeit kann durch Ohrstecker-Mikrofone erzielt werden, welche an der Außenseite der Stecker Mikrofonkapseln mit Kugelcharakteristik besitzen. Und eine dritte Aufnahmeart, die qualitativ die besten Ergebnisse erzielt, ist die Aufnahme mit einem Kunstkopf. Dieser ist einem menschlichen Kopf mit Aussenohren und Gehörgängen, in welche Mikrofone mit Kugelcharakteristik platziert werden, nachgebildet. men, sondern durch digitale Signalverarbeitung synthetisiert werden. Diese Synthese basiert auf der Tatsache, dass die Schallübertragung von einem Punkt im Raum bis vor das menschliche Trommelfell ein weitgehend lineares, zeitinvariantes System ist und somit im Zeitbereich durch eine Impulsantwort bzw. im Frequenzbereich

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A5 Surround Sound 5.1 5.1 dann auch für Digitalfernsehen standardisiert, so dass in heutiger Zeit diese Wiedergabetechnik als Teil des besteht aus einer frontorientierten Klangbühne, basierend auf drei-Kanal-Stereo sowie zwei seitlich oder hinten positionierten Kanälen. 5.1 soll in erster Linie ein frontales Sichtbild unterstützen. Die hinten/Seitenkanäle sind der Raumkunst überwiegend ein im Raum verteiltes Publikum erwartet wird.

A6 Quadrofonie Quadrofonie war einer der ersten Versuche, ein einheitliches System für die Präsentation von räumlicher AudioSystem vier Lautsprecher in gleichem Abstand die symmetrisch an den vier Eckpunkten des Hörraums angeordnet sind. Dieses Verfahren konnte sich kommerziell nicht durchsetzen. Das Quadrofonie-Format wird jedoch weiterhin für Aufführungen der Klangkunst verwendet. Karlheinz Stockhausen, der für seine künstlerischen Arer in einem Vortrag: “Jetzt haben Sie zweikanalige Stereoanlagen und sich das Geld mühsam vom Haushaltsgeld abgespart. Und wenn Sie das alle haben, dann fängt das vierkanalige Hören an. Zunächst können sich wenige Reiche die Apparate kaufen, anschließend kauft sie die sogenannte Mittelklasse, und dann schließlich haben es bald auch die Leute draußen in dem Dorf, wo ich wohne, weil sie einfach Quadrofonie haben müssen [...] Dann wird die gute Stube ausgeräumt, die jetzt schon die Fernsehstube ist, es kommen vier Lautsprecher hinein, und also hört man vierkanalig. Das wird hier in Deutschland genau so geschehen, wie in Amerika oder Japan”

A7 Ambisonics bild zu erstellen, so kann Ambisonics dies in einem größeren Ausmaß umsetzen. Dabei können mit wachsender chend genau wiedergegeben bzw. synthetisiert werden. Im Unterschied zu den kanalorientierten Übertragungsverfahren ist für die Wiedergabe keine feste Anzahl von Lautsprechern vorgegeben. Die jeweiligen Signale werden nach mathematischen Vorgaben aus den übertragenen Werten für Schalldruck- und Schallschnelle für jede einzelne Lautsprecherposition berechnet. Inzwischen sind auch schon Dekoder auf Softwarebasis implementierbar. Das ultimative Ziel von Ambisonics ist es, den Hörer in den eigentlichen Aufnahmeort zu transportieren. Sehr langsam setzt sich dieses Verfahren im Aufnahmebereich bei konventionellen Tonproduktionen für eine verbesserte Raumabbildung durch. Ein kommerzieller Durchbruch blieb bisher aus, so das das Verfahren weitarbeiten, um diese zu größerer Perfektion weiterzuentwickeln. Ambisonics hat möglicherweise Aussichten, die konventionellen kanalgebundenen Übertragungsverfahren abzulösen.

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A8 Wellenfeldsynthese

an der TU Delft von de Vries weiter erforscht. Die Wellenfeldsynthese ist ein Verfahren zur Rekonstruktion des Originalschallfeldes. Die Wahrnehmung beruht dabei, wie bei den konventionellen, kanalorientierten Audiowiedergabeverfahren, nicht mehr auf der auf psychoakustisch bedingten Wahrnehmung von Phantomschallquellen. Das Schallfeld wird physikalisch rekonstruiert. Dazu emuliert eine Lautsprecheranordnung eine Vielzahl von Elementarwellen. Einzeln steuerbare Lautsprechermembranen, meist linear um den Zuhörer aufgebaut, werden dazu genau in dem Moment ausgelenkt, zu dem die Wellenfront einer virtuellen Schallquelle ihren Raumpunkt durchlaufen würde. Aus einer ausreichend großen Zahl solcher Elementarwellen entsteht dann eine gemeinsame Wellenfront, welche sich physikalisch nicht mehr von einer realen Wellenfront unterscheidet. Die theoretische Grundlage für die Nachbildung des Klangs mittels WFS bildet dabei das nach den Physikern Christian Huygens und Augustin-Jean Fresnel genannte, Huygens-Fresnel-Prinzip. Dieses gilt für jegliche Wellenbewegung: Jeder Punkt einer Wellenfront kann als Ausgangspunkt einer neuen, sich kugelförmig ausbreitenden Welle betrachtet werden. Die weitere Ausbreitung der Wellenfront ergibt sich dann als äußere Einhüllende dieser sich überlagernden Elementarwellen. Die Realisierung des Huygens-Fresnel-Prinzips erfolgt, wenn an Weinzierl 2008, 665). Der Hörer kann sich in der gesamten Hörzone frei bewegen, während die virtuellen Schallquellen stabil lokalisierbar bleiben und eine natürliche Perspektive wahrgenommen wird. Dieses akustische Gegenstück zur optiDa der Realisierungsaufwand sehr hoch ist, wurde diese Technologie vor allem in universitären Einrichtungen Institut für Rundfunktechnik, die Universität in Erlangen, Fachhochschule Düsseldorf, T-Labs der Deutschen Telekom, Digitale Medien Furtwangen Universität, McGill University, Montreal, Canada und University of California,

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In Kooperation mit: Technische Kunsthochschule Berlin Department „Media Space“ Prof. Thomas Noller Prof. Dr. Stephan Günzel

Tom Franke master media spaces kingsdream production

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